Alexei Antonow

Alexei Antonow
Alexei Innokentiewitsch Antonow

Alexei Innokentiewitsch Antonow (russisch Алексей Иннокентьевич Антонов, wiss. Transliteration Aleksej Innokent'evič Antonov; * 9. September 1896 in Hrodna; † 16. Juni 1962 in Moskau) war während des Zweiten Weltkriegs Leiter der Operationsabteilung des sowjetischen Generalstabes, und während der Abwesenheit Marschall Wassilewskis de facto Chef des sowjetischen Generalstabes, nach dem Krieg war er Stabschef der „Streitkräfte des Warschauer Vertrages“ und Armeegeneral.

Inhaltsverzeichnis

Jugend und Zwischenkriegszeit

Sowohl Vater wie Großvater Antonows waren Artillerieoffiziere. In Siberien lernte sein Vater Tereza Ksawertewna, die Tochter eines verbannten polnischen Aufständischen kennen und heiratete sie. Alexei wurde als zweites von drei Kindern dieser Verbindung in Hrodna geboren. Die gebildeten Eltern erzogen die Kinder zu Strebsamkeit, Disziplin und Vaterlandsliebe. Alexei Antonow beherrschte bald neben Russisch fließend Polnisch und begann auch Deutsch, Englisch und Französisch zu lernen, was sich im Zuge seiner späteren militärischen Studien als sehr wertvoll erweisen sollte. Nebenbei weckte sein Vater auch sein Interesse am Militär, besichtigte mit ihm Schlachtfelder und die Sommerlager seiner Einheit, was früh den Wunsch reifen ließ, selbst Offizier zu werden. Diese Ambitionen erlitten einen Rückschlag durch den frühen Tod seines Vaters im Jahr 1908 und den Tod seiner Mutter (1915).

Alexei Antonow hatte nun die verbliebene Familie finanziell zu unterstützen und musste deshalb Fabrikarbeiter werden. Nebenbei gelang es ihm jedoch, mit dem Studium der Physik und der Mathematik in Sankt Petersburg zu beginnen. Der Beginn des Ersten Weltkriegs zwang ihn zur Studienunterbrechung. Antonow wurde zunächst auf einen Unteroffizierskurs geschickt, im Frühjahr 1917 wurde sein Regiment der 8.Armee an der russischen Südwestfront zugeteilt, die General Brussilow führte. Antonow nahm an der Brussilow-Offensive teil, die nach Anfangserfolgen mit einer Niederlage endete, wobei er selbst verwundet wurde. Nach der Oktoberrevolution schloss er sich 1918 der neugebildeten Roten Armee an, in der er 1919 seinen ersten Einsatz im Russischen Bürgerkrieg als stellvertretender Stabschef der 3. Brigade an der Südfront des bolschewistischen Machtbereichs erlebte. Nach weiteren Kämpfen wurde er befördert und diente schließlich als Stabschef der 45. Schützenbrigade der 15. Schützendivision. Seine Vorgesetzten hoben sein Ansehen bei Vorgesetzten wie Untergebenen ebenso hervor wie seine Fachkenntnisse und seinen Arbeitseifer. 1928 trat er der KPdSU bei und wurde nun sofort an die Militärakademie „M.W. Frunse“ entsandt. Nach dem Abschluss der Akademie im Jahr 1931 wurde er Stabschef der 46. Schützendivision. Ein Jahr später kehrte er an die Akademie zurück, wo er einen mehrmonatigen Stabskurs mit Auszeichnung absolvierte und seine Eignung als Stabschef eines größeren Verbandes und auch für den Generalstab anerkannt wurde.

