Glutamin

Glutamin
Strukturformel
L-Glutamin D-Glutamin
L-Glutamin (links) bzw. D-Glutamin (rechts)
Allgemeines
Name Glutamin
Andere Namen
Summenformel C5H10N2O3
CAS-Nummer
  • 56-85-9 (L-Enantiomer)
  • 5959-95-5 (D-Enantiomer)
PubChem 5961
DrugBank NUTR00026
Kurzbeschreibung

farb- und geruchloser Feststoff [1]

Eigenschaften
Molare Masse 146,15 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

185–186 °C [1]

pKs-Wert
  • pKCOOH: 2,17
  • pKNH2: 9,13 (jeweils bei 25 °C)[2]
Löslichkeit
  • löslich in Wasser: 26 g·l−1 (18 °C) [1]
  • unlöslich in Methanol, Benzol und Chloroform[3]
Sicherheitshinweise
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [1]
keine Gefahrensymbole
R- und S-Sätze R: keine R-Sätze
S: keine S-Sätze
LD50

7500 mg·kg−1 (Ratte, oral) [1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

L-Glutamin, abgekürzt Gln oder Q, ist eine proteinogene, für den Menschen nicht essentielle α-Aminosäure und stellt das γ-Mono-Amid der L-Glutaminsäure dar. Im Dreibuchstabencode wird sie als Gln und im Einbuchstabencode als Q bezeichnet. Im Stoffwechsel ist L-Glutamin ein universeller NH2-Donor. Im Blutplasma kommt Glutamin mit einem Mengenanteil von 20% als Hauptbestandteil des Pools an freien Aminosäuren vor. Bei hyperkatabolen und hypermetabolen Krankheitszuständen, wie z. B. nach Operationen, schweren Verletzungen, Verbrennungen und Infektionen ist stets eine ausgeprägte Glutaminverarmung zu beobachten.

Inhaltsverzeichnis

Stereoisomerie

In den Proteinen kommt, neben anderen Aminosäuren, ausschließlich L-Glutamin [Synonym: (S)-Glutamin] peptidisch gebunden vor. Enantiomer dazu ist das spiegelbildliche D-Glutamin [Synonym: (R)-Glutamin], das in Proteinen nicht vorkommt. Racemisches DL-Glutamin [Synonyme: (RS)-Glutamin und (±)-Glutamin] besitzt geringe Bedeutung.

Vorkommen

Quark ist das Nahrungsmittel mit dem höchsten Glutamingehalt, in geringerem Maß kommt es noch in Milch und Joghurt vor. Außerdem kommt Glutamin in rohem oder geräuchertem Fleisch vor. Weitere natürliche Quellen mit hohem Glutamingehalt sind Soja und Weizen.[4]

Eigenschaften

Das farblose, kristalline Glutamin ist unlöslich in Alkoholen, Benzol und Chloroform. Mäßig löslich ist es hingegen in Wasser (100 g/l bei 40 °C).

Glutamin liegt überwiegend als „inneres Salz“ bzw. Zwitterion vor, dessen Bildung dadurch zu erklären ist, dass das Proton der Carboxygruppe an das einsame Elektronenpaar des Stickstoffatoms der Aminogruppe wandert:

Zwitterionen von L-Glutamin (links) bzw. D-Glutamin (rechts)

Zwitterionen von L-Glutamin (links) bzw. D-Glutamin (rechts)

Im elektrischen Feld wandert das Zwitterion nicht, da es als Ganzes ungeladen ist. Genaugenommen ist dies am isoelektrischen Punkt (bei einem bestimmten pH-Wert) der Fall, bei dem das Zwitterion auch seine geringste Löslichkeit in Wasser hat. Sein isoelektrischer Punkt liegt bei 5,65. [5]

Herstellung

Großtechnisch wird L-Glutamin fermentativ hergestellt.[6]

Biochemie

Für die Biosynthese inklusive Strukturformeln siehe Abschnitt Weblinks

L-Glutamin wird aus der L-Glutaminsäure durch die Glutamin-Synthetase hergestellt. Dabei wird Adenosintriphosphat (ATP) verbraucht. Im Körper kann L-Glutamin zu Succinat in drei Reaktionsschritten abgebaut werden.

Funktionen

Mit einem Mengenanteil von 20% ist Glutamin Hauptbestandteil des Pools an freien Aminosäuren im Blutplasma (500-900 µmol/l). Glutamin kommt in der höchsten Konzentration in den Muskelzellen (ca. 35 mmol/l) vor. Es ist unter anderem für die Wassereinlagerung in die Zelle verantwortlich und bewirkt bei körperlicher Belastung eine Vergrößerung des Zellvolumens, was als anaboles, die Proliferation unterstützendes Signal zu betrachten ist. Das heißt, die Protein- und Glykogenbildung wird gefördert. Hyperkatabole und hypermetabole Krankheitszustände gehen stets mit ausgeprägter Glutaminverarmung in der Muskulatur einher. Charakteristisch für die Reaktion auf ein Trauma oder eine Infektion ist die Reduktion von freiem Glutamin in der Muskulatur um etwa 50%. Dieser Verlust von intrazellulärem Glutamin wurde sowohl nach selektiven Operationen, Polytraumen und Verbrennungen als auch bei Infektionen und Pankreatitis unabhängig von der Ernährung festgestellt. Glutamin stellt nicht nur einen Baustein für die Proteinsynthese, sondern u.a. auch für die Zellen des Gastrointestinaltraktes (Enterozyten, Kolonozyten) ein wichtiges Energiesubstrat dar. Untersuchungen haben erbracht, dass alle sich schnell vermehrenden Zellen, hauptsächlich diejenigen des Immunsystems, strikt auf die Verfügbarkeit von Glutamin angewiesen sind. Hauptsächlich glutaminverbrauchendes Organ ist der Dünndarm. Interessant ist die Tatsache, dass die Morbidität nach Knochenmarktransplantationen mit Glutaminsupplementierung erniedrigt war. Das Auftreten von Infektionen, die Gesamtzahl und die Zahl der örtlich begrenzten mikrobiellen Besiedlung und die Dauer des Krankenhausaufenthaltes waren im Vergleich zu den Kontrollpatienten reduziert bzw. verkürzt.[7] Als Praxistipp, insbesondere im Bereich der kraftorientierten Hobbysportler, kann angenommen werden, dass Glutamin nicht nur anabol, sondern zusätzlich antikatabol wirkt, indem es bei körperlicher Anstrengung einem Abbau von Muskelgewebe entgegen wirkt. Ebenso soll sich die körperliche Regenerationsfähigkeit während des Schlafes verbessern. Einen stringenten wissenschaftlichen Nachweis für diese Wirkungsweise gibt es jedoch noch nicht.

