Gerechte Aufteilung

Gerechte Aufteilung

Eine gerechte Aufteilung einer Ressource liegt dann vor, wenn jeder Beteiligte glaubt, die Aufteilung sei fair. Dabei kann jeder die vorliegenden Teilstücke anders bewerten. Die subjektive Einschätzung des Wertes durch die Beteiligten ist somit ein immanenter Faktor, wenn es darum geht, mithilfe der mathematischen Spieltheorie ein Protokoll zu finden, mit dem man dann eine gerechte Aufteilung herstellt. Tatsächlich fällt die Einigung sogar leichter, wenn die Beteiligten verschiedene Dinge bevorzugen.

Die Ressource kann beliebig teilbar sein (häufiges Modellbeispiel hierfür ist ein Kuchen) oder gewisse unteilbare Stücke (z. B. Autos) besitzen, wobei der erste Fall i. A. einfacher ist. Des Weiteren existiert die Variante, dass das aufzuteilende Objekt unerwünscht ist, jeder also möglichst wenig davon haben will.

Inhaltsverzeichnis

Mathematische Kriterien für Fairness

In der mathematischen Theorie gibt es verschiedene Möglichkeiten, Fairness in der Aufteilung zu modellieren:

  • Proportionalität: Jeder glaubt, den ihm zustehenden Anteil erhalten zu haben.
  • Neidfreiheit: Keiner würde seinen Anteil gegen den eines anderen tauschen. Bei beliebig teilbaren Objekten gibt es immer eine neidfreie Aufteilung.
  • Exaktheit: Jeder meint, dass alle gleichviel bekommen haben.

In jedem der genannten Kriterien sind die vorhergehenden mitinbegriffen, d. h. sie sind Verallgemeinerungen davon.

Aufteilungsprotokolle

Es gibt verschiedene Arten von Aufteilungsprotokollen, die verschiedene Fairnesskriterien erfüllen, wobei allen gemeinsam ist, dass es anders als in der Realität nie einen Vermittler oder Schiedsrichter gibt. Dies ist für die spieltheoretische Untersuchung nicht von Interesse. Die Beteiligten werden oft als „Spieler“ bezeichnet und als Ressource wird das Modellbeispiel Kuchen gewählt.

Diskrete Protokolle

Diskrete Protokolle verlaufen schrittweise und immer nur ein Spieler ist an der Reihe, um z. B. den Kuchen zu schneiden oder zu markieren.

2 Spieler

Für zwei Spieler ist ein einfaches neidfreies Protokoll nach dem Prinzip „Ich schneide, du wählst aus“ bekannt:

  1. Der erste Spieler schneidet den Kuchen in zwei Teile (, die ihm gleich groß erscheinen).
  2. Der zweite Spieler wählt eines der beiden Stücke aus (, welches für ihn mind. die Hälfte des Kuchens ausmacht).

Das Protokoll ist neidfrei, weil für jeden Spieler die Aufteilung am Ende neidfrei ist: Für den ersten deshalb, weil für ihn beide Stücke gleichgroß sind, für den zweiten, weil er sich sein Stück am Ende aussuchen darf.

Eigentlich bildet nur der oben nicht umklammerte Teil das Protokoll, denn wenn rationale Spieler diesen befolgen, ist für sie die Endaufteilung neidfrei. (Nichtrationale Spieler sind selbst Schuld, wenn sie nicht das erwünschte Ergebnis erzielen.) Die Teile in den Klammern geben nun an, nach welcher Strategie sich rationale Spieler während des Protokolls richten würden. Diese mit dem Protokoll verknüpften, allerdings nicht explizit zu nennenden individuellen Strategien sind ein Merkmal von Aufteilungsprotokollen.

Ein Protokoll, dass auch für unteilbare Güter gute Ergebnisse erzielt, ist die Scheidungsformel.

Mehr Spieler

Sowohl ein neidfreies als auch ein nur proportionales Protokoll für beliebige Spieleranzahlen sind bekannt, wobei letzteres wesentlich einfacher und dementsprechend auch schon länger bekannt ist.

Kontinuierliche Protokolle

Protokolle können kontinuierlich sein, weil ein Spieler unendlich viele Entscheidungen treffen muss. Dies kann verschiedene Gründe haben: Der Spieler muss z. B. zu einem Zeitpunkt die unendlich vielen möglichen Teilungen bewerten. Die weitaus größte Gruppe bilden jedoch die Protokolle mit dem bewegten Messer. Bei ihnen hat ein Spieler die Messer, während die anderen irgendwann Stopp rufen.

Geschichte

Das Prinzip „Ich schneide, du wählst“ wird wahrscheinlich schon sehr lange benutzt. Ernsthafte mathematische Untersuchungen begannen jedoch erst 1944 mit Hugo Steinhaus, Bronisław Knaster und Stefan Banach, die sich mit proportionalen Aufteilungen beschäftigten.

Die Neidfreiheit für drei Personen wurde 1960 unabhängig voneinander durch John L. Selfridge und John Horton Conway gelöst und in Martin Gardners Kolumne des Scientific American abgedruckt. 1992 fanden Steven Brams und Alan Taylor ein neidfreies Protokoll für vier Personen.

Literatur


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