Großer Ring in Breslau

Großer Ring in Breslau
Der Große Ring vom Elisabethenturm aus gesehen
Der Ring auf einer Karte vom 1873
Mittelblock
Leinwandhaus kurz vor dem Abriss
Südseite
Ostseite
Nordseite und Elisabethenturm
Die Westseite um 1890: Großer Ring 2 (Unter Greifen, links im Bild) und Großer Ring 1 (nach 1900 abgerissen); ganz rechts Elisabethenturm sowie Hänsel und Gretel
Aleksander-Fredro-Denkmal
Bürohochhaus an der Westseite des Ringes

Der Große Ring oder schlicht Der Ring (polnisch Rynek) ist ein mittelalterlicher Marktplatz in Breslau, der heutzutage den Kern der Fußgängerzone bildet.

Der Ring hat die Gestalt eines Rechtecks mit den Maßen 205 mal 175 m[1]. Die Bebauung rund um den Ring erfolgte in verschiedenen Stilepochen: Der mittlere Teil des Ringes ist durch den Tritt (ein Mittelblock) besetzt, welcher aus dem Rathaus, dem Neuen Rathaus sowie zahlreichen Bürgerhäusern besteht. Der Ring bildet ein städtebauliches Ensemble mit den beiden diagonal anschließenden Plätzen – Salzring und Kirchenplatz bei der Elisabethenkirche. Am Ring münden 11 Straßen, je zwei an allen Ecken: Schweidnitzer Straße (ul. Świdnicka), Ohlauer Straße (ul. Oławska), Schlossstraße (jetzt E. Gepperta), Reussche Straße (ul. Ruska), Nikolaistraße (ul. św. Mikołaja), Oderstraße (ul. Odrzańska), Schmiedebrücke (ul. Kuźnicza), Albrechtstraße (ul. Wita Stwosza), außerdem der im 14. oder 15 Jh. durchgebrochene Hintermarkt (Kurzy Targ) an der Ostseite sowie zwei schmale Hintergassen: Stockgasse (ul. Więzienna) und Dorotheengasse (przejście św. Doroty).

Der Ring entstand bei der Neugründung der Stadt nach dem Magdeburger Recht nach neuesten Erkenntnissen bereits unter Heinrich I. zwischen 1214 und 1232. Die älteren Quellen hatten die Entstehung des Ringes erst auf die Wiedergründung 1241–1242 verschoben. Im Laufe der Zeit sind am Großen Ring Patrizierhäuser entstanden. In der Mitte des 14. Jh. bildeten diese bereits eine geschlossene Randbebauung und die Grundstücksgrenzen wurden festgelegt.

Im 19. Jh. wurden durch den Ring Straßenbahnlinien geführt – zuerst eine Pferdebahn, dann 1892 auch eine elektrische Straßenbahn. Die Bahnen fuhren durch den Ring bis Ende der 1970er und wurden auf die Ost-West-Straße verlegt. 1996–2000 wurde die Pflasterung renoviert und die Ostseite, als letzte befahrbare Seite, für die Autos geschlossen. Auch die meisten Fassaden wurden erneuert.

Am Ring gibt es heute 60 nummerierte Grundstücke, wobei einige Gebäude mehrere Parzellen in Anspruch nehmen. Die Grundstückseinteilungen sind meist anders als die ursprüngliche Parzellierung, da es im Spätmittelalter nachträgliche Teilungen und Zusammenlegungen gab. Jedes Grundstück hat einen traditionsreichen Namen, der meist mit dem auf der Fassade sichtbaren Wappen verbunden oder auf die Geschichte des Hauses zurückzuführen ist, z. B. Unter Greifen, Zur Blauen Sonne, Altes Rathaus.

Inhaltsverzeichnis

Die Bebauung des Großen Ringes

Innerer Ringblock

Der Mittelblock ist gegen die äußeren Ringwände bzw. die orthogonale Straßenstruktur der Altstadt um 7° gedreht, der Grund dieser Abweichung ist unklar[2].

