Geschichte der Automaten

Geschichte der Automaten

Die Geschichte der Automaten beginnt in der Antike. Neben zahlreichen Mythen und Legenden finden sich hier auch die ersten historisch belegten echten Automaten. Das Hauptinteresse der Automatenbauer galt dabei zunächst überwiegend der Erforschung der Physik und/oder Abbildung von Natur mit technischen Mitteln. Es gab auch nützliche Automaten, der Nützlichkeitsaspekt stand aber nicht im Vordergrund. (Am ehesten wurden wohl nützliche Automaten für Wasserkunst und militärische Zwecke eingesetzt.) Erst im 18.Jahrhundert findet mit Vaucanson (s. u.) der Übergang vom „Wunderbaren“ zum „Nützlichen“ [1] statt, die von da an im Automatenbau nebeneinander bestehen.

Inhaltsverzeichnis

Antike

Mythologische Automaten

Schon in der griechischen Mythologie gibt es eine Menge künstlicher Vögel, gehender und sprechender Statuen und künstlicher Diener. Homer berichtet in seiner Ilias, dass Hephaistos, der Gott des Handwerks, selbstfahrende Fahrzeuge und sogar künstliche Dienerinnen, die intelligent waren und Handwerke erlernten, angefertigt hatte. Es gibt viele Berichte von Historikern des antiken Griechenlands und antiken Roms mit ausführlichen Beschreibungen von selbstfahrenden und selbstgehenden Mechanismen und Androiden. Ähnliche Erzählungen sind aus anderen frühen Kulturen bekannt, besonders aus China. Dabei kann natürlich nur schwer zwischen Mythos und Wahrheit unterschieden werden.

Antikes Griechenland – die Alexandrinische Schule

In Alexandria forschten und lehrten hochrangige Naturphilosophen die als Alexandrinische Schule bezeichnet werden. Zu ihnen gehören z. B. Heron, Pythagoras und Euklid, aber auch Archimedes muss dazu gerechnet werden, obwohl er in Syrakus wirkte, das aber zum Kulturkreis Alexandria gehörte.

Herons windangetriebene Orgel (Rekonstruktion)

Die alexandrinischen Erfinder waren Meister in der Kombination der sogenannten „einfachen Maschinen“ wie Schraube, Keil, Hebel usw. zur Ausführung komplizierter Bewegungen und in der Kombination von Wasser, Vakuum und Luftdruck als deren Antriebskraft. Heron von Alexandria erklärt z. B. in seinem Werk Automata Tempeltüren, die sich automatisch wie von Geisterhand öffnen, und neben Musikmaschinen entwickelte er auch automatische Theater mit erstaunlichen Effekten.

Es gibt von ihm und anderen eine unerschöpfliche Menge von Vorschlägen für Vögel, die mit den Flügeln schlagen und zwitschern, für ganze Serien von Zaubergefäßen mit intermittierendem Ausfluss oder Automaten, denen einmal Wasser und dann wieder Wein entfließt oder die nach Einwurf eines Geldstückes eine bestimmte Menge Weihwasser abgeben. In der Alexandrinischen Schule wurden viele „programmierte Simulatoren und Automaten sowie (die) Vorrichtungen mit Rückkopplung“ erfunden, die – wie z. B. die Wasserspülung in WCs – heute noch benutzt werden. [2] (S. 171)

Das arabische Zwischenspiel

Während in Mitteleuropa nach dem Untergang des Römischen Reiches viel antike Literatur verloren ging, blieb sie im arabischen Raum vielfach erhalten. Der Kalif von Bagdad Abdallah-al-Manun beauftragte im frühen 9. Jahrhundert sogar die drei Söhne seines Hofastrologen, systematisch danach zu suchen und alles aufzukaufen, was sie finden konnten.

Sie übersetzten Werke u. a. von Heron (s. o.) und überarbeiteten sie. Das große Werk Kitab al-Haiyal („Das Buch der kunstvollen Vorrichtungen“) wurde quasi zu einem Standardwerk und kann oft mühelos auf die Alexandrinische Schule (s. o.) zurückgeführt werden. Dabei ist den Verfassern jetzt aber die praktische Anwendung sehr wichtig. Eine davon war der Bau von Uhren, der nun einen großen Aufschwung nahm.

