Gewalt an der Schule

Gewalt an der Schule

Gewalt an Schulen äußert sich in physischer (Prügeleien etc.) und psychischer Gewalt (Erpressungen, Diskriminierungen, Mobbing etc.) zwischen Schülern, zwischen Schülern und Lehrern, zwischen Lehrern, sowie Gewalt gegen Schuleigentum und Gegenstände. Gegebenenfalls können auch Schulfremde beteiligt sein, die das Schulgelände betreten.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Eine eindeutige und klare Definition des Begriffs „Gewalt“ ist nicht möglich, da dem Gewaltbegriff in unterschiedlichen Zusammenhängen eine abweichende Bedeutung zugeschrieben wird. Die Einschätzung von Gewalt hängt davon ab, welchen Handlungen in unserer Gesellschaft (in der Schule) die Eigenschaft „gewalttätig“ - und damit verabscheuungswürdig - zugeschrieben wird.

Der Freiburger Pädagoge Matthias Koch formuliert einen auf die Lehr- und Lernkultur der Schule abzielenden engen und gleichzeitig weiten Gewaltbegriff, der in erster Linie aktive Handlungen, die Schüler gegen Schüler, Schüler gegen Sachen, Schüler gegen Lehrer und/oder Lehrer bzw. die Institution Schule gegen Schüler und Lehrer begehen. Auch strukturelle Formen von Gewalt sind in der Schule anzutreffen. [1]

Zu den Körperverletzungen zählen laut einem Bericht der Unfallkasse Hessen unter anderem Blutergüsse, Schürfwunden, Zahnschäden und Knochenbrüche. [2] Ein Teil der Vorfälle ereignet sich auf dem Schulweg, ein anderer auch inmitten des Unterrichts, zum Beispiel beim Schulsport.

Typische Fälle von Diebstahl sind das Entwenden von Geldbörse oder Handy, Beispiele für Mobbing in der Schule sind Beleidigungen, für Erpressung das Verlangen von Schutzgeld.

Bei Befragungen von Direktoren in Baden-Württemberg, welche Verhaltensweisen unter dem Begriff der Gewalt subsumiert werden, wurde das Mitführen von Waffen genannt, ferner von einigen Befragten auch Ungehorsamkeit, Boykott des Unterrichts und ähnliches als Gewalt angesehen. [3]

Übergriffe von Lehrern auf Schüler sind unter anderem auch als Erziehungs- und Ordnungsmaßnahme (körperliche Züchtigung, Prügelstrafen, Ohrfeige, die „Watsch'n“ usw.) verboten (§ 39 Sächsisches Schulgesetz usw.).

Ursachen

Einen unmittelbaren Ursachenzusammenhang scheint es nicht zu geben. Vielmehr wird ein Ursachengeflecht aus sich wechselseitig verstärkenden persönlichen und sozialen Faktoren angenommen.[4]

Zu den sozialen Risikofaktoren zählen:

  • Familie: zurückweisender, bestrafender, inkonsistenter, restriktiver, gewalttätiger Erziehungsstil;
  • Schule: hoher Anpassungsdruck, negative Sozialbeziehungen, schulisches Versagen bzw. Misserfolg, Etikettierung, restriktives Erziehungsverhalten;
  • Peergroup: gewalttätige bzw. gewaltverherrlichende und straffällige Gruppen;
  • Soziales Umfeld: kriminelles/gewalttätiges Umfeld, geringer sozioökonomischer Status (Armut, Arbeitslosigkeit, Sozialhilfe);
  • Medien: unreflektierte/einseitige Gewaltdarstellung (selten die Opferperspektive), Darstellung von Gewalt als normales Konfliktlösungsmittel in Medien (Film, Computer-Spiele, etc.);
  • Gesellschaft: Krieg, Aggression bzw. aggressive Rhetorik gegen andere Staaten, gesellschaftliche Gruppen oder Minderheiten.

Obwohl Studien den Einfluss persönlicher (biologischer) Merkmale[5] nachweisen ist dieser Zusammenhang in der Forschung stark umstritten. Die meisten Forscher haben sich auf folgendes Modell geeinigt: Biologischen Merkmale prägen das Potential zu gewalttätigem Verhalten, das aber durch soziale Faktoren verstärkt oder vermindert werden kann.