Im August 1935 wurde er zum Chef der Operationsabteilung des Militärbezirkes Charkow ernannt und spielte eine Schlüsselrolle bei der Planung und Durchführung der größten Militärübung der Roten Armee vor 1941, des Manövers im Militärbezirk Kiew 1935. An dieser Übung nahmen 65.000 Mann, 1000 Panzer und 600 Flugzeuge in einer Frontbreite von 250 km teil. Von Woroschilow und Yakir als Erfolg bewertet, bildete das Manöver für Antonow das Sprungbrett zum ersten Kurs an der Generalstabsakademie, den er 1936 neben Sacharow und Leonid Alexandrowitsch Goworow als Kursbester absolvierte. In seiner Kursbeurteilung wurde sein scharfer Intellekt, sein Eifer und seine Energie hervorgehoben. Entscheidend wurde jedoch seine Freundschaft mit Alexander Michailowitsch Wassilewski, dem späteren Generalstabschef der Roten Armee, der ebenfalls diesen Kurs besuchte. Dieser Kurs sollte ursprünglich 18 Monate dauern, wurde aber für die besseren Studenten verkürzt, um die durch die Stalinschen Säuberungen entstandenen Lücken im Führungsstab der Roten Armee zu füllen. Antonow wurde zum Stabschef des Moskauer Militärbezirkes ernannt, kurz danach jedoch an die Frunse-Akademie berufen, wo er als Taktiklehrer tätig war und die Erstellung von Dienstvorschriften und Lehrbehelfen zu seinen Aufgaben zählten.

Zeit des Großen Vaterländischen Kriegs

Im Januar 1941 konnte Antonow sich schließlich von seiner Lehrtätigkeit lösen und wurde stellvertretender Stabschef des Militärbezirkes Kiew. Als Chef der Abteilung für Organisation und Mobilmachung arbeitete er eng mit Oberst Hovhannes Baghramjan, später Marschall der Sowjetunion, zusammen. Nach dem deutschen Überfall war Antonow zunächst Stabschef der Südfront, wo ihm nach mehreren Rückschlägen im November 1941 ein Gegenangriff zur Befreiung von Rostows gelang, was Antonow die Beförderung zum Generalleutnant einbrachte. Nach der Verwendung als Generalstabschef der Schwarzmeergruppe wurde er Stabschef der Transkaukasusfront.

Anfang Dezember 1942 ereignete sich ein Treffen mit dem zum Generalstabschef ernannten Wassilewski, welches für seine Karriere von besonderer Bedeutung war. Beeindruckt von der Qualität seines Lagevortrags bot dieser ihm den Posten des Chefs der Operationsabteilung im Generalstab an. Dieses Angebot nahm Antonow an. Am 4. April 1943 wurde zum Generaloberst befördert und übergab im Mai die Aufgabe der Führung laufender Operationen an seinen Stellvertreter Sergei Matwejewitsch Schtemenko um sich nun ausschließlich der Planung zukünftiger Operationen widmen zu können.

Seine erste bedeutende Planung war der erfolgreiche sowjetische Gegenangriff nach dem Scheitern des deutschen Unternehmens Zitadelle. Als Auszeichnung dafür erhielt er die Beförderung zum Armeegeneral.

1944 plante er die Operation Bagration, die zum Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte führte. Der Beginn sollte mit der von den Alliierten geplanten Invasion in der Normandie (Operation Overlord) abgestimmt werden, was über die Alliierte Militärmission in Moskau geschah.

Bei den Konferenzen in Yalta und Potsdam trat Antonow als Sprecher der militärischen Führung der Sowjetunion auf. Als Wassilewski Mitte Februar 1945 die 3. Weißrussische Front in Ostpreußen übernehmen musste, weil sein Vorgänger Armeegeneral Iwan Danilowitsch Tschernjachowski am 18. Februar gefallen war, übernahm Antonow die Funktion des Generalstabschefs. Er nahm diese Funktion auch noch nach der Kapitulation Deutschlands wahr, da Wassilewski mit der Kommandoführung der Operation Auguststurm in Fernost beauftragt worden war.

Die Nachkriegskarriere

Das nächste schwierige Planungsvorhaben, mit dem Antonow betraut wurde, war die Demobilisierung von über 5 Millionen Mann und ihre Wiedereingliederung in eine sowjetische Wirtschaft, die in weiten Bereichen in Trümmern lag.