Die meisten Werke dieser Kultur wurden unwiederbringlich zerstört, als die Mongolen den arabischen Herrschaftsbereich angriffen, wobei Bagdad 1258 fiel.[2] (S.172/73)

Mittelalter bis 17 .Jahrhundert

Hochmittelalter

Gegen Ende des Mittelalters begannen sich in Mitteleuropa die Gelehrten in den Klöstern wieder mit den antiken Schriften bzw.den arabischen Bearbeitungen und Weiterentwicklungen davon auseinanderzusetzen.

Von Thomas von Aquin (1225–1274) und seinem Lehrer Albertus Magnus (1193?-1280) wird berichtet, dieser habe einen Türsteher aus Metall, Holz, Wachs und Leder konstruiert, der den Besucher mit „Salve“ begrüßte und ihm Fragen nach seinem Begehr stellte, bevor er den Besucher einließ. Thomas von Aquin ärgerte sich eines Tages derartig über die zudringlichen Fragen, dass er den Androiden in Stücke schlug. [2] (S. 173ff) Diese Geschichte ist offensichtlich eine Legende, zeigt aber einen völlig neuartigen Glauben an die Möglichkeiten von Technik und menschlicher Erfindungskunst, die quasi sogar menschenähnliche Wesen selbst erschaffen konnte.

Auf jeden Fall erfolgte die Erfindung des rein mechanischen Uhrwerkes (bis dahin hatte es zwar schon sehr komplexe Uhren gegeben, die aber nur mit Wasser angetrieben wurden) und sehr bald wurde die reine Zeitmessfunktion kombiniert mit bewegten Figuren oder Schlagwerken (frühes 14. Jahrhundert). Von der Uhr des Straßburger Münsters ist nur noch der mechanische Hahn (um 1350) erhalten, der zur Mittagszeit mit den Flügeln schlug, dabei seine Federn spreizte und krähte. Es wurden aber auch – ganz in der Tradition der Alexandrinischen Schule (s. o.) – ganze Szenen mit religiösem oder weltlichem Hintergrund dargestellt, jetzt aber nicht mehr durch Wasserkraft sondern durch Uhrwerke angetrieben. [2]

Renaissance und Barock

Die Renaissance war auch in der Geschichte der Technologie ein bedeutender Abschnitt,den man als „technische Revolution in der Renaissance“ [2] (S. 175) bezeichnen kann.

Leonardos Roboter (Nachbau)
De Caus: Wasserspiel Galathea für den Hortus Palatinus

Während die Alexandrinische Schule meist nur Modelle gebaut hatte, wurde es durch den technischen Fortschritt in der Renaissance möglich, lebensgroße Automaten zu konstruieren. Von Leonardo da Vinci (1452–1519) wurde in den 1950er Jahren eine Skizze eines Roboters wiederentdeckt. Dieser Roboter konnte seine Arme bewegen, sich aufsetzen und seinen Kopf drehen. (Ein ähnlicher Automat scheint der Bremer Complimentarius zu sein, dieser stammt allerdings erst aus dem 17. Jahrhundert.)

Der französische Ingenieur Salomon de Caus (1576–1626) verfasste 1615 seine umfangreiches Werk Les raisons des forces mouvantes … („Über die bewegenden Kräfte. Die Beschreibung einiger künstlicher und amüsanter Vorrichtungen“). Er beschreibt viele Automaten von Heron, entwickelte sie aber auch weiter. Er baute zunächst in Heidelberg den Hortus Palatinus (Pfälzischen Garten) und später im Palast des Herzogs von Burgund in Saint-Germain bei Paris eine Anzahl von Szenen mit bewegten Figuren, die durch Wasserräder angetrieben und durch Nockenwalzen gesteuert wurden. Ähnliche Konstruktionen wurden 1613 im Schloss Hellbrunn eingerichtet, die Anlage bestand zunächst nur aus einigen Grotten mit beweglichen Figuren, 1748–1752 wurde die Anlage vergrößert und enthielt insgesamt 256 Figuren. Eine hydraulische Orgel überspielte dabei die Geräusche des Antriebsmechanismus. Über Jahrhunderte blieb es nun Mode, Lustgärten mit Grotten und bewegten Figuren zu schmücken. [2]

