Fünffingerplätzchen

Fünffingerplätzchen
Frankfurt Altstadt-Goldhutgasse.jpg

Das Fünffingerplätzchen war ein winziger Platz in der Altstadt von Frankfurt am Main. Es lag östlich der Ostzeile des Römerbergs, südlich des Markt, östlich der Langen Schirn und nördlich der Bendergasse. Das beliebte Postkartenmotiv und Touristenziel wurde am 22. März 1944 bei einem Luftangriff restlos vernichtet.

Inhaltsverzeichnis

Ursprung, Geschichte und Entwicklung

Plätzchen und bauliche Entwicklung auf dem Ravenstein-Plan Frankfurts von 1862

Das Erscheinungsbild des Fünffingerplätzchens war für Frankfurt wie auch im Vergleich mit anderen mittelalterlichen Fachwerkaltstädten einzigartig:

Von Westen nach Osten trafen hier das Schwertfegergässchen, das Drachengässchen und die Goldhutgasse auf die quer dazu verlaufende Flössergasse, welche sich vom Haus Schwarzer Stern (Hausanschrift: Römerberg 6[1]) am Römerberg nach Osten bis an das Hinterhaus der Bendergasse 14 erstreckte.

Das direkt hinter der Bebauung des Samstagsberges (heute auch Römerberg-Ostzeile genannt) verlaufende Rapunzelgässchen traf kurz vor dem Eingang zum Plätzchen auf die Flössergasse. Vom Plätzchen führten alle Gassen in Nordrichtung zum Markt. Der Name rührte entsprechend daher, dass sich aus der Vogelperspektive hier die sehr engen Altstadtpassagen bzw. Gebäudezeilen wie die Finger einer Hand vereinigten.

Bezüglich des natürlichen städtebaulichen Ursprungs halten sich zwei verschiedene Theorien die Waage: die eine folgt der Vermutung, dass sich auf dem Gelände des Fünffingerplätzchens das Nordtor einer merowingischen Pfalz befand, auf das, ähnlich wie knapp 1000 Jahre später im Barockzeitalter im Städtebau üblich, die Straßen strahlenförmig hinführend angelegt worden und in den folgenden Jahrhunderten einfach unter Erhaltung dieses Grundrisses überbaut worden waren. Die andere Theorie besagt, dass auf dem Gelände der Gassen ein weiterer großer Marktplatz ähnlich dem Römerberg angesiedelt war, der aus Platznot und der sich ohnehin verlagernden Markttätigkeiten im frühen Mittelalter überbaut wurde.[2]

Kleines Paradies am Markt, Foto von C. F. Mylius, um 1890

Mitte des 14. Jahrhunderts verlief, wie Beschreibungen der Zeit belegen[3], östlich der Goldhutgasse eine weitere, Löhergasse genannte Passage von der Flössergasse in Richtung Markt. Durch spätere Überbauung wurde der südliche Teil der ehemaligen Löhergasse zu einem Hinterhof der umgebenden Häuser am Markt, der Langen Schirn und der Bendergasse. Dem Haus Kleines Paradies (Hausanschrift: Markt 27) konnte man durch seine auffallend geknickte Vorderseite (s. Bild) noch im 20. Jahrhundert ansehen, dass es etwa zur Hälfte auf einem ursprünglichen Straßeneingang gebaut worden war.

Auf den frühesten erhaltenen topografischen Darstellungen Frankfurts wie dem Plan von Conrad Faber von Creuznach aus dem Jahr 1552 oder dem berühmten Vogelschau-Plan Matthäus Merians des Älteren aus dem Jahr 1628 zeigt sich die Löhergasse dagegen schon überbaut und das Fünffingerplätzchen somit nahezu in dem Zustand, in dem es auf das 20. Jahrhundert gekommen war. Entsprechend lässt sich die Überbauung im Zuge des ständigen Mangels an Baugrund zumindest grob auf den Zeitraum zwischen 1350 und 1552 eingrenzen. Die Gestalt des Kleinen Paradieses erlaubt aufgrund des freiliegenden, übergangszeitlichen Fachwerks im Giebel eine Datierung zwischen 1470 und 1550.

