Grafschaft Glatz

Grafschaft Glatz
Das Wappen der Grafschaft Glatz

Die Grafschaft Glatz ([glaːts]; glätzisch Grofschoaft Glootz oder Groofschoft Glootz, tschechisch Hrabství kladské, polnisch Hrabstwo Kłodzkie) gehörte als provincia glacensis zum böhmischen Herrschaftsbereich und war seit dem Jahr 1348 unmittelbar ein Nebenland der Krone Böhmen. Nach dem Siebenjährigen Krieg fiel sie 1763 nach dem Hubertusburger Frieden an Preußen und wurde 1818 in die Provinz Schlesien eingegliedert. Das Gebiet der Grafschaft Glatz umfasste eine Bodenfläche von 1636 Quadratkilometern und war gebietsmäßig etwa identisch mit dem heutigen polnischen Powiat Kłodzki, der auch als Ziemia Kłodzka (Glatzer Land) bezeichnet wird.

Landkarte der Grafschaft Glatz: kolorierter Stich

Inhaltsverzeichnis

Geographie und Landschaft

Das Glatzer Land ist von einer Mittelgebirgslandschaft geprägt und von Gebirgszügen als natürlichen Grenzen umgeben, weshalb es auch als Glatzer Kessel bezeichnet wird. Durch seine geographische Lage mit leicht begehbaren Pässen im Süden und Westen und dem Neißedurchbruch bei Wartha war das Gebiet seit alters her ein Durchgangs- bzw. Verbindungsland zwischen Böhmen, Mähren und Schlesien.

Die das Glatzer Land umgebenden Gebirge sind: Im Osten das Eulengebirge (Góry Sowie) und das Reichensteiner Gebirge (Góry Złote), im Süden das Glatzer Schneegebirge (Masyw Śnieżnika) und das Bielengebirge (Góry Bialskie), im Westen das Habelschwerdter Gebirge (Góry Bystrzyckie) und das Adlergebirge (Orlické hory) sowie im Nordwesten das Heuscheuergebirge (Góry Stołowe).

Hauptfluss ist die Glatzer Neiße (Nysa Kłodzka), die der Oder zufließt. Rechte Nebenflüsse sind die Wölfel und die Landecker Biele (Biała Lądecka), linke Nebenflüsse die Habelschwerdter Weistritz (Bystrzyca), die Reinerzer Weistritz (Bystrzyca Dusznicka) und die Steine (Ścinawka).

Verwaltungsmittelpunkt

Verwaltungsmittelpunkt der Grafschaft Glatz war die Stadt Glatz, die bis 1763 Residenz des böhmischen Landesherrn bzw. seines Statthalters, des Landeshauptmanns war. Sie war Sitz des königlichen Amtes, der Glatzer Stände und des Glatzer Landtages, dem der hohe Adel, die Ritter und als Dritter Stand die Freirichter angehörten. Die Freirichter verloren ihre Standeseigenschaft 1622 an die Immediat-Städte.[1]

Geschichte

Slavnikiden

Das Glatzer Land und weite Teile Schlesiens gehörten im 9. Jahrhundert zum Großmährischen Reich. Im 10. Jahrhundert gehörte es als provincia glacensis zum Herrschaftsbereich des böhmischen Fürsten Slavnik, dem Vater des Heiligen Adalbert. Der Prager Domdechant Cosmas berichtete in seiner Chronica Boemorum, dass Slavnik bei seinem Tode im Jahre 981 u. a. die Burg Glatz (castellum kladsko) besessen habe. Sie schützte als Grenzburg den sogenannten Böhmenweg, der von Prag über Königgrätz, Nachod und Wartha nach Breslau führte. Um die Burg entstand eine Ansiedlung, die 1114 in einer Urkunde als „urbs“ (Stadt) bezeichnet wurde.

Přemysliden

995 kam ganz Böhmen an die Přemysliden, die als Könige von Böhmen Kurfürsten des Heiligen Römischen Reiches waren. Die wiederholten Einfälle des böhmischen Herzogs Soběslav nach Polen und umgekehrt des polnischen Herzogs Bolesław III. Schiefmund nach Böhmen wurden durch Vermittlung Kaiser Lothars III. mit dem Pfingstfrieden von Glatz 1137 beendet. Neben dem Verzicht Böhmens auf die Oberhoheit über Schlesien wurde auch ein eindeutiger Grenzverlauf festgelegt. Das Glatzer Land, das damals zum Königgrätzer Land gerechnet wurde, verblieb bei Böhmen. Der erste namentlich bekannte Glatzer Burggraf war 1169 Hroznata, dem 1175 Ryvín/Rivinus und 1177 der Witigone Witiko von Prčice folgten.

