Geschwisterliebe (Lied)

Geschwisterliebe (Lied)
Geschwisterliebe
Die Ärzte
Veröffentlichung 1986
Länge 4:11
Genre(s) Rocksong
Autor(en) Farin Urlaub
Album Die Ärzte

„Geschwisterliebe“ ist ein Lied der Berliner Punkrock-Band Die Ärzte, geschrieben und komponiert von Farin Urlaub. Der Text des 1986 veröffentlichten Liedes beschreibt u. a. den Geschlechtsverkehr zwischen minderjährigen Geschwistern. Anfang 1987 wurde das Lied (und damit auch das dazugehörige Album Die Ärzte) durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften mit der Begründung indiziert, das im Lied angedeutete „inzestuöse Verhältnis“ werde „verherrlicht und propagiert“. Ferner sei das Lied dazu geeignet, „Jugendliche sexualethisch zu desorientieren“.

Damit darf das Lied bis heute weder öffentlich aufgeführt, beworben, noch Jugendlichen unter 18 Jahren zugänglich gemacht werden.

Die Indizierung dieses Liedes gehört zu den bekanntesten Indizierungen der Behörde.

Inhaltsverzeichnis

Lied

Besetzung

Inhalt

Das Lied behandelt die sexuelle Beziehung des Protagonisten zu seiner 14-jährigen Schwester. Die Eltern sind ausgegangen, und die Geschwister sind allein zu Hause. Nachdem über zwei der drei Strophen die Vorfreude auf den geschwisterlichen Geschlechtsverkehr zum Ausdruck kommt, wird in der dritten Strophe der eigentliche Geschlechtsakt beschrieben.

Geschrieben wurde „Geschwisterliebe“ von Farin Urlaub, der in der Tat eine jüngere Halbschwester hat, der ironisch im Booklet des Albums Die Ärzte gedankt wird („Danke an […] für prima Geschwisterliebe“). Urlaub schrieb das Lied bereits im Alter von 15 Jahren[1].

Musik

In „Geschwisterliebe“ werden lediglich fünf Gitarrenakkorde (a-Moll, G-Dur, F-Dur, E-Dur und d-Moll) in einem 6/8-Takt gespielt. Das Lied umfasst drei Strophen, der Refrain, der aus der sich wiederholenden Zeile „Das befriedigt meine Triebe, Geschwisterliebe, Geschwisterliebe“ besteht, wird nur ganz am Schluss gespielt. Nach der zweiten Strophe folgt ein kurzes Gitarrensolo; die dann folgende Strophe beginnt sehr leise. Die Strophen enden allesamt auf dem Wort „flachlegen“, allerdings auch in konjugierter Form.

Produktion

„Geschwisterliebe“ war schon seit längerer Zeit fester Bestandteil des Live-Programms der Band. Die Ärzte hatten zunächst durchaus Bedenken, das Lied zu veröffentlichen, da sie dachten, sie würden damit zu weit gehen. Ein Mitarbeiter der Plattenfirma CBS meinte jedoch, dass auch das grenzwertige Lied „Claudia hat 'nen Schäferhund“ von seiten der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften nicht beanstandet wurde (was sich später änderte) und ermutigte Die Ärzte, auch „Geschwisterliebe“ zu veröffentlichen. Die Aufnahmen fanden nicht im Tonstudio statt, in dem Die Ärzte gerade an ihrem Album Die Ärzte arbeiteten, sondern in einer benachbarten Halle unter Live-Bedingungen. Der Bassist der Ärzte Sahnie spielt auf der Aufnahme nicht, da sich vor Beginn der Aufnahmen die Band von ihm getrennt hatte. Bass spielte daher – wie auch bei allen anderen Liedern des Albums Die Ärzte – der Produzent Manfred Praeker.

Indizierung

„Geschwisterliebe“ erschien zunächst nur in gekürzter Form auf einer so genannten Flexi-Disk, die der Zeitschrift Musikexpress/Sounds beilag. In voller Länge wurde das Lied 1986 auf dem Album Die Ärzte veröffentlicht.

Das Jugendamt Essen beantragte am 18. Dezember 1986 bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften die Indizierung des Albums Die Ärzte, nachdem eine Mutter aus Witten sich über das Lied „Geschwisterliebe“ beschwert hatte. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften befasste sich mit dem Album und indizierte es am 27. Januar 1987 aufgrund des Liedes „Geschwisterliebe“. Als Begründung wurde ausgeführt, dass der Titel „geeignet ist, Jugendliche sexualethisch zu desorientieren“. Ein inzestuöses Verhältnis werde „verherrlicht, verharmlost und propagiert und durch die eingängige Melodie nachdrücklich und einprägsam unterstrichen“.

Die Indizierung des Albums bedeutete, dass es nicht mehr an Personen unter 18 Jahren verkauft und nicht mehr öffentlich beworben werden darf, d. h. insbesondere, dass das Album im Einzelhandel nicht frei zugänglich sein darf und nur auf direkte Anfrage an Personen über 18 Jahren verkauft werden darf. Das Verbot der öffentlichen Bewerbung schloss auch ein Aufführungsverbot des Liedes „Geschwisterliebe“ ein. Folglich durften die Ärzte den Titel nicht mehr auf ihren Konzerten spielen. Bei Verstößen würden sich Die Ärzte strafbar machen.