Das Plätzchen blieb nun über Jahrhunderte weitestgehend unverändert. Erst der aufkeimende Tourismus Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte es neu und macht es schnell zu einem beliebten Reiseziel und häufigen Foto- und Postkartenmotiv. Neben anderen klassischen Alt-Frankfurter-Ansichten wie der Kannengiessergasse oder dem Roseneck an der Ecke Garküchenplatz / Grosse Fischergasse hatte es binnen weniger Jahre höchsten repräsentativen Status für Schönheit und Typus der Frankfurter Altstadt.

Blick in die Flössergasse, um 1900

Andererseits riss man in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (zwischen 1862 und 1877[4]) die eher kleinen Häuser mit der Anschrift Goldhutgasse 1 und 3 aus ungeklärten Gründen ab; am ehesten dürfte der Grund, wie so oft in dieser Zeit, in Baufälligkeit zu suchen sein. Denn trotz einiger repräsentativ herausgeputzter Ecken befand sich die Bausubstanz der Altstadt um die Jahrhundertwende in einem katastrophalen Zustand. Die unverputzte und dadurch unansehnliche Brandmauer des sich anschließenden Hauses Drachengasse 5 prägte nun bis in die 30er Jahre das Plätzchen. Sie erscheint auf den meisten Ansichtskarten aus jener Zeit daher auch gar nicht oder wird nur leicht angeschnitten.

Handwerkerhöfchen nach der Auskernung 1938

Ende der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde in Frankfurt am Main eine großangelegte Altstadtsanierung durchgeführt. Sie fand im Gegensatz zu den historistisch geprägten Sanierungen der Jahrhundertwende, die oft mehr Substanz vernichteten als sanierten, und den nur oberflächlichen Maßnahmen des Altstadtbundes der 20er Jahre weitestgehend unter bereits modernen denkmalpflegerischen Aspekten statt.

So wurden auch die Häuser am Fünffingerplätzchen grundsaniert, dabei zahlreiche Fachwerke freigelegt, die Brandmauer des Hauses Drachengasse 5 in eine echte Fassade mit Fenstern umgewandelt sowie östlich der Goldhutgasse durch eine Auskernungsmaßnahme mit dem Handwerkerhöfchen ein völlig neues Plätzchen geschaffen (s. Plan).

Die Bomben, die bei den Angriffen des März 1944 auf Frankfurt fielen, hatten ein leichtes Spiel mit diesem Teil der Altstadt, weil sich hier ausnahmslos Fachwerkhäuser befanden, viele davon bis auf Bodenniveau komplett aus Holz gebaut. Nachdem Luftminen die Dächer zerstört und diese durch die zahllosen Brandbomben Feuer gefangen hatten, brannte die Bausubstanz wie Zunder nieder. Die engen Gassen förderten den Effekt eines sich rasch ausbreitenden Flächenbrandes, und binnen Stunden war alles nur noch Schutt und Asche.

Nach dem Krieg befand sich auf diesem historischen so bedeutsamen Teil der Altstadt lange Zeit ein Parkplatz, erst nach dem Aufbau der Ostzeile des Römerbergs in den 1980er Jahren kann man in dem dahinter liegenden Rapunzelgässchen mit viel Phantasie wieder einen Hauch der Altstadtenge spüren, die einst vom Fünffingerplätzchen mit Blick auf die zum Markt führenden Gässchen zu sehen war. Andererseits ist seitdem eine Wiederherstellung des Plätzchens auch langfristig unmöglich geworden, da die Kunsthalle Schirn nun weite Teile der ursprünglichen Parzellierung überbaut.

Beschreibung und Topographie

Haus zum Fleischer, Foto von C. F. Mylius, 1869

Das Plätzchen präsentierte sich tatsächlich weniger als solches als vielmehr als eine Überkreuzung mehrerer Gassen, da es zu fast keiner Seite von einer geschlossenen Häuserfront begrenzt wurde.

