Gründung der SED

Gründung der SED
Das Logo der SED: Der Händedruck sollte die Einheit der Arbeiterbewegung und die Überwindung der Spaltung symbolisieren.

Eine Zwangsvereinigung ist eine Vereinigung von souveränen Körperschaften (wie Staaten, Parteien, Kirchen und anderer Institutionen) gegen den Willen des Großteils der Mitglieder zumindest einer dieser Körperschaften. Die häufigste Verwendung des Begriffs aus der politischen deutschen Geschichte ist die Vereinigung von KPD und SPD[1] im Jahr 1946 auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Im Rahmen dieser Vereinigung wurden etwa 5000 Sozialdemokraten, die sich widersetzten, in Lagern und Zuchthäusern inhaftiert.[2]

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

In den Kreisen der Arbeiterparteien SPD und KPD bestanden verschiedene Deutungen der Gründe für den Aufstieg der Nationalsozialisten und deren Wahlerfolge. Während ein Teil der Sozialdemokraten die Furcht vor einer „bolschewistischenDiktatur als Motiv der Wähler der NSDAP am Ende der Weimarer Republik sah, diagnostierten andere die Spaltung der Arbeiterbewegung in einen sozialdemokratischen und kommunistischen Teil als wesentlichen Faktor, der zur Machtübertragung auf die NSDAP 1933 führte. Die konsequente Forderung aus der zweiten Sicht war eine Wiedervereinigung der beiden Arbeiterparteien.

Die KPD, deren neue, aus Moskau heimgekehrte Führung zunächst scharf gegen die spontanen Initiativen zur Bildung einer einheitlichen Arbeiterpartei vorgegangen war, änderte gegen Ende 1945 ihre Haltung und drängte die SPD zu einer Vereinigung der beiden Parteien.

Vorbereitung der Zwangsvereinigung

Unter dem massiven Druck der sowjetischen Besatzungsmacht und der KPD-Führung, sowie mit der Unterstützung einiger führender Sozialdemokraten, wurden auf allen Ebenen der beiden Parteien Arbeitsgemeinschaften und Ausschüsse gebildet, deren erklärtes Ziel die organisatorische Vereinigung war. Anfang 1946 wurden in allen Ländern der sowjetischen Besatzungszone viele einheitsunwillige Sozialdemokraten verhaftet.[3]

Vereinigungsparteitag

Vereinigungsparteitag der KPD und der SPD zur SED, Händedruck zwischen Otto Grotewohl und Wilhelm Pieck, 2. v. r.: Erich Gniffke, 3. v. r.: Walter Ulbricht

Am 7. April 1946 konstituierten sich die Abstimmungssieger in der Zehlendorfer Zinnowwaldschule auf einem Landesparteitag neu, woraufhin Karl Germer jr., Franz Neumann und Curt Swolinzky Vorsitzende wurden. Gleichfalls mit diesem Datum verband sich der Beschluss zur Vereinigung auf gemeinsamen Parteitagen der Länder und Provinzen der Sowjetischen Besatzungszone. Am 19./20. April beschlossen in Berlin der 15. KPD- sowie der 40. SPD-Parteitag die Gründung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands.

Am 22. April 1946 wurde die Vereinigung auf dem Vereinigungsparteitag in Ost-Berlin vollzogen. Die über 1000 Delegierten wurden zu 47 Prozent von der KPD und zu 53 Prozent von der SPD benannt. 230 Delegierte kamen aus den Westzonen. Allerdings hatten die 103 Delegierten der SPD aus den Westzonen kein demokratisches Mandat. Die vorangegangenen Abstimmungen hatten in der SPD der Westzonen überall eine breite Ablehnung der Vereinigung ergeben.[4]

Der Parteitag beschloss einstimmig die Vereinigung. Die neue Partei wurde danach auf allen Ebenen paritätisch von zwei Repräsentanten geleitet. Ihre Vorsitzenden waren Wilhelm Pieck (KPD) und Otto Grotewohl (SPD), die Stellvertreter Walter Ulbricht und Max Fechner. Der Händedruck der beiden Vorsitzenden des Parteitags bildete in stilisierter Form das Logo der SED.