Das wichtigste Gebäude am Ring war immer das ab Ende des 13 Jahrhunderts erbaute Rathaus. Der Ring war einer der wenigen zulässigen Handelplätze der Stadt, es entstanden dort drei große Kaufhäuser: das Tuchhaus, das Schmetterhaus (mit Brot- und Schuhbänken[3] sowie das Leinwandhaus. Darüber hinaus entstanden mehrere Kramzeilen (Reichkrämer, Leichwandreissergang, Riemerzeile) und die Häuser der Großen und der Kleinen Waage. Das Tuchhaus hatte eine zweischiffige Halle mit der Breite von 13 m, die beidseitig von jeweils 21 Kammern flankiert war. Die Kammern waren durch Türen von der Halle zugänglich und es fehlte ihnen jegliche Beleuchtung. Zwei Kammern an der Südseite waren für Steuererheber bestimmt, die übrigen 40 für den Tuchhandel. Die zentrale Halle war mit einem in Richtung der mittleren Pfeilerreihe abgesenkten Dach gedeckt, das wahrscheinlich eine tonnenartige Unterdecke besaß. In der Südwestecke des Mittelblockes springt die Bauflucht zurück - bis ins 18 Jh. gab es dort den Fischmarkt, ab 1745 die Wache, welche 1788 durch ein größeres Gebäude von Carl Gotthard Langhans ersetzt wurde.

Nach der Aufhebung des feudalen Magdeburger Stadtrechts und der damit verbundenen Privilegien wurden die alten Marktanlagen überflüssig. Deshalb riss man das Tuchhaus 1821-1824 ab und ersetzte es durch zwei Zeilen klassizistischer Häuser. Zur gleichen Zeit wurde das Schmetterhaus abgerissen und sein Grundstück den nördlicher liegenden Häusern der Riemerzeile zugeschlagen. 1847 wurde die Große Waage abgebrochen, um ein Reitdenkmal von Friedrich II. erbauen zu können, 1859 wichen die Kleine Waage, das Leinwandhaus sowie das Hopfenamt dem Neuen Rathaus, das nach den Plänen von Friedrich August Stüler erbaut wurde. An Stelle der Wache wurde ein Denkmal Friedrich Wilhelm III. erbaut. Beide Denkmäler wurden kurz nach dem Zweiten Weltkrieg von den Polen entfernt.

1956 wurde vor dem Rathaus, genau an Stelle des Denkmals Friedrich Wilhelm III., das aus Lemberg evakuierte und in Warschau zwischengelagerte Denkmal des polnischen Schriftstellers Aleksander Graf Fredro aufgestellt. 1988 wurde östlich vom Rathaus der Pranger rekonstruiert (kurz nach dem Krieg wurde er als feudalistisches Strafinstrument ebenfalls entfernt). In einem der Mittelblockhäuser hatte in den 1960ern und 1970ern das Teatr Laboratorium des Jerzy Grotowski seinen Sitz, heutzutage gibt es dort das Grotowski-Forschungszentrum.

Westseite

Die Westseite des Rings, auch als Sieben-Kurfürsten-Seite bekannt, besteht aus den meisten original erhaltenen Baudenkmälern, verglichen mit den anderen Außenseiten. Die Renaissance- und manieristischen Bürgerhäusern wurden im Zweiten Weltkrieg nicht beschädigt. Die Häuser haben sehr tiefe Grundstücke (240 Fuß), welche bis in die Herrenstraße (ul. Kiełbaśnicza) reichen. Wahrscheinlich entstanden diese, den reichen breslauer Patriziern gehörenden Grundstücke durch nachträgliche Zusammenlegungen. Das Gebäude Großer Ring 1 entstand zu Zeiten des Jugendstils (1907), an Stelle der Häuser 9 bis 11 entstand 1931 ein von dem BDA-Architekten Heinrich Rump entworfendes, bis heute umstrittenes Hochhaus der Sparkasse (heute Bank Zachodni). Besonders wertvoll ist das Bürgerhaus Großer Ring 2, Unter Greifen, mit hohem manieristischen Giebel, das größte Bürgerhaus am Ring. Haus Zu Sieben Kurfürsten (Großer Ring 8) ist interessant wegen seiner Illusionsmalerei, die am Anfang der 1990er rekonstruiert wurde. Haus Zur Blauen Sonne (Großer Ring 7) war wegen ungeklärter Eigentumsverhältnisse (es gehörte nicht den deutschen Bürgern und wurde deshalb nach dem Weltkrieg nicht verstaatlicht) lange Zeit verfallen und wurde erst am Anfang der 1990er renoviert und sein Innenhof mit einem gläsernem Dach überdeckt.

Die Fläche an der Westseite des Ringes wurde ab 1741 als Paradeplatz bezeichnet, heutzutage wird manchmal der Name plac Gołębi (Taubenplatz) benutzt. An der Westseite des Ringes wurde 2000 trotz Bedenken der Denkmalpflege ein umstrittener gläserner Brunnen erbaut, welcher in Anlehnung an den damaligen Stadtpräsidenten Bogdan Zdrojewski Zdrój (Quelle) oder nach seiner Gestalt als Urinbecken bezeichnet wird.

