Gewecke

Gewecke

Hans Gewecke (* 17. Juli 1906 in Hachenhausen; † 1991) war NSDAP-Reichstagsabgeordneter und NSDAP-Kreisleiter im Kreis Herzogtum Lauenburg. Zwischen 1941 und 1945 arbeitete er als Gebietskommissar in Schaulen, einer Großstadt im Norden von Litauen, die während der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg dem Reichskommissariat Ostland zugeordnet wurde. Als Gebietskommissar gehörte er formal zur so genannten Zivilverwaltung und war insbesondere an die politischen Ideologien und Programme des Reichskommissars Hinrich Lohse sowie des Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete, das von dem NS-Chefideologen Alfred Rosenberg geleitet wurde, gebunden. In seinem Amt beteiligte sich Gewecke nicht zuletzt persönlich an Selektionen und Hinrichtungen in Schaulen, vor allem hinsichtlich des Genozids an den jüdischen Bevölkerungsteilen.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft

Gewecke besuchte Schulen in Gandersheim, Düsseldorf und Braunschweig und legte am Johanneum zu Lübeck das Abitur ab. Seine Schulzeit hatte er für eineinhalb Jahre unterbrochen und als Landwirt in Schleswig-Holstein gearbeitet.

Weimarer Republik

Von 1926 bis Ende 1927 war Gewecke Offiziersanwärter bei der Schutzpolizei für das Land Braunschweig. 1928 trat er der NSDAP bei.

Die Autoren Danker und Schwabe beschreiben ihn später folgendermaßen: „Gewecke, seit seinem 22. Lebensjahr NSDAP-Mitglied, scheitert im Zivilleben mehrfach. Er profiliert sich aber als fanatischer Propagandist und geifernder Antisemit“.[1]

Nationalsozialismus

NSDAP-Kreisleiter

Bereits 1931 wurde Gewecke hauptamtlicher NSDAP-Kreisleiter im Herzogtum Lauenburg. Diese Position behielt er bis 1945 bei. Mit der Reichstagswahl 1933 zog er für die NSDAP in den Reichstag ein, dem er bis 1945 angehörte. 1933 war er vorübergehend Mitglied des Preußischen Landtages.

Im Oktober 1933 stellte Gewecke fest, „dass die Zeitungen des Kreises dem nationalsozialistischen Staat und seinen Führern treue Gefolgschaft leisten“. Gegen Juden gingen die Nationalsozialisten mit der „nötigen Intensität und nationalsozialistischen Härte“ – wie Gewecke es formulierte – vor, um die „endgültige Lösung der Judenfrage“ zu erreichen.

Gebietskommissar

Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion im April 1941 wurde Gewecke Mitarbeiter der Zivilverwaltung im Reichskommissariat Ostland, einem der Hauptorte des Holocaust. Unter dem Reichskommissar Hinrich Lohse, der schon als Oberpräsident und Gauleiter von Schleswig-Holstein sein Vorgesetzter war, amtierte Gewecke als Gebietskommissar von Schaulen in Litauen. Er koordinierte die Maßnahmen der Zivilverwaltung und die Einweisung von Juden in Ghettos, die die ersten Tötungswellen überlebt hatten. Danker und Schwabe schreiben über Gewecke: „Er gehört zu denjenigen Zivilverwaltern, die nach anfänglichem Zögern umso brutaler als Herrenmenschen auftreten, und beteiligt sich persönlich an Selektionen und Hinrichtungen.“[1]

Nachkriegszeit

1945 wurde Gewecke von den Alliierten verhaftet und interniert. Sein Vermögen, das vor allem aus der Tätigkeit als Zivilverwalter in Litauen stammte, wurde eingezogen. Fortan arbeitete er als Versicherungsvertreter in Bad Oldesloe.

