Gegendarstellung

Gegendarstellung

Eine Gegendarstellung ist eine eigene Darstellung eines Sachverhalts, über den zuvor in einem Medium berichtet worden war, durch den Betroffenen selbst. Die Gegendarstellung ist damit ein Begriff des Presserechts. Wer von einem Bericht über seine Person oder Organisation betroffen ist, soll sich im selben Medium an vergleichbarer Stelle und in vergleichbarer Aufmachung kostenlos artikulieren, beziehungsweise etwas richtig stellen dürfen. Das Recht zur Gegendarstellung ist gegründet auf § 11 des Reichspressegesetzes (RPG) von 1874 und ist heute in den Pressegesetzen der Länder geregelt.

Gegendarstellung von Heide Simonis in Bild

Inhaltsverzeichnis

Anspruch

Der medienrechtliche Gegendarstellungsanspruch beruht auf dem Grundsatz audiatur et altera pars (auch der andere Teil soll angehört werden). Er ist Ausdruck des öffentlichen Interesses an inhaltlich richtiger Information und damit des Rechts auf freie Meinungsbildung (Meinungsfreiheit Art. 5 Abs. 1 GG), das durch die Darstellung der Gegenseite befördert wird, sowie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) als Recht auf Selbstbestimmung über die öffentliche Darstellung der eigenen Person.

In Deutschland ist der Gegendarstellungsanspruch in den Pressegesetzen der Länder (z. B. § 11 HmbPresseG, § 12 NDR-StV), den Rundfunk- und Mediengesetzen der Länder (z. B. § 10 HmbMedienG) und im Rundfunkstaatsvertrag (§ 56 Rundfunkstaatsvertrag) verankert (maßgeblich ist in der Regel das Recht des Veröffentlichungsortes). Das berechtigte Interesse an einer Gegendarstellung muss gegeben sein, dieses leitet sich aus dem geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 1 und 2 GG) ab. Der Gegendarstellungsanspruch ist ein spezieller Anspruch des Medienzivilrechts, der im allgemeinen Zivilrecht keine Entsprechung findet.

Danach kann jede Person und jede Stelle (also z. B. auch eine AG, ein Verein oder eine Behörde), die von einer in den Medien verbreiteten Tatsachenbehauptung betroffen ist, ihre eigene abweichende Darstellung des Sachverhalts im selben Medium kostenlos artikulieren. Allerdings darf die Gegendarstellung wiederum nur Tatsachenbehauptungen (keine Meinungsäußerungen) enthalten.

Sie muss durch den Betroffenen schriftlich verlangt und persönlich unterzeichnet werden und in engem zeitlichen Zusammenhang mit der beanstandeten Berichterstattung verlangt werden, das sind maximal ca. drei Monate bei Presseerzeugnissen, ca. zwei Monate im Rundfunk. Die Gegendarstellung sollte nicht umfangreicher sein, als die ursprüngliche beanstandete Berichterstattung.

Die Zeitung, die Rundfunkanstalt oder der Internetanbieter ist verpflichtet, die Gegendarstellung unverzüglich in der nächsterreichbaren Ausgabe des Mediums an derselben Stelle und in derselben Aufmachung zu veröffentlichen wie der beanstandete Artikel, ggf. auch auf der Titelseite (Grundsatz der Waffengleichheit, siehe auch Caroline-von-Monaco-Urteil I). Es ist jedoch zulässig, einen sogenannten Redaktionsschwanz anzuhängen, in dem das Medium sich z. B. vom Inhalt der Gegendarstellung distanziert.

Für die Gegendarstellung ist es ohne Bedeutung, ob die beanstandete Tatsachenbehauptung wahr oder falsch war. Wer den Anspruch auf Gegendarstellung geltend macht, muss aber selbst durch die Tatsachenbehauptung betroffen sein und ein berechtigtes Interesse geltend machen. Ein berechtigtes Interesse fehlt z. B., wenn die Gegendarstellung offenkundig unwahr oder inhaltlich völlig belanglos ist.

Wenn das Medium die Gegendarstellung verweigert, kann der Betroffene sie analog §§ 935ff ZPO nach den Vorschriften für eine einstweilige Verfügung vor einem Zivilgericht erzwingen. Dabei müssen weder die Dringlichkeit noch der Wahrheitsgehalt glaubhaft gemacht werden.

Neben dem Gegendarstellungsanspruch kann der Betroffene ggf. auch noch Ansprüche auf Unterlassung, Berichtigung, Schadensersatz oder Entschädigung in Geld für immaterielle Schäden geltend machen, wobei sich eine erfolgte Gegendarstellung schadensmindernd auswirken kann.