Die hohe Gewaltrate unter Jugendlichen wird unter anderem dadurch erklärt, dass in der Jugend ein hohes Bedürfnis an Autonomie und Selbstverwirklichung besteht, welches durch das Testen und Brechen sozialer Normen vorübergehend gestillt werden kann. Sozialforscher wie zum Beispiel Ferdinand Sutterlüty nennen mangelnde gesellschaftliche Anerkennung als Gewaltmotiv. [6] Der Soziologe Norbert Elias warnte 1989: „Wenn die Gesellschaft den Menschen der heranwachsenden Generation eine kreative Sinnerfüllung versagt, dann finden sie schließlich ihre Erfüllung in der Zerstörung.“ [7]

Situation

Deutschland

Der Bundesverband der Unfallkassen berichtet von 93.295 gemeldeten Raufunfällen im Jahre 2003 (250 verletzte Schüler pro Tag). Die Anzahl der Raufunfallrate (pro 1.000 Schüler) betrug 11,3 (an Hauptschulen 32,8). Der Bundesverband stellte in seinen Statistiken eine Abnahme gegenüber 1993 fest, ebenso bei der Frakturenquote. [8]

In Brandenburg wurden 2004 838 Fälle polizeilich gemeldet. [9]

Nach einer Studie von Prof. Thomas Feltes und seinen Mitarbeitern an der Ruhr-Universität Bochum 2004 unter 4.000 Schülern der achten Klassen sämtlicher Schulformen in Bochum hat „jeder fünfte Hauptschüler einen anderen Jugendlichen schon einmal so brutal verprügelt, dass dieser zum Arzt musste.“ In den zurückliegenden 12 Monaten haben 14 % der befragten Schüler an Gesamtschulen und 8 % an Gymnasien nach eigenen Angaben eine solche Tat begangen. [10]

Im August 2005 wandten sich 180 (von 240) Lehrerinnen und Lehrer der neun Bochumer Hauptschulen an Barbara Sommer, Schulministerin von NRW, um auf Mängel und Probleme an den Schulen hinzuweisen. Hauptschulen müssten nahezu allein die Integration ausländischer Schüler übernehmen. Auf ihnen laste zudem der Zwang, abgewiesene und „abgeschulte“ Kinder und Jugendliche anderer Schulen aufzunehmen. Probleme wie z. B. Beleidigungen, Mobbing, aber auch Übergriffe auf Lehrer wurden als Folgen genannt. Das Ministerium verwies in seiner Antwort auf den Instanzenweg. [11] [12]

Im November 2005 ereignet sich an der Alfred-Teves-Schule in Gifhorn während einer Pause eine Schülerkonfrontation, in deren Verlauf strafbare Inhalte (Gewaltvideos) auf Schülerhandys gefunden wurden. Die Schule machte das Problem mit Hilfe von Medien (unter anderem Gestaltung von Vorträgen und Schulwebseiten) publik. Die Vorgehensweise wird bundesweit als vorbildlich bezeichnet. [13]

Im März 2006 gingen die Lehrer der Rütli-Schule in Berlin an die Öffentlichkeit, um auf die besonderen Probleme an ihrer Hauptschule hinzuweisen. [14]

Frankreich

Nach Angaben von Betty Galy, Sprecherin der Lehrer-Selbsthilfe-Organisation Fédération Autonome de Solidarité (FAS) in Frankreich, ereigneten sich im Schuljahr 2004/2005 allein gegen Lehrer 1.651 Gewalttaten (etwa 8 pro Tag). Der damalige französische Innenminister Nicolas Sarkozy sprach 2006 von 80.000 Gewalttaten in Realschulen und Gymnasien im Jahr 2005. [15]

Vereinigtes Königreich

Im Vereinigten Königreich wird das Phänomen, dass sich angeblich 29 % aller britischen Schülerinnen zwischen 11 und 15 Jahren mindestens einmal im Jahr mit einem anderen Mädchen prügeln, „Ladette“ genannt. Hier wird die Gewalt als Mittel zur Anerkennung verstanden. [16]

USA

Nach Angaben des National Center for Education Statistics (NCES) wurden im Schuljahr 2002/2003 15 Schüler getötet, es gab ferner zwei Millionen Verbrechen, darunter 150.000 schwere Verbrechen wie Vergewaltigungen oder Körperverletzungen. [17]. Der Bestsellerautor Ron Suskind hat 1995 für akribisch recherchierte Features über Gewalt an Schulen den Pulitzer Preis erhalten.

