Grubenhund (Zeitung)

Grubenhund (Zeitung)

Ein Grubenhund ist eine spezielle Form einer Zeitungsente und war vor allem in Österreich vom Anfang bis zur Mitte des 20. Jahrhundert verbreitet. Er besteht aus einem überzeugend formulierten, aber faktisch unsinnigen Leserbrief, mit dem eine Redaktion hereingelegt werden soll, indem sie ihn abdruckt, ohne den inhaltlichen Unsinn zu bemerken.

Inhaltsverzeichnis

Ziel

Der Grubenhund entstand zumeist aus Ärger eines Lesers über die Berichterstattung. Daraufhin entstand dann ein Beitrag, der sich ganz dem Stil der jeweiligen Zeitung anpasste, so dass die zuständigen Redakteure den unsinnigen Inhalt nicht bemerkten. Es handelte sich dabei zum Teil um eine Methode, bei der mittels einer bewusst lancierten Falschmeldung Journalisten der Nachlässigkeit und Eitelkeit überführt werden sollten. Eine 'Veräppelung' der Leser war im Gegensatz zur Zeitungsente nicht das eigentliche Ziel eines Grubenhundes. Beliebte Techniken waren das falsche Verwenden von Fachausdrücken, fremdsprachigen Wörtern und widersprüchlichen Aussagen. Auch Akrostichen, deren Zeilenanfänge das Gegenteil des eigentlichen Gedichtes aussagten, kamen vor.

Geschichte

Der Schöpfer des Begriffes „Grubenhund“ war der Ingenieur Arthur Schütz, der das Bedürfnis der Neuen Freien Presse nach Artikeln mit vielen technischen Fachausdrücken über Erdbeben am 18. November 1911 ausnutzte. Er schrieb unter dem Namen Erich Ritter von Winkler Sätze wie:

Ich saß allein im Kompressorenraum, als – es war genau 10 Uhr 27 Minuten – der große 400pferdekräftige Kompressor, der den Elektromotor für die Dampfüberhitzer speist, eine auffällige Varietät der Spannung aufzuweisen begann.

und

Völlig unerklärlich ist jedoch die Erscheinung, daß mein im Laboratorium schlafender Grubenhund schon eine halbe Stunde vor Beginn des Bebens auffallende Zeichen größter Unruhe gab.

Dieser Satz begründete den Namen „Grubenhund“. Dazu muss man wissen, dass ein Grubenhunt (auch in der Schreibweise Grubenhund) einen unter Tage verwendeten Güterwagen bezeichnet. Die Neue Freie Presse war bevorzugtes Opfer von Grubenhunden, so kamen dort feuerfeste Kohle, rechteckige Kreise, der Senator Duca Melbista-Berso-Thum (Du Kamel bist aber so dumm), miauende Laufkatzen und anderes vor. Aber auch andere Zeitungen erhielten Grubenhunde, die unter anderem kupferne Isolatoren, verbogene Visierlinien, Degeneratoren und Rittmeister mit Ovarialgeschwür enthielten. Die meisten Verfasser von Grubenhunden blieben aber im Gegensatz zu Schütz unerkannt.

Besonders von Karl Kraus wurden Grubenhunde lanciert, so eine Zuschrift, die am 22. Februar 1908 in der Neuen Freien Presse erschien und von Beobachtungen zu einem Erdbeben handelte, wobei Kraus unter dem Namen eines Zivilingenieurs J. Berdach neben Nonsens über die „Variabilität der Eindrucksdichtigkeit“ über „tellurische Erdbeben (im engeren Sinne)“ schrieb, die von einem „kosmischen Erdbeben (im weiteren Sinne)“ als wesentlich verschieden abzugrenzen seien.

Da sich Zeitungen später in erster Linie auf Meldungen von Presseagenturen verließen, traten Grubenhunde in späterer Zeit nur mehr selten auf. Die fiktive Vergabe von 27 Grillparzer-Preisen an 27 verschiedene Autoren durch Anonyme Aktionisten (1993) und die Sokal-Affäre (1996) waren allerdings gute Gegenbeispiele.

Vornamen von Karl-Theodor zu Guttenberg

Verlassen sich Journalisten bei ihrer Recherche auf das Internet als alleinige Quelle, können sie auch heute wieder vermehrt bewusst lancierten Falschmeldungen im Sinne von Grubenhunden aufsitzen: So blamierte ein anonymer Jungjournalist Teile des Medien-Establishments, indem er am Tag der Ernennung des neuen Wirtschaftsministers Karl-Theodor zu Guttenberg dessen Eintrag in der Wikipedia manipulierte und einen frei erfundenen elften Vornamen (Wilhelm) hinzufügte. Viele Online-Nachrichtenseiten, wie z. B. SPIEGEL ONLINE, sueddeutsche.de und taz.de übernahmen diese Falschmeldung ungeprüft, kurze Zeit später prangte er auch auf der gedruckten Titelseite der „Bild“. Der eigentlich unbedeutende Fall des Grubenhunds „Wilhelm“ sorgte dennoch für einigen Wirbel, da er – so die Einschätzung je nach Standpunkt – die Glaubwürdigkeit der professionellen Medien beschädige, aber ebenso die der Online-Enzyklopädie Wikipedia.[1][2]

Siehe auch

Literatur

  • Werner Fuld: Stichwort: „Grubenhund“. In: Das Lexikon der Fälschungen. Frankfurt am Main 1999, S. 96 f.
  • Hans E. Goldschmidt: Von Grubenhunden und aufgebundenen Bären im Blätterwald. Wien; München 1981.
  • Walter Hömberg (Hrsg.): Arthur Schütz. Der Grubenhund: Experimente mit der Wahrheit. München 1996.

Quellen

Einzelnachweise

  1. DER SPIEGEL 8/2009 vom 16. Februar 2009, Seite 54: Wilhelm und der Grubenhund. In: Der Spiegel. Nr. 8, 2009, S. 54 (16. Februar 2009, online).
  2. BILDblog vom 10. Februar 2009: Wie ich Freiherr von Guttenberg zu Wilhelm machte

Weblinks


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