De Caus war der große Pionier auf dem Gebiet der Konstruktion lebensgroßer Automaten. An vielen Höfen gab es danach eigene Konstrukteure von Androiden und anderen Automaten, „welche … recht und schlecht agierten …“ [2] (S. 177)

Daneben entwickelte sich aber auch die Kunst, automatische Spielzeuge wie in der Antike (s. o.) herzustellen. Einer der großen Begründer dieser Kunstrichtung war Juanelo Turriano, ein außerordentlich talentierter Ingenieur in Diensten Karls V. der u. a. die Wasserversorgung Toledos völlig neuartig löste. Er versuchte Karl V. nach der erzwungenen Abdankung mit einer Menge von kleinen mechanischen Spielzeugen aufzuheitern. Und sein Ruhm war so groß, dass man ihm die Erfindung eines Androiden andichtete, der angeblich sogar für ihn Einkaufen gehen konnte. [2]

Auch in Deutschland gab es eine Anzahl von Goldschmieden und Feinmechanikern, die führend im Automatenbau waren, besonders in Nürnberg und Augsburg. Hans Schlottheim (1545–1625) z. B. stellte wahrscheinlich um 1585 das berühmte Schiff Karls V. her. Das Schiff hat Räder und bewegt sich, wenn es ausgelöst wird, auf einer sich dahinschlängelnden Bahn vorwärts. Eine Orgel spielt, auf der Brücke erheben Trompeter ihre Instrumente, Trommeln und Zimbeln werden geschlagen, in regelmäßigen Abständen donnern Kanonen. Am Bug hissen Matrosen Segel während andere einen Kontrollgang über das Schiff machen. Am Heck sitzt der Kaiser selbst auf einem Baldachin-Thron, senkt sein Zepter und wendet seinen Kopf während Würdenträger sich um ihn herum verbeugen.[3] (S. 40)

Wenn man die Regelmechanismen der Automaten dieser Pionierzeit untersucht, stellt man fest, dass oft hochentwickelte Techniken verwendet wurden, die „seither viele Male unabhängig voneinander wiedererfunden worden sind.“ [2] (S. 177)

Im 17. Jahrhundert waren schließlich Automaten weitverbreitet und waren auch für die Philosophen der aufkeimenden Aufklärung von großem Interesse – s. u.

Der Cartesianismus

Der Cartesianismus war geprägt von einem großen Aufschwung von wissenschaftlicher und rationaler Beschäftigung mit der Wirklichkeit. Der Mechanismus sah deutliche Parallelen zwischen den Gesetzen der Mechanik und damit auch Maschinen und natürlichen Körpern.

René Descartes (1596–1650) behandelt in seinem 1637 erschienen Grundlagenwerk Discourse de la méthode u. a. den Unterschied zwischen Mensch und Tier. Beide sind von Gott erschaffen, aber nur der Mensch hat eine unsterbliche Seele. Tiere müssen als höchst komplizierte Maschinen angesehen werden (la bête machine), als Automaten. Und er hält es für durchaus wahrscheinlich, dass es dem Menschen eines Tages glücken wird, eine Maschine in Gestalt eines Tieres zu bauen, die sich wie ein Tier verhalten würde. Er vergleicht dabei z. B. das Herz mit einer Hydraulikpumpe und beschäftigt sich auch mit anderen Organen bzw. mit Sehnen und Muskeln und beschreibt sie sehr ähnlich zu den automatischen Vorrichtungen, die in dieser Zeit weit verbreitet waren. Angeblich hat Déscartes einen lebensechten Androiden in Form eines Mädchens namens Francine gebaut. Dies ist aber sehr unwahrscheinlich, da er kein Techniker war. Die seriösen Biographen übergehen diese Geschichte ganz. [2]

Der deutsche geniale und gelehrte Jesuit Athanasius Kircher (1602–1680) griff dagegen die Ideen von Déscartes auf und setzte sie praktisch um, z. B. baute er einen sprechenden Kopf, singende Vögel und Figuren, die Musikinstrumente spielten. Er baute auch in der Tradition von Salomon de Caus automatische Theater für Gärten. [2]

18. Jahrhundert bis heute

Das 18. Jahrhundert – Die Hochzeit der Automaten

Im 18. Jahrhundert war das Interesse der Öffentlichkeit an Automaten groß, dies auch deswegen, weil immer wieder Fälle von Betrug aufgedeckt wurden.

