Gero (Ostmark)

Gero (Ostmark)
Gefälschtes Siegel Markgraf Geros, um 1200.
Bild von Gero um 1540

Gero (* um 900; † 20. Mai 965) war seit 937 der erste und einzige Markgraf der Sächsischen Ostmark. Er spielte eine bedeutende Rolle in der expansiven Politik an der Ostflanke des Ostfränkisch-deutschen Reiches in der Zeit der frühen Ottonen. Zeitgenössische sächsische Quellen rühmen seine Tatkraft; späteren Historikern galt Gero als Symbolfigur für eine mittelalterliche deutsche Ostpolitik, die - je nach Standpunkt - als besonders energisch oder aber als ungemein rücksichtslos und brutal gewertet wurde.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Gero war ein Sohn des sächsischen Grafen Thietmar. König Otto I. übertrug ihm bereits kurz nach seinem Regierungsantritt 936 die sächsische Ostmark an der Saale und an der mittleren Elbe. Dies führte zur Rebellion von Ottos älterem Halbbruder Thankmar, dem sein Vater Heinrich I. bereits das mütterliche Erbe vorenthalten hatte und der die Ostmark wohl für sich selbst erwartet hatte.

König Otto betraute Gero 939 mit der Kriegsführung gegen die Elbslawen an der Elbe und unteren Saale. In erbitterten Kämpfen unterwarf Gero die Slawen. Als während der Kämpfe zwischen Otto und seinem Bruder Heinrich um Merseburg die Slawen -vorgeblich- ein Komplott planten, setzte Gero - nach Widukind - „List gegen List“ und ließ in einer Nacht fast dreißig slawische Fürsten bei einem Gastmahl ermorden.[1]. Zwischen 939 und 965 schlug er wiederholt Aufstände nieder. Mit seiner Politik der Härte gelang es Gero damit allmählich, das slawisch besiedelte Land zwischen Elbe und Oder zu unterwerfen und sein Herrschaftsgebiet erheblich auszudehnen. Dies führte u.a. zu einer solchen Schwächung der Sorben, dass sie sich 983 nicht am sogenannten großen Slawenaufstand der Liutizen und Abodriten beteiligen konnten. Die Schlacht an der Raxa im Jahre 955 gegen ein abodritisches Heer unter dem Fürsten Stoignew ist ein Zeugnis für die Härte der Auseinandersetzungen und für die Art und Weise, wie Gero die Slawen unterwarf. Nach dem Bericht des Widukind von Corvey nahm Gero 700 Slawen gefangen und ließ sie enthaupten. Stoignews Ratgeber wurden die Augen ausgestochen und die Zunge herausgerissen[2]

Sein siegreicher Feldzug 962/63 gegen den Piasten-Herzog Mieszko I. von Polen führte dazu, dass dieser vorübergehend die Oberhoheit des ostfränkisch-deutschen Königs anerkennen musste. 963 besiegte Gero auch die Milzener und Lusitzi in der Lausitz.

Nach dem Tode seiner beiden Söhne Siegfrid und Gero gründete Gero das Damenstift St. Cyriakus in Gernrode, setzte seine Schwiegertochter Hedwig (Hathui) als Äbtissin ein und stattete es reichlich aus; nach einer Urkunde vom 25. März 964 hatte das Stift Besitz in 76 Ortschaften, Kirchen und Gütern.

Kurz vor seinem Tode unternahm Gero eine Pilgerfahrt nach Rom. Er starb im Jahre 965 und wurde in der Stiftskirche St. Cyriakus in Gernrode bestattet. Dem von ihm gegründeten Stift vermachte er seine allodialen Erbgüter. Die sächsische Ostmark wurde nach seinem Tode in fünf Markgrafschaften aufgelöst. Es entstanden die Nordmark, die Mark Lausitz, die Mark Meißen, die Mark Zeitz und die Mark Merseburg.

Gero war vermutlich mit einer Frau namens Judith verheiratet. Seine beiden Söhne starben vor ihm. Seine Schwester Hidda war mit dem Markgrafen Christian von Serimunt vermählt, und deren Söhne Gero und Thietmar stifteten das Kloster Thankmarsfelde. Gero wurde Erzbischof von Köln, während Thietmar den Onkel als Markgraf von Meißen beerbte.

