Goldauer Bergsturz

Goldauer Bergsturz

Der Bergsturz von Goldau vom 2. September 1806 war eine Naturkatastrophe in der Schweiz.

Abbruchstelle am Rossberg im Jahr 2004

Am 2. September 1806 ereignete sich neben dem Basler Erdbeben die bisher grösste Naturkatastrophe der Schweiz. An der Südflanke des Rossberges im Kanton Schwyz lösten sich gewaltige Gesteinsmassen (beinahe 40 Millionen m³) und donnerten ins Tal hinunter. Der Rutsch überschüttete eine Fläche von rund 6,5 km² und zerstörte die Dörfer Goldau, Röthen sowie Teile von Buosingen und Lauerz. 457 Menschen kamen ums Leben, über 100 Häuser, 220 Ställe/Scheunen sowie 4 Kirchen/Kapellen wurden zerstört. Die Dörfer Goldau und Röthen waren verschwunden, und der Lauerzersee verkleinerte sich um ein Siebtel seiner Fläche. Augenzeugen berichteten, der Bergsturz habe eine 20 Meter hohe Flutwelle ausgelöst.

Der Bergsturz wurde zur Geburtsstunde der ersten schweizerischen Spendensammlung und als Chance genutzt, die nationale Solidarität zu stärken. Für viele Leute war der Bergsturz eine Demonstration göttlicher Macht. Er war aber auch der erste, der wissenschaftlich untersucht und erklärt wurde. Beim Rossberg handelt es sich um ein Felssturzgebiet. Dieses besteht aus Nagelfluhbänken, welche rutschten, weil der darunterliegende verwitterte Mergel nicht mehr haftete. Auslöser waren jeweils heftige Regenfälle.

Die Ortschaft Goldau, die zur politischen Gemeinde Arth SZ gehört, wurde auf dem Schuttkegel wieder aufgebaut und wuchs zum Verkehrsknoten. Der Natur- und Tierpark Goldau im Bergsturzgebiet, inmitten von gewaltigen Felsblöcken, ist ein beliebtes Ausflugsziel. Im Bergsturzgebiet führt ein Wanderweg durch Pioniervegetation auf den Rossberg (Gnipen).

Abbruchstelle von oben gesehen

Die Neue Zürcher Zeitung vom 9. September 1806 berichtete wie folgt:

Schwyz, 5. Sept. Der 2. Sept. war für den Bezirk Schwyz ein trauriger, jammervoller Tag. Nach einem vier und zwanzig stündigen ausserordentlich heftigen Platzregen borst um 5. Uhr Abends an dem Berge Spitzebüol, ob dem Dorfe Röthen, dessen oberste Felsenspitze. Zugleich trennte sich, durch unterirrdisches Wasser von dem Kern des Berges gelöset, eine ungeheure bey 300. Ellen tiefe Erdmasse in einer Breite von 100. Fuss vom Gebürg. Diese fürchterliche Errdlauwe, riss Wohnungen, Menschen und Vieh mit sich, über den Rücken des Bergs, und stürzte mit unbeschreiblicher Gewalt in das unten gelegene Thal. Viele Centnerschwere Steine vor sich her durch die Luft auf eine unglaubliche Weite schleudernd, trieb der viele Ellen hohe Erdstrom mit Blitzesschnelle über die eine Stund breite, fruchtbare und mit Wohnungen übersäete Ebene an den gegenüber liegenden Rigi-Berg, drückte den Schutt mehrere tausend Fuss hoch den Berg hinauf, zersprengte da die dickesten Bäume in Splitter, weit herum alles verheerend und überschüttend. Ein kleiner Theil der schrecklichen Masse hatte schon beym Anbruche eine von der Hauptmasse verschiedene Richtung genommen; diese drehte sich links, wälzte sich aufwärts gegen den Lauwerzer-See, trieb ihn aus seinem Bethe, und nöthigte die Fluth 150. Schuh hoch über das zu springen. Die Gewalt des Wassers riss alle Gebäude rings um den See mit sich fort, zerstörte die Landstrasse, und bedeckte den See mit Trümmern und Ruinen.

Es verschüttete dieses grässliche Ereignis in 5. Minuten eine der nutzbarsten und schönsten Gegenden des Bezirks von Lowerz bis Ober-Art, eine Stunde breit und eine Stunde lang. Die herrlichsten Wiesengüter, vier beträchtliche Ortschaften, Lowerz, Busingen, Goldau und Röthen, unzählige zerstreute Wohnungen und Höfe, über 1000. Menschen, und eine unsägliche Menge Vieh liegen unter vielen Ellen hohem Schutte begraben. Man kennt den Platz nicht mehr, wo dieser oder jener Ort gestanden, und quer durch die Mitte des verwüsteten Stück Landes steht ein ganz neuer Berg von beträchtlicher Höhe da.

Unbekannt ist noch die Zahl der Reisenden, welche gerade in dieser unseligen Stunde auf der stark besuchten Landstrasse wanderten, und das grauenvolle Schicksal der Einwohner theilten.

So vereinen sich in einem Zeitraum von acht Jahren alle möglichen Drangsale über die armen Schwyzer; und in einem ihrer Thäler musste sich, nach 200. Jahren, die trauervolle Scene des Flecken Plurs erneuern, welches am 4. Sept. 1618, auf ähnliche Weise seinen Untergang fand.

Medienecho

Der Bergsturz von Goldau hatte in der aufstrebenden europäischen Presselandschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein grosses Echo, was durch die neuen Reproduktionsmöglichkeiten des Holzstichs befördert wurde. Er stiess dank dem Image der Schweiz als Naturwelt auf grosses Interesse. Als Diorama von Louis Daguerre war eine multimediale Aufbereitung des Bergsturzes in vielen europäischen Städten zu sehen: Auf zwei bemalten Seiten eines Bühnenprospekts wurde die Berglandschaft vor und nach der Katastrophe dargestellt. Die „liebliche Schweizerlandschaft“ konnte damit durch wechselnde Beleuchtung in „Verwüstungen“ übergehen. Die Beherrschbarkeit von Natur durch Technik begann damals zur realistischen Hoffnung zu werden. Die medientechnische Wiederholbarkeit der Katastrophe fasziniert bis heute.

Literatur

  • Wenn sich Berge zu Tal stürzen - Der Bergsturz von Goldau 1806. SJW Nr. 2237, 64 Seiten, 100 Farbabbildungen (2006).
  • Neue Zürcher Zeitung, 30. Aug. 2006, Nr. 200, S. 15, 57
  • Karl Zay: Goldau und seine Gegend, wie sie war und wie sie geworden ist. [1807] Goldau: Cantina 2006
  • Louis Jacques Mandé Daguerre: Das Daguerreotyp und das Diorama oder genaue und authentische Beschreibung meines Verfahrens und meiner Apparate zur Fixierung der Bilder der Camera obscura und der von mir bei dem Diorama angewendeten Art und weise der Malerei und der Beleuchtung. [1839] Stuttgart: Metzler 1989, S. 60. ISBN 3-476-00683-2

Weblinks


47.0761111111118.56194444444447Koordinaten: 47° 4′ 34″ N, 8° 33′ 43″ O; CH1903: (685311 / 214510)


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