Friedrich Schönemann (Amerikanist)

Friedrich Schönemann (Amerikanist)

Friedrich Schönemann (* 30. Mai 1886 in Cottbus; † 23. April 1956 in Husum) war ein deutscher Literaturwissenschaftler und Amerikanist. Er befasste sich mit Kultur, Wirtschaftspolitik und Gesellschaft in den USA.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Schönemann lehrte von 1911 bis 1920 als deutscher Lektor in den USA. Seit 1921 leitete er das englische Seminar der Friedrich-Wilhelms-Universität (FWU). 1926/27 begründete er die Zusammenführung der Amerika-Abteilung des Englischen Seminars der FWU mit dem Berliner Amerika-Institut. 1930 wurde er als außerordentlicher Professor an die FWU umhabilitiert und lehrte Kulturkunde Nordamerikas. Zudem hatte er einen Lehrauftrag an der Deutschen Hochschule für Politik. In der Weimarer Republik Mitglied der DVP, wurde er nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten zum 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP.[1] Er wurde Vertrauensmann des Reichspropagandaministeriums.[1]

Im Winter 1933 hielt er eine Vortragsreise in den USA zum dortigen Deutschtum.[2] Das Wittenberg College in Springfield (Ohio) verlieh ihm 1934 den Dr. Litt. h.c., die Deutsche Akademie in München den Ralph-Beaver-Strassburger-Preis für die beste Arbeit zur Förderung der deutsch-amerikanischen Beziehungen.

Ab 1936 hielt er den einzigen Lehrstuhl für Literatur und Kunstgeschichte Nordamerikas in NS-Deutschland. 1937/38 war er Gastprofessor an der University of Nebraska-Lincoln.[3] Im Institut für Auslandsstudien der FWU Berlin leitete er ab 1940 als Vertreter von Franz Alfred Six dessen Amerika-Programm.[1]

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Schönemann emeritiert.

Von 1950 bis 1954 war er als Fraktionsmitglied der F.D.P. Mitglied des Landtages im Landtag Schleswig-Holstein (Abgeordneter und stellvertretender Schriftführer bis 1952), wo er dem Agrarausschuss sowie den Ausschüssen für Gesundheitswesen, für Volksbildung und Erziehung sowie für Jugendfragen sowie von 1951 bis 1954 dem Landeswahlausschuss angehörte.[4]

Werk

1921 veröffentlichte er seine Thesenschrift Amerikakunde in der er davon ausging, dass das Kaiserreich den Krieg verloren hatte, weil die Deutschen die USA nicht kannten.

1942 publizierte er ein Standardwerk zur Nationalgeschichte der USA und lehnte sich dabei an Frederick Jackson Turner an. Seine Vorstellungen und Formulierungen entsprachen dem zeitgenössischen Duktus, den Klemperer 1947 unter Lingua Tertii Imperii subsumierte. Die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten und den Unabhängigkeitskrieg (1775-83) beschrieb Schönemann als den „amerikanischen Geist“ und „Schicksalsgang“ dieses Volkes. Unter Turners Frontierthese und dem amerikanischen Exzeptionalismus entwickelte sich demnach zwangsläufig der Gedanke individueller Freiheit und Souveränität des Einzelnen. Die Artikel der Weimarer Verfassung (1919) entsprächen nicht dem „nationalen deutschen Weg“. Nach Hegel und der juristischen Historischen Schule sind Individualrechte nicht aus den Naturgesetzen ableitbar: Der Staat ist nicht das Ergebnis einer Vereinbarung und beinhaltet keine natürlichen Rechte. Staat stellt eine „geistige Gesamtheit“ und ein sittliches Ganzes dar, an der die Individuen mit ihrem subjektiven Willen teilhaben. Der Begriff 'Gleichheit' meinte in den USA nur die 'Gleichheit der Möglichkeiten'. Erst in nachrevolutionären Generationen wurde das zu 'glanzvoller Verallgemeinerung' geführt, da die Erklärung bspw. nichts über die Gleichberechtigung von Sklaven enthält. Der 'autoritäre Staatsgedanke' bekämpfe deshalb die westlichen Demokratien und ihre Idee der individuellen Grundrechte als nicht zutreffend für Europa.[5]

