Gesetzgebung

Gesetzgebung
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Die Gesetzgebung ist die Schaffung von Rechtsnormen. Ihre Regelung gehört zu den Mindestinhalten jeder Verfassung.

Inhaltsverzeichnis

Organ- und Verbandskompetenz

Sie obliegt in einer parlamentarischen Demokratie vor allem dem Parlament als legislativer Staatsgewalt. Typischerweise ist ein besonderes Gesetzgebungsverfahren vorgesehen. Neben diesen Parlamentsgesetzen, die auch als „Gesetze im formellen Sinn“ bezeichnet werden, gibt es aber auch untergesetzliche Rechtsnormen, etwa Rechtsverordnungen und Satzungen, die von Verwaltungsorganen erlassen werden. Hier stellt sich die Frage nach der Organkompetenz, also wann die Verwaltung tätig werden darf und wann ein Parlamentsgesetz erforderlich ist (Vorbehalt des Gesetzes).

In einem Bundesstaat muss aber neben der Organkompetenz noch eine weitere Frage geklärt werden. Hier existieren nämlich mehrere staatliche Ebenen, sodass festgelegt werden muss, welcher dieser Verbände jeweils für die Gesetzgebung zuständig sein soll (Verbandskompetenz).

Die so zustandegekommenen Rechtsnormen werden von der zuständigen Verwaltung ausgeführt (siehe Verwaltungskompetenz) und gegebenenfalls durch die Rechtsprechung kontrolliert.

Länderspezifisches

Gesetzgebung in Deutschland

In Deutschland ist die Gesetzgebung des Bundes im Grundgesetz geregelt. Sie wird im Wesentlichen durch den Bundestag ausgeübt. Allerdings sind auch der Bundesrat, die Bundesregierung und schließlich der Bundespräsident beteiligt.

Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz bezeichnet das Recht und die Fähigkeit, Gesetze im formellen Sinne (Parlamentsgesetze) zu erlassen. Für die Abgrenzung zur Verbandskompetenz der Länder greift das Grundgesetz die allgemeine Grundregel des Art. 30 GG auf: Nach der Verfassung haben die Länder das Recht der Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz es nicht auf den Bund übertragen hat (Art. 70 Abs. 1 GG). Die Länderkompetenzen werden also nicht einzeln aufgeführt. Zu ihrem Kernbereich gehören aber insbesondere das Polizeirecht, das Kommunalrecht und der Bereich von Bildung und Kultur („Kulturhoheit der Länder“).

Entgegen dieser Regelungstechnik, nach der im Zweifel die Länder zuständig sind, hat sich durch zahlreiche Ausnahmen und eine bundesfreundliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Laufe der Zeit das praktische Verhältnis zu Lasten der Länder umgekehrt. Darauf wollte die Föderalismusreform reagieren.

Geschriebene Bundeskompetenzen

Der Bund ist grundsätzlich nur dann zuständig, wenn es ausdrücklich in der Verfassung vorgesehen ist.

Ausschließliche Gesetzgebung des Bundes

Im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn sie hierzu durch ein Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt sind (Art. 71 GG). Die zugehörigen Bereiche sind vor allem, aber nicht nur, in Art. 73 GG aufgeführt. Dazu gehören etwa die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung, die Staatsangehörigkeit im Bunde, der Luftverkehr, Postwesen und Telekommunikation usw.

Konkurrierende Gesetzgebung des Bundes

Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes dürfen die Länder nur dann (Art. 72 GG) gesetzgeberisch tätig werden, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Die Materien der konkurrierenden Gesetzgebung sind vor allem in Art. 74 GG aufgezählt. Zu ihnen gehören so bedeutende Bereiche wie das Bürgerliche Recht.