Später wurde mehrfach wegen der Judenverfolgung in Litauen und in Schaulen gegen Gewecke ermittelt. Daher musste Gewecke wiederholt vor Gericht aussagen. So erklärte Gewecke 1958 vor dem Lübecker Staatsanwalt: „Meine Dienststelle hatte selbstverständlich mit der ordnungsgemäßen (!) Beschlagnahme und Erfassung jüdischen Vermögens zu tun. Dafür bestanden ganz bestimmte Anordnungen der obersten Führung […] Diese Gegenstände […] mussten danach ordnungsgemäß erfasst, genau listenmäßig aufgeführt und über die zuständigen Stellen in Richtung Reich - so möchte ich sagen abgeliefert werden.“ In derselben Vernehmung gestand er ein, dass im Rahmen der Ghettoisierung der Juden „Angehörige des Gebietskommisariats […] bei dieser Aktion mitgeholfen haben, die Juden aus ihren Wohnungen in die Gettos zu überführen“[2]. Allerdings kam es wegen dieser Judenverfolgung und dem dann folgenden Massenmord nicht zu einer Verurteilung. In einem Gerichtsverfahren wegen der Ermordung von mindestens 700 Juden wurde Gewecke 1968 außer Verfolgung gesetzt[3]

1971 wurde Gewecke wegen Beihilfe zum Totschlag an einem Litauer jüdischen Glaubens im Jahre 1943 zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt[4]. Ende Mai 1943 hatte der etwa 30 bis 35 Jahre alte jüdische Bäckermeister Mazawetzki auf dem Heimweg in das jüdische Ghetto etwa 30 Päckchen Zigaretten, Schokolade und Wurst bei sich. Litauische Polizisten verhafteten Mazawetzki. Im Gebietskommissariat (entweder Gewecke oder sein Stellvertreter ) wurde daraufhin die Erhängung des Mazawetzki beschlossen. Vielfache Gesuche des Judenrates und von Verwandten des Mazawetzki eine Begnadigung zu erreichen, lehnte Gewecke an. Das bestritt er bei einem Verhör 1958, führte aber mit antisemitischer Konnotation aus: „Es ist durchaus möglich, dass die Juden, denn das war bei ihnen üblich, mir einen größeren Geldbetrag dafür anboten.“ Doch er hätte die Hinrichtung nicht verhindern können und daher auch gar nicht erst den Versuch unternommen. Handwerker aus dem Ghetto erbauten den Galgen . Am frühen Morgen des 6. Juni 1943 mussten zwei andere Juden Mazawetzki aufhängen [5]. Alle Insassen beider Ghettos von Schaulen mussten den Mord mit ansehen. Der Leichnam musste auf Befehl Geweckes bis mittags hängen bleiben.

Einzelnachweise

  1. a b Uwe Danker / Astrid Schwabe: Schleswig-Holstein und der Nationalsozialismus, Neumünster 2005, S. 122.
  2. s. Uwe Danker, Der gescheiterte Versuch, die Legende der „Sauberen Zivilverwaltung" zu entzaubern, in Robert Bohn, Die deutsche Herrschaft in den „germanischen Ländern" 1940 -1945, Stuttgart 1997, 3-515-07099-0, S. 173 und http://www.gegenwind.info/128/reichskommissariat.html
  3. s. Wolfgang Curilla, Die deutsche Ordnungspolizei und der Holocaust im Baltikum und in Weißrußland 1941 bis 1944, Paderborn 2006, ISBN 978-3-506-71787-0, S. 892
  4. Zusammenfassung des Urteils bei Justiz und NS-Verbrechen, einer Urteilssammlung aller deutschen Strafverfahren wegen NS- Tötungsverbrechen der Rechtsfakultät der Universität Amsterdam
  5. s. Wolfgang Curilla, Die deutsche Ordnungspolizei und der Holocaust im Baltikum und in Weißrußland 1941 bis 1944, Paderborn 2006, ISBN 978-3-506-71787-0, S. 891 f

Literatur

  • Uwe Danker / Astrid Schwabe: Schleswig-Holstein und der Nationalsozialismus. Wachholtz, Neumünster 2005, ISBN 3-529-02810-X.
  • Ernst Klee: Personenlexikon zum Dritten Reich. 2. Aufl., Frankfurt a.M. 2007, S. 182, ISBN 978-3-596-16048-8.

Weblinks


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