Grubenhaus

Grubenhaus
Rekonstruktion eines Grubenhauses im Geschichtspark Bärnau-Tachov

Grubenhaus ist die Bezeichnung vorzeitlicher bis mittelalterlicher Hausfunde, bei denen die Archäologen außer den Pfostenlöchern am Giebel eine Ausschachtung des Innenraumes fanden.

Inhaltsverzeichnis

Schlüsse auf die Bauform

Die Eintiefung des Innenraums lag zwischen 30 cm und mehr als 1 m. Die Grundfläche derartiger Bauten war meist gering, der Boden bestand oft aus gestampftem Lehm. An vielen Ausgrabungsorten wurden Grubenhäuser in größerer Zahl gefunden. Viele scheinen einfache Gebäude ohne Seitenwände gewesen zu sein, deren Giebeldach bis auf den Erdboden reichte. In einzelnen Grubenhäusern wurden dagegen Spuren einer abgestürzten Balkendecke gefunden und darunter die eines Herdfeuers. Somit kann sich hinter dem Bodenfund "Grubenhaus" eine Reihe von Gebäude verschiedenster Nutzung verbergen von der primitiven Erdhütte bis zum (halb)unterkellerten Haus. Die Wände wurden wie auch bei anderen vor- und frühgeschichtlichen Haustypen aus Holz oder Reisig gefertigt und mit Lehm verkleidet.

Nutzungen

Vor allem aus der Jungsteinzeit wurden Grubenhäuser mit Feuerstellen gefunden und als Wohngruben angesehen. Zwischen den Häusern der eisenzeitlichen Kulturen gab es deutliche Unterschiede in der Nutzung:

In keltischen und germanischen Siedlungen waren Grubenhäuser überwiegend Nebengebäude ohne Feuerstelle. In vielen wurden Spuren handwerklicher Tätigkeit gefunden, nicht selten Webgewichte und Spinnwirtel, gelegentlich sogar Standspuren eines Webstuhls. Es wird daher eine Nutzung als Werkstätten angenommen, besonders als Webhäuser. In dem Zusammenhang wird auf römische Texte verwiesen, nach denen die Germanen ihr Leinen "unter der Erde" fertigten. Der Grund dafür ist die bessere Geschmeidigkeit und damit leichtere Verarbeitung der Flachsfaser bei höherer Luftfeuchtigkeít, die bei in den Boden eingetieften Räumen gegeben ist.[1]
Sofern sie hinreichend gegen Sonneneinstrahlung abgeschirmt waren, hatten Grubenhäuser ein gleichmäßig feucht-kühles Innenklima und könnten als Lagerkeller für wärmeempfindliche Nahrungsmittel gedient haben.

Beispiele von Grubenhäusern aus D (oben) und GB/Sussex (unten)

In der angelsächsischen Siedlung West Stow fiel auf, dass die lockere Füllung der großen Grubenverfärbungen nicht zu einer ständigen Nutzung passt. Der Ausgräber spricht daher nicht von Grubenhäusern, sondern von Bauten mit eingetieftem Befund (Sunken Featured Buildings"). Auf dem Rand einer der Grubenverfärbungen kam eine halbe Herdstelle in Form einer Lehmpackung mit Holzkohle zutage, deren andere Hälfte in die Grube gestürzt war. Hier wurde gemutmaßt, dass die Grube ursprünglich mit einer Holzbohlenlage, auf der sich die Herdstelle befand, abgedeckt war. Um die Befunde und die Schlussfolgerung experimentell zu überprüfen, entstand das „Anglo Saxon Village" (angelsächsische Dorf) von West Stow.

In vor- und frühgeschichtlichen slawischen Siedlungen hatten dagegen großenteils die Wohngebäude einen eingetieften Boden.[2]

Rekonstruktionen

Alle aus vergänglichen Materialien erstellten Gebäude haben kaum mehr Spuren hinterlassen als Änderungen der Bodenfarbe (durch Holz) und der Bodenkonsistenz (durch später wieder verfüllte Ausschachtungen). Gebäude, die aus diesen Spuren rekonstruiert wurden, können zusammen mit nach Bruchstücken hergestellten Gebrauchsgegenständen ein gutes Bild von früheren Lebenswelten vermitteln. So manche Rekonstruktion hat sich aber Jahrzehnte später, nach weiteren Funden, als Irrtum herausgestellt.

Rekonstruktionen von Grubenhäusern gibt es in mehreren Freilichtmuseen, z. B. im Archäologischen Zentrum Hitzacker, Museum und Park Kalkriese, Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen, Keltenmuseum Hochdorf, Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim, im Geschichtspark Bärnau-Tachov und in West Stow.

Verweise

Einzelnachweise

  1. Cornelia Weinmann: Der Hausbau in Skandinavien vom Neolithikum bis zum Mittelalter (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker 230 = N.F. 106) Berlin/New York 1994, S. 158-164.
  2. Marek Dulinicz: Frühe Slawen, 2006 ISBN 3-529-01396-X

Literatur

  • Volker Babucke: Grubenhaus und Brettchenweber. LIKIAS-Verlag, 2005, ISBN 398076284X
  • Bremer Archäologische Blätter, Beiheft 2/2000 zur gleichnamigen Ausstellung im Focke-Museum: "Siedler, Söldner und Piraten", Chauken und Sachsen im Bremer Raum, © Der Landesarchäologe Bremen, ISSN 0068-0907.
  • Sabine Kas: Die späthallstatt- bis frühlatènezeitliche Siedlung bei Oberhofen, Lkr. Kelheim, Niederbayern. VML Vlg Marie Leidorf, 2000, ISBN 3896464825

Weblinks


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