Geschichte Kasachstans

Geschichte Kasachstans
Flagge Kasachstans

Die Geschichte Kasachstans reicht zurück bis in die Altsteinzeit. Die Kasachen formierten sich erstmals Mitte des 15. Jahrhunderts als ein Volk. In ihrer Geschichte mussten sich die Kasachen mehrmals der Fremdherrschaft benachbarter Völker unterwerfen. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts war Kasachstan Teil des russischen Einflussgebietes und gehörte später zur Sowjetunion, bis es 16. Dezember 1991 die Unabhängigkeit erlangte.

Inhaltsverzeichnis

Namensbedeutung

Kasachstan bedeutet Land der Kasachen. Die Endung -stan hat einen indoiranischen bzw. indogermanischen Ursprung und bedeutet allgemein Ort, Heimat.

Frühe Geschichte

Bereits seit dem Paläolithikum ist das Gebiet Kasachstans besiedelt. Sowohl Werkzeuge als auch Abfallprodukte von ihrer Herstellung aus lokalen Kieselgesteinen finden sich in großer Zahl auf den riesigen Landflächen in Süd- und Zentralkasachstan sowie auf der Halbinsel Mangyschlak. Die ersten Hominiden dürften sich auf dem Territorium von Kasachstan vor circa einer Million Jahren angesiedelt haben. Darauf wiesen einzelne Steinartefakte in Ablagerungen im Tal des Flusses Aristandy – im nördlichen Teil des Mangyschlak – hin. Vor etwa zehntausend Jahren wird eine chronologische Grenze zwischen dem Pleistozän (das eigentliche Eiszeitalter) und dem Holozän (die Nacheiszeit) beobachtet. In manchen Regionen ist diese Schwelle ausgeprägt und zeigt das Fehlen der Bevölkerung (im nördlichen Balchaschseegebiet); in anderen, den beschleunigten technischen Fortschritt der Werkzeugsherstellung und den Übergang zum Mesolithikum (Mangyschlak, Ostkasachstan). Es werden auch teilweise keine Veränderungen nachgewiesen – paläolithische Traditionen setzten sich bis zur Mitte des Holozäns fort.[1]

Die Stadt Taras in der Antike

Die letzte Phase der Steinzeit – das Neolithikum – ist durch die wesentliche Verbesserung der Steinwerkzeugsherstellungstechnik und weit verbreitete Verwendung von Keramik gekennzeichnet. Durch Besonderheiten in der Herstellung und Bearbeitung von Steinwerkzeugen und Keramikgeschirr können die neolithischen Denkmäler in archäologische Kulturen zugeordnet werden. In Kasachstan haben sich folgende Kulturen herauskristallisiert: die Kelteminar-Kultur – im südwestlichen Raum (Saksaul-, Akespe-, Schatpakol-, Kulsary-, Koikara-, Sarykamis-, und Schaiandy-Gruppe); die Atbasar-Kultur – im Gebiet des Flusses Ischim und im nordöstlichen Teil der kasachischen Schwelle (Winogradow II, X, XIV, Telschana I, X, Zhabai-Pokrovka III); die Machandzhar-Kultur im flachen Talkessel Turgai (Machandzhar, Salzsee-2, Amangeldy) und die Botai-Kultur in Nordkasachstan. Die Botai-Kultur ist eng mit der Pferddomestizierung verbunden. Die Übergangsphase vom Neolithikum zur Bronzezeit wird als Äneolithikum oder Chalkolithikum bezeichnet. Das ist die Zeit als der Mensch Kupfer zu gewinnen lernte.[1]

Im Laufe des 2. Jahrhunderts v. Chr. entstand in der Steppen- und Waldsteppenzone von Kasachstan die, nach einer Siedlungsfundstelle bei Andronowo-Dorf am Enissei benannte, archäologische bronzezeitliche Kultur. Diese Zeit ist durch die Intensivierung der Rohstoffgewinnung – vor allem Kupfer – gekennzeichnet.[1] Im ersten Viertel des ersten vorchristlichen Jahrtausends entstanden die Altturkstämme der Saken bzw. der Skythen. Sie bildeten auf dem Territorium Kasachstans im VI–III Jh. v. Chr. ihren ersten Staat dessen Zentrum sich im Siebenstromland (Südkasachstan) befand. Fälschlicherweise wurden die Saken in Forschungsarbeiten lange Zeit als Indoiraner dargestellt.[2] An der Stelle der Saken erscheinen im zweiten Jahrhundert v. Chr. ihre genetischen Nachfolger, die Uysunen.

Im 7. Jahrhundert kamen Turkvölker aus dem Altai nach Kasachstan. Seit 1219 war Kasachstan Teil des mongolischen Reiches Dschingis Khans. Dort wurde es auf mehrere Teilreiche aufgeteilt (vgl. hierzu: Weiße Horde, Orda-Horde, Tschagatai-Khanat und Nogaier-Horde).