Während anfangs die Gremien der neuen Partei paritätisch besetzt wurden, spielten die Sozialdemokraten schon ab 1949 kaum noch eine Rolle, die paritätische Besetzung von Gremien wurde abgeschafft und die meisten einflussreichen Posten und Mandate durch ehemalige KPD-Mitglieder besetzt. Vor allem zwischen 1948 und 1951 kam es zu Säuberungen und zu Inhaftierungen von selbstbewussten Sozialdemokraten. [5]

Sonderfall Berlin

Durch das Viermächte-Besatzungsrecht hatte die Viersektorenstadt Berlin gegenüber der sie umgebenden Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) einen Sonderstatus, den die SPD zu einer Urabstimmung über die Vereinigung nutzte. Diese Abstimmung am 31. März 1946 wurde im Ostsektor unterdrückt, erbrachte in den Westsektoren jedoch eine überwältigende Ablehnung der sofortigen Vereinigung von 82 % der Teilnehmer.[6] Der Zusammenschluss von KPD und SPD zur SED betraf nur den Ost-Sektor von Berlin. Erst Anfang Juni 1946 konnten sich die Alliierten über Groß-Berlin einigen: die Westallierten erlaubten die SED in den Westsektoren, im Gegenzug ließ die SMAD die SPD auch im Ostteil wieder zu. Das bedeutete aber nicht, daß die SPD im Ostsektor ungehindert politisch aktiv sein konnte.[7] Bei der Wahl der Stadtverordnetenversammlung von Groß-Berlin im Oktober 1946[8], bei der neben der SED auch die SPD antrat, errang die SPD bei einer Wahlbeteiligung von 92,3 % aller Wahlberechtigten einen Stimmenanteil von 48,7 % gegenüber der SED mit 19,8 %, die CDU errang als Mitbewerber 22,2 % und die LDP 9,3 %. Dies war die einzige freie Wahl in Gesamtberlin, weitere Wahlen fanden nicht mehr statt, sondern die Sowjetunion bzw. die SED betrieben nunmehr die Spaltung der Stadt, die in der Nichtanerkennung des gewählten Oberbürgermeisters Ernst Reuter durch den sowjetischen Stadtkommandanten, der Sprengung der Stadtverordnetenversammlung durch die „Volksmassen“, dem Auszug des sowjetischen Stadtkommandanten aus der Alliierten Kommandantur und der Blockade West-Berlins offenkundig wurde.[9][10]

Die SPD existierte auch im Ostsektor weiter, wurde aber durch das Konstrukt „Nationale Front des demokratischen Deutschland“ an der Beteiligung bei den Wahlen gehindert, die Öffentlichkeitsarbeit wurde unterdrückt. Die Mitglieder beteiligten sich jedoch weiter an der Arbeit der Landespartei. So wurde z. B. der Friedrichshainer Kreisvorsitzende Kurt Neubauer 1952 zum Mitglied des Deutschen Bundestages gewählt. Mit dem Mauerbau 1961 schloss die Partei ihre Büros im Ostsektor ohne aber ihren Anspruch dort aufzugeben.

Die SED spielte in den Westsektoren bis zur Vereinigung 1990 zuerst als SED, später als SED-W und dann als SEW eine nur marginale Rolle. Ihre Einflussnahme auf die 68er-Bewegung blieb ohne nachhaltigen Erfolg.

Folgen

Die Neugründung einer Sozialdemokratischen Partei durch diejenigen Sozialdemokraten, die der Vereinigung kritisch entgegenstanden, wurde durch die SMAD verhindert, indem eine Konzessionierung sozialdemokratischer Parteien nicht vorgenommen wurde. Erst 1989 wurde mit der SDP erstmals wieder eine sozialdemokratische Partei auf dem Territorium der ehemaligen SBZ und späteren DDR gegründet.