Russland

In manchen Schulen treiben Berichten der Presse zufolge 16-jährige „inoffizielle Schulleiter“ von Mitschülern Schutzgelder ein. Die Kriminalität unter Jugendlichen ist allgemein sehr hoch, so begingen russische Jugendliche im Jahr 2004 in Russland 154.000 Straftaten, darunter rund 1.500 Morde.

Vorfälle an Schulen

Deutschland

  • 11. Juni 1964. In der Volksschule des Kölner Stadtteil Volkhoven läuft der ehemalige Schüler und Kriegsveteran Walter Seifert (42) Amok. Mit einer Lanze und einem selbstgebauten Flammenwerfer tötet er acht Schüler und zwei Lehrerinnen, darunter seine ehemalige Klassenlehrerin. 20 Kinder werden verletzt. Auf der Flucht begeht der Täter Selbstmord. (siehe Attentat von Volkhoven)
  • 3. Juni 1983. In der Freiherr-vom-Stein-Gesamtschule in Eppstein schießt der 34-jährige Karel Charva um sich und tötet drei Schüler, einen Lehrer sowie einen Polizisten und verletzt 15 Menschen, ehe er sich selbst richtet.
  • 26. April 2002. In Erfurt, Thüringen
    Der 18-jährige, ehemalige Gymnasiast Robert Steinhäuser erschießt im Gutenberg-Gymnasium 16 Menschen und sich selbst (siehe Amoklauf von Erfurt).
  • Mai 2006. An einer Hauptschule in Hamm verletzte ein 15-Jähriger einen gleichaltrigen Mitschüler mit drei Messerstichen in den Rücken lebensbedrohlich.
  • 29. Mai 2006. In Berlin-Kreuzberg erleidet eine Lehrerin an der Lemgo-Grundschule mehrere Knochenbrüche im Gesicht durch die Schläge eines 12-jährigen Schülers.
  • 20. November 2006. An der Realschule Geschwister-Scholl-Schule in Emsdetten verletzt ein 18-jähriger Amokläufer 37 Menschen und tötet sich selbst. Sein Sprengstoffgürtel musste nach der Tat von der Polizei entschärft werden. (Siehe Amoklauf von Emsdetten)
  • 11. März 2009. In der Albertville-Realschule in Winnenden (Rems-Murr-Kreis) erschießt ein 17-jähriger Ex-Schüler neun Schüler und drei Lehrerinnen sowie auf der anschließenden Flucht drei Passanten. Der Täter kommt bei einer Schießerei mit der Polizei in einem Supermarkt im ca. 40 km entfernten Wendlingen ums Leben. (Siehe Amoklauf in Winnenden).