Darin ist wohl auch der Grund für den pittoresken Gesamteindruck zu suchen: wer sich in der Mitte befand, konnte durch die verwinkelte Anordnung der Häuser sowie den gekrümmten Verlauf der Gassen nicht herausschauen. Andererseits waren zwei der wichtigsten Knotenpunkte der Altstadt, der Markt mit dem Hühnermarkt und der Römerberg, nur wenige Meter entfernt.

Darüber hinaus waren die Parzellen am Platz ungewöhnlich klein und nicht, wie an den umliegenden Hauptstraßen der Altstadt über die Jahrhunderte für größere Bauprojekte zusammengezogen worden. Entsprechend strebten die darauf stehenden Häuser auch noch ganz gotischen Idealen des Profanbaus nach: mangels Fläche waren sie steil in die Höhe gebaut und kragten hier teils erheblich gegenüber den darunter liegenden Geschossen aus, um Nutzraum zu gewinnen. Zur Stabilisierung ruhten die Obergeschosse auf starken Knaggen, wie es etwa entlang der Goldhutgasse überall noch beobachtet werden konnte (s. Bild).

Abgerundet wurde die bilderbuchhafte Erscheinung durch den in der Mitte des Plätzchens befindlichen Flösserbrunnen. Er war als einfacher, ornamentloser Pfeilerbrunnen ausgeführt und wurde einzig von einer einfachen Skulptur eines Knaben mit einem Wasserschlauch bekrönt; der Name des Brunnens erinnerte noch an das in der Nähe stehende Haus zum Fleischer (damalige Hausanschrift: Römerberg 14), das 1873 aus Baufälligkeit abgebrochen wurde (s. Bild).

Die Straßennamen und ihre Etymologie

Goldhutgasse in Richtung Süden, um 1900

Die Gassen am Plätzchen hatten schon in ihren frühesten Erwähnungen immer namentlichen Bezug zum Handwerk. Daher kann davon ausgegangen werden, dass hier, entsprechend dem damaligen Verständnis der Hörigkeit, nach Gassen getrennt hauptsächlich Handwerker ansässig waren:[5]

Die Goldhutgasse (s. Bild), die früher nach den Holzschuhmachern schlicht Schuhgasse hieß, hatte ihren neuzeitlichen Namen nach dem Hutmacherhandwerk im Haus zum Goldenen Hut an der Ecke Markt / Goldhutgasse (Hausanschrift: Markt 31).

Auch die einst östlich der Goldhutgasse verlaufende Löhergasse hatte ihren Namen vom Handwerk erhalten, als man mit Lohe, im Alt- und Mittelhochdeutschen noch als mit Umlaut gebräuchlich, zum Gerben verwendete Baumrinde bezeichnete.

Im Schwertfegergässchen war ehemals das Schwertschmiedehandwerk ansässig. Der Name des Drachengässchens – früher nach dem hier tätigen Handwerk Leinwebergasse – ist nicht restlos geklärt, möglicherweise regte die mittelalterliche Sagenwelt in Verbindung mit der, ohne das Vorhandensein künstlicher Beleuchtung, fast ganztägig dunklen und sehr engen Gasse, die Phantasie der Stadtbewohner an.

Der Name des Rapunzelgässchens geht auf das 18. Jahrhundert zurück und bezeugte den um dieser Zeit an dem nördlichen Ausgang des Gässchens zum Markt stattfindenden Kräutermarkt, es hieß ebenfalls nach einem mittelalterlichen Handwerksberuf früher Seilergässchen. Die Bezeichnung der Flössergasse erklärt sich wie der gleichnamige Brunnen aus dem 1873 abgerissenen Haus zum Fleischer – mundartlich auch als Flösser gehandelt.

Zur Bendergasse bestand keine direkte Straßenverbindung, jedoch gab es einen Fußweg durch den Keller des Hauses Goldhutgasse 14 / Bendergasse 26, der im Volksmund Stinkgasse genannt wurde – ein sprechender Name für die hier herrschenden hygienischen Bedingungen.