Bei den Landtagswahlen in der SBZ 1946 wurden die neuen Machthaber enttäuscht. Trotz massiver Unterstützung durch die Besatzungsbehörden erreichte die SED in keinem Land über 50 Prozent der Stimmen. Das Wahlrecht wurde bei den Landtagswahlen in der DDR 1950 dahingehend geändert, dass nur noch Einheitslisten der Nationalen Front aufgestellt wurden, wodurch schon vor der Wahl feststand, wie das Wahlergebnis auszusehen hatte.

Die SPD-Mitglieder, die der Zwangsvereinigung kritisch gegenüberstanden, mussten ihre Ämter aufgeben. Vielfach wurden sie politisch verfolgt oder zur Flucht gezwungen. Das Ostbüro der SPD organisierte bis zur Auflösung der Außenstelle in Berlin 1981 die politische Arbeit der verfolgten und geflüchteten Parteivorstände und -Mitglieder.

Siehe auch: Sozialdemokraten in der DDR

Die West-SPD und die Zwangsvereinigung

Die Diskussion über das Verhältnis der SPD zur KPD prägte auch im Westen die innerparteiliche Diskussion des Jahres 1945. Auch hier wurden in einigen Orten (z. B. in Hamburg, München, Braunschweig, Wiesbaden) paritätische Arbeitsausschüsse mit dem Ziel einer engen Zusammenarbeit oder dem Zusammenschluss von KPD und SPD gebildet.[11]

Auch unter dem Eindruck der Zwangsvereinigung von SPD und KPD in der SBZ entschieden sich jedoch die SPD-Organisationen in den anderen Besatzungszonen für ein eigenständiges Auftreten. So verabschiedete beispielsweise der Landesvorstand der hessischen SPD am 30. Dezember 1945 eine Entschließung, nach der die SPD mit einer eigenen Liste bei den Wahlen auftreten sollte. Auch die Parteikonferenz aller Landesvorstände der SPD der amerikanischen Zone am 6. Januar 1946 sprach sich mit 148 gegen 6 Stimmen gegen einen Zusammenschluss aus.[12] Der Zwangscharakter der Vereinigung in der SBZ wurde von der SPD im Westen deutlich hervorgehoben und die Unterdrückung der Sozialdemokraten in der „Zone“ angeprangert. So erklärte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Willy Knothe am 21. März 1947 für seine Partei: „In der gesamten Sowjetzone wurde die Sozialdemokratie wider ihren Willen gezwungen, ihre Selbstständigkeit aufzugeben. Ein Antrag auf Neuzulassung der Sozialdemokratie in der Ostzone kann unter den gegenwärtigen Umständen kaum gestellt werden. Die SED beherrscht in der Ostzone den gesamten staatlichen und polizeilichen Apparat.“[13]

Andere Beispiele für Zwangsvereinigungen

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Ähnlich wie in der SBZ erfolgte auch in Polen im Jahre 1948 eine Zwangsvereinigung der Parteien PPR und PPS zur PZPR (dt. PVAP abgekürzt). Die PPS erfuhr in der Folge massive politische Säuberungen, Gegner des neuen Regimes wurden aus Partei- und Regierungsämtern gedrängt. Siehe hierzu auch: Parteien in Polen.

In Ungarn erfolgte die Zwangsvereinigung von Kommunistischer und Sozialdemokratischer Partei zur Partei der Ungarischen Werktätigen im Mai 1948.

In der Tschechoslowakei wurden die Sozialdemokraten in der Slowakei bereits 1944 und die Tschechoslowakische Sozialdemokratie (Československá sociální demokracie) am 27. Juni 1948 auf die KSČ zwangsweise verschmolzen.[14]

Andere Formen der Zwangsvereinigungen waren zum Beispiel das zwangsweise Aufgehen reichsunmittelbarer Fürstentümer in größeren Einheiten wie Preußen oder anderen deutschen Königreichen und Fürstentümern nach dem Zusammenbruch des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation nach 1806 (Mediatisierung).