Österreich

  • Am 6. Oktober 1993 schoss ein Schüler in Hausleiten (Bezirk Korneuburg, Niederösterreich) einen Direktor an, von dem er beim Rauchen erwischt worden war und verletzte ihn schwer. Nach der Tat erschoss er sich selbst.
  • Im Juli 1994 verletzte eine 15-Jährige in einer Hauptschule in Wien-Meidling einen 14-Jährigen. Motiv waren ein familiärer Streit und Eifersucht.
  • Am 5. Mai 1995 versuchte der 15-jährige Schüler Helmut Z. in der Hauptschule Zöbern, im niederösterreichischen Bezirk Neunkirchen, eine Mitschülerin zu vergewaltigen. Die 48-jährige Lehrerin Anne-Marie Kral versuchte dies zu verhindern und wurde von Z. mit zwei Kopfschüssen getötet. Danach rannte er ins Treppenhaus und schoss auf eine weitere Lehrerin, die schwerverletzt liegenblieb. Nachdem er mit einem Fahrrad geflüchtet war, konnte er auf einer Landstraße verhaftet werden. 1997 wurde er zu acht Jahren Haft verurteilt und ist heute wieder in Freiheit.
  • Im Juni 1998 griff ein Berufsschüler im Internat im obersteirischen Murau im Streit mit einem Mitschüler zum Klappmesser und verletzte ihn leicht.
  • Im Oktober 2003 setzte ein 13-Jähriger an einer Linzer Hauptschule zwei Mitschülerinnen ein Fixiermesser an den Hals und bedrohte auch einen Jungen. Der als Problemschüler bekannte Schüler wurde von einer Lehrerin entwaffnet.
  • Am 15. April 2004 stach ein 13-Jähriger in der Hauptschule Wies in der Weststeiermark eine gleichaltrige Mitschülerin nieder und verletzte sie schwer. Der psychisch kranke Junge wollte ursprünglich die Lehrerin attackieren. Der 13-Jährige wurde danach in die Landesnervenklinik eingeliefert.
  • Am 15. September 2005 kam es in Wien 18., Schopenhauerstraße, in einer Polytechnischen Lehranstalt zu einer Rauferei unter mehreren Schülern. Im Zuge dessen nahm der 15-jährige Nikola N. aus Wien, sein Fixiermesser und stach seinem Klassenkameraden, dem 14-jährigen Kevin G. aus Wien, in den Bauch und in den Bereich des Herzens. Das Opfer wurde mit schwersten inneren Verletzungen ins Spital gebracht, wo er verstarb.

USA

  • 30. Dezember 1974 in Olean, New York: Der 17-jährige Anthony Barbaro tötet an der Olean High School drei Menschen und verletzt neun weitere.
  • 12. Juli 1976 in Fullerton, Kalifornien: Der 37-jährige Edward Charles Allaway tötet an der California State University sieben Menschen und verletzt zwei weitere. Er wurde für nicht schuldfähig erklärt und in ein psychiatrisches Krankenhaus eingeliefert.
  • 29. Januar 1979 in San Diego, Kalifornien: Die 16-jährige Brenda Ann Spencer tötet zwei und verletzt weitere neun Kinder an der Cleveland Elementary School.
  • 17. Januar 1989 in Stockton, Kalifornien: Der 24-jährige Patrick Edward Purdy erschießt an der Cleveland Elementary School fünf Schüler und verletzt 30 weitere, ehe er Selbstmord begeht.
  • 24. März 1998 in Jonesboro, Arkansas: Der 13-jährige Mitchell Johnson und der 11-jährige Andrew Golden lösen an der Westside Middle School Feueralarm aus und schießen anschließend auf die fliehenden Schüler und Lehrer; vier Schülerinnen und ein Lehrer sterben, 10 Menschen werden verletzt. Beide erhielten mehrjährige Haftstrafen.
  • 21. Mai 1998 in Springfield, Oregon: Der 15-jährige Kipland Phillip Kinkel tötet zuerst seine Eltern, geht dann in die Thurston High School und erschießt zwei Schüler; 22 weitere werden verletzt. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.
  • 20. April 1999 in Littleton, Colorado: Der 18-jährige Eric Harris und der 17-jährige Dylan Klebold töten beim Schulmassaker von Littleton zwölf Schüler, einen Lehrer und sich selbst.
  • 29. Februar 2000 in Mount Morris, Michigan: Ein erst sechs Jahre alter Junge erschießt in der Grundschule eine ebenfalls sechsjährige Mitschülerin.
  • 21. März 2005 in Red Lake, Minnesota: Der 16-jährige Schüler Jeffrey Weise tötet seine Großeltern und fährt anschließend in die Red Lake High School, wo er fünf Mitschüler, eine Lehrerin und einen Wachmann erschießt und sieben Menschen verletzt, ehe er sich selbst tötet.
  • 2. Oktober 2006 in Bart Township, Pennsylvania: Der 32-jährige Milchlieferant Charles Carl Roberts tötet an der West Nickel Mines School fünf Mädchen und verletzt 5 weitere Menschen, ehe er sich selbst das Leben nimmt.
  • 16. April 2007 in Blacksburg, Virginia: An der Virginia Polytechnic Institute and State University tötet der 23-jährige Cho Seung-Hui 32 Menschen und verletzt 29.
  • 14. Februar 2008 in DeKalb, Illinois: Der 27-jährige Steven Phillip Kazmierczak tötet an der Northern Illinois University fünf Menschen und verletzt 18 weitere, ehe er Selbstmord begeht.

