Friedrich Griese (Schriftsteller)

Friedrich Griese (Schriftsteller)
(1932)

Friedrich Griese (* 2. Oktober 1890 in Lehsten; † 1. Juni 1975 in Lübeck) war ein deutscher Schriftsteller. Heute weitgehend vergessen, war er in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der bedeutendste Schriftsteller Mecklenburgs. Griese gilt als wichtiger Vertreter der „Blut und Boden“-Literatur der NS-Zeit.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Bis 1933

Friedrich Griese wurde als Sohn eines verarmten Bauern und späteren Tagelöhners in Lehsten (Kreis Waren/Mecklenburg) geboren. Nach Besuch des Lehrerseminars in Lübtheen arbeitete er ab 1913 als Volksschullehrer. Im Ersten Weltkrieg meldete Griese sich freiwillig als Soldat. Nach einer Verwundung fast taub, wurde er 1916 aus dem Kriegsdienst entlassen und arbeitete wieder als Lehrer. Von 1913 bis 1926 wirkte Griese als Lehrer in Stralendorf bei Parchim. Von Herbst 1926 bis Frühjahr 1931 war Griese Lehrer an einer Knaben-Volksschule in Kiel. Zur Förderung seiner dichterischen Tätigkeit wurde Griese 1931 zum Rektor ernannt und mit vollen Bezügen vom Schuldienst beurlaubt. Nach Mecklenburg kehrte Griese 1935 zurück. Sein erstes Buch entstand 1921.

Grieses Werk umfasst über 50 Titel: allein 14 Romane, zehn Bände mit Erzählungen und sieben separat erschienene, sechs Dramen, vier autographische Schriften, vier Bücher über Mecklenburg und zwei Biographien - neben Reden, Aufsätzen, Hörspielen, Märchen und einigen Gedichten. Seine Bücher wurden ins Englische, Finnische, Niederländische, Norwegische, Rumänische, Schwedische und Tschechische übersetzt, auszugsweise auch ins Italienische ("Winter", "Inverno"). Griese zählt mit Władysław Reymont und Jean Giono zum Kreis der Landschaftsdichtung.

Beeinflusst von „nordischen“ Autoren wie Hamsun und Lagerlöf, aber auch von Schopenhauer und Houston St. Chamberlains antisemitischem Standardwerk „Grundlagen des 19. Jahrhunderts“, begann Griese zu schreiben. In seinem ersten Roman Feuer (1921) behandelt er mit autobiographischem Einschlag das Thema Kriegsheimkehrer. Schon hier ist Grieses literarisches Hauptthema, die Verklärung des bäuerlichen Lebens, zu finden. Mit weiteren Romanen sowie Theaterstücken traf er schon in der Weimarer Zeit den Geschmack der national-konservativen Leserschaft, wobei auch die wichtige Stellung, die Sexualität in seinen Büchern einnimmt, eine Rolle gespielt haben wird. Sein erster großer Romanerfolg war Winter (1927), für den er zwei Auszeichnungen erhielt und der auch nach 1945 mehrfach wieder aufgelegt wurde. Das Buch schildert den Untergang eines mecklenburgischen Dorfes, dem nur ein junges Paar, die Bauerntochter Grita und Jona, Sohn eines slawischen Knechts, entgeht.

Von 1921 bis 1933 hatte Griese fünfzehn Bände publiziert, die nach überwiegender Ansicht der Literaturwissenschaft „auch noch heute den qualitativen Schwerpunkt seines Werkes bilden“. „Allein schon vom Volumen her waren zwei Drittel des Grieseschen Gesamtschaffens bereits erschienen, bevor das Dritte Reich erschien.“ Marcel Reich-Ranicki hebt hervor, dass sich Grieses Bücher „durch atmosphärische Dichte, durch intensive Stimmungen und eine einfache und sehr anschauliche Sprache“ auszeichnen. Der Literaturwissenschaftler Stefan Busch urteilt dagegen: „Die dort entworfene bäuerliche Welt enthält unverkennbar reaktionäre Züge, auch finden sich faschistische Ideologeme wie Fremdenhass, Irrationalismus und Antimodernismus“.[1] Griese selbst verstand sich als unpolitischer Autor, der in seinen Werken bewusst traditionelle Lebensmodelle und Wahrheiten der „modernen“ entfremdeten städtischen Lebensweise gegenüberstellte.