Vor der Föderalismusreform war die gesamte konkurrierende Gesetzgebungskompetenz an die „Erforderlichkeit“ einer bundeseinheitlichen Regelung geknüpft (Erforderlichkeitsklausel), ursprünglich nur an ein – vom Bundesverfassungsgericht für nicht überprüfbar gehaltenes – „Bedürfnis“. Heute unterfällt die konkurrierende Gesetzgebung in drei Unterfälle:

  • Grundsätzlich kann der Bund tätig werden, ohne dass zusätzliche Bedingungen erfüllt sein müssten (Art. 72 Abs. 1 GG).
  • Auf bestimmten Gebieten hat der Bund das Gesetzgebungsrecht aber nur, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht (Art. 72 Abs. 2 GG). Hier ist also die bisherige, vom Bundesverfassungsgericht streng ausgelegte Erforderlichkeitsklausel erhalten geblieben. Betroffen sind die Materien des Art. 74 Abs. 1 Nr. 4, 7, 11, 13, 15, 19a, 20, 22, 25 und 26 GG.
  • In einem dritten Bereich hat schließlich der Bund zwar die Gesetzgebungskompetenz, doch haben die Länder eine Abweichungskompetenz (Art. 72 Abs. 3 GG). Betroffen sind das Jagdwesen (ohne das Recht der Jagdscheine) der Naturschutz und die Landschaftspflege (ohne die allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, das Recht des Artenschutzes oder des Meeresnaturschutzes), die Bodenverteilung, die Raumordnung, der Wasserhaushalt (ohne stoff- oder anlagenbezogene Regelungen) sowie die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse. Diese Abweichungskompetenz gehört zu den großen Neuerungen der Föderalismusreform. Sie führt dazu, dass in größerem Umfang als bisher Bundesrecht nur in bestimmten Regionen gilt.

Während sonst nur Bundes- oder nur Landesrecht kompetenzgemäß erlassen werden kann (es ist also für eine Materie entweder nur der Bundes- oder nur der Landesgesetzgeber zuständig), kann bei der konkurrierenden Gesetzgebung wirksam entstandenes Bundes- und Landesrecht mit identischem Regelungsgegenstand aufeinandertreffen, etwa weil bei Erlass des Landesgesetzes noch keine bundesrechtliche Regelung vorhanden war. Diese Normenkollision wird durch Art. 31 GG zu Gunsten des Bundesrechts gelöst: „Bundesrecht bricht Landesrecht“, das Landesrecht erlischt also (Geltungsvorrang des Bundesrechts).

Abweichend hiervon bestimmt Art. 72 Abs. 3 Satz 3 GG für die Abweichungskompetenz, dass nicht etwa das höherrangige Recht das niedrigere bricht, sondern dass „im Verhältnis von Bundes- und Landesrecht das jeweils spätere Gesetz“ (lex posterior derogat legi priori) vorgeht. Es soll sich hierbei auch nicht um einen Geltungsvorrang, sondern nur um Anwendungsvorrang handeln, sodass die verdrängte Norm weiterexistiert und bei Aufhebung der anderen automatisch wieder anzuwenden wäre. Um den Ländern Zeit für die Ausarbeitung abweichender Gesetze zu geben, treten Bundesgesetze auf diesen Gebieten frühestens sechs Monate nach ihrer Verkündung in Kraft, soweit nicht mit Zustimmung des Bundesrates anderes bestimmt ist.

Mit In-Kraft-Treten des Änderungsgesetzes des Grundgesetzes zur Föderalismusreform am 1. September 2006 ist die Rahmengesetzgebung nach Art. 75 GG weggefallen.

Ungeschriebene Kompetenztitel des Bundes

Die Regelungstechnik des Grundgesetzes – Landeskompetenz, wenn nichts anderes ausdrücklich vorgesehen ist – schließt ungeschriebene Bundeskompetenzen eigentlich aus.

In ganz engem Umfang sind sie dennoch anerkannt. Man unterscheidet

Negative Gesetzgebungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts

Gemäß § 78 BVerfGG hat das Bundesverfassungsgericht negative Gesetzgebungskompetenz in den Fällen, in denen Bundesrecht mit dem Grundgesetz oder Landesrecht mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar ist: es stellt mit Gesetzeskraft dessen Nichtigkeit fest. Auch die Feststellung, dass die Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung nicht mehr besteht (Art. 93 Abs. 3 GG) ersetzt ein Bundesgesetz.

Verfahren und Form

Das im Siebenten Abschnitt des Grundgesetzes geregelte Gesetzgebungsverfahren obliegt dem Bundestag als dem an der Gesetzgebung beteiligten wichtigsten Organ der Legislative.

Bundesregierung, Bundesrat und Mitglieder des Bundestages (mindestens fünf Prozent oder eine Fraktion) besitzen das Initiativrecht, also das Recht ein neues Gesetz oder ein Gesetz zur Änderung oder Aufhebung eines anderen Gesetzes als Entwurf zur Abstimmung in den Bundestag einzubringen. Der Bundestag berät über die eingebrachten Gesetze, die nach dem Grundgesetz in seinen Kompetenzbereich fallen (und nicht Sache der Länder sind), in drei Lesungen.

