Friedrich Kekulé

Friedrich Kekulé
August Friedrich Kekulé von Stradonitz

Friedrich August Kekulé von Stradonitz (* 7. September 1829 in Darmstadt; † 13. Juli 1896 in Bonn) war ein deutscher Chemiker und Naturwissenschaftler, der die Grundlagen für die moderne Strukturtheorie der organischen Chemie legte.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Geboren wurde August Friedrich Kekulé (bis 1862 Kekule, seit 1895 die Anerkennung des alten böhmischen Adels als Kekulé von Stradonitz) als Sohn einer Darmstädter Beamtenfamilie mit adeligen böhmischem Vorfahren. Sein Vater Ludwig Karl Kekule war Oberkriegsrat und Rosenzüchter.

In seiner Jugend waren seine Hobbys Wandern, Botanik, das Sammeln von Schmetterlingen und Zeichnen. Seine Freunde beschrieben ihn als jemanden, der jede Möglichkeit zu Debattieren nutze, er hatte viel Witz und war sehr liebenswert. Er begann seine Schulzeit am humanistischen Ludwig-Georgs-Gymnasium in Darmstadt und war ein guter Schüler mit einer Begabung für Sprachen, so dass er neben Deutsch auch Französisch, Italienisch und Englisch sprach.

Obwohl Kekulé ein schwächlicher Jugendlicher war, entwickelte er sich zu einem robusten und gesunden Erwachsenen, der bis zu seiner Promotion 1847 sportlich sehr aktiv war. Er liebte es zu jonglieren und zu tanzen und war ein talentierter und unterhaltsamer Imitator.

Da er ein begnadeter Zeichner war, und sein Vater eng mit berühmten Architekten befreundet war, begann er an der Universität Gießen Architektur bei Hugo von Ritgen zu studieren. Er wandte sich dann aber der organischen Chemie zu, als er Vorlesungen von Justus von Liebig besuchte. Für ein Semester war er auf dem Polytechnikum in Darmstadt, da seine Verwandten ihm eine Bedenkzeit bezüglich seines Werdegangs auferlegten. Vorübergehend besuchte er die Pariser Universität und war dort Schüler von Jean Baptiste Dumas und Charles Frédéric Gerhardt. 1852 promovierte er bei Liebig mit der Arbeit Über die Amyloxydschwefelsäure und einige ihrer Salze. Anschließend wurde er Assistent beim Liebig-Schüler Adolph von Planta (1820–1895) in Chur/Schweiz.

Seine kreative Phase begann, als er 1854 bis 1855 als Assistent von John Stenhouse im St Bartholomew's Hospital in London tätig war. 1856 habilitierte er sich in Heidelberg, war dort 1856 bis 1858 Privatdozent und lieferte sich in dieser Zeit hitzige Debatten mit Adolf von Baeyer. 1858 wurde er unter anderem durch Liebigs Fürsprache ordentlicher Professor für Chemie an der Universität Gent in Belgien und folgte 1867 einem Ruf der Universität Bonn. In Gent vollzog er bei seiner Hochzeit 1862 die offizielle umbenennung von Kekule zu Kekulé um die falsche Aussprache seines Familiennamens Keckhule als Kekül zu verhindern.

Als Kekulé 1867 nach Bonn berufen wurde, war das neue chemische Institut erst im Rohbau fertig. Er hatte wesentlichen Einfluss auf die Einrichtung und die Innenausstattung des großen Gebäudes, was es zu einem der am besten ausgestatteten Institute in ganz Deutschland machte. Er zog dadurch viele deutsche und ausländische Studenten an den Rhein, so dass das Gebäude bald aus allen Nähten platzte. Ein Anbau wurde erst genehmigt, als Kekulé einen Ruf nach München als Nachfolger von Justus von Liebig ablehnte.

Porträt, 1890

Kekulé war weniger praktischer Chemiker als mehr ein Theoretiker, seine Beiträge teilweise sehr spekulativ. Aber in seiner Art, Formeln auf einem Stück Filterpapier malend zu diskutieren und weiterzuentwickeln, wurde er unbeabsichtigt ein hervorragender Lehrer. Sein Arbeitsgebiet war und blieb die Kohlenstoff-Chemie und die Aufklärung der Konstitution aromatischer Verbindungen. Er erkannte 1858 (gleichzeitig mit A. S. Couper) die Vierwertigkeit des Kohlenstoffs und das Vorhandensein von Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen. 1865 stellte er die Benzol-Theorie auf, mit der er die bis dahin rätselhafte Struktur des Benzols als einen aus sechs Kohlenstoff-Atomen bestehenden symmetrischen Ring erklärte. Diese Theorie fand sofort großes Interesse und Zustimmung. Sie leistete vor allem der chemischen Industrie gute Dienste beim Verständnis komplexer Kohlenstoff-Verbindungen. Viele seiner Schüler wurden ebenfalls Professoren oder waren erfolgreich in der chemischen Industrie.

Seine erste Frau heiratete er 1862; sie starb 1863 nach der Geburt ihres Sohnes, des späteren Genealogen und Juristen Stephan Kekulé von Stradonitz. Aus seiner 1876 geschlossenen zweiten Ehe gingen drei Kinder hervor.