Die Häuser am Plätzchen

Blick in das Rapunzelgässchen, um 1900

Von Häusern am Plätzchen kann nur eingeschränkt gesprochen werden, da der Platz, etwa im Gegensatz zum Römerberg, nicht von geschlossen in Reihe stehenden Häuserzeilen umgeben war.

Stattdessen befanden sich, grob umrissen:

  • im Süden die Hinterhäuser der Bendergasse 26 und 24 (zum Platz hin auch mit der Anschrift Goldhutgasse 14 und 12), genannt Pesthaus und Haus zum Hasen
  • im Osten das winzige Haus zum Widder (Hausanschrift: Goldhutgasse 16)
  • im Nordosten das Haus zur wilden Frau (Hausanschrift: Goldhutgasse 7)
  • im Nordwesten das Haus Drachengasse 5
  • und im Westen der Kleine Römer (Hausanschrift: Römerberg 12) sowie die Kleine Garküche (Hausanschrift: Römerberg 14), die ihrerseits Hinterhäuser des Hauses Großer Laubenberg (Hausanschrift: Römerberg 16) waren.

Die Häuser, die mit einer Seite zum Schwertfeger- oder Drachengässchen zeigten, hatten keine entsprechende Anschrift, sie waren vielmehr entweder der Goldhutgasse oder dem Markt zugeschlagen.

Weitere Häuser in der Nähe hießen u. a. zum Hafen, zur Hadderkatze, zum Gleismund oder zum goldenen Unterkränchen. Viele von ihnen waren als Gaststätten und Kneipen gleichermaßen für die zahlreichen Touristen und das aktive Frankfurter Nachtleben ausgelegt.

Pesthaus

Pesthaus und Haus zum Hasen, um 1900

Die bekannteste Sehenswürdigkeit des Plätzchens war das sogenannte Pesthaus, im Prinzip nur ein Hinterhaus des Hauses mit der Anschrift Bendergasse 26 (Hausanschrift zum Fünffingerplätzchen: Goldhutgasse 14). Der Überlieferung nach trat hier 1349 in Frankfurt erstmals die Pest auf.[6][7]

Es ist allerdings fraglich, dass es sich beim zu sehenden, dreigeschossigen und verputzten Fachwerkhaus tatsächlich noch um den Bau aus gotischer Zeit handelte: das Fehlen von Überkragungen, die eher großstädtischen Dimensionen sowie die mit einem gewaltigen Zwerchhaus zum Ausdruck gebrachte Firstschwenkung verweisen eher auf das 18. Jahrhundert als auf das Mittelalter.

Als der Frankfurter Großkaufmann Johannes Georg Kipp 1924 sein Elternhaus wiederherstellen ließ, berief er den Offenbacher Maler Heinrich Holz[6][8], der sich bei der Gestaltung der Fassade dennoch an der überlieferten historischen Rolle des Gebäudes orientierte und sie reich thematisch und mit Inschriften verzierte, die besagte:

Es kreisen Schmerz und Wonne
gleich wie die Erd und Sonne
doch Gott befreit zu seiner Zeit

Die Bemalung unterhalb der Fenster des 1. Stocks stellte das durch die Pest verursachte Leiden dar – sich krümmende, mit Schlangen kämpfende Gestalten, während die Bemalung unterhalb des 2. und 3. Stockwerks tanzende Menschen als Zeichen der Dankbarkeit für das Ende des Sterbens zeigte.

Im Vergleich zu anderen Städten war Frankfurt dem Schwarzen Tod nämlich noch vergleichsweise glimpflich entronnen: insgesamt kostete er knapp 3.000 Bürger das Leben, was zwar zu der damaligen Zeit immer noch viel war, aber längst nicht zu einer völligen Entvölkerung der Stadt führte, wie es anderenorts nicht selten geschah.

