Fächerübergreifender Unterricht

Fächerübergreifender Unterricht

Fächerverbindender Unterricht ist eine Form der Organisation von Unterricht zwischen dem reinen Fachunterricht und einem völlig ungefächerten, nicht nach Fächern gegliederten Unterricht. Die Begriffe "fächerverbindender" und "fächerübergreifender" Unterricht werden nicht strikt voneinander getrennt verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale fächerverbindenden Unterrichts

Fächerverbindender Unterricht findet in der Regel nicht durchgehend über einen längeren Zeitraum statt, sondern zeitlich befristet für eine bestimmte Unterrichtseinheit oder ein Unterrichtsprojekt.

Fächerverbindender Unterricht setzt einen grundsätzlich nach Fächern gegliederten Unterricht voraus; er soll die Unterrichtsfächer nicht dauerhaft auflösen oder ablösen. Fächerverbindender Unterricht ist jedoch mehr als die bloß zeitlich parallele, nicht integrierte Behandlung zusammenhängender Inhalte in mehreren Fächern.

Fächerverbindender Unterricht verfolgt Ziele, die über die fachimmanenten Zielsetzungen der beteiligten Fächer hinausreichen. Den Ausgangspunkt hierfür bilden komplexe Realsituationen, die sich aufgrund ihrer Komplexität nicht einem einzelnen Unterrichtsfach zuordnen lassen und die deshalb auch in der Schule nicht innerhalb starrer Fachgrenzen thematisiert und problematisiert werden sollen. Durch Phasen eines problemorientierten, fächerverbindenden Unterrichts können und sollen unterschiedliche fachliche Perspektiven zu realitätsbezogenen, komplexen Aufgaben verknüpft werden.

Ziele

Fächerverbindender Unterricht hat zum Ziel, in besonderer Weise die Vermittlung von Sachkompetenz, Sozialkompetenz, Methodenkompetenz und, wenn möglich, Moralkompetenz (verstanden als Fähigkeit, Handlungsalternativen moralisch zu beurteilen) miteinander zu verbinden (Peterßen 2000: 65). Diese Zielsetzung steht unter dem Primat einer auf die Handlungsfähigkeit in der außerschulischen Realität abzielenden Handlungsorientierung.

Vermittlung von Sachkompetenz

Angestrebt wird die Befähigung der Schülerinnen und Schüler zur Lösung komplexer Probleme durch vernetzendes Denken und durch die fachübergreifende Strukturierung ihres Wissens. Dies soll auch im Hinblick auf das Ziel der Befähigung zu einem wissenschaftlichen Studium durch fall- und problemorientierte Unterrichtsprojekte, die die Fächergrenzen bewusst überschreiten, gefördert werden. Daher sieht beispielsweise der baden-württembergische Bildungsplan für die Kursstufe des Gymnasiums fächerverbindenden Unterricht ausdrücklich vor:

„Fächerverbindendes Arbeiten stützt den Aufbau strukturierten Wissens, es sichert den Blick für Zusammenhänge und befähigt die Schülerinnen und Schüler zum Umgang mit den hierfür not-wendigen Arbeitsformen. Fächerverbindende Themen und fächerverbindender Unterricht sind daher integrativer Bestandteil der Arbeit auf der Oberstufe. (Bildungsplan Kursstufe 2001: 6.)“

Vermittlung von Methodenkompetenz

Die Schülerinnen und Schüler sollen im fächerverbindenden Unterricht Methodenkompetenzen erwerben, die ihnen anschließend für die Lösung von Problemen in einer Reihe von Fächern sowie als Schlüsselqualifikationen für Studium und Berufsleben zur Verfügung stehen.

Je anspruchsvollere Problemlösungen von den Schülerinnen und Schülern zu erbringen sind, desto mehr müssen sie in der Lage sein – und durch Fachgrenzen überschreitenden Unterricht sukzessive in die Lage versetzt werden – , Informationen und Methoden aus verschiedenen Fachbereichen auszuwählen und neu auf ein komplexes Problem anzuwenden.

