Gluschko

Gluschko

Walentin Petrowitsch Gluschko (russisch Валентин Петрович Глушко, wiss. Transliteration Valentin Petrovič Gluško; ukrainisch: Walentyn Petrowytsch Gluschko; * 2. September 1908 in Odessa, Ukraine; † 10. Januar 1989) war ein sowjetischer Ingenieur ukrainischer Abstammung und bekannt als sowjetischer Chefkonstrukteur von Raketenmotoren.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Der Sohn einer Krankenschwester begann sich im Alter von 13 Jahren mit der Aeronautik zu beschäftigen, nachdem er Romane von Jules Verne gelesen hatte. Er lernte an einer Handelschule in Odessa. Während seiner Zeit in Odessa führte Gluschko Experimente mit Sprengstoffen durch. An diese gelangte er durch nichtexplodierte Artilleriegranaten die von den Weißen Garden während ihres Rückzugs zurückgelassen wurden. Von 1924-25 schrieb er Artikel über die Erforschung des Mondes und über die Anwendung Ziolkowskis Motoren für den Raumflug.

Gluschko studierte Physik und Mathematik in Leningrad, fand aber heraus, dass dies nicht seinen Interessen entsprach. Er verließ die Universität im April 1929 ohne Abschluss. Von 1929 bis 1930 betrieb er Raketenforschung bei dem Gasdynamischen Laboratorium. Außerdem wurde er ein Mitglied der G.I.R.D., die 1931 in Leningrad gegründet wurde.

Im Zuge von Stalinschen Säuberungen wurde er am 23. März 1938 festgenommen und ins Gefängnis gesteckt. Am 15. August 1939 wurde er zu acht Jahren Gulag verurteilt. Allerdings durfte er mit anderen inhaftierten Wissenschaftlern an verschiedenen Flugzeugkonstruktionen arbeiten. 1944 wurde er aufgrund eines besondern Erlasses freilgelassen.

Im Jahr 1938 denunzierte er den damals führenden Raketenkonstrukteur Sergei Pawlowitsch Koroljow beim Volkskommissariat für innere Angelegenheiten (NKWD), und schaltete damit einen seiner größten Konkurrenten aus. Koroljow wurde aufgrund der Aussagen von Gluschko für 6 Jahre im sibirischen Gulag eingesperrt, wodurch seine Gesundheit derart beeinträchtigt wurde, dass er auf dem Höhepunkt des sowjetischen Raketenprogramms mit 59 Jahren verstarb. Mehrere Jahre später übernahm Gluschko auch die Aufgaben Koroljows.

Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Gluschko nach Deutschland und Osteuropa geschickt, um dort das deutsche Raketenprogramm zu studieren. 1946 wurde er der Chefkonstrukteur seiner eigenen Abteilung, dem OKB 456, und blieb in dieser Position bis 1974. Diese Abteilung sollte eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung von Raketenmotoren in der Sowjetunion spielen.

Sein OKB 456 entwickelte das Triebwerk RD-101 (340 kN Schub) für die R-2-Rakete, das RD-110 (1.180 kN) für die R-3 und das RD-103 (430 kN) für die R-5. Die berühmte und heute noch verwendete R-7 benutzt als Antrieb vier RD-107 und ein RD-108 aus Gluschkows OKB. Im Jahre 1954 begann er Antriebe für die von Michail Kusmitsch Jangel entwickelte R-12 zu entwerfen. Sein stärkstes Triebwerk schuf er in den 1980-er Jahren mit dem RD-170 (7.903 kN).

1974, nach den erfolgreichen Mondlandungen der Amerikaner, entschied Breschnew das von Problemen geplagte russische Programm, einen Menschen auf den Mond zu schicken, zu beenden. Er enthob Wassili Pawlowitsch Mischin seines Postens und übertrug stattdessen Gluschko die Verantwortung über das OKB-1, die ehemalige Abteilung Koroljows, die später in NPO Energia umbenannt wurde. Als erste Handlung strich Gluschko die N-1-Rakete, ein Programm, dass schon lange in der Kritik stand.