Der Schachtürke

Ende der 1760er Jahre hatte z. B. Wolfgang von Kempelen seinen „Schachtürken“ vorgestellt, mit dem er Europa und die USA bereiste und dabei große Schachspieler herausforderte. Wie die Maschine als Schwindel entlarvt wurde, darüber gibt es verschiedene Ansichten. In der Kiste war nur ein sehr kleiner Mensch versteckt, es gab nur eine Mechanik um dementsprechend den Schachspieler zu bewegen. [2]

Von Kempelen hat aber auch eine Sprechmaschine gebaut, in der die menschlichen Sprechorgane möglichst naturgetreu nachgebildet sind. Die Laute werden aber mit der Hand des Vorführenden moduliert, es handelt sich also nicht um einen Automaten. Auch in anderen Bereichen der Ingenieurskunst betätigte er sich sehr erfolgreich. (Siehe dazu Wolfgang von Kempelen.)

Im 17. und 18. Jahrhundert erschienen viele Berichte über selbstfahrende Fahrzeuge und andere Automaten, von denen die meisten (manche auch nicht) als Schwindel entlarvt wurden. Hier wurde in einem Wunschdenken eine Entwicklung vorgezeichnet, die es zu diesem Zeitpunkt noch nicht gab.

Die Automaten von Vaucanson

Erst mit den Konstruktionen von Jacques de Vaucanson (1709–1782) wird ein Höhepunkt in der Geschichte des Baus von echten Automaten erreicht.

1735 kam er von Grenoble nach Paris um sich mit Automaten zu beschäftigen, die zu der Zeit groß in Mode waren. Zunächst begann er aber mit einem Studium der Anatomie. Er wollte nämlich quasi bewegte dreidimensionale Anatomiemodelle (anatomie mouvante – bewegte Anatomie) bauen. Damit wären die philosophischen Grundsätze von René Descartes in technische Realität umgesetzt worden (s.o. „Cartesianismus“).

Nach viel sorgfältiger Arbeit und einigen Fehlschlägen baute er einen lebensgroßen, flötenspielenden Schäfer. Er hatte zwar Lippen, Mund und Zunge, war aber kein der Wirklichkeit entsprechendes anatomisches Modell, sondern ein Automat, der mit Uhrwerken und Blasebälgen betrieben wurde. Der Flötenspieler verursachte dennoch großes Aufsehen, als er 1738 vorgestellt wurde und spornte ihn an, einen weiteren Automaten zu bauen, einen Schäfer, der Flöte spielte und sich gleichzeitig auf einem Tambourin begleitete. [2]

Die mechanische Ente (1738)

Die Idee seiner „bewegten Anatomie“ versuchte Vaucanson mit einer mechanischen Ente weiter zu verfolgen, die sich watschelnd fortbewegen, aber auch fressen, verdauen und ausscheiden konnte. Dabei/dafür erfand er gleichzeitig den Gummischlauch sowie eine Maschine zu dessen Herstellung.

Vaucanson wurde durch die Ausstellung seiner Automaten reich, er wurde aber auch hoch angesehenes Mitglied der Académie des Sciences. Die Enzyklopädisten feierten Vaucanson, weil durch ihn das menschliche Genie quasi Leben nachahmen konnte. Voltaire sagt von ihm: „Der kühne Vaucanson, Gegner von Prometheus, schien, die Natur nachahmend, das Feuer des Himmels zu nehmen, um die Körper zu beleben.“ [3] (S. 41)

