Friedo Lampe

Friedo Lampe

Moritz Christian Friedrich Lampe (* 4. Dezember 1899 in Bremen; † 2. Mai 1945 in Kleinmachnow) war ein deutscher Schriftsteller, Bibliothekar und Verlagslektor.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Lampe verbrachte seine Jugendjahre in Bremen. Wegen einer Gehbehinderung, die Folge einer Kindheitserkrankung (Knochentuberkulose) war, nahm er weder am Ersten noch am Zweiten Weltkrieg aktiv teil. Er studierte Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte und Philosophie in Heidelberg, Leipzig, München und Freiburg, wo er 1928 über Goeckingks Lieder zweier Liebenden zum Doktor der Philosophie promovierte.

Als Lektor beim Schünemann Verlag und Mitherausgeber von Schünemanns Monatsheften kehrte er zunächst nach Bremen zurück. Nachdem die Zeitschrift im Zuge der Weltwirtschaftskrise eingestellt worden war, ließ er sich bei Erwin Ackerknecht an der staatlichen Büchereischule in Stettin zum Volksbibliothekar ausbilden, als welcher er 1932 bei den Hamburger Öffentlichen Bücherhallen angestellt wurde.

Seit 1934 lebte Lampe in Berlin. Als Autor gehörte er einem Kreis an, der im Hause des jüdischen Arztes Lothar Luft zusammenkam (die Gebrüder Joachim Maass und Edgar Maass gehörten ebenso dazu wie Martin Beheim-Schwarzbach und, von München aus, Wilhelm Emanuel Süskind). 1937 trat er als Lektor in den Berliner Verlag seines Bremer Landsmannes Ernst Rowohlt ein und war nach dessen Gleichschaltung in der nämlichen Funktion für Goverts, Diederichs und Henssel tätig. Hier war er mit Horst Lange und Oda Schaefer befreundet, denen er gern vorlas. Im Zweiten Weltkrieg ausgebombt, kam er schließlich bei der von ihm lektorierten Autorin Ilse Molzahn in Kleinmachnow unter, wo er am 2. Mai 1945 von russischen Soldaten erschossen wurde, die in ihm einen SS-Mann vermuteten, weil er dem Foto in seinem Wehrpass nicht mehr ähnlich sah. Er wurde in einem Kriegsgrab als Volkssturmmann im Kleinmachnow-Waldfriedhof bestattet.

Sein erstes Buch „Am Rande der Nacht“ wurde kurz nach seinem Erscheinen im Oktober 1933 von den Nazis beschlagnahmt und eingezogen, weil er in ihm u. a. eine Liebesbeziehung zwischen einer bremischen Hausfrau und einem „Neger“ angedeutet sowie relativ offen homosexuelle Neigungen dargestellt hatte. Die Ballade Das dunkle Boot (1936) und der zweite Roman Septembergewitter (1937) konnten zwar unbehelligt erscheinen, blieben aber weitestgehend unbeachtet. Der Band Von Tür zu Tür. Zehn Geschichten und eine, 1944 fertiggestellt, konnte erst posthum (1946) ausgeliefert werden. So wird Lampes Klage verständlich: „Ich habe eben immer Pech mit meinen Büchern.“

In der Bundesrepublik ging es ihm lange kaum besser. Obwohl Kollegen wie Hermann Hesse, Wolfgang Koeppen, Alfred Andersch, Hans Bender, Heinz Piontek und Peter Härtling wiederholt nachdrücklich auf Lampe hinwiesen, konnten die beiden Ausgaben des Gesamtwerks (1955, 1986) lediglich schleppenden Absatz verzeichnen. Das hat sich erst mit der neuen Edition geändert, die seit dem 100. Geburtstag des Autors beim Göttinger Wallstein Verlag in Einzelbänden erschien (und vorübergehend sogar bei dtv als Taschenbuch lieferbar war). Auch das akademische Interesse an dem Bremer Schriftsteller ist in den letzten Jahren stetig gewachsen, und zu den älteren französischen und niederländischen Übersetzungen sind italienische Versionen der beiden Romane getreten, während serbische und spanische Fassungen vor der Veröffentlichung stehen.

Lampe, der sich in der griechisch-römischen Antike ebenso gut auskannte wie im 18. und 19. Jahrhundert, aber auch mit der Literatur des fin de siècle und der internationalen Moderne vertraut war, ordnete sich dem magischen Realismus zu (den er selbst bei Goethe aufzuspüren meinte). Lyrisch dichte, rhythmisierte und atmosphärisch angereicherte Prosa und regional eingefärbte umgangssprachliche Dialoge wechseln sich ab. Er verwendete in seinen Werken häufig eine an den Film angelehnte Darstellungstechnik: Schnitte, Schwenks, Überblendungen.