Im NS-Staat

(1935)

1933 unterzeichnete Griese wie 87 weitere deutsche Schriftsteller das an Adolf Hitler gerichtete Gelöbnis treuester Gefolgschaft. Grieses eigentliche Erfolgszeit als Autor begann erst nach 1933. Die von ihm propagierte „Einheit zwischen dem Blut und dem Boden“[2] als völkische Lebensgrundlage machte ihn zum wichtigen Vertreter der antizivilisatorischen Strömung innerhalb der NS-Literatur.

Nachdem 1933 die Sektion Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste zur Deutschen Akademie der Dichtung gleichgeschaltet worden war, berief man Griese als neues Akademie-Mitglied.[3] In der Folge erhielt und akzeptierte er wahrscheinlich mehr Preise als jeder andere Schriftsteller im Dritten Reich.[4] Griese hielt Reden auf Tagungen des NS-„Amts für Schrifttumspflege“ im Amt Rosenberg und trat 1942 der NSDAP bei. Zum Parteieintritt schrieb er nach Kriegsende in einem in Parchim verfassten Antrag zur politischen Entlastung: „Trotzdem habe ich zuletzt aber fahrlässig gehandelt und bin politisch lau gewesen: ich habe mich Ostern 1942 in die NSDAP aufnehmen lassen. Ich bin nicht dazu gezwungen worden, ich habe es auch nicht freiwillig getan; vielleicht ist es aus einer falschen Solidarität heraus geschehen, oder um immer wiederholten telefonischen Anfragen aus dem Wege zu gehen, aus der Meinung heraus, es sei doch schon alles gleichgültig, was noch getan oder unterlassen werde.“

Schon 1935 bekam er auf Veranlassung des Reichsstatthalters und späteren Gauleiters Friedrich Hildebrandt von der mecklenburgischen Landesregierung den enteigneten Hof Rethus bei Parchim als Geschenk. Der rechtmäßige Besitzer war enteignet worden, weil er mit einer Jüdin verheiratet war, und erhielt den Hof nach 1945 zurück.[5]

Anders stellt sich dieser Vorgang im Nachlassbestand von Friedrich Griese im Fritz Reuter Literaturarchiv Hans-Joachim Griephan in Berlin dar. Dieser umfasst umfangreiche Korrespondenz, persönliche Aufzeichnungen und amtliche Schriftstücke. Danach schenkte ihm die mecklenburgische Landesregierung auf direktes Betreiben von Staatsminister Friedrich Scharf das zuvor von einer nach Schleswig-Holstein verzogenen Frau Leischner erworbene Grundstück Markower Mühle bei Parchim, auf dem Griese sich dann auf eigene Rechnung sein „Rethus“ bauen ließ. Über die erste Begegnung mit Scharf im Herbst 1934 in Kiel äußerte Griese später: „Ich sagte dem Minister, daß ich kein Parteimitglied sei und es auf diese Weise auch nicht werden wolle. Dr. Scharf, der sich gern seiner Muttersprache bediente, erwiderte: Herr Griese, wi will jo keinen Pg [Parteigenossen], wi willn unsen Dichter wedder hewwen.“ Der Griese nach Kriegsende entzogene Besitz Markower Mühle wurde ihm 1954 zurückgegeben: Am 6. Dezember 1954 erhielt Griese die Mitteilung, auf Veranlassung des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Schwerin sei am 25. November 1954 das Grundbuch von Parchim berichtigt und Griese wieder als rechtmäßiger Eigentümer eingetragen worden. Der stellvertretende Ratsvorsitzende für Kultur und Volksbildung Franz Höppner schrieb Griese: „Damit ist die Verfügung des damaligen Bürgermeisters der Stadt Parchim vom 16.8.1945, die unter falschen Voraussetzungen getroffen wurde, korrigiert, und die alten Besitzverhältnisse sind wieder hergestellt.“

Die Auflagenzahlen seiner Bücher stiegen in den 1930er Jahren auf mehrere hunderttausend, woran auch Sonderausgaben für die Wehrmacht einen großen Anteil hatten.[6] Am erfolgreichsten waren seine historische Erzählung Die Wagenburg (1935) und der „Roman eines starken Geschlechts“ Die Weißköpfe (1939). In dem Aufsatz Unsere Arbeit ist Glaube, erschienen in der „Schriftenreihe der NSDAP“, beschreibt er das dörfliche Leben als Modell für die völkische Lebensgemeinschaft – wohl die einzige explizit politische Schrift Grieses im Dritten Reich.