Funktion im Nervensystem

Glutamin ist chemisch eng verwandt mit der exzitatorischen Aminosäure Glutaminsäure (häufig wird nur von der ionisierten Form, dem Glutamat, gesprochen), die als Neurotransmitter bei glutamatergen Synapsen im zentralen Nervensystem vorkommt. An diesen Synapsen wird ein Teil des Glutamats nach der Ausschüttung in den synaptischen Spalt in benachbarte Gliazellen aufgenommen. Um das aufgenommene Glutamat zurück in die präsynaptischen Neuronen zu transportieren, wird es in den Gliazellen in Glutamin umgewandelt, da Glutamin keine exzitatorische Auswirkung auf die postsynaptische Membran aufweist. In den Neuronen wird Glutamin dann wieder in Glutamat umgewandelt.

Funktion in der Zellkultur von Tumorzellen

Für die Zellkultur von vielen Tumorzellen ist Glutamin in hohem Überschuss notwendig. Wie bereits oben erwähnt hat das menschliche Blut eine Konzentration von 500-900 µmol/l Glutamin, in der Zellkultur wird allerdings meist mit 2000-4000 µmol/l gearbeitet. Das liegt daran, dass viele Arten von Tumorzellen wesentlich mehr Glutamin aufnehmen und verstoffwechseln als normale Körperzellen.[8] Über die Gründe wird in der wissenschaftlichen Literatur zurzeit viel diskutiert. Als eine mögliche Ursache für die erhöhte Glutaminaufnahme und -abhängigkeit von Tumoren wird die erhöhte Expression des Onkogens myc von verschiedenen Autoren vorgeschlagen.[9][10] Aufgrund dieser Abhängigkeit werden und wurden verschiedene Glutaminanaloga wie DON, Azaserin oder Acivicin zur Behandlung von verschiedenen soliden Tumoren getestet.

Polyglutamin

Eine Reihe wichtiger Proteine beinhalten Polyglutamin-Einheiten, das heißt längere sich wiederholende Glutamin–Glutamin-Verknüpfungen. Beispiel dafür sind das FOXP2-Protein oder das die Chorea Huntington auslösende Huntingtin. Im Huntingtin bewirkt eine durch eine autosomal-dominante Mutation bedingte Verlängerung der Polyglutamin-Einheit das Ausbrechen der Krankheit.[11][12]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b c d e Datenblatt Glutamin bei Merck, abgerufen am 13. Januar 2008.
  2. Hans Beyer und Wolfgang Walter: Lehrbuch der Organischen Chemie, Hirzel Verlag, Stuttgart, 1991, ISBN 3-7776-0485-2, dort Seite 823.
  3. Thieme Chemistry (Hrsg.): RÖMPP Online - Version 3.1. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart 2008.
  4. K. Lösche: Enzyme in der Lebensmitteltechnologie. Behr's Verlag, 2000, ISBN 978-3-86022-640-7.
  5. P. M. Hardy: The Protein Amino Acids in G. C. Barrett (Herausgeber): Chemistry and Biochemistry of the Amino Acids, Chapman and Hall, 1985, ISBN 0-412-23410-6, S. 9.
  6. Yoshiharu Izumi, Ichiro Chibata und Tamio Itoh: Herstellung und Verwendung von Aminosäuren, Angewandte Chemie 90 (1978) 187-194; Angewandte Chemie International Edition in English 17, 176–183.
  7. P. Fürst, H.-K. Biesalki et. al.: Ernährungsmedizin, S. 95/96/308, Thieme-Verlag, Stuttgart 2004, ISBN 3-13-100293-X.
  8. Fuchs und Bode: Amino acid transporters ASCT2 and LAT1 in cancer: Partners in crime? In: seminars in cancer biology Nr. 15, 2005, S. 254-66.
  9. Yuneva et al., Deficiency in glutamine but not glucose induces MYC-dependent apoptosis in human cells In: The Journal of Cell Biology, 2007, Vol. 178, No. 1, pp 93-105.
  10. Wise et al., Myc regulates a transcriptional program that stimulates mitochondrial glutaminolysis and leads to glutamine addiction In: PNAS, 2008, vol. 105, no. 48, pp 18782-18787.
  11. J. Rutishauser: Morbus Huntington: disrupt the fatal attraction. In: Schweiz Med Forum, 24/2002, S. 586–587.
  12. E. Cattaneo u. a: Das Rätsel der Chorea Huntington In: Spektrum der Wissenschaft, JANUAR 2004, S. 60–66.

Weblinks


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