Später baute Vaucanson keine Automaten mehr sondern wurde Leiter der staatlichen Seidenfabriken für deren Mechanisierung und Automatisierung er einen starken Anschub gab durch weitere eigene Erfindungen und Konstruktionen. „Der Bau von Automaten war für einige tausend Jahre ein mehr amüsanter als nutzbringender Zeitvertreib gewesen. Dank der Beiträge de Vaucansons war es möglich, über diese Stufe hinauszugehen und einige Formen der Automaten in der Industrie anzuwenden. Erst jetzt reiften die Früchte der Alexandrinischen Schule (siehe auch oben) so weit, daß ein automatisch überwachtes System Wirklichkeit werden konnte.“ [2](S. 179)

Der Übergang vom 18. in das 19. Jahrhundert

Nach Vaucanson wurden zahlreiche oft sehr komplexe Androiden, die echte Funktionen ausübten, gebaut. Die berühmtesten dürften die Automaten von Vater und Sohn Jaquet-Droz sein. Der Vater, Pierre Jaquet-Droz, 1721 geboren und aus einer Uhrmacherfamilie stammend, entwarf und baute zusammen mit seinem Sohn Henri-Louis Jaquet-Droz und seinem „Mechaniker“ Jean-Frédéric Leschot gegen 1770 die drei Automaten, die ihn berühmt machten und wohl zu den schönsten Automaten überhaupt zählen. Während mehr als einem Jahrhundert tourten die Androiden durch Europa und konnten gegen Eintrittsgeld besichtigt werden. Sie sind heute noch funktionstüchtig und können im Museum in Neuchatel in der Schweiz besichtigt werden.

Die Automaten von Jaquet-Droz

Der Schreiber ist z. B. 70 cm hoch, hat eine Gänsefeder in der Hand, sitzt vor einem kleinen Tisch und hat bewegliche Augen und Kopf. Er kann jeden beliebigen Text mit bis zu 40 Buchstaben Länge schreiben. Der Text wird auf einem Rad codiert, wo die Buchstaben dann einer nach dem anderen abgearbeitet werden. Wenn er gestartet wird, taucht er zunächst die Feder in die Tinte und schüttelt sie leicht ab, dann schreibt er, wobei er wie ein echter Schreiber die Auf- und Abwärtsstriche richtig beachtet und auch absetzt. Er kann mehrzeilig schreiben und beachtet Leerzeichen.

Man kann in diesem Automaten einen Vorläufer der Computer sehen, weil die Maschine über ein Programm und einen Speicher verfügt und verschieden programmiert werden kann (beliebige Texte können geschrieben werden).

Ende 18. / Anfang 19. Jahrhundert gab es außer denen der Jaquet-Droz noch viele weitere Automaten. Diese Automaten waren liebevoll gefertigte Einzelstücke, erforderten Tausende von Stunden zu ihrer Herstellung und waren entsprechend teuer.

1800–1850 – Die Ära der Magier-Techniker

Eine große Anzahl von Automatenherstellern der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren Zauberkünstler oder auf andere Art von Illusionskunst inspiriert, die damals sehr in Mode war.

Jean Eugène Robert-Houdin, der Vater der modernen Magie, stammte aus einer Uhrmacherfamilie und konstruierte eine ganze Zahl von echten Automaten, die er in einem speziellen Theater vorführte. Gleichzeitig entwickelte er aber auch Trick-Automaten die – für das Publikum unsichtbar – mit Seilzügen oder Pedalsystemen entweder von außen oder auch von in dem Objekt versteckten lebenden Wesen gesteuert wurden, z. B. der Konditor des Palais Royal oder Antonio Diavolo, der Trapezkünstler.

Stèvenard, französischer Magier, Mechaniker und Zeitgenosse von Robert-Houdin, war vielleicht der begabteste Feinmechaniker unter den Automatenbauern jener Zeit, denn er baute sehr kleine und trotzdem ungeheuer komplexe Automaten, die er gegen 1850 in einem Pariser Automatentheater vorstellte. Es gab z. B. einen Zauberer, der ein 10 Minuten langes Programm abspult in dem immer wieder Gegenstände verschwinden und neue auftauchen, mit Vögeln „so groß wie eine Fliege“.