Trotz der intensiven Förderung und der zahlreichen Ehrungen enthielt sich Griese in diesen Jahren weitestgehend jeder direkten Stellungnahme zum Nationalsozialismus. Das Munzinger-Archiv schreibt: „Obwohl Griese sich nicht ganz in das dem Dritten Reich genehme Schema 'Blut und Boden' einfügen ließ, 'reklamierten' ihn die damals für deutsche Literaturbetriebe Verantwortlichen für sich, was Griese nach 1945 zum Schaden gereichte.“ Und: „Sein Werk paßte deshalb schon in die konservative Tradition der deutschen Blut- und Bodenmystik, ohne daß Griese aber somit dem Ungeist dieser Zeit verfallen wäre.“ Dem offiziell propagierten Mythos vom „nordischen Menschen“ zuwider stellte er in seinem Werk gerade den im Blut gemischten, östlichen, verachteten slawischen Menschen dar. Es sind keine antisemitischen Äußerungen belegt. Ebenfalls nicht belegt sind von Gerd Simon behauptete rassistische Äußerungen.[7] Der Schriftstellerkollege Hans Lipinsky-Gottersdorf sieht Grieses Romane „bei kritischer Betrachtung dem russischen Symbolismus verwandter als der Reichsnährstandsmythologie“ (Brief vom 7. Juli 1970).

Nach der Auszeichnung mit dem von Gauleiter Friedrich Hildebrandt gestifteten Mecklenburgischen Schrifttumspreis am 19. August 1939 in Bad Doberan äußerte Griese: „Allmählich bekomme ich ein wenig Angst vor solchen Segnungen von oben her; der Arbeit helfen sie nämlich nicht, man könnte sogar das Gegenteil aus den verschiedenen Erfahrungen herauslesen“ (Brief vom 28. August 1939 an Paul Brockhaus in Lübeck). Auf Hitlers Überfall auf Polen im September 1939 reagierte Griese mit der Bemerkung: „Was soll überhaupt werden? Denn einmal muß ja doch dieser immer aufs neue und mit Bedacht geschürte Haß wieder aus der Welt verschwinden. Eine alte geistige Welt geht langsam unter, und vorhanden ist vorläufig nur der Verwesungsgeruch“ (Brief vom 16. November 1939 an Paul Brockhaus).

In der Zeit des Nationalsozialismus war Griese 1936/37 kurzzeitig auch Herausgeber der Mecklenburgischen Monatshefte. Er übernahm die Herausgeberschaft am 1. Oktober 1936 und gab sie zum 1. April 1937 bereits wieder ab.

1940 verlieh Adolf Hitler Griese die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft, die zweithöchste Auszeichnung für Künstler, die in Nazideutschland vergeben wurde.[8] Aus diesem Anlass erhielt Griese Glückwunschschreiben u. a. von Reichsminister Joseph Goebbels („in dankbarer Würdigung Ihrer großen dichterischen Leistungen“), Reichsleiter Alfred Rosenberg („Ich verbinde damit den Dank für alle Ihre Werke, die Sie dem deutschen Volk geschenkt haben und die inmitten der heutigen Zeit eine große Stärkung für das Bewußtsein des deutschen Volkes geworden sind.“) und SS-Brigadeführer und Präsident der Reichsschrifttumskammer Hanns Johst („Mein lieber und herzlich verehrter Friedrich Griese!“). Gries sandte ein Dankschreiben an Hitler: „Mein Führer! Sie haben mir zu meinem 50. Geburtstag am 2. Oktober die Goethemedaille verliehen. Für diesen deutlichen Beweis Ihrer Anerkennung meiner Arbeit danke ich Ihnen mit der Ehrfurcht, die wir alle Ihnen, gerade in dieser Zeit entgegenbringen. Heil mein Führer!“ [9]

