Gewissensfreiheit

Gewissensfreiheit

Die Gewissensfreiheit ist in Deutschland ein Grundrecht.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Schutzbereiche

Die Gewissensfreiheit war als humanistisches Ideal bereits in § 144 S. 1 Paulskirchenverfassung und in Art. 135 WRV enthalten. Wegen seiner engen Verknüpfung mit der weltanschaulichen Überzeugung als wertebildendes Charakteristikum wird die Gewissensfreiheit häufig in der Nähe von Glaubens- oder Religionsfreiheit (in sämtlichen freiheitlichen deutschen Verfassungen seit 1848) verortet. Das Grundgesetz sieht die Gewissensfreiheit in Art. 4 Abs. 1 GG. Im übrigen finden sich Teile der Gewissensfreiheit auch in Art. 1 GG (Menschenwürde), Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (allgemeines Persönlichkeitsrecht) sowie in Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit) und schließlich in Art. 2 (allgemeine Handlungsfreiheit), indem das Gewissen sowohl im inneren Bereich (sog. forum internum) gebildet und nach außen (sog. forum externum) kenntlich gemacht wird. Da die Gewissensfreiheit im deutschen Recht nur den verfassungsimmanenten Schranken unterworfen ist, sind Eingriffe stets im Rahmen der praktischen Konkordanz mit anderen Grundrechten und im Rahmen von Verfassungsprinzipien zu überprüfen. Eine besondere Gewissensfreiheit genießt der Abgeordnete des Deutschen Bundestages, der laut Grundgesetz seine Entscheidungen im Rahmen des freien Mandats nur anhand seines Gewissens ohne Bindung an Weisungen und Aufträge fällen sollte (Art. 38).

Eingriffe

Das forum internum der Gewissensfreiheit, die innere Überzeugungsbildung von Werten und Überzeugungen, ist eingriffsresistent, da es direkt an die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) anknüpft. Kasuistisch werden Gehirnwäsche, Hypnose, Drogen und ähnliche Eingriffe in das physiologisch-psychische Wirken verboten. Problematisch ist jedoch der Bereich der Wertevermittlung. So kann die Bildung von Werten durch staatliche Institutionen (Schule) nicht verboten sein, sondern ist sogar notwendig, wenn auch im Rahmen der Bindung an die freiheitlich demokratische Grundordnung.

Bedeutend sind jedoch vor allem die Eingriffe in das forum externum. Dies sind Fälle, in denen der Betroffene sein Verhalten mit Hinweis auf das Gewissen begründet. Die Gewissensfreiheit strahlt nicht nur im öffentlich-rechtlichen Bereich aus, sie bleibt auch im Bereich des Privatrechts bedeutsam und erlangt Entfaltung über die Generalklauseln des Privatrechts. Das betrifft insbesondere den Bereich des Individualarbeitsrecht, wenn Arbeitnehmer mit Tätigkeiten konfrontiert werden, die ihrer Überzeugung massiv widersprechen (Tierversuche, Rüstungsproduktion). Hier entfaltet die Gewissensfreiheit ihre Drittwirkung.

Ein Unterfall der Gewissensfreiheit ist das Recht auf Kriegsdienstverweigerung bei Konflikten mit dem eigenen Gewissen. In dem Recht auf Kriegsdienstverweigerung darf nur im Hinblick auf das Anerkennungsverfahren mittels Parlamentsgesetzes eingegriffen werden. Für die Gewissensfreiheit im Übrigen besteht - nochmals deutlich - kein Vorbehalt.

Geltendmachung

Die Betroffenheit von Eingriffen in die Gewissensfreiheit sind geltend zu machen. Es reicht nicht aus, lediglich einen Eingriff zu behaupten. Dies sei nur eine Meinung. Es bedarf der Begründung der Betroffenheit im Bereich der Entscheidungsfähigkeit, da es dem Staat schlechterdings unmöglich wäre, das Gegenteil zu beweisen, ohne selbst die Gewissensfreiheit im Bereich des forum internum zu verletzen.