Gluschko war ein Vertreter einer neuen Reihe von starken Trägerraketen, die er zur Errichtung einer sowjetischen Mondbasis einsetzten wollte. Nachdem jedoch das amerikanische Apolloprogramm zu Ende ging und die USA das Space Shuttle einführten, wollte die sowjetische Regierung ein Gegenstück zum Shuttle bauen. Erst nach seinem Tod 1989 wurden Gluschkos Bemühungen der breiten russischen Öffentlichkeit bekannt.

Viele Jahre arbeitete Gluschko im Schatten Koroljows und er erhielt sicherlich niemals den Ruhm, den er für seine Leistungen verdient hätte. Sein Charakter wurde als dickköpfig empfunden, und es fehlte ihm nie an Selbstwertgefühl. Über den Entwurf der Mondrakete N1 von Koroljow kam es zum endgültigen Bruch. Koroljow und Gluschko hatten sich hoffnungslos u.a. über das Triebwerksdesign (Einkammer- gegen Vierkammertriebwerk) und die zu verwendende Treibstoffkombination (Kerosin/Sauerstoff gegenüber UDMH/Distickstofftetroxid) zerstritten.

Einer seiner bedeutendsten und langfristigen Fehlannahmen war, dass er Wasserstoff als Raketentreibstoff ablehnte. Das führte dazu, dass die russischen Raketenexperten noch immer über die Nutzung von Wasserstoff als Treibstoff diskutierten, während die Amerikaner bereits die Saturn V montierten. Gluschkos Konstruktionsbüro versagte ebenso in der Konstruktion eines Triebwerks mit großer Brennkammer, um konkurrenzfähig zum amerikanischen F-1 Triebwerk, das in der Saturn V eingesetzt wurde, zu bleiben. Diese Entscheidungen und Fehler trugen mit zum Scheitern der N1 bei, für die sich Koroljows Nachfolger Mischin nunmehr auf eine Vielzahl kleinerer Triebwerke verlassen musste. Auch später bewältigte Gluschko nie die Instabilitäten von großen Brennkammern: Seine pragmatische Lösung ist die Verwendung mehrerer gebündelter kleinerer Brennkammern, welche von einer gemeinsamen leistungsstarken Turbopumpe mit Treibstoff versorgt werden. Dieser Grundentwurf gab den Sowjets schon in den 1950-er Jahren die große Schubkraft für die R-7 (RD-107 und RD-108). Auch die Erststufentriebwerke der Energija-Rakete (RD-170) verwenden diese Technik. Das RD-170 kann als bestes Triebwerk Gluschkos angesehen werden. Dieses Triebwerk ist das bis heute schubstärkste je geflogene Flüssigkeitsraketentriebwerk und findet nach wie vor in der Modifikation RD-171 bei der 1. Stufe der Zenit Verwendung. Die Turbopumpe des RD-170 leistet unter Vollast 170 MW. Für die amerikanische Atlas wird eine daraus abgeleitete Zweikammerversion (RD-180) verwendet. Der Umstand, dass Gluschko diese Lösung bis zur Entlassung Mischins und bis zu seiner Übernahme über das komplette sowjetische Raumfahrtprogramm nicht entwickelt hat, legt ein Zeugnis über die lähmenden Intrigen und Machtkämpfe ab, die mit den sowjetischen Anstrengungen, den Mond zu erreichen, einher gingen.

Als Leiter der NPO Energija wurde er 1989 von Juri Semenow abgelöst.

Werke

  • V. P. Glushko and G. Langemak, Rockets, Their Construction and Application, 1935.
  • Glushko, V. P., Rocket Engines GDL-OKB, Novosti Publishing House, Moscow, 1975.

Ehren

  • Ein Asteroid Nummer 6357 Glushko (Asteroid), der 1976 entdeckt wurde von Nikolai Stepanovich Chernykh zu seinen Ehren nach ihm benannt.
  • Es gibt einen Gluschko Krater auf dem Mond der Erde, der nach ihm benannt ist
  • Eine Straße in der ukrainischen Hauptstadt Kiew ist nach Gluschko benannt.

Literatur

  • James Hanford: Korolev. How One Man Mastermined the Soviet Drive to Beat America to the Moon. John Wiley & Sons, 1997 ISBN 0-471-14853-9.

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