Andere Länder

  • 6. Dezember 1989 in Montreal, Kanada: Der 25-jährige Marc Lépine erschießt an der polytechnischen Hochschule 14 Frauen und verletzt 13 weitere Menschen, ehe er Selbstmord begeht.
  • 13. März 1996 in Dunblane, Schottland: Der 43-jährige Thomas Watt Hamilton erschießt an der Primary School 16 Schüler und eine Lehrerin und verletzt 15 Menschen, ehe er sich selbst tötet.
  • 30. März 1997 in Sanaa, Jemen: Der 48-jährige Mohammad Ahman al-Naziri erschießt an zwei lokalen Schulen sechs Studenten und zwei Lehrer. Er wird zum Tode verurteilt und noch im selben Jahr hingerichtet.
  • 8. Juni 2001 in Ikeda, Japan: Der 37-jährige Mamoru Takuma ersticht an der pädagogischen Hochschule acht Kinder und verletzt 15 weitere Menschen. Er wurde 2004 hingerichtet.
  • 2006 in Danzig, Polen Mobbing gegen die 14-jährige Schülerin Anna Halman, die daraufhin Selbstmord beging; der Fall wurde über die Grenzen hinaus viel beachtet.
  • 7. November 2007 in Jokela, Finnland: Der 18-jährige Pekka-Eric Auvinen erschießt an der Hochschule acht Menschen und verletzt 12 weitere, ehe er sich selbst richtet.
  • 6. März 2008 in Kiryat Moshe, Israel: Der 26-jährige Alaa Abu Dhein erschießt an einer religiösen Schule acht Menschen und verletzt 10 weitere, ehe er sich selbst tötet.
  • 23. September 2008 in Kauhajoki, Finnland: Der 22-jährige Matti Juhani Saari erschießt an der örtlichen Berufsschule 10 Menschen und tötet sich anschließend selbst.

Folgen

Die Kosten für die Volkswirtschaft alleine in Deutschland durch körperliche und psychische Gewalt, Beeinträchtigung beim Lernen sowie psychische Langzeitschäden von Opfern belastet die Volkswirtschaft durch direkte Kosten und mittelbar, da Bildung eine Schlüsselressource der Volkswirtschaft darstellt.

Deeskalation & Prävention

Maßnahmen in der Schulsozialarbeit wie zum Beispiel Schulmediation, Schlichtungsstellen, Workshops und gemeinsame Projekte können zur Gewaltdeeskalation beitragen.

Um Gewalt, insbesondere physische, im Vorfeld zu verhindern, werden an den betroffenen Schulen Programme zur Veränderung der Lern- und Schulkultur ins Leben gerufen. Hierbei wird unter anderem eine Öffnung der Schule angestrebt, wodurch der Unterricht näher an die Lebenswelt der Schüler gebracht werden soll.

In USA gibt es laut William Modzelski, Direktor des U.S. Department of Education's Safe and Drug-Free Schools Program das Konzept „places, persons, purpose“ mit Waffenkontrollen, Beobachten, Schulungen der Personen und Programme zum Fördern und Fordern der Schüler.

