Galante Dichtung

Galante Dichtung
Menantes (Christian Friedrich Hunold), Verliebte und Galante Welt (Hamburg, 1707).

Als galanter Roman konnte – die diesbezügliche Debatte wurde vorwiegend im deutschen Sprachraum geführt - zwischen 1680 und 1730 jeder Roman bezeichnet werden, der

  • die „galante Welt“ anspricht,
  • „galante“ Helden aufbietet,
  • „galant“ geschrieben ist.

Das Feld des galanten Romans lässt sich mit diesen Aussagen nicht genau fixieren. Unter Romanautoren des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts herrschte Uneinigkeit darüber, wer wirklich galante Romane schrieb - die Scudéry galt als Klassikerin, wurde jedoch kaum noch gelesen. August Bohse, alias Talander, hatte das Wort „galant“ auf Romantitelblättern populär gemacht, las sich jedoch bereits nach 1700 als übertrieben gekünstelt. Christian Friedrich Hunold, alias Menantes, galt von 1700 an bis in die 1740er als der „galanteste“ Autor deutscher Sprache, er schlug effektvoll die Brücke zwischen dem Ideal höfischer Herkunft und der Anwendung, die es im Alltag bis in den Privatbereich hinein fand. Mit den Studenten, die ihm ab 1706 nacheiferten, geriet das Wort bereits im zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts in Misskredit, Romane für die „junge Welt“ schienen kurzfristig der Ausweg.

Inhaltsverzeichnis

Kennzeichen: eine Mode, die viele Genres des Romans erfasste – keine Gattung

Die „galante Welt“ als Publikum

Tatsächlich findet sich der Hinweis auf Qualitäten des Galanten auf Romantitelblättern des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts vor allem in Anpreisungen der Titel gegenüber der „galanten Welt“. Sie war das Publikum. Die Vorreden und die Widmungen machen wahrscheinlich, dass damit die 15- und 30-Jährigen angesprochen waren, Mädchen vor der Heirat, Studenten, das Publikum, das nach 1700 dann selbst galante Romane schrieb - eine modische, urbane Schicht, junger Adel in zweiter Linie.

Galante Helden

Galante Helden waren in der ersten Produktion galanter Romane antike Prinzen, die sich der galanten Mode befleißigten, durch Komplimente und Verhandlungsgeschick auffielen, durch Hilfsbereitschaft gegenüber dem Frauenzimmer, durch Brauchbarkeit in höfischen Missionen.

Bereits die frühe Riege galanter Helden war der Gegenwart nahe - die Romane der Scudéry spielten nur in der Antike, ihre Helden waren Personen aus der Welt der Autorin, deren Geschichten in die Schlüsselromane, die hier geschrieben wurden einflossen.

Mit dem späten 17. Jahrhundert kam eine zweite Riege galanter Helden aus dem politischen Tagesgeschäft hinzu - Offiziere, königliche Spione, Höflinge, die in ihren fingierten Lebensberichten (mögliche) politische Hintergründe aktueller Tagespolitik in den Raum stellten.

Mit den Romanen des frühen 18. Jahrhunderts kamen private galante Helden viel geringeren Standes auf. In Deutschland schrieben Studenten bürgerlicher Herkunft ab 1700 galante Romane, in denen sie sich selbst mit ihren Amouren als Helden brüsteten, die den galanten politischen Helden des französischen Markts nicht nachstanden.

Galanter Stil

Galanter Stil ist ein komplexes Phänomen: Galante Romane sollten galante Conduite lehren, sie sollten Komplimente enthalten – geschickte schmeichelnde Gesprächseröffnungen, die man abschrieb und auswendig lernte, wenn man nicht das Talent hatte frei galant zu sprechen.

Zum galanten Stil gehörte die Durchmischung des Romantextes mit eingestreuten (möglicherweise authentischen) Briefen, mit Gedichten, Liedern und Kantaten ja mit ganzen Operntexten. Galante Romane bieten ein buntes Textbild schließlich mit den zahlreichen Worten aus dem Französischen, die im deutschen in ihren Schreibungen und in ihrer Schrifttype gewahrt wurden. Mitten im Fraktur-Text leuchten die eleganten Worte in europäischen Antiqua-Buchstaben auf.