Nachleben

1847 legte Moritz Wilhelm Heffter, Professor und Prorektor am Gymnasium in Brandenburg, sein umfangreiches Buch „Der Weltkampf der Deutschen und Slaven seit dem Ende des fünften Jahrhunderts nach christlicher Zeitrechnung, nach seinem Ursprunge, Verlaufe und nach seinen Folgen dargestellt“ vor.[3] Heffter schrieb zur Rolle Geros bei der Bekämpfung der Slawen: Gero ist „auf das Höchste der Bewunderung und des Ruhmes würdig: er spielt in diesem großen Drama eine der ersten Rollen. Seinem kräftigen Arme, seiner Energie, seiner Rüstigkeit und Tapferkeit verdankt Otto I., verdankt Deutschland zumeist die großen Fortschritte ihrer Waffen nach Nordosten bis zur Oder, ja! nun, nach Unterwerfung des Mieszko I., selbst bis jenseits der Oder, bis zur Warthe und Weichsel hin“ (S. 129 f.).
In der von Heinrich Claß unter dem Pseudonym Einhart zum ersten Mal 1909 und 1939 in 18. Auflage erschienenen „Deutschen Geschichte“ wird in Zusammenhang der von Otto I. ‚in großartiger Weise nach Osten getriebenen Kolonialpolitik‘ „auch des großen Markgrafen Gero gedacht (...), der als getreuer Helfer seines Herrn mit rücksichtsloser Härte das gewaltige Gebiet der Nordmark eroberte, verwaltete und eindeutschte“.[4]
Gero als Repräsentant der Expansion des 10. Jahrhunderts spielte bis in die Nachkriegsdiskussion der 1940er Jahre eine Rolle. In seiner Kommentierung der Auflösung Preußens in der Potsdamer Konferenz äußerte sich der polnische Journalist Edmund Osmańczyk 1948 über Gero, indem er unter anderem feststellte, dass „der Drang nach Osten, durch die Mordtaten Markgraf Geros unter den Elbslawen eingeleitet, der Beginn des Hitlerismus gewesen sei“.[5] Ähnlich argumentierte der polnische Nationalhistoriker Zygmunt Wojciechowski, der die staatsbildende Tätigkeit Mieszkos I. als das Resultat der Erfahrung mit dem brutalen Vorgehen des ‚deutschen Nachbarn‘, besonders des Fürsten Gero, und die Oder-Neiße-Linie als westliche Grenze der wiedererworbenen „Muttergebiete der polnischen Nation“ ansah.[6]

So wie auch die historische Bewertung Ottos des Großen und der späteren Deutschen Ostsiedlung seit den 1980er Jahren weitgehend ohne die früheren nationalistischen Töne auskommt und anerkennt, dass Volkszugehörigkeit oder Nationen im modernen Sinn für das frühe Mittelalter keine Rolle spielten, wird auch die Rolle Geros heute sachlicher bewertet.

Quellen

  • Widukind von Corvey: Die Sachsengeschichte des Widukind von Corvey, in: Quellen zur Geschichte der sächsischen Kaiserzeit, übersetzt von Albert Bauer, Reinhold Rau (Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 8), Darmstadt 1971, S. 1–183.

Literatur

  • Gerd Althoff: Saxony and the Elbe Slavs in the Tenth Century, in: Timothy Reuter (Hrsg.), The New Cambridge Medieval History, Bd. 3: c. 900–c.1025, Cambridge 1999, S. 267–292, 771–775.
  • Helmut Beumann: Art. Gero In: Lexikon des Mittelalters, Bd. 4 (1989), Sp. 1349.
  • Jan Brademann: Defensor Patriae – Das Leben des Markgrafen Gero. In: Auf den Spuren der Ottonen II. Protokoll des Wissenschaftlichen Kolloquiums am 26. Mai 2000 in Wetzendorf/Memleben (Beiträge zur Regional- und Landeskultur Sachsen-Anhalts 17). Halle 2000, S. 115-130.
  • Otto von HeinemannGero. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 9, Duncker & Humblot, Leipzig 1879, S. 38 f.
  • Otto von Heinemann: Markgraf Gero. Eine historische Monographie. Braunschweig 1860.
  • Christian Lübke, Slavenaufstand. In: Lexikon des Mittelalters, Bd. 7, Sp. 2003f.
  • Walter SchlesingerGero. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, S. 312–314.
  • Dietmar Salewski: Otto I. und der sächsische Adel, S. 53–64. In: Matthias Puhle (Hrsg.): Otto der Große, Magdeburg und Europa. 2 Bände, Zabern, Mainz 2001 (Katalog der 27. Ausstellung des Europarates und Landesausstellung Sachsen-Anhalt).
  • Karl Schmid: Neue Quellen zum Verständnis des Adels im 10. Jh. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, Bd. 108 (1960), S. 185–232, bes. S. 211ff.

Einzelnachweise

  1. Widukind, Sachsengeschichte II, 20.
  2. Widukind, Sachsengeschichte III, 55.
  3. Vgl. Weltkampf der Deutschen und Slawen – Vgl. zu M. W. Heffter Wolfgang Wippermann, Der ‚deutsche Drang nach Osten‘. Ideologie und Wirklichkeit eines politischen Schlagwortes, Darmstadt (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) 1981, S. 39.
  4. Einhart, Deutsche Geschichte, 18. Auflage, Leipzig (Dieterich) 1939, S. 23.
  5. Andreas Lawaty, Das Ende Preußens aus polnischer Sicht. Zur Kontinuität negativer Wirkungen der preußischen Geschichte auf die deutsch-polnischen Beziehungen, de Gruyter: Berlin-New York 1985, S. 189 f.
  6. Robert Brier, Der polnische „Westgedanke“ nach dem Zweiten Weltkrieg (1944-1950), S. 23 u. 53. (Siehe „Westgedanke“). – Vgl. zu Gero auch Roland Gehrke, Der polnische Westgedanke bis zur Wiedererrichtung des polnischen Staates nach Ende des Ersten Weltkrieges. Genese und Begründung polnischer Gebietsansprüche gegenüber Deutschland im Zeitalter des europäischen Nationalismus, Herder Institut, Marburg 2001, S. 137; ISBN 3-879-69288-2.

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