Der Weg zur Nation

Die Flagge des Kasachenreiches

Das Volk der „Kasachen“ formierte sich erst um 1450 als Abspaltung von dem gerade erst gegründeten Usbekenreich. Abu'I-Chair hatte um 1430 die Usbeken vereinigt, versuchte aber seinen Nomaden eine straffe staatliche Ordnung aufzudrängen. Daraufhin fielen die Prinzen Jani Beg und Karai von ihm ab und begründeten das Kasachenreich. 1468 besiegten und töteten sie Abu'I-Chair Khan und breiteten sich über sein einstiges Reich aus.

Anfangs kannten die Kasachen kaum staatliche Ordnung. Der Islam übte nur eine oberflächliche Wirkung aus, die praktische Macht lag bei den Klans, die entweder den Khan unterstützten oder auch nicht. Aufgrund dessen zerfiel nach dem Tod von Jani Begs Sohn Qazim Khan 1518 die Einheit der Kasachen. Das Volk teilte sich nun in drei verfeindete Horden, die erst von Qazims Sohn Haqq Nazar 1538 wiedervereinigt wurden.

Erst Tauke (Tyawka, 1680–1718), der letzte Herrscher der vereinten Kasachen führte ein geschriebenes Gesetz (Dschety Zhargy) ein. Tauke hatte Repräsentanten in allen drei Horden, empfing Botschafter der Russen (1694) und musste sich mehrfach mit den Oiraten (Dschungaren) auseinandersetzen (1698). Nach seinem Tod lösten sich die Kasachenstämme wieder in die drei oben genannten Horden auf. Es war die Zeit des „Großen Unglücks“, d.h. ständiger Angriffe der Oiraten.

Um dem Druck der Oiraten zu entgehen taten die Kasachen zweierlei: Einerseits kam es 1728 zu einer vorübergehenden Wiedervereinigung der Kasachen. Zum zweiten unterwarfen sich die drei Horden 1731/40/42 nacheinander dem Russischen Kaiserreich, so dass die Russen vergleichsweise friedlich ihr Einflussgebiet erweitern und durch Forts sichern konnten.

Russische Oberhoheit

1801 versuchte der Borjigin Buqai Khan die Macht der Kasachen zu erneuern, rief 1812 erneut das Khanat aus und musste sich letztendlich den Russen beugen – das Kasachen-Khanat ging 1822 unter; aber erst 1865–68 mussten sich auch die letzten Kasachen den Russen unterwerfen.

Sowjetunion

Gebiet Kasachstans in der Sowjetunion

1917/19 bestand auf dem Gebiet des späteren Kasachstan die Herrschaft der Alasch Orda, die versuchte, einen muslimischen Stammesstaat aufzubauen und damit in Gegensatz zu den Kommunisten trat.

1918 wurde die kommunistische Macht etabliert. Im Russischen Bürgerkrieg war der Westen und Norden des Landes betroffen. Nach der Gründung der Sowjetunion existierte eine Autonome Sowjetrepublik mit der Hauptstadt Orenburg (heute auf russischem Gebiet).

Die Bevölkerung Kasachstans litt in den Jahren von 1928 bis 1933 unter einer beispiellosen Agrarkrise, Folge der gewaltsamen und in der gesamten Sowjetunion durchgeführten Zwangskollektivierung und Entkulakisierung. Die soziale und ökonomische Lage war gekennzeichnet durch massenhafte Enteignungen, Massendeportationen, Massenflucht und weit verbreiteten Unruhen. Hungerkatastrophen kosteten zirka 1,3 bis 1,5 Millionen Menschenleben.[3]

1936 wurde eine Kasachische Sowjetrepublik mit der Hauptstadt Alma-Ata eingerichtet.

In der Stalinzeit diente Kasachstan als Ansiedlungsgebiet für vertriebene Volksgruppen aus dem europäischen Teil der UdSSR (z.B. Russlanddeutsche, Krimtataren).

Die Sowjetrepublik Kasachstan hat auch eine wichtige Funktion im Atomwaffenprogramm der Sowjetunion. Die Sowjetunion testete hier von 1949 bis 1989 Atomwaffen, überwiegend für militärische Zwecke. Hauptschwerpunkt dieser Tests war das Atomwaffentestgelände Semipalatinsk (Семипалатинский испытательный полигон) im Nordosten des Landes. Insgesamt wurden dort fast 500 Atombombentests durchgeführt. Bis 1962 fanden die Explosionen in der Atmosphäre oder am Boden statt. Ab 1963 verlegte man sich auf unterirdische Tests in Stollen und Bohrlöchern.