Im 13. Jahrhunderts begann unter König Wenzel I. und verstärkt unter seinem Sohn Ottokar II. Přemysl die Besiedlung des Glatzer Landes, zu dem bis Mitte des 13. Jahrhunderts auch das Braunauer Land gehörte, mit Deutschen. Die Ansiedlung wurde von den Glatzer Burggrafen in ihrer Eigenschaft als Statthalter des böhmischen Königs gelenkt. Anfang des 13. Jahrhunderts versah das Amt des Burggrafen Smil von Ronow.

Luxemburger

1310 übernahmen die Luxemburger die Herrschaft im Königreich Böhmen und damit auch im Glatzer Land. Unter König Johann von Luxemburg war Ernst von Hostinné (Arnošt z Hostinného) Burgherr in Glatz. Sein Sohn Ernst wuchs in Glatz auf und wurde als Ernst von Pardubitz der erste Erzbischof von Prag und Berater des Kaiser Karl IV. 1348 gliederte Karl IV. den Glatzer Distrikt aus dem zum Heiligen Römischen Reich gehörigen Königreich Böhmen aus und unterstellte es – wie Schlesien und die Oberlausitz – unmittelbar der übergeordneten Krone Böhmen. Während seiner Regierungszeit erlebte das Glatzer Land eine kulturelle und religiöse Blüte.

Unter Karls Nachfolgern geriet ganz Böhmen in religiöse Auseinandersetzungen, die eine Abkehr von der römischen Kirche und die Hussitenkriege zur Folge hatten. Vom grenznahen Hummelschloss aus unternahmen die Hussiten ab 1425 zahlreiche Einfälle in das Glatzer Land. Sie belagerten die Burg Karpenstein und zerstörten die Burg Schnallenstein sowie die Städte Habelschwerdt, Wünschelburg und Neurode. Bei der Schlacht von Altwilmsdorf am 27. Dezember 1428 starben der Anführer des Glatzer Heeres, Herzog Johann von Münsterberg, und 400 seiner Mitkämpfer. Dessen nunmehr verwaistes Fürstentum verpfändete König Sigismund am 13. August 1429 an Puta d. J. von Častolowitz für seine Verdienste bei der Abwehr der Hussiten und verlieh ihm 1431 auch das Pfandrecht für das Glatzer Land sowie für Frankenstein. Bereits seit 1422 bekleidete Puta d. J., der sich bei der Bekämpfung der Hussiten auszeichnete, das Amt des Glatzer Landeshauptmanns, und 1426 verlieh ihm König Sigismund das Privileg der Glatzer Münze. Nach Putas Tod 1434 verwaltete seine Witwe Anna von Kolditz zusammen mit dem Glatzer Landeshauptmann Marquard von Mittelwalde die ererbten Besitzungen und verkaufte sie im September 1440 an Hynek Kruschina von Lichtenburg, den sie drei Wochen später ehelichte.

Wenige Wochen nach Hyneks Tod 1454 verkaufte sein Sohn Wilhelm Kruschina – vermutlich aufgrund eines noch von seinem Vater abgeschlossenen Vorvertrages – die ehemals der Familie Častolowitz gehörenden Ländereien einschließlich der Herrschaft Hummel sowie der Pfandschaften über Glatz, Münsterberg und Frankenstein an den damaligen Landesverweser und späteren König von Böhmen, Georg von Podiebrad. Da diesem bereits rechtmäßig die benachbarte große Herrschaft Nachod gehörte, gelang ihm dadurch die Erweiterung seines Herrschaftsgebiets in Ostböhmen und mit dem Herzogtum Münsterberg, das er 1456 von Ernst von Troppau erwarb, auch die Einflussnahme in Schlesien.