Aufgrund des föderalen Systems in Deutschland sind die Bundesländer durch den Bundesrat am Gesetzgebungsverfahren beteiligt und alle Gesetze werden diesem Organ zur Abstimmung vorgelegt. Dieser kann – abhängig von der Art des Gesetzes – einen Entwurf nach erfolglosem Anruf des Vermittlungsausschusses auch scheitern lassen.

Hat ein Gesetz den Bundestag und den Bundesrat in dem durch das Grundgesetz, die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages und Geschäftsordnung des Bundesrates geregelten Verfahren passiert, wird es in gedruckter Fassung an das zuständige Bundesministerium und dann zur Gegenzeichnung an den Bundeskanzler weitergeleitet, bevor es dem Bundespräsidenten vorgelegt wird. Dieser hat das Recht zu prüfen, ob das ihm vorgelegte Gesetz mit der Verfassung in Einklang steht und ob es der Verfassung entsprechend zustande gekommen ist. Abschließend unterzeichnet der Bundespräsident das Gesetz, es ist damit ausgefertigt. Danach wird es im Bundesgesetzblatt formell unter Angabe des Tages des Inkrafttretens verkündet.

Materielle Bindung und Überprüfung

Der Gesetzgeber ist nicht gänzlich frei in seinen Entscheidungen, sondern an die Verfassung gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Demnach hat er auch inhaltlich bestimmte Normen der Verfassung zu beachten, etwa das Rechtsstaatsprinzip oder Staatszielbestimmungen. Insbesondere muss er aber die Grundrechte beachten, darf sie also zwar durch Gesetz einschränken, aber nicht verletzen. Andernfalls ist das Gesetz wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht verfassungswidrig und nichtig, also wirkungslos.

Die Nichtigkeit formeller Parlamentsgesetze kann nur durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt werden (Verwerfungsmonopol).

Allerdings wird dem Bundespräsidenten eine Prüfungskompetenz zuerkannt, wonach er bei formellen Fehlern oder einem offensichtlichen Bruch der Verfassung durch das Gesetz seine abschließende Unterzeichnung verweigern und das Gesetz somit nicht wirksam werden lassen kann. (→ Unterzeichnung und Prüfung von Gesetzen durch den Bundespräsidenten))

Österreich

Siehe: Gesetzgebungsverfahren (Österreich)

Schweiz

Siehe: Gesetzgebungsverfahren (Schweiz)

Europäische Union

Siehe: Gesetzgebungsakte der EU

Andere Staaten

Literatur

  • Thilo Brandner: Parlamentarische Gesetzgebung in Krisensituationen – Zum Zustandekommen des Finanzmarktstablilisierungsgesetzes, NVwZ 2009, S. 211–215.
  • Eike Michael Frenzel: Das Gesetzgebungsverfahren – Grundlagen, Problemfälle und neuere Entwicklungen, Teil 1: JuS 2010, S. 27–30, Teil 2: Jus 2010, S. 119–124.
  • Wolfgang Ismayr: Gesetzgebung im politischen System Deutschlands. In: Wolfgang Ismayr (Hrsg.): Gesetzgebung in Westeuropa. EU-Staaten und Europäische Union. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008, S. 383–429.
  • Ulrich Karpen: 40 Jahre Gesetzgebungslehre in Deutschland und der Beitrag der ZRP, ZRP 2007, S. 234–235.
  • Michael Kloepfer: Gesetzgebungsoutsourcing – Die Erstellung von Gesetzentwürfen durch Rechtsanwälte, NJW 2011, S. 131–134.
  • Julian Krüper: lawfirm – legibus solutus? Legitimität und Rationalität des Gesetzgebungsverfahrens beim „Outsourcing“ von Gesetzentwürfen, JZ 2010, S. 655–662.
  • Konrad Redeker: Wege zu besserer Gesetzgebung, ZRP 2004, S. 160–163.
  • Wolfgang Thierse: Wege zu besserer Gesetzgebung – sachverständige Beratung, Begründung, Folgeabschätzung und Wirkungskontrolle, NVwZ 2005, S. 153–157.

Weblinks

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