Fallgruppe: Ziviler Ungehorsam

Dass ziviler Ungehorsam mit der Überzeugung über andere als die von staatlicher Seite vertretenen Werte zusammenhängt, ist unbestritten. Die Fallgruppe überlappt sich jedoch häufig noch mit anderen Grundrechten wie Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit und allgemeiner Handlungsfreiheit. Problematisch ist, dass durch zivilen Ungehorsam häufig nicht nur der Staat getroffen wird, sondern auch andere Bürger. Kritisiert wird außerdem, dass die Berufung auf die Gewissensfreiheit zur Rechtfertigung politischer Agitation nicht ausreichend ist, um den erhöhten Schutz des Art. 4 GG zu genießen. Andererseits sind pazifistische Sitzblockaden, die sich an den Vorbildern Mahatma Gandhis und auch Thoreaus orientieren, wohl regelmäßig unter den Schutz des Art. 4 GG zu stellen.

Weblinks

Rechtshinweis Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Gewissensfreiheit — Gewissensfreiheit, Freiheit, nach seiner Überzeugung von Recht u. Unrecht, sofern man dadurch nicht bestehende Gesetze verletzt od. dem allgemeinen Wohl schädlich wird, zu reden u. zu handeln; Gegensatz: Gewissenszwang. Die christliche Ethik… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Gewissensfreiheit — ist im allgemeinen die Abwesenheit von jeglichem Zwang, insofern man durch ihn einerseits zu Handlungen, von denen das Gewissen (insbes. das religiöse) abmahnt, genötigt und anderseits von Handlungen, zu denen das Gewissen auffordert, abgehalten… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Gewissensfreiheit — Gewissensfreiheit, s. Glaubensfreiheit …   Herders Conversations-Lexikon

  • Gewissensfreiheit — Ge|wịs|sens|frei|heit 〈f. 20; unz.〉 das Recht, nur nach dem eigenen Gewissen, auch entgegen äußerem Zwang, zu handeln * * * Ge|wịs|sens|frei|heit, die <Pl. selten> [LÜ von lat. libertas conscientiae]: Recht des Menschen, in seinen… …   Universal-Lexikon

  • Gewissensfreiheit — Ge|wịs|sens|frei|heit …   Die deutsche Rechtschreibung

  • Toleranz — Toleranz, auch Duldsamkeit,[1] ist allgemein ein Geltenlassen und Gewährenlassen fremder Überzeugungen, Handlungsweisen und Sitten.[2] Gemeint ist damit heute häufig auch die Anerkennung einer Gleichberechtigung unterschiedlicher Individuen.[3]… …   Deutsch Wikipedia

  • Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit — Glaubens , Gewissens und Bekenntnisfreiheit,   die Freiheit und das Recht des Einzelnen, religiöse, weltanschauliche und moralische Überzeugungen zu bilden, zu äußern und zu befolgen. Es handelt sich hierbei um eines der ältesten, als… …   Universal-Lexikon

  • Desmons — Frédéric Desmons (* 14. Oktober 1832 in Brignon (Département Gard); † 4. Januar 1910 in Paris) war calvinistischer Pastor, Deist, Freimaurer und Verfechter der absoluten Gewissensfreiheit. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1.1 Freimaurerei …   Deutsch Wikipedia

  • Menschenwürdig — Der Begriff der Menschenwürde ist Ausdruck der Idee oder Erfahrung, dass jeder Mensch einen schützenswerten Wert besitzt (Selbstwert jedes Menschen). Nur wo der unbedingte Schutz der Menschenwürde gewährleistet ist, kann man von einem… …   Deutsch Wikipedia

  • Würde des Menschen — Der Begriff der Menschenwürde ist Ausdruck der Idee oder Erfahrung, dass jeder Mensch einen schützenswerten Wert besitzt (Selbstwert jedes Menschen). Nur wo der unbedingte Schutz der Menschenwürde gewährleistet ist, kann man von einem… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”