Gerhard Kessler

Gerhard Kessler

Gerhard Kessler (* 24. August 1883 in Großwilmsdorf, Ostpreußen; † 14. August 1963 in Kassel) war ein deutscher Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kessler wurde 1905 promoviert und 1912 außerordentlicher Professor für Sozialkunde und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Jena. Nach dem Ersten Weltkrieg, an dem er als Soldat teilnahm, wurde er 1919 ordentlicher Professor für Nationalökonomie in Jena. 1927 folgte die Berufung auf eine ordentliche Professur an der Universität Leipzig. In dieser Zeit profilierte er sich als scharfer Kritiker des Nationalsozialismus. 1932 bezeichnete er in einem Zeitungsartikel Hitler als "Phrasendrescher und Rattenfänger". Nach der NS-„Machtübernahme“ wurde Kessler aus politischen Gründen entlassen. Noch im selben Jahr emigrierte er in die Türkei, wo er an der Universität Istanbul Professor für Volkswirtschaft wurde. In der Türkei bemühte er sich um die Förderung der Sozialwissenschaften, wobei er sich soziologisch an Ferdinand Tönnies orientierte. Kessler schrieb eine Gesellschaftslehre in türkischer Sprache.

1943 gründete er zusammen mit dem Sozialdemokraten Ernst Reuter und anderen die Kleingruppe „Deutscher Freiheitsbund“.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ging Kessler 1950 erst als Gastprofessor an die Universität Göttingen und siedelte dann 1951 wieder nach Deutschland über. Bis 1958 lehrte er an der Universität Göttingen als Honorarprofessor.

Nachdem die deutschen Behörden seine Tätigkeit in der Türkei nicht für seine Rentenansprüche anerkannt hatten, starb er verarmt und vereinsamt in einem Altersheim in Kassel.

Auszeichnungen

Werke (Auswahl)

  • Die Deutschen Arbeitgeberverbände. Duncker & Humblot, Leipzig 1907.
  • Die Nachtarbeit jugendlicher Arbeiter in Glashütten, Walz- und Hammerwerken. um 1910.
  • Der Neuaufbau des deutschen Wirtschaftslebens. Fischer, Jena 1920.
  • Der Student in der neuen deutschen Gesellschaft. Bernard & Graefe, Berlin-Charlottenburg 1929.
  • Genealogie und Wirtschaftsgeschichte. Leipzig 1932.
  • Kampf und Aufbau!. Meiner, Leipzig 1933.
  • Içtimaiyata başlangiç. Istanbul 1938.
  • Kooperatiçilik. Istanbul 1940.
  • Sosyal siyaset. Istanbul 1950.

Literatur

  • Cem Dalaman: Die Türkei in ihrer Modernisierungsphase als Fluchtland für deutsche Exilanten. (Dissertation an der FU Berlin, 1998), S. 175–203, Online lesbar, siehe Weblinks.
  • Ronald Lambrecht: Politische Entlassungen in der NS-Zeit. Vierundvierzig biographische Skizzen von Hochschullehrern der Universität Leipzig (= Beiträge zur Leipziger Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte. Reihe B, Bd. 11). Evangelische Verlags-Anstalt, Leipzig 2006, ISBN 3-374-02397-5, S. 112–114.
  • Orhan Tuna: Prof. Dr. Gerhard Kessler's Persönlichkeit und Werke. Sermet Matbaasi, Istanbul 1964.
  • Klemens Wittebur: Die deutsche Soziologie im Exil 1933–1945. Eine biographische Kartographie (= Soziologie 20, = Beiträge zur Geschichte der Soziologie 1). Lit, Münster u. a. 1991, ISBN 3-88660-737-2, S. 32–34 (Zugleich: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1989).

Sonstiges

  • Zuflucht am Bosporus Dokumentarfilm von Nedim Hazar & Pavel Schnabel, 2001. Erstausstrahlung 3sat 28. Oktober 2001 mit der Zeitzeugin Addi Scholz, Tochter von G. Kessler, sie lebte allerdings nur kurzzeitig in der Türkei und damit mit ihrem Vater zusammen; und mit Cornelius Bischoff

Weblinks


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