Einzelnachweise

  1. „Bei einer generellen Beurteilung ist »Zwangsvereinigung« der richtige Begriff. Er macht klar, dass es für die Sozialdemokraten in der SBZ damals keine Alternative gab. Sie befanden sich in einer Zwangssituation, denn unter sowjetischer Besatzung hatten sie keine freie Entscheidung darüber, ob sie dort die SPD fortführen wollten oder nicht.” Hermann Weber, Demokraten im Unrechtsstaat. Das politische System der SBZ/DDR zwischen Zwangsvereinigung und „Nationaler Front“. In: Das politische System der SBZ/DDR zwischen Zwangsvereinigung und Nationaler Front, 2006, S. 26.
  2. Focus 24/2007, Seite 51: Halb faule Lösung: Die große Koalition verbessert nach heftiger Kritik die Opferpensionen für Verfolgte des DDR-Regimes.
  3. „Die nunmehr frei zugänglichen zeitgenössischen Dokumente über die von örtlichen sowjetischen Kommandanturen gemaßregelten und inhaftierten Sozialdemokraten geben Aufschluss darüber, wie vielerorts erst psychischer Druck der Besatzungsoffiziere die Vereinigung möglich machte.“ Andreas Malycha, Der ewige Streit um die Zwangsvereinigung, Berliner Republik 2/2006 (online).
  4. Martin Broszat, Gerhard Braas, Hermann Weber: SBZ-Handbuch, München 1993, ISBN 3-486-55262-7, Seite 481 ff.
  5. Halbherzige Entschuldigung für Zwangsvereinigung, Spiegel Online.
  6. 1946: Urabstimmung in den Westsektoren. In: Willy-Brandt-Haus. Abgerufen am 11. März 2008.
  7. Anjana Buckow, Zwischen Propaganda und Realpolitik: Die USA und der sowjetisch besetzte Teil Deutschlands 1945–1955, Franz Steiner Verlag, 2003, ISBN 3-515-08261-1, S. 196.
  8. Der Landeswahlleiter in Berlin: Wahlergebnisse zur Stadtverordnetenversammlung 1946
  9. Gerhard Kunze: Grenzerfahrungen: Kontakte und Verhandlungen zwischen dem Land Berlin und der DDR 1949–1989, Akademie Verlag, 1999, S. 16.
  10. Eckart Thurich: Die Deutschen und die Sieger. In: Informationen zur politischen Bildung, Heft 232 der Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Bonn 1991.
  11. Zeitzeugenbericht über Einheitsbestrebungen in Karlsruhe
  12. Axel Ulrich: Für Frieden, Freiheit und demokratischen Sozialismus – Vor 50 Jahren: Wiedergründung der SPD in Hessen-Süd, SPD Bezirk Hessen-Süd, Frankfurt 1995, Seite 27–30.
  13. SPD Mitteilungsblatt vom 21. März 1947, Seite 1, zitiert nach Gerhard Beier: SPD Hessen, Chronik 1945 bis 1988, Bonn 1989, ISBN 3-8012-0146-5, S. 70.
  14. Karl-Heinz Hajna: Die Landtagswahlen 1946 in der SBZ, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-631-35950-0, S. 227 (Kapitel „Einschätzung der Wahl 1946 in der SBZ im Vergleich mit den Abstimmungen in den mitteleuropäischen Ländern“)

Literatur

  • Helge Sodan: Berufsständische Zwangsvereinigung auf dem Prüfstand des Grundgesetzes, Baden-Baden 1991, ISBN 3-7890-2488-0
  • Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Berlin in Verbindung mit der Historischen Kommission zu Berlin (Hrsg.): Kleine Berlin Geschichte, Berlin (West) 1988
  • Bernd Faulenbach: Sozialdemokraten und Kommunisten nach Nationalsozialismus und Krieg. zur historischen Einordnung der Zwangsvereinigung, Essen 1998
  • Johannes Klotz (Hg.): Zwangsvereinigung? zur Debatte über den Zusammenschluss von SPD und KPD 1946 in Ostdeutschland, Distel Verlag, Heilbronn 1996

Siehe auch

Weblinks

  • [1] auf spd.de

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