Nach einer Masern-Erkrankung im selben Jahr, die seine Gesundheit erheblich beeinträchtige, wandte er sich verstärkt der Veröffentlichung seiner Arbeiten zu. Viele seiner Arbeiten erschienen in den Annalen der Chemie und Pharmacie, deren Mitherausgeber er mehrere Jahre war. Sein einflußreichstes Werk war das unvollendet gebliebene Lehrbuch der organischen Chemie, dessen vier Bände in den Jahren 1859 (Nachdruck 1861 und 1867), 1866, 1882 und 1887 erschienen.

Grab Kekulés in Poppelsdorf

Kekulé starb 1896 in Bonn und wurde auf dem Poppelsdorfer Friedhof beigesetzt, wo man sein Grab noch heute besuchen kann. Sein von Hans Everding erschaffenes und 1903 errichtetes Denkmal steht vor dem alten Chemischen Institut der Bonner Universität in der Meckenheimer Allee 168. Ähnlich wie das berühmte Brüsseler Manneken Pis wird die Statue von Zeit zu Zeit mit verschiedenen saisonalen Utensilien ausstaffiert; im Gegensatz zum Manneken Pis jedoch nicht aus offizieller, etablierter Tradition, sondern eher sporadisch und spontan. Das Universitätsinstitut für Organische Chemie und Biochemie (heute in Bonn-Endenich angesiedelt) wurde ihm zu Ehren „Kekulé-Institut“ benannt.

Kekulé war Ehrenmitglied der Turnerschaft im VC Cimbria Bonn (heute Bonner Turnerschaft im CC Cimbria-Istaevonia).

Bindungstheorie

Vor Kekulés Theorie gab es nur vage Vorstellungen, wie die Atome in einem Molekül miteinander verknüpft sind. Viele Chemiker zu seiner Zeit dachten, dass die Strukturen von Molekülen nicht erkennbar sein konnten, da Reaktionen ja die Struktur unvorhersagbar verändern würden. Kekulé untersuchte verschiedene Kohlenstoffverbindungen, insbesondere Benzol.

Schon im Jahre 1858 postulierte Kekulé:

  • Kohlenstoffatome können sich zu Ketten in beliebiger Länge und Komplexität verbinden.
  • Kohlenstoffatome sind immer 4-wertig, können also vier Bindungen eingehen.
  • Die Untersuchung von Reaktionen ermöglicht es, Informationen über die Anordnung der Atome zu gewinnen.

Überraschend einfach machte er so die Vielfalt der Kohlenstoffverbindungen verständlich und brachte Ordnung in das vorherrschende Wirrwarr. Benzol blieb jedoch eine offene Frage. Kekulé berichtete 1890 von einem Wachtraum. In der Nacht seiner Entdeckung im Winter 1861 sei er an seinem Schreibtisch gesessen und habe im Halbschlaf das Funkenspiel des Kaminfeuers betrachtet. Mit einem Male, so erzählte er, hätte ein Traum die lang gesuchte Lösung gebracht: Er habe die Kohlenstoff- und Wasserstoffatome vor seinen Augen tanzen gesehen. In diesem Traum sei ihm das alte, alchimistische Symbol der Ourobourosschlange erschienen, deren Kopf in den eigenen Schwanz beißt. Ebenfalls schon 1861 verwendete Loschmidt in seiner wenig beachteten Publikation „Constitutions-Formeln der organischen Chemie in graphischer Darstellung“ einen Ring als Symbol für Benzol.

1865 veröffentlichte Kekulé in französischer Sprache (er war damals Professor in Gent) die erste Fassung seiner Benzol-Theorie. Diese Theorie gründete sich auf den Grundsatz, dass das Molekül des Benzols in einem Ring von sechs Kohlenstoffatomen besteht. 1866 veröffentlichte er einen längeren deutschen Artikel (in Liebigs Annalen der Chemie) über dasselbe Thema.

1870 entdeckte er die Azokupplung; 1872 ergänzte er seine Benzol-Theorie durch die Oszillationshypothese über die alternierenden Einfach- und Doppelbindungen zur Erklärung der Eigenschaften von Benzol.

Kekulés Arbeiten trugen entscheidend zur Entwicklung der organischen Chemie bei und führten zu einem Boom der deutschen Chemieindustrie, allen voran der Farbstoffhersteller.

Literatur

  • Richard Anschütz: August Kekulé, Verlag Chemie, Berlin 1929
    • Bd. 1 Leben und Wirken.
    • Bd. 2 Abhandlungen, Berichte, Kritiken, Artikel, Reden.
  • Wolfgang Göbel: Friedrich August Kekulé (Biographien hervorragender Naturwissenschaftler, Techniker und Mediziner; 72). Teubner, Leipzig 1984.
  • Klaus Hafner: August Kekulé, dem Baumeister der Chemie zum 150. Geburtstag (Darmstädter Schriften; 46). Justus-von Liebig-Verlag, Darmstadt 1980, ISBN 3-87390-063-7.
  • A. J. Rocke: Hypothesis and Experiment in the Early Development of Kekulé's Benzene Theory, in: Annals of Science 1985, 42, 355–81; doi:10.1080/00033798500200411.
  • H. A. Staab: Hundert Jahre organische Strukturchemie, in: Angew. Chem. 1958, 70, 37–41; doi:10.1002/ange.1760700202.
  • F. Stunz: Kekulés Träume, in: Chemie in unserer Zeit 1989, 23, 170–176; doi:10.1002/ciuz.19890230505.

Weblinks


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