Handlungsfähigkeit

Ein weiterer herausragender Vorteil fächerverbindenden oder zumindest Fachgrenzen überschreitenden Unterrichts gegenüber striktem Fachunterricht ist die Ermöglichung wirklichkeitsbezogenen Handelns, das nicht an Fachgrenzen Halt macht:

„An der Vermittlung lebensrelevanter Informationen mangelt es bei und im Fachunterricht sicherlich nicht. Woran es mangelt: An einer Vermittlungsart, die Informationen so erwerben und speichern lässt, dass davon lebenslang selbstständiger Gebrauch gemacht werden kann. [...] Und was Fachunterricht im Hinblick auf die Förderung von Handlungsfähigkeit strukturell nachteilig anhängt, ist die inhaltliche Begrenztheit von Fächern; in ihnen kann eben nur erlernt werden, was Fachbezug hat. [...] Lebensprobleme aber stellen sich nicht nach Fächern unterteilt, sondern sind komplex-ganzheitlicher Art. Wer sie mit in Fächern erworbenen Informationen lösen will, muss zuallererst eine Auswahl aus ihnen treffen und sie dann zusammenführen und auf die Problemsituation beziehen. Auf derartiges Denken und Handeln kann Fachunterricht nicht vorbereiten. (Peterßen 2000: 54.)“

Probleme

Bei jüngeren Schülerinnen und Schülern besteht durch die Vielzahl und Komplexität der Anforderungen und der Unterrichtsziele in fächerverbindendem Unterricht leicht die Gefahr der Überforderung.

Als organisatorische Probleme stellen sich der erhöhte Zeitaufwand für Absprachen zwischen den beteiligten Lehrkräften und die gemeinsam zu leistende Vorbereitung und ggf. Durchführung des fächerverbindenden Unterrichts dar. Optimal wäre es für die fächerverbindende Arbeit an einem Projekt, wenn diese durch mehrere Lehrkräfte in Teamteaching angeleitet werden könnte, was im Schulalltag auf Schwierigkeiten wie die Stundenplangestaltung oder die Verteilung der entsprechenden Deputatsstunden stoßen kann.

Ein weiteres Problem wird in den unterschiedlichen Fachcurricula gesehen, die teilweise zu geringe Spielräume für die Abstimmung der beteiligten Fächer unter einem gemeinsamen Thema bieten. Daher werden meistens verwandte Fächer kombiniert, so dass mathematisch-naturwissenschaftliche und künstlerisch-geisteswissenschaftliche Fächer unter sich bleiben, wodurch sich die Ziele des fächerübergreifenden Unterrichts nicht voll erreichen lassen. Diese Lehrsituation zwischen den Fächern wird durch zentrale Prüfungsleistungen wie das Zentralabitur im gymnasialen Bildungsgang, die die Bindung einzelner Fächer an das Curriculum erhöhen, noch verschärft.

Als Reaktion auf die zeitlichen, organisatorischen und didaktischen Abstimmungsprobleme zwischen den Fächern wird der fächerübergreifende Unterricht häufig auf die Projektwoche oder ans Ende des Schuljahres, womöglich nach der Notenvergabe gelegt, so dass der fächerübergreifende Unterricht deutlich aus dem Normalunterricht herausfällt. Dies hat zur Folge, dass er von den Schülern als Ausnahme oder als nicht ernst zu nehmender Unterricht wahrgenommen wird, wodurch wesentliche Lernziele für die Schüler verloren gehen.

Literatur

  • Carl Deichmann: Fächerübergreifender Unterricht in der politischen Bildung; Schwalbach 2001: Wochenschau-Verlag.
  • Wilhelm H. Peterßen: Fächerverbindender Unterricht. Begriff, Konzept, Planung, Beispiele; München 2000: Oldenbourg.
  • Wolfgang Sander: „Politische Bildung als fächerübergreifende Aufgabe der Schule“, in: Ders. (Hg.): Handbuch politische Bildung; Bonn 2005: Bundeszentrale für politische Bildung (=Schriftenreihe der BpB, Band 476), S. 254-264.
  • F. Stübig, P. Ludwig, D. Bosse, E. Gessner, F. Lorberg: Bestandsaufnahme zur Praxis fächerübergreifenden Unterrichts in der gymnasialen Oberstufe im Bundesland Hessen; Beiträge zur gymnasialen Oberstufe; Bd. 7; Kassel 2006: University-Press; 154 S.; ISBN 978-3-89958-229-1

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