Werke

  • Am Rande der Nacht. Berlin: Rowohlt, 1934; Göttingen: Wallstein, 1999, hg. von Johannes Graf, ISBN 3-89244-391-2
  • Das dunkle Boot. Hamburg: Dulk, 1936
  • Septembergewitter. Berlin [u. a.]: Rowohlt 1937; Göttingen: Wallstein, 2001, hg. von Jürgen Dierking, ISBN 978-3-89244-449-7
  • Von Tür zu Tür. Hamburg: H. Goverts, 1944 und Claassen & Goverts, 1946; Göttingen: Wallstein, 2002, hg. von Johann-Günther König, ISBN 3-89244-391-2
  • Das Gesamtwerk. Hamburg: Rowohlt,1955, hg. von Johannes Pfeiffer; Reinbek: Rowohlt, 1986, mit einem Nachwort von Jürgen Dierking und Johann-Günther König

Herausgeberschaft

  • Lebendiges 18. Jahrhundert. Bremen [u. a.]: Rot und Schwarz Drucke, 1933
  • Das Land der Griechen. Berlin: Die Waage, 1940
  • In der Deutschen Reihe (Jena: Diederichs, 1943/44) versah er die Hefte Nr. 122, 124, 126, 128, 131, 133, 140, 142, 143 und 144 jeweils mit einem Nachwort:
    • Franz Grillparzer: Der arme Spielmann.
    • Wilhelm Hauff: Phantasien im Bremer Ratskeller.
    • Joseph Freiherr von Eichendorff: Eine Meerfahrt.
    • Marie von Ebner-Eschenbach: Die Freiherren von Gemperlein.
    • Karl Postl (Dealsfield): Das Blockhaus am Red River.
    • Ulrich Braeker: Des Geißhirten erste Liebe.
    • Heinrich von Kleist: Der Zweikampf.
    • Achim von Arnim: Wunder im Alltag.
    • Johann Wolfgang von Goethe: Der Prokurator/Die Verwirrung des jungen Ferdinand/Der ertrunkene Knabe.
    • Jeremias Gotthelf: Die Wassernot im Emmenthal.

Literatur

  • Hans Dieter Schäfer: Am Rande der Nacht. Moderne Klassik im Dritten Reich. Frankfurt/M., Wien: Ullstein, 1984
  • Badoux, Eugène: Friedo Lampe. Une psychobiographie. Lausanne: Editions L’Age d’Homme, 1986
  • Michael Scheffel: Magischer Realismus. Die Geschichte eines Begriffes und ein Versuch seiner Bestimmung. Tübingen: Stauffenberg, 1990
  • Doris Kirchner: Doppelbödige Wirklichkeit. Tübingen: Stauffenberg, 1993
  • Friedo Lampe, 1899–1945, Leben und Werk eines bremischen Schriftstellers. Bremen [u. a.]: Achilla Presse, 1995 ISBN 3928398318
  • Friedo-Lampe-Gesellschaft (Hg.): Ein Autor wird wiederentdeckt. mMt Beiträgen von Jürgen Dierking, Elisabeth Emter, Johannes Graf und Johann-Günther König, Göttingen: Wallstein, 1999 ISBN 3-89244-407-2
  • Christian Klein: Schreiben im Schatten. Homoerotische Literatur im Nationalsozialismus. Mit einem Vorwort von Gert Mattenklott. Hamburg: MännerschwarmSkript 2000, S. 150-161
  • Annette Hoffmann: Friedo Lampe: Idyllen auf „vulkanischem Grund“. Erzählen im Stil des Magischen Realismus während des Dritten Reichs. Dissertation, Universität Freiburg, 2002
  • Hans Dieter Schäfer: Moderne im dritten Reich. Kultur der Intimität bei Oskar Loerke, Friedo Lampe und Helmut Käutner, Mainz: Akademie der Wissenschaften und der Literatur, 2003
  • Philipp Zechner: Rückblick von außen: 'Am Rande der Nacht' von Friedo Lampe. Magisterarbeit, Universität Frankfurt am Main, 2004
  • Markus Drescher: Viele Geschicke weben neben dem meinen, durcheinander spielt sie alle das Dasein. Friedo Lampe und Wolfgang Koeppen. Diplomarbeit, Universität Bamberg, 2006
  • Teresa Haider: Komposition in Moll. Die Darstellung der Wirklichkeit in Friedo Lampes Roman „Am Rande der Nacht“. Magisterarbeit, Universität Wien, 2007

Übersetzungen

  • Friedo Lampe: Au bord de la nuit. Traduit de l’allemand et présenté par Eugène Badoux (Lausanne: Editions L’Age d’Homme, 1970)
  • Friedo Lampe: Bij het vallen van de duisternis. Onweer in september. Vertaling en nawoord dor Martin Mooij (Leiden: Tango, 1974)
  • Friedo Lampe: Orage de septembre. Traduit de l’allemand et présenté par Eugène Badoux (Lausanne: Editions L’Age d’Homme, 1976)
  • Friedo Lampe: Au bord de la nuit. Traduit de l’allemand et présenté par Eugène Badoux, préface de Daniel Rondeau (Paris: éditions 10/18, 1987), ISBN 2-264-01025-8
  • Friedo Lampe: Orage de septembre. Traduit de l’allemand et présenté par Eugène Badoux, préface de Daniel Rondeau (Paris: éditions 10/18, 1987), ISBN 2-264-01024-X
  • Friedo Lampe: Ai margini della notte A cura di Giovanni Nadiani (Faenza: Mobydick, 2001), ISBN 88-8178-168-9
  • Friedo Lampe: Temporale a settembre. A cura di Giovanni Nadiani (Faenza: Mobydick, 2002), ISBN 88-8178-232-4

Weblinks


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