Im September 1946 wurde das Staatskomitee für Verteidigung und das Hauptquartier des Kommandos des Obersten Befehlshabers (STAWKA) aufgelöst und durch den Obersten Militärrat ersetzt, dessen stellvertretender Vorsitzender Antonow wurde. Als Wassilewski auf seine Position als Stabschef zurückkehrte, wurde Antonow mit der Führung der Abteilung Organisation und Mobilmachung betraut.

Als 1948 die erste Phase der Demobilisierung abgeschlossen war, wurde Antonow zum angeblichen Zweck des Sammelns von Kommandoerfahrung zunächst als Stellvertreter und 1949 als Kommandant des Militärbezirkes Transkaukasus eingeteilt. Tatsächlich wurde er wie viele andere sowjetische Generäle kleingehalten, damit er nicht in die Machtkämpfe um Stalins Nachfolge eingreifen konnte. (siehe auch Georgi Konstantinowitsch Schukow). Nach dem Tod Stalins und der Machtübernahme durch Nikita Sergejewitsch Chruschtschow kehrte er 1954 in den Generalstab als Stellvertreter Wassilewskis zurück. Dies war aber nur die Vorstufe zur Übernahme der Funktion des Stabschefs der Streitkräfte des Warschauer Vertrages, welche wenig später erfolgte. Diese Funktion nahm Antonow bis zu seinem Tod war. Es war keine einfache Aufgabe, da dabei neben militärischen auch politische Aspekte sehr häufig in den Vordergrund traten. Der bereits seit 1945 schwer herzkranke Antonow schonte sich auch bei dieser Aufgabe nicht, obwohl er laufender ärztlicher Betreuung bedurfte. 1955 verlor er seine Frau Mariya Dimitriewna, 1956 heiratete er Olga Wasiliewna Lepeschinski. Antonow starb sieben Jahre später an einem Herzinfarkt in seinem Büro.

Beurteilung durch Mitarbeiter

Oberst Schtemenko, Mitglied der Operationsabteilung des Generalstabes, stellte Antonow ein hervorragendes Zeugnis aus. Als Wassilewski nach der Erkrankung Marschall Schaposchnikows im Juni 1942 dessen Funktion als Chef des Generalstabes übernahm, wechselte die Führung der Operationsabteilung in rascher Folge, da die Nachfolger im Gegensatz zu Antonow zumeist Wassilewskis hohen Anforderungen nicht entsprachen. Schtemenko:[1] „Es ist keine Übertreibung wenn man A.I.Antonow als eine außergewöhnliche Persönlichkeit bezeichnet.“ Schtemenko hob insbesondere sein umfangreiches Wissen, das rasche Erfassen des Wesentlichen, das schnelle, aber dennoch gründliche Erarbeiten von Lösungsvorschlägen und die Kürze, Prägnanz und Überzeugungskraft seiner Vorträge hervor.Auf den täglichen Lagevortrag bei Stalin habe er sich stets mehrere Stunden lang vorbereitet und strittige Details durch Rücksprache bei den Frontstäben geklärt. Schtemenko betont, dass er trotz der hohen Anforderungen, die er stellte, niemals aufbrausend, beleidigend oder kränkend auf Fehlleistungen reagierte.

Auszeichnungen, Ehrungen

Trotz seiner hohen Funktion und seiner Leistungen wurde Antonow nicht Marschall der Sowjetunion, er ist dafür der einzige sowjetische Armeegeneral, der den Siegesorden erhielt, der außer ihm nur Stalin, 10 sowjetischen Marschällen und 5 hohen ausländischen Truppenführern verliehen wurde.

Einzelnachweise

  1. Seweryn Bialer: Stalin and his generals (New York 1969) 355-360

Literatur

  • Shukman, Harold (Hg.) Stalin'Generals (New York 1993)
  • Gaglow, I.I.:Armeegeneral A.I. Antonow (Moskau 1987) -russisch
  • Schukow,G.K.: Erinnerungen und Gedanken (Stuttgart 1969)
  • Heerführer des Großen Vaterländischen Krieges 1941-1945. 1. Auflage, Militärverlag der DDR 1978, 1. Halbband, S. 7-44

Weblinks


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