Primäre Gewaltprävention, also der vorbeugende Interventionsansatz, aber auch sekundäre Prävention, der korrektive Ansatz bei Risikogruppen, muss auf mehreren Ebenen ansetzen. (1) bei den Schülern (potentielle Täter wie Opfer), (2) bei den Eltern, (3) bei den Lehrern und auf Unterrichtsebene (Lehrer-Schüler-Interaktion) und (4) auf der Schul- und Curriculumsebene.

zu (1): verhaltenstherapeutisch orientierte Einzel- oder Gruppenprogramme wie das Training mit sozial unsicheren Kindern oder Training mit aggressiven Kindern von Petermann und Petermann beinhalten neben vielen Einzel- und Gruppeneinheiten zum Training von sozialen Kompetenzen oder dem Aufbau von Empathie auch Einheiten zur Elternarbeit. Das Programm „Faustlos“ von Cierpka 2001 für die Grundschule fördert soziale und emotionale Kompetenzen und ist wie die beiden vorher genannten wissenschaftlich evaluiert. Die Intervention „Peer Support“ von Cowie 2000 beinhaltet ein Training ausgewählter „Patenkinder“ in Kommunikationsfertigkeiten, die dann den Opfern beistehen und ihrerseits andere Kinder in Kommunikationsfertigkeiten trainieren. Das Befriending, d.h. einen Freund an der Seite zu haben, hat sich als zentrale Ressource gegen die Opferrolle erwiesen.

zu (2): Der „Triple P-Ansatz“ von Sanders 1996 hat den Aufbau pos. Erziehungsverhaltens bei den Eltern zum Ziel, und hat unterschiedliche Stufen der Unterstützung, Schulung und Begleitung von Eltern in der Verbesserung der Erziehung und des Modellverhaltens.

zu (3) Hilfreich können Lehrertrainings anknüpfend an subj. Theorien und Wissensbestände des Lehrers sein mit dem Ziel, die diagnostische Handlungskompetenz zu stärken. Beispiel wäre das „Konstanzer Trainingmodell“ (KTM) von Tennstädt & Dann 1994, ein integratives Selbsthilfeprogramm zur Bewältigung von Störung und Aggression im Unterricht (Begreifen-Begründen-Bewältigen)

Zu (4) Schulkultur und Schulklima lassen sich durch verbesserte Pausenaufsichtregelungen und Einbindung von Streitschlichtern (Mediatoren) gewaltfreier gestalten. Das „Modell der Moralerziehung“ von Oser & Althoff 1992 hat eine Neugestaltung der Schule zum Ziel nach Prinzip der „gerechten Gemeinschaft und Demokratisierung“ . Das Ziel so ein positives Schulklima zu schaffen orientiert sich an Kohlbergs Idee der „Just Community“.

Die „klassische“ Intervention bei Bullying (nach Dan Olweus) oder nach einem Gewaltfall an der Schule setzt auf drei Ebenen an: - auf Schulebene wird eine besondere Konferenz empfohlen (alle Schüler werden „durchgesprochen“) - auf Klassenebene werden gemeinsame Regeln erarbeitet, Mobbing als Thema direkt besprochen (neutraler Aufhänger wichtig: Lektüre) - auf individueller Ebene werden Gespräche mit beiden Seiten geführt (ultima ratio: Klassen- oder Schulwechsel des Täters)

Ein evaluierter multimodaler Präventions- und Interventionsansatz ist das Freiburger Anti-Gewalt-Training (FAGT) nach Fröhlich-Gildhoff (2006), das Gruppentrainings für Schüler, Lehrer und Eltern vorsieht und emotionale wie soziale Kompetenzen stärken will. Ziel ist die systematische Steigerung der Frustrationstoleranz, Entwicklung von Selbstkontrolle und der Verzicht von Gewalt in Konflikt- und Stresssituationen.