Anspruch auf eine Gegendarstellung hat nur die betroffene Person, das betroffene Unternehmen, Organ, die betroffene Behörde selbst. Ausschließlich der Betroffene darf eine Gegendarstellung verlangen. Diese muss von dem Betroffenen zwar nicht selbst verfasst, aber unterzeichnet werden. Der Betroffene kann unverzüglich Stellung nehmen, innerhalb von zwei Wochen gilt als angebrachte Frist. Das Abdruckverlangen einer Gegendarstellung darf nur innerhalb von drei Monaten an den Verlag gestellt werden, nachdem der Artikel veröffentlicht wurde. Ein Wahrheitsbeweis der Gegendarstellung muss nicht erbracht werden, eine Gegendarstellung ist keine Berichtigung. Somit steht nach einer abgedruckten Gegendarstellung Aussage gegen Aussage, dem Leser ist es nicht möglich, zu wissen, welche Aussage nun richtig ist.

Am 19. Dezember 2007 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass ein Anspruch auf eine Gegendarstellung bei doppeldeutigen Tatsachenbehauptungen nur dann besteht, wenn sich eine Aussage als „unabweisbare Schlussfolgerung aufdrängen muss“.[1]

Form und Veröffentlichung

Eine Gegendarstellung wird zunächst direkt bei dem jeweiligen Verleger oder verantwortlichen Redakteur verlangt. Der verantwortliche Redakteur und der Chefredakteur müssen nicht identisch sein. Bei einer Ablehnung des Gegendarstellungsverlangens kann es über den Weg einer „Einstweilige Verfügung“ durchzusetzen versucht werden. Dies erfolgt beim Zivilgericht, jedoch zumeist ohne Anhörung. Form und Inhalt der gesetzlichen Bestimmungen für die Erwirkung einer Gegendarstellung müssen eingehalten werden.

Eine Gegendarstellung darf sich ausschließlich auf Tatsachenbehauptungen in einem Artikel oder Bericht beziehen, nicht auf Meinungen, Vermutungen, Kommentare oder Werturteile; ebenfalls nur auf den redaktionellen Teil eines Titels. Die Gegendarstellung selbst darf auch nur Tatsachenbehauptungen beinhalten. Anzeigen, mit Ausnahme von politischen Anzeigen, gewährleisten zumeist keinen Gegendarstellungsanspruch.

Eine Gegendarstellung wird als solche gekennzeichnet. Der Umfang sollte im Vergleich zum beanstandeten Textteils des Originaltextes angemessen sein, außerdem muss sie in derselben Schriftart und Schriftgröße veröffentlicht werden. Vor allem muss eine Gegendarstellung an der gleichen Stelle wie der beanstandete Artikel in der Publikation platziert werden. Dadurch müssen immer mehr Gegendarstellungen auf Titelseiten veröffentlicht werden.

Die Gegendarstellung hat mit einer kurzen Bezugnahme auf den ursprünglichen Bericht zu beginnen, der Anlass für die Gegendarstellung ist, damit der Leser, Hörer oder Zuschauer die Gegendarstellung überhaupt einordnen kann („Am X.X.XXXX berichtete XXX, es sei …“). Die eigentliche Gegendarstellung wird dann mit den Worten „Hierzu stelle ich fest …“ eingeleitet und es folgt die Sichtweise des Betroffenen.

Redaktionsschwanz

Die Redaktion darf den jeweiligen Gegendarstellungstext nicht verändern, aber im Anschluss an die Gegendarstellung fügt die Redaktion des Mediums häufig einen sogenannten Redaktionsschwanz an, hier kann die Redaktion zu der Gegendarstellung selbst nochmals Stellung nehmen. Darin wird in der Regel erwähnt, dass die Redaktion zum Abdruck der Gegendarstellung verpflichtet ist, häufig ergänzt um die Feststellung, dass die Aussage der Gegendarstellung nach Auffassung der Redaktion nicht den Tatsachen entspricht oder dass die Redaktion bei ihrer ersten Aussage bleibt, selten aber auch der Satz „XXX hat recht“. Die Redaktion kann sich hier inhaltlich von der Aussage der Gegendarstellung distanzieren. Sie darf hierbei aber nur die Tatsachen der Gegendarstellung anzweifeln, nicht aber die Gegendarstellung entwerten.