Ende der 30er Jahre wurde am Haus im Rahmen der Altstadtsanierung eine Fachwerkfreilegung vorgenommen, der die erst rund 10 Jahre zuvor angebrachte Bemalung zum Opfer fiel. Das Ergebnis zeigte mit einfachen Andreaskreuzen und Rauten zwar ein durchaus ursprünglich auf Sicht hin gestaltetes Gebäude, keinesfalls aber aufwändige Schmuckformen oder gar Schnitzereien und bestätigt so nur die These, dass das ursprüngliche Pesthaus nach dem Ausgang des Mittelalters durch einen Neubau ersetzt wurde.

Haus zum Hasen

Das benachbarte Haus zum Hasen war zumindest äußerlich fast völlig identisch mit dem benachbarten Pesthaus und somit wohl auch bezüglich seiner Entstehungszeit genauso zu behandeln. Eine nähere Betrachtung der Baugeschichte ist nicht mehr möglich, da das Fachwerk des Gebäudes wenigstens seit dem frühen 19. Jahrhundert verputzt war und nie zeichnerisch oder fotografisch dokumentiert wurde. 1924 wurde es wie das Pesthaus von Heinrich Holz bemalt und mit einer Inschrift von Rudolf Kilb versehen:[8]

Von diesem Hause fünf Gassen führen in Lust und in Leid
Wie oft schon mochten sie fassen betrunkene Seeligkeit
Die Bender legten um's Herzen dem Weine ein festes Band
doch der Jugend keckes Scherzen dem Rausche ein Spundloch fand
Drum laßt uns allen Tagen so fröhliche Burschen sein
und gleich wie die Hasen schlagen einen Haken um Not und Pein

Haus zum Widder

Haus zum Widder, Foto von C. F. Mylius, um 1880

Das Haus, das als Kopfbau zwischen Goldhut- und Flössergasse und mit nur der nördlichen Brandmauer nicht frei stand, trug den Namen Zum Widder. Es war aufgrund seiner äußerst kleinen Parzelle, die an der schmalsten, zum Plätzchen stehenden Seite zwei Meter unterschritt, sich auf der anderen Seite aber über insgesamt drei auskragende Stockwerke erstreckte und mit einem sehr spitz aufragenden Dach abschloss, nicht nur ein reizvoller Anblick, sondern oft auch als Inbegriff des gotischen Hauses benannt worden.

Die Fachwerkfreilegung brachten am Gebäude aber eine fortschrittliche, in keinem Detail mehr wirklich mittelalterliche Konstruktion zu Tage. Deutlich wurde dies durch zwei voll ausgebildete „Mannsfiguren“ im Fachwerk, die frühestens in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Fachwerkbau nachweisbar sind.[9] Aufgrund der konservativen Bürgerschaft und dem damit verbundenen sehr langen Ausklang der Spätgotik in Frankfurt am Main kann die Konstruktion aber mit größter Sicherheit wenigstens in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts datiert werden.

Andererseits zeigte das Erdgeschoss einige Auffälligkeiten: es war nicht massiv, sondern weitestgehend, abgesehen von einem etwa kniehohen Steinsockel, noch ganz in Holzbauweise ausgeführt. Die zwischen Erdgeschoss und erstem Obergeschoss befindliche, von außen sichtbare Dübeldecke ist ein weiterer Hinweis darauf, dass ein Neubau des 17. Jahrhunderts sich nur auf die Obergeschosse erstreckte und ein wenigstens in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts anzusiedelndes Erdgeschoss beibehielt.

Insgesamt war das Haus also ein interessanter Hybrid aus mittelalterlicher und neuzeitlicher Zimmermannskunst. Sein Verlust durch den Krieg ist so auch aus ingenieurstechnischer Sicht höchst bedauerlich, hätte es mit modernen Untersuchungsmethoden doch mit Sicherheit wertvolle Hinweise auf die spezifische Entwicklung des Fachwerkbaus in Alt-Frankfurt geben können.