Die Brüder Maillardet sind für ihre Magier und andere Pendelwahrsager bekannt. Jacques-Rodolphe, Henri und Jean David, ländlichen Ursprungs, standen immer im Schatten der Familie Jaquet-Droz, deren Lehrlinge aber auch Lieferanten mit Vogelmechanismen sie waren. Sie wohnten in einem kleinen Dorf namens Fontaine. Sie bauten zwischen 1808 und 1840 eine ganze Reihe von Magiern, die auf Tafeln vorbereitete Fragen beantworten konnten.

[4] – Quelle für den gesamten Abschnitt, hier ausführliche Beschreibungen und auch Abbildungen

1850–1914 – Kleine Automatenindustrie in Paris

Die oben beschriebenen Automaten waren immer noch aufwändig hergestellte Einzelstücke und entsprechend teuer. Während die Zahl genügend wohlhabender Liebhaber zu Beginn des 19. Jahrhundert ständig zurückging, wuchs gleichzeitig die Beliebtheit von Automaten in immer breiteren Kreisen, die sie gerne auch besitzen wollten. So entstand im 19. Jahrhundert vor allem in Paris eine bescheidene Automatenindustrie. Dies ist jedoch so zu verstehen, dass die von einigen Familien wie Vichy, Lambert, Decamps, Roullet usw. hergestellten Stücke zwar keine Einzelstücke mehr waren, aber doch sehr sorgfältig und in kleiner Auflage gefertigt wurden. [3] (S. 65)

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges kam diese kleine Industrie zum Erliegen.

1. Weltkrieg bis heute

Viele kleine Automaten wurden allerdings wohl z. B. auch in Deutschland hergestellt, wie z. B. Singvogelautomaten, die sogar in den 1970er Jahren noch im Schwarzwald hergestellt wurden. [5]

Es gibt heute noch Automaten – auch humanoide – in der Kinetischen Kunst. In dem Herbie Hancock Video „Rock-It“, spielen z. B. die pneumatisch belebten humanoiden Automaten von Jim Whiting die Hauptrolle.

Geschichte der übrigen Automatentypen

Parallelgeschichte: Musikautomaten

Parallel zu den oben beschriebenen überwiegend humanoiden Automaten (oder auch Tierautomaten) hatten sich schon lange Musikautomaten in Form von selbstspielenden Musikinstrumenten entwickelt. Antrieb für die Entwicklung selbstspielender Musikinstrumente war dabei weniger die Lust an der Erfindung als das Bedürfnis nach Musik.

Die ältesten noch erhaltenen mechanischen Musikinstrumente sind die Glockenspiele in den Monumentaluhren des späten Mittelalters. In der Renaissance schufen Kunsthandwerker in Augsburg wertvolle Musikautomaten und selbstspielende Spinette, die über Stiftwalzen gesteuert wurden.

Im 18. Jahrhundert entstand die Flötenuhr, für die Haydn, Mozart und Beethoven Originalkompositionen schufen. Die Ansprüche an die technischen und musikalischen Möglichkeiten selbstspielender Instrumente stiegen ständig, und zu Beginn des 19. Jahrhunderts konstruierten sog. „Musikmaschinisten“ wie Johann Nepomuk Mälzel ganze selbstspielende Orchester, die „Orchestrien“.

Um die gleiche Zeit entstanden in der Schweiz die Spieldosen, bei denen die Stifte einer sich drehenden Messingwalze die Zähne eines Tonkamms anrissen und zum Klingen brachten. Im Zuge der Industrialisierung wurde es später möglich, preisgünstige und somit für jedermann erschwingliche Geräte herzustellen: Die über gelochte Pappscheiben gesteuerten Drehinstrumente „Ariston“ und „Herophon“ wurden zu Hunderttausenden verkauft. Sie wurden um 1890 von den Plattenspieldosen abgelöst, deren bekannteste Fabrikate „Polyphon“, „Symphonion“ und „Kalliope“ waren.

Mit der Einführung der Pneumatik gegen Ende des 19. Jahrhunderts gelang es erstmals, selbstspielende Klaviere herzustellen, die eine befriedigende dynamische Abstufung erlaubten. Die über Pedale betriebenen „Phonolas“ und „Pianolas“ gehörten zu jeder gutbürgerlichen Einrichtung.