Erhebung zur Grafschaft

Der 1458 von den böhmischen Ständen gewählte utraquistische König Georg von Podiebrad erhob schon 1459 das Glatzer Land zur Grafschaft, um seinen Söhnen eine standesgemäße Herrschaft zu sichern. Die Erhebung wurde im gleichen Jahr durch Kaiser Friedrich III. anerkannt. Gleichzeitig wurde Georgs zweitältester Sohn Viktorin zum Reichsgrafen und ersten Grafen von Glatz ernannt. 1462 dehnte der Kaiser die Standeserhebung auch auf Viktorins Brüder Heinrich d. Ä. und Heinrich d. J. aus. Die Glatzer Stände bekamen durch die Erhebung zur Grafschaft eine gewisse Eigenständigkeit. Sie beanspruchten für die Grafschaft denselben Status, wie ihn Schlesien, Mähren und die Lausitzen als inkorporierte Länder der Krone Böhmen hatten.

Nach König Georgs Tod 1471 erhielt sein Sohn Heinrich d. Ä. die Grafschaft Glatz, das Herzogtum Münsterberg, die Herrschaften Hummel und Nachod sowie die ostböhmischen Besitzungen. 1473 kehrte er zum katholischen Glauben zurück. 1477 gliederte er die ebenfalls zum Besitz der Podiebrads gehörende Herrschaft Hummel, die bis dahin noch unmittelbar zum altböhmischen Königgrätzer Kreis gehörte, seiner Grafschaft Glatz ein und vergrößerte sie gleichzeitig um die Kirchspiele Lewin und Tscherbeney sowie die beiden Dörfer Schlaney und Brzesowie. Die erweiterte Herrschaft Hummel wurde jedoch bis zu ihrer Auflösung Ende des 16. Jahrhunderts weiterhin als ein selbständiges Lehen vergeben.

Heinrich d. Ä. ließ die Glatzer Burg zu einem repräsentativen Schloss ausbauen, das er bis zu seinem Tode 1498 bewohnte. Ihm folgten seine Söhne Albrecht, Georg und Karl, die zunächst gemeinsam regierten. Wegen der hohen Schuldenlast, die ihr Vater hinterließ, mussten sie jedoch die Grafschaft schon 1501 an ihren späteren Schwager Ulrich von Hardegg verkaufen. Albrecht, Georg und Karl behielten jedoch den Titel der Grafen von Glatz, den sie auch an ihre Nachkommen vererbten, die 1647 in männlicher Linie ausstarben. Während der Herrschaft des böhmischen Königs Vladislav fand 1512 in Glatz ein Generallandtag statt. Ulrich von Hardegg, der auf dem Glatzer Schloss residierte, verkaufte 1524 die Grafschaft an seinen Bruder Johann von Hardegg, der wegen seines Reichtums „der Prächtige“ genannt wurde.

Die Habsburger Ära

Nach jahrzehntelangen politischen und religiösen Wirren und einem Erbvertrag von 1515 zwischen den Habsburgern und den Jagiellonen kamen Ungarn und die Krone Böhmen mit ihren Nebenländern 1526 an die Dynastie der Habsburger. Ferdinand I. bestätigte den Brüdern Hardegg ihre Privilegien, zu denen auch die Hälfte der Einkünfte aus den Grafschafter Bergwerken gehörte. Da Johann von Hardegg auf der oberösterreichischen Burg Heinrichsburg residierte, setzte er ab 1527 als Verwalter den Glatzer Burgherrn Hans Prag von Wellnitz ein. 1530 berief Ferdinand I. den ersten böhmischen Generallandtag seiner Regierung nach Glatz.

