Gibbssches Paradoxon

Gibbssches Paradoxon

Das Gibbssche Paradoxon ist ein Begriff aus der statistischen Mechanik und tritt bei der Berechnung der Mischungsentropie einphasiger Stoffe auf. Benannt wurde es nach seinem Entdecker Josiah Willard Gibbs.

Werden zwei unterschiedliche Stoffe gemischt, wächst durch Zunahme des erreichbaren Phasenraumvolumens die Entropie. Es sollte keinen Unterschied machen, ob man die Mischung zweier unterschiedlicher oder zweier gleicher Stoffe betrachtet. Daher folgt aus der von Gibbs abgeleiteten Formel für die Mischungsentropie, dass die Entropie ebenfalls zunehmen sollte, wenn man zwei Volumina des gleichen Stoffs mischt.

Diese Annahme ist nach der klassischen Vorstellung korrekt. Jedes Atom erhielte eine Nummer und man könnte sich vorstellen, Atome mit gerader und ungerader Identifikationsnummer zu mischen. Nach den heutigen Modellen sind Atome bzw. Moleküle, die aus den gleichen Elementarteilchen bestehen, allerdings ununterscheidbar, da sie quantenmechanisch durch die gleichen Wellenfunktionen beschrieben werden, weshalb auch keine Entropiezunahme bei Mischung gleicher Stoffe beobachtet werden kann. Aus diesem Grund tritt das Paradoxon in der modernen Physik nicht auf.

Experiment

Betrachten wir nun einen Aufbau, der aus zwei Gefäßen besteht, die nur durch eine Trennwand getrennt sind, die sich öffnen und schließen lässt. Weiterhin sei in beiden Gefäßen derselbe Stoff mit demselben Druck und derselben Temperatur. Nun lässt sich die Trennwand öffnen, wodurch es zu einer Vermischung kommt und die Entropie steigt. Schließt man nun die Trennwand wieder, so ist der Ausgangszustand wiederhergestellt: In beiden Gefäßen befindet sich wieder derselbe Stoff mit demselben Druck und derselben Temperatur.

Nun steht man aber vor einem Problem. Entweder man nimmt an, dass man durch Schließen der Trennwand die Entropie verringert hat, was den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik verletzen würde und außerdem nur für gleiche Stoffe, nicht aber für verschiedene Stoffe im Anfangszustand funktionieren würde. Diese Lösungsidee ist absolut willkürlich und nicht sinnvoll zu begründen. Nimmt man aber an, dass sich in diesem Zyklus die Entropie tatsächlich vergrößert hat, ließe sich mit diesem reversiblen Prozess die Entropie erhöhen, was den Begriff der Entropie unsinnig machen würde.

Zur Auflösung des Paradoxons muss man einen Korrekturterm einfügen, der die Überzählung des Phasenraumvolumens durch Vertauschung identischer Teilchen kompensiert. Quantenmechanisch ergibt sich ein solcher Korrekturterm auf natürliche Weise, so dass das Paradoxon also von der Quantenmechanik gelöst wird. Dadurch erhöht sich bei der Mischung zweier Volumina des gleichen Stoffs das Phasenraumvolumen nicht und damit bleibt auch die Entropie unverändert. Bei verschiedenen Stoffen sind die Teilchen des einen Stoffs jedoch von denen des anderen Stoffs unterscheidbar, wodurch hier weiterhin das Phasenraumvolumen und mit ihm die Entropie zunimmt, was mit der Erwartung übereinstimmt, da die Mischung verschiedener Stoffe ein irreversibler Prozess ist.

In der Quantenmechanik ist die Entartung von Vielteilchenzuständen durch Permutation der Teilchen als Austauschentartung bekannt. Die Beobachtung zeigt, dass es in der Natur keine Austauschentartung gibt; das ist der Inhalt des Austauschpostulats. Gibbs war mit seinen Überlegungen zur Mischungsentropie also auf ein sehr tiefliegendes Prinzip gestoßen, welches zu den Wichtigsten der modernen Physik zählt.

The Gibbs Paradox - E. T. Jaynes (1996)

J. Willard Gibbs' Statistical Mechanics erschien im Jahr 1902. Der amerikanische Physiker E. T. Jaynes kommt in einer Analyse eines älteren Textes von Gibbs (Heterogenous Equilibrium (1875–78) zu dem Schluss, dass Gibbs selbst dort bereits zufriedenstellende Antworten gefunden habe und das Paradoxon daher eigentlich keines sei. Er weist insbesondere auf Anwendung und Gültigkeitsbereich des Entropiebegriffes hin. Zitat [1] (Seite 6):

„Nevertheless, we still see attempts to "explain irreversibility" by searching for some entropy function that is supposed to be a property of microstate, making the second law a theorem of dynamics, a consequence of the equations of motion. Such attempts, dating back to Boltzmann's paper of 1866, have never succeeded and never ceased. But they are quite unnecessary; for the second law that Clausius gave us was not a statement about any property of microstates. The difference in dS on mixing of like and unlike gases can seem paradoxical only to one, who supposes erroneously, that entropy is a property of the microstate.“

Siehe auch


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