Gerhard Colm

Gerhard Colm

Gerhard Colm (eigentlich: Cohn; * 30. Juni 1897 in Hannover; † 26. Dezember 1968 in Chevy Chase, Maryland, USA) war ein deutsch-amerikanischer Volkswirt, bedeutender Finanzwissenschaftler und als solcher u. a. Berater des amerikanischen Präsidenten Harry S. Truman.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Gerhard Colm kam am 30. Juni 1897 in Hannover zur Welt. Nach seinem Abitur 1915 gehörte er zu den vielen, die sich begeistert für den Ersten Weltkrieg freiwillig meldeten und völlig desillusioniert aus ihm zurückkehrten.

1919 studierte er bei dem Soziologen und Nationalökonom Franz Oppenheimer Nationalökonomie in Frankfurt am Main. Im selben Jahr trat er auch in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ein. Von 1922 bis 1926 arbeitete er als Referent am Statistischen Reichsamt in Berlin. 1927 habilitierte er sich an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel mit der Schrift „Volkswirtschaftlichen Theorie der Staatsausgaben“, mit der er den bisherigen engen wissenschaftlichen Rahmen sprengte, die sich bis dahin in der Analyse noch dominant auf die Einnahmenseite des Staatsbudgets konzentrierten, während öffentliche Ausgaben als Kaufkraftentzug der Volkswirtschaft deklariert wurden. Gerhard Colm wies dagegen auf die Rückwirkungen der Staatsausgaben auf den volkswirtschaftlichen Kreislauf hin.

Mit Adolph Löwe und Hans Neisser gehörte Gerhard Colm bald zu der sogenannten „Kieler Gruppe“, die in den Anfängen der wirtschaftlichen Kreislauf- und Konjunkturforschung Bedeutendes leistete und auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft repräsentierte. 1929 wurde Gerhard Colm außerordentlicher Professor an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel und hielt Vorlesungen im Bereich „Finanzwirtschaft“. So wenig Staat wie möglich, so viel wie nötig, um dennoch die Marktwirtschaft zielorientiert politisch zu steuern, war sein Plädoyer.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 war die Blütezeit des Kieler Institut für Weltwirtschaft schlagartig beendet. Wie Hans Neisser emigrierte er 1933 in die USA, wo er die Exil-Universität New School for Social Research in New York City mitgründete und dort als Professor für Nationalökonomie lehrte (1940 kam der Kieler Kollege Adolph Lowe auch an die New School). 1938 wurde er vom Kollegium zum Dekan gewählt. 1940 wechselte er als Finanzreferent im Budget-Büro des Weißen Hauses nach Washington D.C. und legte mit anderen zusammen im Mai 1946 einen fundierten Plan für eine Währungsreform in dem nach dem Zweiten Weltkrieg zerstörten Deutschland vor, der nach seinen Verfassern auch „Colm-Dodge-Goldsmith-Plan“ genannt wurde. 1946 machte der amerikanische Präsident Harry S. Truman Gerhard Colm zu seinem persönlichen Wirtschaftsberater und arbeitete maßgeblich an den Konzeptionen von Trumanns „Fair Deal“ mit. 1952 wurde er von McCarthy und seinem Senatsausschuss für unamerikanische Umtriebe aus diesem Amte herausgedrängt und wurde 1952 Chefökonom der „National Planning Association“ – ein Amt, das Gerhard Colm bis zu seinem Tode am 26. Dezember 1968 in Chevy Chase, Maryland, ausübte. Er wurde 72 Jahre alt.

Bedeutung

Gerhard Colm entwickelte in der „Kieler Gruppe“ die Nationalökonomie zu einem gesamtwirtschaftlichen Kreislauflehre weiter. In Amerika beeinflusste er die „funktionelle Wirtschaft“ von Abba Lerner und Neo-Keynianer in der Nachkriegszeit. An der Währungsreform in Deutschland hat er entscheidenden Anteil. Der amerikanischen Wirtschaftspolitik empfahl er den Einsatz von Korrektiven die gesamtwirtschaftlichen Kreislauf Auswüchse selbstregulierend abmilderten und den Kreislauf an sich stabilisierten. Befürchtungen einer Staatsverschuldung hielt er entgegen, dass „eine ausgeglichene Wirtschaft wichtiger als ein ausgeglichener Staatshaushalt“ sei. Von den Keynesianern unterschied er sich dadurch, dass für ihn eine langfristige Entwicklung und Wachstum wichtiger waren als kurzfristige Erfolge.

Ehrungen

Werke (Auswahl)

  • Beitrag zur Geschichte und Soziologie des Ruhraufstandes von März-April 1920, Essen, 1921
  • Der volkswirtschaftliche Unterricht an der Volkshochschule, 1925, Archiv für Erwachsenenbildung.
  • Der finanzwirtschaftliche Gesichtspunkt des Abrüstungsproblems, 1927, in Handbuch des Abrüstungsproblems Volkswirtschaftliche Theorie der Staatsausgaben, 1929.
  • Lohn, Zins, Arbeitslosigkeit, 1930,
  • Die Arbeit, Kapitalbildung und Steuersystem, mit Hans Neisser, 1930
  • Der deutsche Außenhandel unter der Einwirkung der weltwirtschaftlichen Strukturwandlungen, mit Hans Neisser, 1932.
  • The Ideal Tax System, 1934, Social Research
  • Theory of Public Expenditures, 1936, AAPS
  • Public Spending and Recovery in the United States, with F. Lehmann, 1936, Social Research
  • Is Economic Planning Compatible with Democracy?, 1937, in Ascoli and Lehmann, editors, Political and Economic Democracy.
  • Economic Consequences of Recent American tax policy with F. Lehmann, 1938.
  • Comment on Extraordinary Budgets, 1938, Social Research
  • The Revenue Act of 1938, 1938, Social Research
  • Is Economic Security worth the Cost?, 1939, Social Research
  • From Estimates of National Income to Projections of the Nation's Budget, 1945, Social Research
  • Fiscal Policy, 1947, in Harris, editor, New Economics
  • Can we afford additional programs for national security?, 1953.
  • Entwicklungen in Konjunkturforschung und Konjunkturpolitik in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1954.
  • Essays in Public Finance and Fiscal Policy, 1955.
  • Zur Frage einer konjunktur- und wachstumsadäquaten Finanzpolitik, 1956, Konjunkturpolitik
  • The Economy of the American people, mit T. Geiger, 1961.
  • Economic Planning in the United States, 1964, World Affairs
  • Integration of National Planning and Budgeting, 1968.

Literatur

Weblinks und Quellen


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