1534 verkaufte Johann von Hardegg die Grafschaft an König Ferdinand I. Da der König die Kaufsumme nicht aufbringen konnte, erfolgte der rechtliche Übergang erst 1537. Noch im selben Jahr ernannte Ferdinand Hans Prag von Wellnitz zum Glatzer Landeshauptmann und verpfändete die Grafschaft – wohl wegen Geldmangel – an den böhmischen Magnaten Johann von Pernstein. In dessen Besitz blieb sie bis zu seinem Tode 1548. Seine Söhne verkauften die Grafschaft 1549 an den damaligen Salzburger Administrator Herzog Ernst von Bayern, der durch die böhmischen Stände bereits 1546 als böhmischer Landsasse aufgenommen worden war. Er reformierte die Glatzer Verwaltung mit qualifizierten Beamten, die er aus Salzburg oder Bayern mitgebracht hatte und ließ während seiner Regierungszeit das Schloss erweitern. Obwohl er kein kirchliches Amt mehr innehatte, verfolgte er intensiv die Ziele der Gegenreformation und berief 1558 zusammen mit König Ferdinand I. eine Synode ein, die den Glaubensstand der Geistlichen überprüfen sollte. Nach Ernst Tod 1560 erbte sein Neffe Herzog Albrecht V. von Bayern die Grafschaft. Da er nicht beabsichtigte, sie zu behalten, verfolgte er nicht die von seinem Onkel eingeleiteten Maßnahmen zur Rekatholisierung, so dass sich in diesen Jahren das Luthertum ausbreiten konnte. 1567 setzte sich Herzog Albrecht für die Privilegien der Freirichter ein und verkaufte im selben Jahr die Grafschaft an den regierenden böhmischen Landesherrn Maximilian II. Da dieser die Pfandsumme nicht bezahlen konnte, wurde sie von den Glatzer Ständen aufgebracht. Wohl deshalb erhielten sie von Maximilian II. das Versprechen, dass die Grafschaft nicht mehr verpfändet werden solle.

Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges waren die Grafschafter Stände Anhänger der protestantischen böhmischen Rebellen. 1619 wurde König Ferdinand II. abgesetzt und Friedrich von der Pfalz zum Nachfolger gewählt, der jedoch schon 1620 nach dem Sieg der kaiserlichen Truppen bei der Schlacht am Weißen Berge fliehen musste. Im Gegensatz zu den böhmischen unterwarfen sich die Glatzer Stände nicht dem Kaiser. Folglich besetzten kaiserliche Truppen die Grafschaft und schlossen Glatz ein, das erst am 28. Oktober 1622 kapitulierte. Der Eroberer Philipp Rudolf von Liechtenstein-Kastelkorn wurde zum neuen Glatzer Landeshauptmann ernannt.

Für das Glatzer Land folgten nun kaiserliche Strafmaßnahmen, in deren Verlauf der einheimische Adel weitgehend enteignet wurde. Die Städte Glatz, Habelschwerdt, Wünschelburg, Landeck, Reinerz und Lewin verloren vorübergehend ihre Privilegien.

Im weiteren Verlauf des Krieges mussten das Glatzer Land und seine Bevölkerung zahlreiche Auf- und Durchmärsche, Einquartierungen und Plünderungen durch kaiserliche und schwedischen Truppen erdulden. Viele Dörfer waren bei Kriegsende 1648 wüst und unbewohnt.

Kaiser Ferdinand III. beauftragte die Jesuiten, die 1624 nach Glatz zurückgekehrt waren, mit der Rekatholisierung des Landes. Die Bewohner kehrten – teils freiwillig, teils unter Zwang – zum katholischen Glauben zurück. Das Bildungswesen sowie das soziale und religiöse Leben erlangten ein hohes Niveau. Zahlreiche Kirchen und Schlösser wurden in dieser Zeit neu gebaut oder barockisiert.

Letzte Landesherrin der Habsburger Zeit war die österreichische Erzherzogin Maria Theresia in ihrer Eigenschaft als Königin von Böhmen.

Preußen

In den drei Schlesischen Kriegen (1742–1763) war die Grafschaft Glatz Aufmarsch- und Kampfgebiet der österreichischen und preußischen Truppen. Obwohl sie nicht zu Schlesien gehörte, setzte der preußische König Friedrich II. ihre Abtretung an Preußen durch, weil ihm ihre strategische Lage für die Verteidigung Schlesiens wichtig erschien. 1742 und endgültig nach dem Hubertusburger Frieden 1763 kam die Grafschaft Glatz in den Besitz Preußens. Die Landeshauptmannschaft und die bisherige ständische Selbstverwaltung wurden aufgelöst. Die Funktion des Landeshauptmanns wurde durch den Landrat ersetzt. Durch die Zunahme der Macht der Grundherren kam es vereinzelt zu Bauernunruhen. Das katholische Glatzer Land hatte nun das Misstrauen des protestantischen Herrscherhauses zu ertragen.

