Geschichte der Schammar

Geschichte der Schammar

Geschichte der Schammar: Ahnherr ist vielleicht Scheich Kais ibn Schammar, der von den arabischen Dichtern schon im 6. Jahrhundert besungen wurde. Die Herrschaft über den Stammesverband übte die Familie der Ibn Ali aus. Hauptort des Fürstentums war Hail im nördlichen Nadschd großräumig um Dschabal Schammar. Die Wirtschaft des Stammesverbandes beruhte bis ins 20. Jahrhundert auf den Abgaben der Oasen (Datteln und Getreide), den Schutzabgaben der Pilgerkarawanen sowie dem Handel mit Zuchtpferden.

Zwar hatten sich die Schammar im 18. Jahrhundert der Lehre der Wahhabiten angeschlossen, doch kam es Anfang des 19. Jahrhunderts zu Spannungen mit den Saudis. Der Emir des Nadschd, Faisal ibn Turki al Saud (1834-38/1843-65), setzte 1834 mit Hilfe der Ibn Raschid den Clan der Ibn Ali ab und inthronisierte den Scheich (schaich) des Abda-Clans, Abdallah ibn Raschid, als neuen Emir der Schammar ein. Dieser begründete nun die Dynastie der Ibn Raschid (bis 1921). Sein jüngerer Bruder Ubaidallah bin Ali († 1868) war sein Befehlshaber der Reiterei und erschlug Isa bin Ubaidallah al-Ali, der nur ein paar Tage auf dem Thron saß. Die Herrschaft der Ibn Raschid ist durch ständige blutige Machtkämpfe gekennzeichnet. Kaum ein Scheich regierte lange und starb eines natürlichen Todes. Abdallahs Nachfolger und ältester Sohn Talal bin Abdallah, über den einige Gedichte verfasst wurden, herrschte fast 20 Jahre lang. Er litt zunehmend an Depressionen und beging Selbstmord, was unter den puritanischen Wahhabiten stark verfemt ist. Sein jüngerer Bruder Mitab bin Abdallah bestieg daraufhin den Thron, aber nach anderthalb Jahren erstach ihn sein 21-jähriger Neffe Bandar bin Talal.

Um die wachsenden Anarchie aufzuhalten, ermordete ihn sein kinderloser Onkel, denn nur Muhammad ibn Raschid (1869-1897) konnte die dynastischen Auseinandersetzungen beenden und das Schammarreich befrieden. Er war ein verschlagener und erfolgreicher Herrscher, der 1871 ein Vasallenverhältnis zum Kalifen der Muslime und Sultan des Osmanischen Reichs, Abdülaziz (1861-1876), einging, um so an neue Waffen und Unterstützungsgelder zu gelangen. Unter ihm konnten die Schammar die Vorherrschaft in Zentralarabien erringen und mit der Besetzung von Riad 1884 (nach anderen Quellen 1887) das Reich der Ibn Saud im Nadschd weitgehend zerschlagen (siehe: Dynastie der Saud) und diese zu seinen Vasallen machen.

Allerdings brachen nach dessen natürlichen Tod erneut erste Machtkämpfe unter den Ibn Raschid aus. Dies begünstigte die Restauration der Al-Saud nach 1902 durch Abd al-Aziz ibn Saud. Emir Abd al-Aziz bin Mitab, der im ständigen Abwehrkampf gegen Ibn Saud stand, geriet mit kleinem Gefolge im April 1906 vor einer anstehenden Schlacht im Morgengrauen an die falsche Frontseite und fing dort an, die Kämpfer zum Kampf gegen die Saudis aufzumuntern. Diese erkannten seinen Fehler und fällten ihn, worauf die Schammar sich kopflos zurückzogen. Er war der einzige Schammar-Herrscher, der im Kampf fiel.

Sein Sohn Mitab bin Abd al-Aziz wurde bereits nach 7 Monaten durch zwei Enkel des Ubaidallah bin Ali ermordet. Emir Sultan bin Hamud ar-Raschid zerstritt sich nach 14 Monaten auf dem Thron mit seinem Bruder, Saud bin Hamud ar-Raschid, der ihn erschlug. Er musste sich wiederum nach 8 Monaten aus der Hauptstadt Hail (Ha'il (حائل)) in das Oasengebiet al-Dschauf absetzen, um einem Anschlag auszuweichen. Einige Monate später wurde er dort umgebracht.

Nun kam der andere Familienzweig der ar-Raschid wieder an die Macht. Um die ewigen Kämpfe zu begrenzen, wurde der nur 11-jährige Saud bin Abd al-Aziz zum Emir ausgerufen. In Wirklichkeit führten die Brüder seiner Mutter, die aus der notablen Familie der as-Subhan kamen, 1908-1916 die Regentschaft, was 2 von ihnen das Leben kostete.

1918 zog sich das Osmanische Reich gezwungenermaßen aus Arabien zurück, dadurch verloren die Schammar-Herrscher die dringend benötigten Geld- und Waffenlieferungen aus Istanbul und Bagdad. Der König des Hedschas, Scharif Husain bin Ali al-Aun (1916-1924) vom Banu-Haschim-Clan (siehe Haschimiten), hatte andere Konflikte auszutragen, daher erhielten sie auch keine Hilfe mehr aus Mekka.

Nach mehrjährigen Kämpfen mussten die Ibn Raschid sich 1921 den Saudis endgültig unterwerfen. Davor hatte Emir Abdallah bin Mitab sich im August 1921 den Saudi-Truppen ergeben müssen und er wurde mit seiner Familie nach Riad, der Hauptstadt der Saudis, in eine ehrenvolle Gefangenschaft gebracht. Hiernach erhob Emir Abd al-Aziz Ibn Saud sein Reich zum „Sultanat Nadschd und dessen abhängige Gebiete“. Im November 1921 folgte das Ende des letzten Emirs der Schammar, Muhammad bin Talal, eines Großneffen von Talal bin Abdallah. Er gab den hoffnungslosen Kampf auf und kapitulierte, somit geriet auch er in die ehrenvolle Gefangenschaft.

Liste der Emire (amir) von Hail und Herrscher (hakim) der Schammar

  • 1819-1823: Muhammad bin Abd al-Muhsin al-Ali
  • 1823-1827: Isa bin Salih al-Ali
  • 1827-1834: Salih bin Isa al-Ali
  • 1834-1836: Abdallah bin Ali bin Raschid († 1847)
  • 1834-1838: Salih bin Isa al-Ali
  • 1838: Isa bin Ubaidallah al-Ali
  • 1838-1847: Abdallah bin Ali bin Raschid
  • 1847-1867: Talal bin Abdallah ar-Raschid
  • 1867-1868: Mitab bin Abdallah ar-Raschid
  • 1868-1869: Bandar bin Talal ar-Raschid
  • 1869-1897: Muhammad bin Abdallah ar-Raschid
  • 1897-1906: Abd al-Aziz bin Mitab ar-Raschid
  • 1906: Mitab bin Abd al-Aziz ar-Raschid
  • 1906-1908: Sultan bin Hamud bin Ubaidallah ar-Raschid
  • 1908: Saud bin Hamud bin Ubaidallah ar-Raschid
  • 1908-1919: Saud bin Abd al-Aziz ar-Raschid
  • 1919-1921: Abdallah bin Mitab ar-Raschid († 1947)
  • 1921: Muhammad bin Talal ar-Raschid († 1954)

Literatur

  • … mit Säbel und Koran, Saudi-Arabien oder der Aufstieg der Königsfamilie Saud und der Wahabiten, J.-D. Brandes, Verlag Thorbecke, 1999

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