Die Statthaftigkeit des Redaktionsschwanzes als Erwiderung auf die Gegendarstellung ist in der Bundesrepublik Deutschland zum Teil im Rahmen des Gegendarstellungsrechts in den Pressegesetzen der Bundesländer geregelt. Im Saarland war das Anfügen eines Redaktionsschwanzes per Änderung des Landesmediengesetzes 1994 durch die SPD-Mehrheit im saarländischen Landtag unter dem damaligen Ministerpräsident Oskar Lafontaine verboten worden. Die damalige Änderung bezeichneten Kritiker und politische Gegner als willkürlichen Rachefeldzug Lafontaines gegen Journalisten im Zuge seiner Pensions- und Rotlichtaffäre. Sie ging als „Lex Lafontaine“ in die presserechtliche Debatte ein. Nach dem Wechsel der Landtagsmehrheiten und der Regierung im Saarland entschärfte 1999 die CDU-Mehrheit im Landtag den entsprechenden Paragrafen.

Geschichte

Das Recht der Gegendarstellung ist eine Errungenschaft der französischen Revolution. Es beruht auf dem Grundsatz audiatur et altera pars (auch der andere Teil soll angehört werden). Wenn das Medium Sendung oder Abdruck der Gegendarstellung verweigert, kann der Betroffene seinen Gegendarstellungsanspruch auch gerichtlich durchsetzen.

Prinzessin Caroline von Monaco war die erste Person, die eine Gegendarstellung auf einer Titelseite erwirken konnte. Die Bildzeitung musste beispielsweise 2002 eine Gegendarstellung von Wolfgang Thierse, in seiner Funktion als Bundestagspräsident, abdrucken, in der es um das Treffen der deutschen und französischen Parlamentarier in Paris ging, das in der Bild-Zeitung als „Paris-Sause“, ein großes Fest auf Kosten der Steuerzahler, dargestellt wurde.

Durch das sog. „Türken in Bingen“-Urteil (BVerfGE 63, 131) hat das Bundesverfassungsgericht die Bedeutung einer Gegendarstellung unter Berufung auf das Persönlichkeitsrecht gestärkt.

Sorgfaltspflicht

Journalisten haben gegenüber ihrer Zeitung grundsätzlich die Pflicht, so gut zu recherchieren, dass sie keine falschen Behauptungen veröffentlichen (Journalistische Sorgfaltspflicht) und somit keine Gegendarstellung provozieren. Viele Gegendarstellungen untergraben die Glaubwürdigkeit eines Mediums. Meistens verlangen Personen der Öffentlichkeit von Boulevardzeitungen, Publikumszeitschriften und Illustrierten Gegendarstellungen. Es können aber auch von Telemediendiensten wie Blogs Gegendarstellungen verlangt werden.

Alternativen

Eine Gegendarstellung bringt die Schwierigkeit mit sich, dass der Betroffene nochmals die ursprüngliche Äußerung wiederholen muss. Daneben kann ein Anspruch auf Berichtigung oder Widerruf durch das Medium selbst effektiver sein. Hierfür sind jedoch strengere Anforderungen zu erfüllen, insbesondere trägt der Verlangende regelmäßig die Beweislast für die Unwahrheit der Behauptung. Zwar mag von Seiten von Personen des öffentlichen Lebens auch an Alternativen gedacht werden, wie beispielsweise Pressemitteilungen, Pressekonferenzen, schriftliche Stellungnahmen, Gespräche mit dem jeweiligen Autor/Journalist oder auch die Veröffentlichung eines Leserbriefes der betroffenen Person. Problematisch dürfte eine Stellungnahme in Form eines Leserbriefes jedoch insofern sein, als hier der Leser gerade keine Klarstellung von Seiten des Betroffenen erwartet, sondern Meinungen anderer. Zudem ist zu bedenken, dass es auf die genannten Möglichkeiten (im Gegensatz zum Recht der Gegendarstellung) keinen (gerichtlich durchsetzbaren) Anspruch gibt.

Wirkung der Gegendarstellung

Eine repräsentative Umfrage von 2000 Befragten zu einem realen Fall hat ergeben, dass die Wirkung einer Gegendarstellung in ihrer Stärke tatsächlich ungefähr dem Effekt eines einzelnen, gleich langen Zeitungsartikels entspricht[2].

Gegendarstellung in der Schweiz

In der Schweiz ist das Recht auf Gegendarstellung in den Art. 28g bis 28l des ZGB gewährleistet.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Carsten Kiefer und Holger Bleich: Bundesverfassungsgericht schränkt Recht auf Gegendarstellungen ein. In: heise online. 23. Januar 2008, abgerufen am 5. Oktober 2011.
  2. Thomas Petersen: Ein Experiment zur potentiellen Wirkung von Gegendarstellungen als Gegengewicht zu einer skandalisierenden Berichterstattung. In: Publizistik. Vol. 51, Nr. 2, Juni 2006, ISSN 0033-4006, S. 153-167, doi:10.1007/s11616-006-0054-y (online verfügbar über SpringerLink, zugriffsbeschränkt).

Siehe auch

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