Haus zur wilden Frau

Haus zur wilden Frau, Foto von C. A. Abt, um 1910

Das Eckhaus zwischen Drachengässchen und Goldhutgasse trug den Namen zur wilden Frau und hatte eine thematische Bemalung, die entfernt an einen Drachen erinnerte. Zum Plätzchen hin hatte es kaum eine größere Seite als das benachbarte Haus zum Widder, in der Tiefe nahm es allerdings fast die Hälfte des sich zum Markt erstreckenden Häuserblocks ein.

Abgesehen von der schmalen Seite wirkte das Haus mit seinem Mansarddach und seinen barocken Fenstern wie ein Produkt des späten 17. oder des 18. Jahrhunderts, doch auch hier brachten die Freilegung der 30er Jahre unerwartete Details an Tageslicht. Sie legten im Erdgeschoss massive gotische Eckständer frei, so dass auch hier davon auszugehen ist, dass das Gebäude einen nur barock veränderten Kernbau des späten Mittelalters darstellte.

Allerdings entschied man sich, wie Fotos aus den frühen 40er Jahren zeigen, gegen eine Freilegung des ursprünglichen Fachwerks, wohl weil dieses, wie so oft, durch die späteren Veränderungen völlig verdorben worden war.

Quellen

  1. diese und alle folgenden Adressangaben entsprechend dem Frankfurter Adressbuch von 1943
  2. Johann Georg Battonn griff die Thematik in seinem Hauptwerk (Oertliche Beschreibung der Stadt Frankfurt am Main. Verein für Geschichte und Alterthumskunde zu Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 1864) erstmals auf, später auch Prof. Dr. Heinrich Voelcker in: Die Altstadt in Frankfurt am Main innerhalb der Hohenstaufenmauer. Frankfurt am Main 1937, Verlag Moritz Diesterweg
  3. wichtigste Stadtbeschreibung dieser Zeit ist das 1350 vom Canonicus des St. Bartholomäus-Stiftes, Baldemar von Peterweil geschriebene Liber censuum, letzter bekannter Abdruck in: Verein für Geschichte und Alterstumskunde (Hrsg.): Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. Dritte Folge. Fünfter Band. K. Th. Völcker's Verlag, Frankfurt am Main 1896, S. 1–54
  4. die beiden Häuser sind im Ravenstein-Plan von 1862 noch verzeichnet (vgl. Bild), besitzen aber bereits im Frankfurter Adressbuch von 1877 keinen Eintrag mehr
  5. Ausführung von Dr. Heinrich von Nathusius-Neinstedts Kommentar zum Abdruck des Liber censuum in: Verein für Geschichte und Alterstumskunde (Hrsg.): Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. Dritte Folge. Fünfter Band. K. Th. Völcker's Verlag, Frankfurt am Main 1896, S. 1–54
  6. a b Alt-Frankfurt, Neue Folge. Verlag Englert & Schlosser, Frankfurt am Main 1924, S. 39–42
  7. Friedrich Bothe: Geschichte der Stadt Frankfurt am Main. Verlag Moritz Diesterweg, Frankfurt am Main 1913, S. 92
  8. a b Alt-Frankfurt. Ein Vermächtnis. Verlag Sauer und Auvermann, Glashütten 1971
  9. Manfred Gerner: Fachwerk. Entwicklung, Gefüge, Instandsetzung. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1998

Literatur

  • Paul Wolff, Fried Lübbecke: Alt-Frankfurt, Neue Folge. Verlag Englert & Schlosser, Frankfurt am Main 1924, S. 39–42
  • Prof. Dr. Heinrich Voelcker, Die Altstadt in Frankfurt am Main innerhalb der Hohenstaufenmauer. Frankfurt am Main 1937, Verlag Moritz Diesterweg
  • Georg Hartmann, Fried Lübbecke: Alt-Frankfurt. Ein Vermächtnis. Verlag Sauer und Auvermann, Glashütten 1971
  • Hartwig Beseler, Niels Gutschow: Kriegsschicksale Deutscher Architektur – Verluste, Schäden, Wiederaufbau. Karl Wachholtz Verlag, Neumünster 1988, ISBN 3-529-02685-9

Weblinks

 Commons: Fünffingerplätzchen – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
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