In der Sowjetischen Besatzungszone wurden Schönemanns Schriften Amerika und der Nationalsozialismus (Junker u. Dünnhaupt, Berlin 1934), Demokratie und Außenpolitik der USA (Junker u. Dünnhaupt, Berlin 1939), Die aggressive Wirtschaftspolitik der Vereinigten Staaten in Südamerika und die Stellung Deutschlands (Enke, Stuttgart 1939) und England gegen Amerika (Junker u. Dünnhaupt, Berlin 1940) sowie das von ihm zusammen mit Karl Heinz Pfeffer herausgegebene Das britische Empire und United States of America (Junker u. Dünnhaupt, Berlin 1943) auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[6][7]

Privates

Während seiner Gastprofessur in Nebraska 1937/38 lernte Schönemann Marie Lau (* 23. April 1906 in Lincoln) kennen, deren Vorfahren aus Husum stammten. 1939 wurde er von seiner ersten Frau, der Schriftstellerin Toni Harten-Hoencke (1872-1941) geschieden und heiratete Marie Lau. Beide hatten zwei Töchter, Barbara (* 1940) und Rosemarie (*1942).

Nach Kriegsende zog die Familie nach Husum. 1950 publizierte Schönemann noch einmal eine "Kleine Amerikakunde".

Schriften

  • Gustav Falke: eine Studie. Baltimore, 1916.
  • Amerikakunde. eine zeitgemässe Forderung. Bremen, Angelsachsen-Verlag G.M.B.H., 1921.
  • Mr. Samuel Langhorne Clemens. Braunschweig : G. Westermann, 1923.
  • Die Kunst der Massenbeeinflussung in den Vereinigten Staaten von Amerika. Stuttgart. Deutsche Verlags-Anstalt. 1924
  • Mark Twain als literarische Persönlichkeit. Jena, Frommann, 1925.
  • Schönemann, Toni Harten-Hoencke: Amerikanische Lyrik. München, Kunstwartverlag G.D.W. Callwey, 1925.
  • Schönemann, Benjamin Barr Lindsey, Wainwright Evans, Toni Harten-Hoencke : The Revolt of modern youth. München, Kunstwartverlag G.D.W. Callwey, 1925.
  • Die amerikanische Demokratie von heute. Stuttgart. Dt. Verl.-Anst. 1932
  • Von der Kolonie zum Weltreich. Stuttgart. Dt. Verl.-Anst. 1932
  • American Humor. Bielefeld, Leipzig : Velhagen & Klasing. 1934.
  • Amerika und der Nationalsozialismus. Berlin : Junker und Dünnhaupt, 1934.
  • Demokratie und Aussenpolitik der U.S.A. Berlin, Junker und Dünnhaupt Verlag, 1939.
  • Die aggressive Wirtschaftspolitik der Vereinigten Staaten in Su¨damerika und die Stellung Deutschlands. Stuttgart : Enke, 1939.
  • USA. und Weltpolitik. Berlin, Junker und Dünnhaupt, 1940.
  • England gegen Amerika, eine geschichtlich-kritische Betrachtung. Berlin, Junker und Dünnhaupt, 1940.
  • Geschichte Amerikas ausser Kanada. Geschichte der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Leipzig, Bibliographisches Institut. 1942.
  • u.a. mit Adolf Halfeld, Otto Koischwitz: Kultur in USA. Die Wirklichkeit eines Massenwahns. Berlin : Junker und Dünnhaupt, 1943.
  • Schönemann, Scott Nearing; Joseph Freeman: Dollar-Diplomatie, eine Studie über amerikanischen Imperialismus. Heidelberg, Kurt Vowinckel Verlag, 1943.
  • Schönemann, Karl Heinz Pfeffer: Das Britische Empire und USA. Berlin, 1944.
  • Kleine Amerikakunde. Bonn : Athenäum, 1950.

Literatur

  • Kosch, Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Literatur-Lexikon. Stuttgart 1947-1958
  • Christian H. Freitag: Die Entwicklung der Amerikastudien in Berlin bis 1945 unter Berücksichtigung der Amerikaarbeit staatlicher und privater Organisationen. Berlin Diss. 1977 (passim über Friedrich Schönemann)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 541.
  2. Jahresberichte dt. Geschichte 1933-34
  3. Frank-Rutger Hausmann: Anglistik und Amerikanistik im"dritten Reich". Vittorio Klostermann. 2003 teilw. online
  4. http://lissh.lvn.parlanet.de/cgi-bin/starfinder/0?path=samtflmore.txt&id=fastlink&pass=&search=R%3D162&format=WEBVOLLLANG
  5. Schönemann: Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika. 1942.
  6. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-s.html
  7. http://www.polunbi.de/bibliothek/1948-nslit-e.html

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