Zur Verleihung der Goethe-Medaille äußerte Griese in einer Stellungnahme vom 18. April 1952: „Diese Medaille war eine Angelegenheit der Arterienverkalkung, man bekam sie mit 60 oder 70; ich bekam sie mit 50, weil diejenigen, die in den Ministerien die Verleihungen anregten, einen Beweis dafür aufstellen wollten, daß die Goethemedaille auch für rein literarische Dinge gegeben werden könne: die beiden 50jährigen, die sie schon hatten, waren Hans Friedrich Blunck und Hanns Johst, die sie wegen ihrer politischen Arbeit bekommen hatten. Befürworter der Verleihung an mich war Dr. Rudolf Erckmann vom Propaganda-Ministerium, dessen Wollen darauf gerichtet war, die deutsche Literatur über die schlimmste Zeit hinüberzubekommen.“ In einem „Antrag zur politischen Entlastung“, 1945/46 in Parchim gestellt, resümierte Griese über sein Schreiben in der Zeit des Nationalsozialismus: „Die Art meiner Bücher hat sich also auch in den Jahren der Herrschaft Hitlers nicht geändert; ich habe mich immer bemüht, das eine nachzuweisen: Die Kraft der Landschaft im Leben des Einzelnen wie in dem der Gemeinschaft.“

Nach Darstellung von Jutta Ditfurth [10] hatte Friedrich Griese 1936/1937 neun Monate lang eine "leidenschaftliche Affäre" mit Ingeborg Meinhof, der Tochter seines Freundes Johannes Guthardt und der Mutter von Ulrike Meinhof. „Als Griese nach einer Weile Werner Meinhof über die Beziehung informierte, kam es zu schrecklichen Auseinandersetzungen“, schreibt Jutta Ditfurth. Alois Prinz [11] erwähnt die „kurze, aber heftige Affäre“ ebenfalls, allerdings ohne Nennung des Namens Griese. Nach Angaben von Jutta Ditfurth hat Griese ihre gemeinsame Liebesgeschichte in seinem Roman Bäume im Wind (1937) verarbeitet.

Nachkriegszeit

Am 22. Juni 1945 wurde Griese verhaftet und zunächst im GPU-Keller in Parchim festgehalten, am 6. Juli wurde er für fünf Monate in das Zuchthaus (Landesstrafanstalt) Alt-Strelitz verlegt und war bis zum 13. Februar 1946 im sowjetischen Speziallager Fünfeichen bei Neubrandenburg interniert, wo er schwer erkrankte. Unmittelbar nach seiner Freilassung, die Griese dem Leiter der Informationsabteilung in der Sowjetischen Militäradministration für Mecklenburg-Westpommern, Oberst A. Serebriski, verdankte, wurde er am 22. und 25. Februar 1946 von russischen Ärzten in einem sowjetischen Straflazarett in Schwerin an einer Phlegmone operiert und am 6. März nach Parchim entlassen. Obwohl sich Autoren wie Johannes R. Becher und Willi Bredel, der Philosoph Eduard Spranger sowie der Publizist Rudolf Pechel für seine Freilassung eingesetzt hatten, stand seine Vergangenheit zunächst einer Zukunft als Autor im Ostteil Deutschlands entgegen.

Zu jenen, die sich nach Kriegsende für Griese einsetzten, gehörte auch Johannes Guthardt, den die Nationalsozialisten 1933 wegen seiner SPD-Mitgliedschaft aus dem Staatsdienst entfernt hatten und der nach Kriegsende als SED-Mitglied in West-Berlin lebte. Als Schulrat in Schleswig war Guthardt während Grieses Lehrerzeit in Kiel dessen Vorgesetzter gewesen. Zur Entlastung Grieses schrieb Guthardt am 14. Oktober 1946 an den Rat der Stadt Parchim.[12]: „Am Tage der Machtübernahme durch Hitler war ich mit Griese lange zusammen. Ich blieb bei ihm über Nacht, weil ich mit Verhaftung rechnen mußte. Als der Fackelzug der SA über die Straßen geisterte, sagte Griese zu mir: Das dauert etwa 7 bis 8 Jahre. Dann schießt sich Hitler eine Kugel durch den Kopf ! Dann hat der Hitlerismus abgewirtschaftet. – Die verneinende Einstellung Friedrich Grieses zum Nationalsozialismus geht daraus klar hervor.“