Für Gasthäuser und Tanzsäle wurden elektrische Klaviere und riesige pneumatische Orchestrien gebaut, und eine als achtes Weltwunder gepriesene selbstspielende Geige begeisterte die Musikliebhaber. Die um 1700 entstandene Handdrehorgel wurde zur klangstarken Karussell- und Tanzorgel weiterentwickelt.

1904 brachte die Firma Welte & Söhne den Klavierspielapparat „Mignon“ auf den Markt, der es erstmals erlaubte, das Klavierspiel eines Pianisten mit allen dynamischen und agogischen Details wiederzugeben. Mit der Verbreitung von Grammophon und Rundfunk gerieten die mechanischen Musikinstrumente zunehmend in Vergessenheit. Dies gilt aber nicht für Reproduktionsklaviere, die z. B. von Bösendorfer seit 1986 als Computerflügel hergestellt werden. [6]

Parallelgeschichte: Dienstleistungs-, Verkaufs- und Unterhaltungsautomaten

Auch die Geschichte dieser Art von Automaten beginnt mit Heron von Alexandria, der den ersten Verkaufsautomaten erfand. Die ersten modernen Verkaufsautomaten entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts in den USA. Der Ursprung der deutschen Verkaufsautomaten geht auf den Kölner Schokoladeproduzenten Ludwig Stollwerck zurück, der während einer USA-Reise 1886 dort die ersten Münzautomaten gesehen hatte. Gemeinsam mit Max Sielaff aus Berlin und Theodor Bergmann aus Gaggenau entwickelte er die ersten Warenautomaten Modell „Rhenania“ und „Merkur“ mit dem patentierten Münzprüfsystem von Max Sielaff.[7]. 1895 gründete Ludwig Stollwerck die Deutsche Automaten Gesellschaft Stollwerck & Co. in Köln, die die Produktion, Aufstellung, Bestückung und Wartung der Automaten übernahm. [8]. Die Automaten waren für Stollwerck ein großer Erfolg und die Produktpalette deckte nach kurzer Zeit alle möglichen Arten von Artikeln ab. Um 1900 wurden die ersten automatischen Restaurants eröffnet, die auch große Verbreitung fanden.

Nicht nur Waren sondern auch Dienstleistungen können von Automaten verkauft werden. Sehr stark verbreitet waren z. B. die 1886 erfundenen Münzwaagen, 1898 wurden die ersten Münztelefone eingerichtet. Auch die 1935 zum ersten Mal in den USA aufgestellten Parkuhren sind ein Dienstleistungsautomat.

Unterhaltungsautomaten, wie z. B. die erstmals 1887 in Deutschland dargebotenen Kraftmesser, wurden bald zu einem wichtigen Bestandteil von Jahrmärkten, boten aber auch bei anderen Gelegenheiten relativ preiswerte Unterhaltung. Die Vielfalt war groß und reichte von Wahrsage- oder Horoskopautomaten bis hin zu Elektrisierautomaten. Eine wichtige Funktion hatten natürlich auch die Bildbetrachter, die die Illusion bewegter Bilder erzeugten bevor es das Kino gab oder auch dreidimensionale Bilder zeigten.

Um 1900 wurden auch Spielautomaten eingeführt, die zunächst reine Geschicklichkeitsgeräte waren wie der „Bajazzo“, wo mit einer beweglichen Fangtasche Kugeln aufgefangen werden mussten.

[9]

Automaten in Produktion und Industrie

Wie oben bereits erwähnt, stellt Vaucanson sozusagen die Schnittstelle zwischen der Erfindung aus eher wissenschaftlich-technischem Interesse bzw. zum reinen Zeitvertreib und der Einführung von Automaten in die Produktion dar. Nach dem Versuch ihn nach Preußen abzuwerben wurde er 1741 von Kardinal Fleury zum Leiter der staatlichen Seidenfabriken ernannt.