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften überprüfte ungewöhnlich hart die Einhaltung der Indizierung. Nachdem es Minderjährigen problemlos gelungen war, das indizierte Album zu erwerben, wurden Strafverfahren gegen verschiedene Schallplattenhändler eingeleitet. Dieses rigide Vorgehen verunsicherte zahlreiche Schallplattenhändler. Die Karstadt-Kette nahm sogar sämtliche Tonträger der Band aus dem Angebot.

Auch die Konzertveranstalter waren durch die Indizierung verunsichert und sagten zahlreiche Konzerte der damals anstehenden Tournee der Band ab. Bei einem Konzert war z.B. der Eintritt erst ab 18 Jahren gestattet.

Konfrontiert mit der Tatsache, dass zwei der drei bislang veröffentlichten Alben nicht frei erhältlich waren (im Zuge der erhöhten Aufmerksamkeit um die Band gerieten auch das Debüt-Album Debil bzw. zwei der darauf enthaltenen Lieder ins Visier), versuchten Die Ärzte die Indizierung auch als Mittel zur Werbung zu nutzen. Als etwa ein Jahr nach Veröffentlichung des Albums Die Ärzte ein Best-of-Album (Ist das alles?) erschien, entschloss sich die Band, ein zusätzliches Mini-Album im 10“-Format zu veröffentlichen, auf dem sämtliche indizierten Lieder der Band zu hören sind, um damit eine erneute Indizierung zu forcieren. Um der Indizierung zuvorzukommen, betitelten sie dieses kleine Album von vornherein mit Ab 18. Schon wenige Tage nach Veröffentlichung dieses Albums wurde es ebenfalls indiziert. Einen weiteren Monat später wurde gar die Textbeilage des Albums gesondert indiziert.

Während der Herbsttournee 1987 traten Die Ärzte im Rahmen einer Fernsehproduktion live für die Sendung Live aus dem Alabama auf. Das Aufführungsverbot von „Geschwisterliebe“ veranlasste Bela B. zu folgender Ansage:

„Wenn ihr dieses Lied singt, macht ihr euch strafbar, und das wollen wir nicht, nein. Ihr habt eure Jugend noch vor euch, ihr seid so jung. Macht eine Bankkaufmannslehre oder werdet drogenabhängig, aber singt nicht dieses Lied. (…) Mit eurem heiligen Versprechen, dass ihr das Lied nicht singt, spielen wir es jetzt.“

Die Ärzte spielten nach dieser Ansage das Lied instrumental, und das Publikum sang lauthals den Text. Da dieser Auftritt live im Fernsehen zu sehen war, folgten zahlreiche Beschwerden von Zuschauern, die unter anderem aber auch darauf zurückzuführen waren, dass während des direkt übertragenen Teils des Konzertes zahlreiche Anspielungen auf den tags zuvor tot aufgefundenen Uwe Barschel ihren Weg in die Ansagen fanden, so auch die Vermutung, dass man Barschel getötet habe, weil er ebendieses Lied gesungen habe.

Nach diesem medienwirksamen Auftritt waren zahlreiche Konzerte der Band Zielscheibe von Frauenorganisationen, Jugendämtern, der Boulevardpresse und Polizeibehörden. Im Zuge eines Auftritts in Regensburg, wo sie das Publikum wiederholt und explizit aufforderten, „Geschwisterliebe“ nicht zu singen, wurden Die Ärzte zu einer Geldstrafe von insgesamt 1.500 DM (500 DM je Bandmitglied) verurteilt, da das Gericht die Ernsthaftigkeit der Aufforderung nicht gegeben sah. Als Bemessungsgrundlage für die Höhe der Geldstrafe wurde das Monatseinkommen der Band vom Gericht auf 1.500 DM geschätzt. Die Band widersprach dieser Schätzung wider besseres Wissen nicht.

Im Jahre 2004 wurden die Indizierungen der Lieder „Schlaflied“, „Claudia hat nen Schäferhund“ und „Geschwisterliebe“ durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften erneut geprüft. Lediglich die Indizierung von „Geschwisterliebe“ wurde aufrechterhalten.

Veröffentlichungen

Das Lied „Geschwisterliebe“ erschien – in verschiedenen Fassungen – auf folgenden Die-Ärzte-Tonträgern:

Hier in der indizierten Fassung.
  • 1987: Gehn wie ein Ägypter (Single)
Hier auf der B-Seite als Instrumental-Version unter dem Titel „…liebe“
  • 1987: Ab 18 (Mini-Album)
Hier in der indizierten Fassung
Hier in Form einer einseitigen Bonus-Single mit einer vom Publikum gesungenen Live-Version unter dem Namen „Der Ritt auf dem Schmetterling“

Das Lied „Omaboy“, das 1993 auf dem Album Die Bestie in Menschengestalt veröffentlicht wurde, enthält ein kurzes Sample aus „Geschwisterliebe“.

Literatur

  • Markus Karg: Die Ärzte – Ein überdimensionales Meerschwein frisst die Erde auf. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin, Januar 2001, ISBN 3-89602-369-1

Einzelnachweise

  1. Interview bei NZZ-Online v. 28. Oktober 2007
Dieser Artikel existiert auch als Audiodatei.

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