Um einer zweiten Verhaftung, diesmal durch Deutsche, zu entgehen, floh Griese in den Westen und ließ sich in dem Dorf Velgen bei Ebstorf im Kreis Uelzen nieder. Der Grenzübertritt mit Frau und Tochter erfolgte am 24. Juli 1947 bei Herrnburg (Lübeck). In der DDR wurde Grieses Unsere Arbeit ist Glaube (1940) auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[13] Dennoch erschien noch 1955 in der DDR seine Erzählung Das Kind des Torfmachers, die erstmals 1937 veröffentlicht worden war. Zuvor, im Oktober 1954, und noch danach gab es wiederholt Bemühungen, Griese zur Übersiedlung in die DDR zu bewegen und ihn in Ahrenshoop anzusiedeln. Daran beteiligt waren Werner Baum vom Ostberliner Ministerium für Kultur, Ruth Stemmler vom Deutschen Schriftstellerverband, Hans Marquardt vom Leipziger Reclam-Verlag und Peter E. Erichson vom Rostocker Hinstorff Verlag, die Griese in Velgen am Rande der Lüneburger Heide besuchten.

Ab 1947/48 konnte Griese wieder publizieren. Seine alten Bücher und neue Werke erschienen bis Mitte der 1960er Jahre in zahlreichen Auflagen und Buchklub-Ausgaben, seine letzten beiden Bücher 1970 (Leben in dieser Zeit 1890–1968) und 1974 (Eure guten Jahre). Bis Ende der 1960er Jahre waren seine Texte in bundesdeutschen Schulbüchern zu finden. Grieses neue Bücher verzichteten auf die mythische Schilderung der Dorfwelt und jeden „Blut und Boden“-Bezug, sondern erzählten überwiegend einfache Dorfgeschichten. Dies führte dazu, dass seine Romane bei seiner alten Leserschaft immer weniger Käufer fanden und die nachgewachsene jüngere Generation unter den Bedingungen der Nachkriegsgesellschaft keinen Zugang zur Phantasiewelt seiner alten Werke fand. Seine letzten Bücher erschienen in Kleinauflagen von 3000 Stück.

1960 war Griese in Lübeck Gründungspräsident der Fritz Reuter Gesellschaft e. V., heute mit Sitz in Neubrandenburg.

Erst 1964 kam es anlässlich der Verleihung des Mecklenburger Kulturpreises an Griese zu einer öffentlichen Auseinandersetzung über seine Verstrickungen in den Nationalsozialismus. „Sind wir wieder so weit?“, fragte am 3. Juli 1964 der Literaturwissenschaftler Karl Otto Conrady in einem Artikel der Zeit. Gegen die Angriffe wehrte Griese sich eher hilflos. Was bei der Kontroverse übersehen wurde, war, dass er sich durchaus mit seiner Vergangenheit auseinandergesetzt hatte. Insbesondere in dem autobiographischen Haftbericht Der Wind weht nicht, wohin er will (1960) reflektiert er seine eigene Rolle selbstkritisch. Persönliche Schuld sah er vor allem in seiner Inaktivität: „Auch ich hatte nicht nein gesagt; wohl hatte ich halbe Absagen und ganze Vorbehalte gemacht, die aber schon damals weniger als ihren halben Wert und jetzt gar keinen hatten.“ Seine Lagerzeit akzeptiert er als Strafe für die von den Deutschen begangenen Verbrechen, an denen er selbst mitschuldig sei, weil er geschwiegen habe. „Damals ließ ich es dabei, es war ja nicht ich, der davon betroffen wurde. ... Demnach wird mir die Wiederholung der Lehre mit vollem Recht zuteil.“[14] Das Verhältnis von Kunst und Politik im Nationalsozialismus und seine Funktion dabei konnte oder wollte er aber nicht begreifen. Griese war, so schreibt Marcel Reich-Ranicki in seinem Nachruf, „kein Prophet des Nationalsozialismus, wohl aber sein williges Werkzeug“.[15] Bundespräsident Heinrich Lübke würdigte Grieses Lebenswerk 1965 in einem Glückwunschtelegramm zum 75. Geburtstag mit den Worten: „Ihre zahlreichen Romane, Novellen und Bühnenwerke künden von der Kraft des einfachen Lebens und der Stille der Tradition des Bauerntums und seiner schicksalhaften Verbundenheit mit der Landschaft. Sie haben darin vor allem Ihrer mecklenburgischen Heimat ein Denkmal gesetzt.“

An der Person Friedrich Griese wird exemplarisch deutlich, wie kompliziert und komplex ein Dichterleben in der Zeit des Nationalsozialismus sein konnte.

