Friedensjournalismus

Friedensjournalismus

Der Begriff Friedensjournalismus wurde im deutschsprachigen Raum erstmals nachweisbar von Alfred Hermann Fried, einem Vertreter des Pazifismus, 1901 in der Publikation "Unter der Weißen Fahne - Aus der Mappe eines Friedensjournalisten" verwendet. Heute steht der Begriff international für den Ansatz des norwegischen Friedensforschers Johan Galtung, der analog auch von "Kriegsjournalismus" spricht. Galtung versteht unter Friedensjournalismus eine kritische Berichterstattung aus Kriegsgebieten, die nicht die Sichtweise des Militärs übernimmt und sich für den Frieden einsetzt. Dieser Begriff stammt nicht aus dem Journalismus i. e. S. und ist keine Analogie zu Begriffen wie "Medizinjournalismus" oder "Kulturjournalismus".

Inhaltsverzeichnis

Der Ansatz

Die Theorie des Friedensjournalismus stammt aus der Friedens- und Konfliktforschung, wurde also von Wissenschaftlern erarbeitet. Sie vergleicht (unkritische) Kriegsberichterstattung mit der Sportberichterstattung: Es gibt mindestens zwei Parteien, und es geht um Sieg oder Niederlage. Der Krieg wird als unvermeidlich dargestellt und nicht hinterfragt. Die Sprache des Militärs wird übernommen. Allgemein werde Krieg in den Medien wesentlich stärker thematisiert als Friedensinitiativen.

Der so genannte Friedensjournalismus soll die Hintergründe des Konflikts verdeutlichen und mögliche friedliche Lösungen aufzeigen bzw. auf diese aktiv hinarbeiten. Es werden nicht nur die Truppen gezeigt, sondern v. a. die Opfer. Den Medien und den Journalisten wird die Rolle eines Vermittlers zwischen den Konfliktparteien zugewiesen. Die Berichterstattung soll eine deeskalierende Funktion haben.

Forderungen an Medien und Journalisten

Johan Galtungs Konzept des Friedensjournalismus basiert im Kern auf vier Forderungen an Medien und Kriegsberichterstatter:

  • Friedensjournalismus untersucht die Entstehung des Konflikts und stellt Lösungsansätze dar.
  • Alle Seiten kommen ausgewogen zu Wort; es gibt keine Einteilung in "gut" und "böse". Die Lügen aller Beteiligten werden aufgedeckt.
  • Aggressoren/Angreifer werden benannt; es wird über die Opfer auf allen Seiten gleichermaßen berichtet
  • Die Konfliktberichterstattug muss schon früh einsetzen und versuchen, zwischen den Parteien zu vermitteln

Darüber hinaus gibt es zehn Regeln für Friedensjournalisten (siehe Weblinks).

Kritik

Medien und Journalisten stehen dem Ansatz des Friedensjournalismus im Allgemeinen skeptisch bis ablehnend gegenüber. Die Theorie wurde in den Fachmedien auch nicht breit diskutiert, obwohl seit dem Golfkrieg 1991 die Kriegsberichterstattung zumindest in Europa immer wieder in Medien und Büchern thematisiert wurde. Das Hauptargument gegen den so genannten Friedensjournalismus ist die Tatsache, dass Journalisten eine aktive Rolle im Konfliktfall übernehmen sollen, was eine Aufgabe des objektiven Standpunktes bedeutet. Sie übernähmen damit Aufgaben von Politikern und Diplomaten. Friedensjournalismus ist eine Form des anwaltschaftlichen Journalismus.

Ein weiteres, oft genanntes Argument ist, dass unabhängige und kritische Berichterstattung aus Krisengebieten und im Kriegsfall bereits die meisten Forderungen des Friedensjournalismus erfüllt, ohne dass die Journalisten dafür die Position des Beobachters und reinen Informationsvermittlers aufgeben müssten. So sagte ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender: "Guter Journalismus hat immer den Frieden im Sinn."

Friedensmedien

Ausdrückliche "Friedensmedien", die sich dem Ansatz des Friedensjournalismus verpflichtet fühlen und der Friedensbewegung nahe stehen, sind z. B. Blue Sky Radio, ein Hirondelle-Projekt im Kosovo; Fondation Hirondelle, eine Schweizer Stiftung mit unabhängigen Radiosendern in Krisengebieten; International Alert eine britische NGO mit Projekten im Bereich der Konfliktbewältigung; Internews, eine international aktive NGO, die Medien zur Konfliktlösung einsetzt; Search for Common Ground, eine US-amerikanische NGO mit Radioredaktionen in Krisengebieten; Friedensnews, ein österreichisches Onlinemagazin für Friedensjournalismus.

Literatur

  • Nadine Bilke: Friedensjournalismus: wie Medien deeskalierend berichten können, Münster 2002, ISBN 3-89688-145-0
  • Wilhelm Kempf u.a.: Qualitative Inhaltsanalyse von Kriegspropaganda und kritischem Friedensjournalismus, Konstanz 1996
  • Etienne Fopa Simo: - Bedeutung der UNO und die „Fondation Hirondelle „für eine Friedensförderung durch Medien. Europäischer Universitätsverlag 2007,ISBN 9783899662702

Weblinks

Zitate

  • "Medien dürfen keine Kriege führen. Sie dürfen höchstens darüber berichten. (Siegfried Weischenberg, Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes)
  • "Die Idee des Friedensjournalismus ist weltfremd und nicht erstrebenswert. Man kann auch als Reporter nicht den Hunger der Welt bekämpfen, indem man sich zum Nahrungsjournalisten erklärt." (Peter Limbourg, Chefredakteur von N24)
  • "Ein Journalist darf sich nicht gemein machen. Auch nicht mit etwas Gutem" ,sagte Hans-Joachim Friedrichs, eine Ikone im deutschen Journalismus. Ich möchte ihm widersprechen. Als Friedensjournalistin möchte ich mich sehr wohl in den Dienst von etwas Gutem stellen. In den Dienst der Vision eines friedlichen Planeten. (Leila Dregger, "Friedensjournalistin")

Siehe auch


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