In den Napoleonischen Kriegen wurde 1807 die Festung Glatz von französischen Truppen eingeschlossen und belagert, konnte jedoch unter dem Befehl des Generalgouverneurs von Schlesien, Friedrich Wilhelm von Götzen d. J., erfolgreich verteidigt werden.

Am 9. Oktober 1807 wurde die Gutsuntertänigkeit aufgehoben, 1808 folgte eine neue Ständeordnung, und 1810 wurde die Gewerbefreiheit eingeführt. Mit der 1818 verfügten administrativen Gebietsaufteilung bildete die Grafschaft kein eigenes Territorium mehr und wurde der Provinz Schlesien unterstellt. 1818 wurde aus dem südlichen Teil des Kreises Glatz der Kreis Habelschwerdt gebildet. Der beim Kreis Glatz verbliebene Teil wurde 1854 auf die Kreise Glatz und Neurode aufgeteilt.

Auch im Deutschen Krieg von 1866 zwischen Preußen und Österreich, der mit der Schlacht bei Nachod begann, erfolgte der Einmarsch eines Teils der preußischen Truppen durch die Grafschaft Glatz.

Nach dem Ersten Weltkrieg 1918 erhob die neu gegründete Tschechoslowakei Ansprüche auf die Grafschaft Glatz, die jedoch im Versailler Vertrag vom 28. Juni 1919 abgelehnt wurden. Von den kriegsbedingten wirtschaftlichen Problemen war auch die Grafschaft betroffen. Ein Aufschwung konnte erst ab etwa 1924 verzeichnet werden.

Durch die Verwaltungsreform von 1932 wurde der Landkreis Neurode aufgelöst und wieder dem Landkreis Glatz zugeschlagen.

Im Zweiten Weltkrieg blieb die Grafschaft von Kampfhandlungen und Zerstörungen verschont. Ausgebombte aus anderen Teilen Deutschlands wurden deshalb auch in die Grafschaft evakuiert.

Polen

Nach dem Krieg kam die aus den Landkreisen Glatz und Habelschwerdt bestehende Grafschaft Glatz 1945 – zusammen mit fast ganz Schlesien – entsprechend dem Potsdamer Abkommen unter polnische Verwaltung. Nach einer Periode der Rechtlosigkeit wurde die deutsche Bevölkerung 1945–1946 zum größten Teil vertrieben. Als neue Bewohner wurden überwiegend Heimatvertriebene aus Ostpolen, das an die Sowjetunion gefallen war, angesiedelt. Das Gebiet der ehemaligen Grafschaft Glatz wird nunmehr als Ziemia Kłodzka bezeichnet. Nach einigen Verwaltungsreformen bildet es heute innerhalb der Woiwodschaft Niederschlesien hauptsächlich den Powiat Kłodzki.

Lehenshoheit

Obwohl das Glatzer Land seit alters her unter der Oberhoheit bzw. Lehenshoheit der Herzöge und Könige von Böhmen stand, hatte es durch Verpfändung, Verkauf oder kriegerische Eroberung zeitweise auch andere Besitzer oder Genusshaber:

Kirchliche und religiöse Verhältnisse

Kirchlich lag das Glatzer Land als Teil Böhmens seit seiner Christianisierung um die Mitte des 9. Jahrhunderts im Sprengel des Bistums Regensburg. 973 entstand das Bistum Prag, das 1344 durch Papst Clemens VI. zum Erzbistum erhoben wurde. Erster Erzbischof wurde Ernst von Pardubitz, der nach seinem Willen 1364 in der Glatzer Pfarrkirche seine letzte Ruhestätte fand.

Im Jahre 1336 verlieh der König von Böhmen den Rittern der Provinz Glatz das Patronat über die Kirchen auf ihren Gütern. Im Gegensatz zu Böhmen blieb die Grafschaft während der Hussitischen Kriege katholisch. Trotzdem wurde sie – da König Georg Podiebrad den Hussiten nahe stand – vom Papst mit dem Inderdikt belegt, das erst nach Georgs Tod aufgehoben wurde.

Anfang des 16. Jahrhunderts konnte sich die lutherische Lehre ausbreiten. Auch Kaspar Schwenckfeld, der in Glatz das Bürgerrecht erlangte, und die Wiedertäufer fanden für ihre Lehren zahlreiche Anhänger. Ernst von Bayern, an den die Grafschaft ab 1548 verpfändet war, verfolgte die Ziele der Gegenreformation sehr konsequent, starb jedoch schon 1560. Sein Neffe und Erbe Herzog Albrecht V. von Bayern setzte die Maßnahmen seines Onkels zur Rekatholisierung des Landes nur schwach fort, da er nicht beabsichtigte, die Grafschaft zu behalten.