Die Scheltoksan-Unruhen vom Dezember 1986 waren ein erstes Anzeichen der Unabhängigkeit Kasachstans und des Auseinanderfallens der Sowjetunion.

Unabhängigkeit

Nursultan Nasarbajew ist Präsident Kasachstans seit 1991

Am 24. April 1990 wählte das kasachische Parlament (der Oberste Sowjet) Nursultan Nasarbajew, den Vorsitzenden des Ministerrats der Kasachischen Sowjetrepublik, zum Präsidenten.

Am 25. Oktober 1990 erklärte Kasachstan seine Souveränität innerhalb der UdSSR. Nursultan Nasarbajew wurde zum Staatsoberhaupt ernannt.

Am 1. Dezember 1991 wurde Nursultan Nasarbajew bei den ersten direkten Präsidentschaftswahlen als Präsident der unabhängigen Republik Kasachstan bestätigt. Am 16. Dezember 1991 trat die Unabhängigkeit Kasachstans in Kraft. Kasachisch wurde Amtssprache, die Hauptstadt Alma-Ata hieß ab sofort Almaty, der 16. Dezember wurde Nationalfeiertag.

Am 21. Dezember 1991 schloss sich Kasachstan bei einem Treffen in Almaty zusammen mit 7 weiteren ehemaligen Sowjetrepubliken der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) an.

Am 15. Mai 1992 unterzeichnen Nursultan Nasarbajew und der russische Präsident Boris Jelzin einen russisch-kasachischen Freundschafts- und Zusammenarbeitsvertrag, der insbesondere die Unantastbarkeit der gemeinsamen Grenze hervorhebt.

Im Dezember 1993 beschloss der nach wie vor regierende Oberste Sowjet die Selbstauflösung und Neuwahlen für 1994.

Bei den ersten freien Parlamentswahlen am 7. März 1994 gewannen die den Präsidenten unterstützenden Parteien die absolute Mehrheit der Stimmen und Sitze. Internationale Wahlbeobachter bezeichneten die Wahlen insgesamt als unfair. Am 8. März 1995 erklärte das Verfassungsgericht diese Wahlen für ungültig. Nasarbajew löste am 28. März 1995 Regierung und Parlament auf. In einem Referendum am 29. April 1995 stimmte die kasachische Bevölkerung mit über 95 Prozent der Stimmen für die Verlängerung der Amtszeit von Nasarbajew bis Ende 2000.

In einem weiteren Referendum am 30. August 1995 nahmen die Kasachen mit knapp 90 Prozent der Stimmen eine neue Verfassung an. Die Opposition warf der Regierung Wahlfälschung vor. Die neue Kasachische Verfassung trat am 5. September 1995 in Kraft. Sie beschneidet die Befugnisse des Parlaments zugunsten des Präsidenten.

Am 15. September 1995 wurde die Hauptstadt von Almaty ins etwa 800 km nordwestlich gelegene Akmola verlegt. Die Verlegung erfolgte auf Betreiben Nasarbajews, der damit offenbar eventuellen sezessionistischen Bestrebungen des vor allem russisch besiedelten Nordens entgegenwirken wollte. Außerdem sollte die Errichtung einer neuen Hauptstadt "sinnstiftend" für die Nation wirken. Regierungssitz blieb vorerst Almaty. Regierung und Parlament zogen am 9. Dezember 1997 von Almaty nach Akmola um. Am Tag darauf wurde Akmola endgültig als offizielle Hauptstadt proklamiert und am 6. Mai 1998 in Astana („Hauptstadt“) umbenannt.

Einzelnachweise

  1. a b c Археология Казахстана 2006, 29–32.
  2. Рыскулов 2006, 242–247.
  3. Simon Ertz: The Kazakh Catastrophe and Stalin’s Order of Priorities, 1929–1933: Evidence from the Soviet Secret Archives, in: Stanford’s Student Journal of Russian, East European, and Eurasian Studies, Volume 1, Spring 2005, S. 1–14, hier S. 1. Andere Stellen sprechen von 1,5 bis 1,7 Millionen Todesopfern sowie bis zu 42 % der Bevölkerung, die dem Hunger zum Opfer fielen. Siehe Boris Barth: Genozid. Völkermord im 20. Jahrhundert. Geschichte, Theorien, Kontroversen. Beck, München 2006, (Beck'sche Reihe, Bd. 1672), S. 143, ISBN 3-406-52865-1.

Literatur

  • Байпаков К.М., Самашев З.С., Толеубаев А.Т. Археология Казахстана. Алматы, 2006 ISBN 9965-768-45-5
  • Рыскулов Т.М. На каком языке говорили саки?. – Евразийский народ саки. Алматы, 2006, С. 242–247 ISBN 5-76673-636-3

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