Vaucanson konstruiert nun einen mechanischen Webstuhl für gemusterte Stoffe, dessen Steuerung nach demselben Prinzip funktioniert wie die seines Flötenspielers. Dies hatte zwar zunächst keine unmittelbaren Folgen, 1804 setzte Jacquard aber die Trümmer dieses Webstuhls wieder zusammen und erfand dabei seinen Webautomaten.

Vaucanson erfand außerdem quasi die moderne Fabrik. 1756 richtete er in Aubenas bei Lyon eine Seidenspinnerei ein und erneuerte bzw. erfand neu jedes Detail des Gebäudes und des Antriebs. Man kann dies als „bei weitem die früheste industrielle Anlage im modernen Sinn“ (S. 56) ansehen. Er hatte erkannt, dass Fabrikation in einer konzentrierten Anlage stattfinden muss, in der jedes Detail durchdacht ist und deren Maschinen von einer einzigen Kraftquelle gespeist werden.

Die noch vorhandenen Modelle seiner Spinnmaschinen zeigen eine auffallende Eleganz der Konstruktion und eine imponierende Zahl vertikal aneinandergereihter Spindeln und stehen in auffälligem Gegensatz zu den klobigen Konstruktionen die die Engländer für ihre Baumwollspinnmaschinen verwendeten.

Trotzdem blieben seine Bemühungen folgenlos. Wie viele andere Ideen des 18. Jahrhundert konnten auch diese im katholischen Ancien Régime in Frankreich nicht Fuß fassen. Die Industrialisierung begann schließlich in England, wo völlig andere soziologische Voraussetzungen vorlagen. Es wurde v. a. Baumwolle statt Seide verarbeitet, wodurch erst ein massenhafter Absatz möglich wurde, die Betreiber der Industrialisierung kamen aber auch aus ganz anderen Schichten. Sie waren meist Aufsteiger aus armen Verhältnissen statt Adeliger oder etablierter Bürger und errichteten ihre Fabriken eher in relativ jungen und daher nicht durch alte Zunftbestimmungen gebundenen Städten.

[1]

Einzelnachweise

  1. a b Sigfrid Giedion:Die Herrschaft der Mechanisierung. Athenäum Verlag Frankf./Main 1987
  2. a b c d e f g h i j k l m n Sigvard Strandh: Die Maschine. Geschichte – Elemente – Funktion. Weltbild Verlag, Augsburg 1992
  3. a b c André Soriano (Hr.): Mechanische Spielfiguren aus vergangenen Zeiten. Sauret, Paris(?)1985
  4. T.I.L. Productions S.A.R.L.: Website www.automates-anciens.com, Paris 2001, Stand 1. Januar 2008
  5. Detlev Knick, private Website www.alte-spieluhren.de, Berlin, Stand 4. Januar 2008
  6. GSM Gesellschaft für Selbstspielende Musikinstrumente e. V., Website www.musica-mechanica.de, Essen 1997–2005, Stand 1. Januar 2008
  7. Uwe Spiekermann: Basis der Konsumgesellschaft. Entstehung und Entwicklung des modernen Kleinhandels in Deutschland 1850-1914. C.H.Beck, 1999, ISBN 978-3-406-44874-4
  8. RWWA, Abt. 208: Stollwerck AG, Unterlagen Deutsche Automatengesellschaft, Köln, (DAG)
  9. Sammlung Gauselmann – Deutsches Automatenmuseum, Website www.sammlung-gauselmann.de, Espelkamp o.J., Stand 1. Januar 2008

Siehe auch

  • Scholarship Editions:Robert-Houdin and the Vogue of the Automaton-Builders. Ausführlicher Artikel zur Geschichte der Automaten speziell Robert-Houdin, Vaucanson, Jaquet-Droz, Kempelen, Maelzel.
  • Automaton, englischer Wikipedia-Artikel über Automaten mit einem Abschnitt über deren Geschichte

Literatur

  • Carsten Priebe: Eine Reise durch die Aufklärung.Maschinen, Manufakturen und Mätressen. Die Abenteuer von Vaucansons Ente oder Die Suche nach künstlichem Leben, BOD, ISBN 978-3-8334-8614-2, 3.Auflage 2008

Weblinks


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