Heute sind Friedrich Grieses Bücher vergessen und nur noch antiquarisch erhältlich. Wissenschaftlich haben sich mit Grieses Werk in den letzten Jahren die Literaturtage in Grieses Geburtsort Lehsten, die Griese-Tagungen in Parchim, ein Kolloquium in Bad Doberan, das Deutsche Literaturarchiv in Marbach und das Fritz Reuter Literaturarchiv in Berlin beschäftigt. Das Reuter-Archiv verfügt zu Griese über einen umfangreichen Autographenbestand (Briefe, Manuskripte, persönliche Dokumente) und führt eine Kartei, die in 14 deutschen Archiven und Bibliotheken derzeit mehr als 600 Briefe von und an Griese sowie rund 90 Briefe Dritter über Griese nachweist. Ein wichtiger Teil des schriftstellerischen Nachlasses von Friedrich Griese liegt im Deutschen Literaturarchiv in Marbach. Ein weiterer umfangreicher Nachlassbestand ist 2010 in das Fritz Reuter Literaturarchiv gelangt, darunter mehr als 300 Briefe von und an Griese. Zu diesem Bestand gehören auch 32 Kassiber und Briefe aus seiner Haft- und Lagerzeit in Parchim, Alt-Strelitz und Neubrandenburg-Fünfeichen.

In seinem Geburtsort Lehsten sowie in Lübeck und Groß Grönau sind Straßen nach Friedrich Griese benannt. Sein 1935 erbautes Wohnhaus bei Parchim, das Kinderkurheim „Markower Mühle“, trägt seit 1990 ebenfalls den Namen des Dichters. Mit der Namensgebung ging spät ein kurz vor seinem Tod geäußerter Wunsch Grieses in Erfüllung. Griese schenkte Haus und Grund „Markower Mühle“ 1975 der Stadt Parchim und wünschte sich für das Haus den Namen „Kinderheim Friedrich Griese“. „Ich möchte, daß mein Name und der meiner Familie mit unserer Stadt Parchim verbunden bliebe. Einrichtungen des Staates oder der Gemeinde haben oft ein längeres Leben als Bücher“, schrieb Griese am 1. März 1975 an den Rat des Bezirkes Schwerin.

Der Erlanger Theologe Karlmann Beyschlag (1923-2011) ist Friedrich Griese in dessen letzten Lebensjahren ein enger geistiger Wegbegleiter gewesen. Griese und Beyschlag haben zwischen September 1970 bis zu Grieses Tod im Juni 1975 an die 80 Briefe gewechselt und sich mehrmals bei Griese in Lübeck zum Gedankenaustausch getroffen. Auf der Trauerfeier im Dom zu Ratzeburg am 7. Juni 1975 hielt Beyschlag die Grabrede auf Friedrich Griese. Beigesetzt wurde Griese auf dem Friedhof am Ratzeburger Dom. Die Ende 2009 aufgelassene Grabstätte konnte 2010 auf Initiative der Fritz Reuter Gesellschaft und mit finanzieller Unterstützung der Jost-Reinhold-Stiftung wieder hergestellt werden.

Auszeichnungen

Werke (Auswahl)

  • Feuer, 1921.
  • Ur, 1922.
  • Das Korn rauscht, 1923.
  • Alte Glocken, 1925.
  • Die letzte Garbe, 1927.
  • Winter, 1927.
  • Die Flucht, 1928.
  • Sohn seiner Mutter, 1929.
  • Tal der Armen, 1929.
  • Der ewige Acker, 1930.
  • Der Herzog, 1931.
  • Das Dorf der Mädchen, 1932.
  • Mensch, aus Erde gemacht, 1932.
  • Der Saatgang, 1932.
  • Das letzte Gesicht, 1934.
  • Mein Leben, 1934.
  • Die Wagenburg, 1935.
  • Die Prinzessin von Grabow, 1936.
  • Bäume im Wind, 1937.
  • Das Kind des Torfmachers, 1937.
  • Wind im Luch, 1937.
  • Im Beektal singt es, 1938.
  • Fritz Reuter, 1938.
  • Die Weißköpfe, 1939.
  • Die Dörfer der Jugend, 1947.
  • Der Zug der großen Vögel, 1951.
  • Der Wind weht nicht, wohin er will, 1960.
  • Das nie vergessene Gesicht, 1962.
  • So lange die Erde steht, 1965.
  • Leben in dieser Zeit, 1970.
  • Eure guten Jahre, 1974.