Der „galante Stil“ war weit mehr aber noch eine Frage der Conduite, mit der der Autor gegenüber seinen Lesern und Leserinnen, gegenüber Konkurrenten und gegenüber der Kritik auftrat: gezielt ungeniert, im Ernstfall gewillt, jede Verantwortung zu für das Geschriebene von sich zu weisen, frei, mutig, jeden Angreifer zum Duell zu fordern, souverän, elegant, charmant insbesondere gegenüber dem weiblichen Publikum.

Nachwirkungen

Das Konzept des galanten Romans machte im 20. Jahrhundert in der Germanistik eine erneute Karriere als Option, unter der sich eine Gelenkepoche zwischen Barock und Aufklärung definieren ließ. Man versuchte in der Folge, den „galanten Roman“ zu einer Textgattung zwischen Barockroman und Roman der Aufklärung zu machen. Ein eigenes Konstruktionsschema musste die Gattung bestimmen. Die Fachwissenschaft entschied sich weitgehend dafür, Romane mit „noch barocker“ Konstruktion des Plots für bestimmend zu erachten und die umliegende, breite galante Produktion als Varianten (und damit als Symptom der Auflösung der Epoche) zu verbuchen.

Siehe auch

Galant (Mode), Europamode 1689-1721 sowie den Artikel Roman für den größeren Zusammenhang und das Genrespektrum des Romans um 1700, in das sich der galante Roman einordnete.

Literatur

  • Herbert Singer, Der deutsche Roman zwischen Barock und Rokoko (Köln/ Graz, 1963).
  • Wilhelm Vosskamp, Adelsprojektionen im galanten Roman bei Christian Friedrich Hunold. Zum Funktionswandel des ‚hohen’ Romans im Übergang vom 17. zum 18. Jahrhundert. In: Literaturwissenschaft und Sozialwissenschaft 11. Legitimationskrisen des deutschen Adels 1200-1900. Hg. v. Peter Uwe Hohendahl / Paul Michael Lützeler. Stuttgart 1979, S. 83-99.
  • Bernhard Fischer, Ethos, Konvention und Individualisierung. Probleme des galanten Romans in Chr. F. Hunolds Europäischen Höfen und im Satyrischen Roman. In: DVjS 59 (1985), S. 64-97.
  • John A. McCarthy, The Gallant Novel and the German Enlightenment. In: DVjS 59 (1985), S. 47-78.
  • Friedmann Harzer, Heroisch-galanter Roman, Galanter Roman. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Hg. v. Klaus Weimar et al. Band I, A-G. Berlin 1997, 41-42.
  • Olaf Simons, Marteaus Europa, oder, Der Roman, bevor er Literatur wurde: eine Untersuchung des Deutschen und Englischen Buchangebots der Jahre 1710 bis 1720 (Amsterdam: Rodopi, 2001). ISBN 90-420-1226-9
  • Olaf Simons, „Zum Korpus ‚galanter‘ Romane zwischen Bohse und Schnabel, Talander und Gisander“ in Das Werk Johann Gottfried Schnabels und die Romane und Diskurse des frühen 18. Jahrhunderts, hrsg. v. Günter Dammann und Dirk Sangmeister (Tübingen: Max Niemeyer, 2004), S.1-34.
  • Florian Gelzer, Konversation, Galanterie und Abenteuer. Romaneskes Erzählen zwischen Thomasius und Wieland (Tübingen: Niemeyer, 2007). ISBN 978-3-484-36625-1
  • Jörn Steigerwald, Höfliches Lachen. Zur distinguierenden Komik der höfischen Gesellschaft: Hunolds Satyrischer Roman. In: Lustige Körper – witzige Texte. Zur Anthropologie und Medialität des Komischen im 17. Jahrhundert (1580-1730). Hg. v. Stefanie Arend, Thomas Borgstedt, Nicola Kaminski, Dirk Niefanger. Amsterdam 2008, S. 325-355.

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