Obwohl die Jesuiten 1597 das unterhalb der Burg liegende Augustiner-Chorherrenstift übernahmen, in dem sie ein Jesuitenkolleg errichteten, blieben ihre Rekatholisierungsbemühungen zunächst erfolglos. Bei Beginn des Dreißigjährigen Krieges war Dechant Hieronymus Keck aus Altwilmsdorf der einzige katholisch gebliebene Pfarrer der Grafschaft. Die 1618 vertriebenen Jesuiten kehrten 1624 zwar nach Glatz zurück, jedoch war 1622 ihr Jesuitenkolleg im ehemaligen Augustinerstift bei den Kämpfen um Glatz zerstört worden. Da sie trotzdem mit der Rekatholisierung des Landes beauftragt wurden, wurden ihnen die Gebäude des Johanniterkommende zugewiesen, während die Johanniter Glatz verlassen mussten. 1627 erhielten die Jesuiten auch das Patronatsrecht über die Pfarrkirche.

Als Teil des Prager Erzbistums gehörte das Glatzer Land zum Archidiakonat Königgrätz. Nachdem Königgrätz 1664 zur Diözese erhoben wurde, gliederte der Prager Erzbischof Ernst Adalbert von Harrach sein Erzbistum um. Die Archidiakonate wurden aufgelöst und neue Vikariate errichtet. Glatz wurde ein eigenes Vikariat der Erzdiözese Prag.

Nach der preußischen Übernahme 1763 wurde durch den preußischen König die freie Religionsausübung zugesichert. Trotzdem wurde der Glatzer Kaplan Andreas Faulhaber hingerichtet, weil er das Beichtgeheimnis nicht preisgeben wollte. 1810 wurde dem erzbischöflichen Vikar der Grafschaft Glatz durch den preußischen König der in der Kirche einmalige Titel Großdechant verliehen, der gleichzeitig mit der Würde eines Ehrendomherrn in Breslau verbunden war. Mit der eigenmächtigen Ernennung versuchte der König, die Grafschaft aus ihrer Zugehörigkeit zur Prager Erzdiözese zu lösen, was ihm jedoch nicht gelang. (Die Eingliederung in das Erzbistum Breslau erfolgte erst 1972.)

1920 erhob der Prager Erzbischof František Kordač das Glatzer Vikariat zu einem Generalvikariat, in dem 1925 90% der Bevölkerung katholisch waren. Die kirchenamtliche Zählung von 1940 ergab 55 Pfarreien mit 165.095 Katholiken.

Auch in der NS-Diktatur wurde die freie Religionsausübung unterdrückt. Der Jugendseelsorger der Grafschaft Glatz, Kaplan Gerhard Hirschfelder, widersetzte sich der parteipolitischen Beeinflussung der Jugend. Er wurde 1941 verhaftet und starb 1942 im Konzentrationslager Dachau an Entkräftung.

Ordenseinrichtungen

  • 1169 hatte der böhmische König Vladislav II. Glatzer Grundbesitz dem Johanniterorden geschenkt und ihm schon 1183 die Marienkirche und 1184 die Wenzelskirche bestätigt.
  • Um 1243 übertrug König Ottokar II. Přemysl den Johanniter die Glatzer Pfarrkirche, an der eine Johanniterkommende errichtet wurde.
  • 1248 wurde von den Minoriten ein Kloster errichtet.
  • 1349 stiftete der erste Prager Erzbischof Arnestus von Pardubitz aus eigenen Mitteln am Schlossberg das Glatzer Augustiner-Chorherrenstift, das 1350 vom böhmischen Landesherrn Karl IV. bestätigt wurde.
  • 1473 schenkte Herzog Heinrich der Ältere den Franziskanern neben der Georgskapelle auch Grundbesitz für den Bau eines Klosters in Glatz.
  • 1597 wurde das Augustiner-Chorherrenstift und 1627 die Johanniterkommende durch die Jesuiten übernommen, die ein Jesuitenkolleg errichteten.