Anmerkungen

  1. Zitate: Lübecker Nachrichten vom 2. Oktober 1970; FAZ vom 3. Juni 1975; Stefan Busch: „Und gestern, da hörte uns Deutschland“. NS-Autoren in der Bundesrepublik. Kontinuität und Diskontinuität bei Friedrich Griese, Werner Beumelburg, Eberhard Wolfgang Möller und Kurt Ziesel. Königshausen u. Neumann, Würzburg 1998 (= Studien zur Literatur- und Kulturgeschichte; 13), ISBN 3-8260-1395-6, S. 55.
  2. Griese: Mein Leben. Von der Kraft der Landschaft. Berlin 1934, S. 64.
  3. Busch, S. 37.
  4. Karl Otto Conrady: Ein Disput um eine Preisverleihung an Friedrich Griese: sind wir wieder so weit?; in: derselbe: Literatur und Germanistik als Herausforderung. Skizzen und Stellungnahmen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1974, ISBN 3-518-06714-1, S. 215–226, hier 217f.
  5. Gerd Simon: „Art, Auslese, Ausmerze ...“ etc. Ein bisher unbekanntes Wörterbuch-Unternehmen aus dem SS-Hauptamt im Kontext der Weltanschauungslexika des 3. Reichs. Gesellschaft für interdisziplinäre Forschung, Tübingen 2000, S. 27.
  6. Busch, S. 37.
  7. Simon, S. 27.
  8. Simon, S. 26.
  9. Adolf Lentze: Ich klage an: Friedrich Griese. Ohne Datum [vor 9.8.45]. Bundesarchiv BA-BDC-RKK PA. Griese, Friedrich.
  10. Jutta Ditfurth: Ulrike Meinhof. Die Biografie. Ullstein, Berlin 2007.
  11. Alois Prinz: ''Lieber wütend als traurig. Die Lebensgeschichte der Ulrike Marie Meinhof; Beltz und Gelberg, Weinheim 2003.
  12. Original im Bestand des Stadtarchivs Parchim
  13. http://www.polunbi.de/bibliothek/1953-nslit-g.html
  14. Zitate aus: Griese: Der Wind weht nicht, wohin er will. Düsseldorf/Köln 1960, S. 95 u. 75.
  15. FAZ vom 3. Juni 1975.

Literatur

  • Karl Otto Conrady: Ein Disput um eine Preisverleihung an Friedrich Griese: sind wir wieder so weit?; in: derselbe: Literatur und Germanistik als Herausforderung. Skizzen und Stellungnahmen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1974, ISBN 3-518-06714-1, S. 215–226.
  • Stefan Busch: „Und gestern, da hörte uns Deutschland“. NS-Autoren in der Bundesrepublik. Kontinuität und Diskontinuität bei Friedrich Griese, Werner Beumelburg, Eberhard Wolfgang Möller und Kurt Ziesel. Königshausen u. Neumann, Würzburg 1998 (= Studien zur Literatur- und Kulturgeschichte; 13), ISBN 3-8260-1395-6.
  • Annäherung an Friedrich Griese. Leben und Werk. Beiträge zum 1. Lehstener Literaturtag am 15. April 2000. Federchen Verlag, Neubrandenburg 2000, ISBN 3-910170-45-5.
  • Hans Sakowicz / Alf Mentzer: Literatur in Nazi-Deutschland. Ein biographisches Lexikon. Erweiterte Neuauflage. Europa Verlag, Hamburg/Wien 2002, ISBN 3-203-82030-7.
  • Wolfgang Kaelcke: Parchimer Persönlichkeiten. Teil 2, 1997 (= Schriftenreihe des Museums der Stadt Parchim, Heft 5).

Weblinks


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