Südseite

Die Südseite, auch die Goldene-Becher-Seite, hieß früher die Seite Beim Alten Galgen (beym alten galgen). Ihre heutige Bebauung besteht hauptsächlich aus den 1952-1960 in lockerer Anlehnung an den Zustand um 1800 rekonstruierten Häusern. Ein großer Teil davon sind Warenhäuser der Jugendstilepoche oder des Neuen Bauens, denen pseudohistorische Fassaden vorgebaut wurden. Das Gebäude Großer Ring 13, das die Jugendstilformen behalten hat, dient heutzutage als Touristeninformation.

Ostseite

Die Ostseite oder Grüne-Rohr-Seite wird durch die Gebäude Großer Ring 29 bis 41 gebildet und befindet sich der Rathaushauptfassade gegenüber. Am Grundstück Nummer 29 stand früher das 1523-1528 erbaute Renaissance-Haus Zur Goldenen Krone, welches 1908 einem Warenhaus weichen musste. Dieses Gebäude, dessen Straßenflucht aus Verkehrsgründen deutlich abgeschrägt wurde, erhielt in den 1950er eine oft als schlecht proportioniert bezeichnete pseudohistorische Fassade. An der östlichen Ringseite befinden sich darüber hinaus zwei weitere Jugendstilwarenhäuser, beide von 1904: Großer Ring 31-32 ist ein großes Warenhaus Gebrüder Barasch (heutzutage Feniks), von Georg Schneider entworfen, Großer Ring 39-40 ist Louis Lewy von Leon Schlesinger. Das die Ringseite schließende Haus Zum Goldenen Hund entstand erst nach 1990 als letztes wiederherstelltes Gebäude des Ringes und wurde von Maciej Małachowicz entworfen.

Nordseite

Die Nordseite, als Naschmarkt-Seite bekannt, besteht aus den Parzellen Nr. 42 bis 60. Hier gibt es unter anderem an drei benachbarten Grundstücken 48, 49 und 50 drei Warenhäuser, die von der Architektengemeinschaft Schlesinger & Benedict in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts erbaut wurden. Auch hier sind die meisten Bürgerhäuser lediglich Nachkriegswiederaufbauten, die sehr locker mit der Geschichte umgehen. Im Haus Zum Anker (Großer Ring 52) ist im Innenraum des Erdgeschosses eine Renaissancesäule erhalten, das barocke Haus Nummer 46 ist ein im Original erhaltenes Denkmal.

Hänsel und Gretel

Die nord-westliche Ecke des Ringes wird durch zwei (eigentlich bautechnisch gesehen drei) winzige Altaristenhäuser besetzt, die miteinander durch ein Bogentor verbunden sind. Früher wurde die Elisabethenkirche von einem geschlossenen Kranz solcher Häuser umgegeben, der den Kirchhof von den Straßen abschirmte. Die Häuser wurden in der Nachkriegszeit als Hänsel und Gretel (polnisch: Jaś i Małgosia) verspottet, inzwischen wurde der Name offiziell.

Anmerkungen

  1. Diese Maße gibt Breslauer Denkmalpfleger Rudolf Stein an, auch Angaben über 212 mal 175 sind zu finden, sowie das theoretische Maß 206,6 mal 169 m (660 mal 540 Breslauer Fuß je 0,313 m)
  2. Rudolf Stein war der Meinung, dass das erste am Ring erbaute Gebäude, das Kaufhaus, absichtlich gedreht wurde, um eine Dynamisierung der Gesamtkomposition zu erzeugen. Heutzutage gilt als die wahrscheinlichste Erklärung, dass das Tuchhauses noch vor dem Ausmessen der Stadtgeometrie errichtet wurde.
  3. Um als Gerber oder Schuhmacher arbeiten zu dürfen, war man verpflichtet, eine Bank im Schmetterhaus zu erwerben. Die entsprechende Handwerksordnung des König Sigismund (HRR) von 1420 sagt: Czum ersten, das keyn schuster noch kein gerber, er sy hie gesessen oder er kome vom fremden stetten, sein hantwerke treiben solle, er habe dann eyn eygin bancke, dovon er meyster geheissen möge...

Literatur

  • Cezary Buśko Archeologia lokacyjnego Wrocławia, [1]
  • Olgierd Czerner Rynek Wrocławski, Breslau 1976
  • Rudolf Stein Der Große Ring zu Breslau, Breslau 1935

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