Wallfahrtskirchen

Das Glatzer Land war stark geprägt von seinen deutschen katholischen Bewohnern, die zahlreiche Kapellen, Bildstöcke, Mariensäulen und Kreuzwege errichteten. Durch alle Zeiten pilgerten die Einwohner zu den Wallfahrtskirchen in Albendorf, Maria Schnee und Altwilmsdorf. Auch die außerhalb der Grafschaft liegenden Kirchen von Wartha und Grulich waren beliebte Wallfahrtsziele.

Die evangelische Kirche

Die evangelische Kirche in der Grafschaft Glatz ist erst nach der preußischen Besitzergreifung wieder erstanden. Ihr Bevölkerungsanteil lag 1925 bei 9 %. Zahlreiche der evangelischen Bewohner sind aus anderen Teilen Preußens nach Glatz zugewandert, wo sie als Mitarbeiter der Verwaltungs- und Militärbehörden eingesetzt wurden. Evangelische Kirchengemeinden gab es in Glatz, Habelschwerdt, Hausdorf-Ludwigsdorf, Kudowa, Landeck, Mittelwalde, Neurode, Reinerz, Straußeney und Wünschelburg.

Heilquellen

Der Glatzer Kessel ist reich an Mineral- und Heilquellen und hat seit dem Mittelalter eine reiche Bäderkultur. Viele der Quellen wurden von Georg Aelurius in seiner Glaciographia aus dem Jahre 1625 beschrieben. Sie sind teils kohlensäure- und teils schwefelhaltig und eignen sich zu Trink- und Badekuren, die in ihrer Heilwirkung durch ein mildes Klima unterstützt werden.

Die weit bekannten Bäder Landeck, Reinerz, Kudowa, Altheide und Langenau hatten großen Anteil an der volkswirtschaftlichen Entwicklung des Glatzer Landes. Durch die Errichtung moderner Bade-, Kur- und Unterkunftshäuser, die Anlage gepflegter Parks und ein reiches Kultur- und Freizeitangebot stieg die Zahl der Erholungsbedürftigen und Urlauber stetig an.

Siehe auch

Literatur

  • Arno Herzig, Małgorzata Ruchniewicz: Geschichte des Glatzer Landes. Hamburg-Wrocław 2006, ISBN 3-934632-12-2
  • Franz Jung (Hrsg.), Auf dem Weg durch die Jahrhunderte. Beiträge zur Kirchengeschichte der Grafschaft Glatz, Selbstverlag des Visitators für die Gläubigen aus der Grafschaft Glatz, Münster 2005, ISBN 3-00-015240-7
  • Dieter Pohl: Der schlesische Herrgottswinkel – Kurze Geschichte der Grafschaft Glatz. In: Schlesien heute, 6. Juli 2003, S. 58–59
  • Hans Veit: Zur Geschichte des Glatzer Landes. In: Kulturelle Arbeitshefte, Heft 35, 1996, ISBN 3-925103-83-X
  • Joseph Kögler: Die Chroniken der Grafschaft Glatz. Neu bearbeitet und herausgegeben von Dieter Pohl. 5 Bände, 1992–2003
  • Arno Herzig: Reformatorische Bewegungen und Konfessionalisierung. Die habsburgische Rekatholisierungspolitik in der Grafschaft Glatz. Hamburg 1996
  • Aloys Bach: Urkundliche Kirchen-Geschichte der Grafschaft Glaz [sic!]. Breslau 1841
  • Peter Güttler: Das Glatzer Land. Düsseldorf 1995, ISBN 3-928508-03-2
  • Geschichte Schlesiens, Bd. 1. Von der Urzeit bis zum Jahre 1526. Thorbecke, Sigmaringen 1988, ISBN 3-7995-6341-5
  • Ondřej Felcman, Ladislav Hladký, Jaroslav Šůla: Právní postavení Kladska v Českém Státě do roku 1742. In: Kladský Sborník 2, 1998, S. 9–33

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Grafschaft Glatz – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Franz Volkmer: Die Privilegien des Adels und der Königlichen Städte der Grafschaft Glatz vom 15. Januar 1629. In: Vierteljahrsschrift für Geschichte und Heimatskunde der Grafschaft Glatz. 6. Jahrgang 1886/87, S. 64–79

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