Quellen

  1. Matthias Koch: Gewalt in der Realschule und Möglichkeiten der Prävention. 2006. ISBN 3-8288-9106-3
  2. Unfallkasse Hessen: Gewalt auf der Spur. September 2000 (pdf)
  3. Sikorski, Thiel: Gewalt an Schulen: Ergebnisse einer Befragung von Schulleitern in Baden-Württemberg zur Gewaltentwicklung und zu möglichen Interventionsmaßnahmen. Bericht. Landesinstitut für Schulentwicklung, Baden-Württemberg. 1995
  4. Raithel, J.; Mansel, J.: Deliquenzbegünstigende Bedingungen in der Entwicklung Jugendlicher. In: Kriminalität und Gewalt im Jugendalter. Hell- und Dunkelfeldbefunde im Vergleich, hrsg. v. J. Raithel & J. Mansel, Weinheim u. a.: Juventa – 2003, S. 25.
  5. Booth, A.; Osgood, D. W.: The influence of testosteron on deviance in adulthood. Assessing and explaining the relationship. In: Criminology 31 (1993), S. 93–117.
  6. Die Zeit, 6. April 2006: Dynamik der Gewalt. Wie Ohnmachtsgefühle sich in einen Machtrausch verkehren können. Der Fall der Neuköllner Rütli-Schule.
  7. Norbert Elias: Studien über die Deutschen, Frankfurt 1989, ISBN 3-518-28608-0
  8. Bundesverband der Unfallkassen: Gewalt an Schulen. Empirischer Bericht. (pdf)
  9. Gewalt an Schulen. 250 verletzte Schüler pro Tag In: Der Spiegel, 8. Juni 2005
  10. Gewalt an Schulen: Prügeln, bis der Arzt kommt In: Der Spiegel, 28. März 2005
  11. Düsseldorf watschte Hauptschul-Brandbrief ab. In: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Ortsteil Bochum, 4. April 2006
  12. Resolution Bochumer Hauptschullehrer(innen), 2005: Maßnahmen zur Stärkung der Hauptschule In: waz.de
  13. Alfred-Teves-Schule: Gewaltvideos auf Schülerhandys - Berichterstattung und Chronik
  14. Der Brief der Neuköllner Lehrer, 30. März 2006 In: RBB Online
  15. Schulgewalt in Frankreich: Die stolze Bildungsnation kapituliert In: Der Spiegel, 21. Februar 2006
  16. Gewalt an Schulen - ein weltweites Problem In: RP Online, 1. April 2006
  17. Gewalt an Schulen. Wie gehen Amerikaner damit um? In: tagesschau.de, 1. April 2006

Siehe auch

Literatur

  • Manuel Eisner / Denis Ribeaud / Rahel Jünger / Ursula Meidert (2007): Frühprävention von Gewalt und Aggression. Ergebnisse des Zürcher Präventions- und Interventionsprojektes an Schulen. Verlag Rüeger, ISBN 978-3-7253-0880-4
  • Freerk Huisken (1996) Jugendgewalt. Hamburg: VSA-Verlag. ISBN 3-87975-631-7
  • Klaus Hurrelmann, Heidrun Bründel (2007): Gewalt an Schulen. Pädagogische Antworten auf eine soziale Krise. Beltz, Weinheim, Basel, ISBN 978-3-407-22184-1. 
  • Dan Olweus (2006) Gewalt in der Schule. Bern: Verlag Hans Huber. ISBN 978-3-456-84390-2
  • Frank Robertz (2004) School Shootings. Über die Relevanz der Phantasie für die Begehung von Mehrfachtötungen durch Jugendliche. Frankfurt: Verlag für Polizeiwissenschaft. ISBN 3-935979-41-X
  • Ferdinand Sutterlüty (2002) Gewaltkarrieren. Jugendliche im Kreislauf von Gewalt und Missachtung. Frankfurt: Campus Verlag. ISBN 3-593-37081-6
  • Reihe sowiOnline (2006)Gewalt in der Schule - Bestandsaufnahme im Jahr 2006. Ein Überblick über sozialwissenschaftliche Forschung (PDF). Informationszentrum Sozialwissenschaften der Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftlicher Institute e.V. (Gesis) ISSN 1616-3893
  • Elsa Pollmann: "Tatort Schule. Wenn Jugendliche Amok laufen", Marburg: Tectum Verlag, 2008, ISBN 978-3-8288-9801-1
  • Frank Robertz, Ruben Wickenhäuser (2007) Der Riss in der Tafel. Amoklauf und schwere Gewalt in der Schule. Heidelberg: Springer Medizin Verlag. ISBN 978-3-540-71630-3
  • Klaus Fröhlich-Gildhoff (2006) "Freiburger Anti-Gewalt-Training (FAGT)" Stuttgart: Kohlhammer ISBN 978-3-17-018847-1

Weblinks


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