Gustave Ador

Gustave Ador
Gustave Ador

Gustave Ador (* 23. Dezember 1845 in Cologny; † 31. März 1928 in Genf) war ein Schweizer Politiker (LPS).

Er vertrat seinen Kanton Genf sowohl im National- als auch im Ständerat. Von 1917 bis 1919 amtierte er als Bundesrat und war zu grossen Teilen dafür verantwortlich, dass Genf Hauptsitz des Völkerbundes wurde. Zudem war Ador von 1910 bis zu seinem Tod Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK).

Inhaltsverzeichnis

Leben

Familie und Ausbildung

Gustave Ador wurde im Dezember 1845 als Sohn des Direktors einer Handelsbank in ein gutbürgerliches Haus geboren. Im Alter von 23 Jahren schloss er das Studium der Philologie und Jurisprudenz 1868 als Lizentiat der Rechte (lic. iur.) und damit der Befähigung zur Tätigkeit als Anwalt ab. Ador war mit Alice Perdonnet verheiratet, die 1908 verstarb. Gemeinsam hatten sie fünf Töchter und einen Sohn. Da der Sohn keine Kinder hatte, trug keines seiner 34 Enkelkinder seinen Namen.

Regionales Wirken

Bereits 1874 wurde Ador als Kandidat der liberal-konservativen Rechten – der späteren Liberalen Partei der Schweiz (LPS) – in den Grossen Rat des Kantons Genf gewählt. Seinen Sitz behielt er bis 1915. Zeitweise war er zudem Mitglied im Staatsrat, der Genfer Kantonsregierung. Als Departementsvorsteher war er für die Finanzen verantwortlich, galt als profunder Kenner der Materie und setzte eine sparsame Haushaltspolitik durch.

Nationales Wirken

Auch die nationale Politik der Schweiz prägte Ador nachhaltig. So war er in den Jahren von 1878 bis 1880 Mitglied des Nationalrates und von 1889 bis 1917 Mitglied des Ständerates. Mehrmals wurde ihm nahegelegt, als Bundesrat zu kandidieren. Als Mitglied einer Minderheitsfraktion im Schweizer Parlament lehnte Ador dies jedoch ab. Erst 1917 – Arthur Hoffmann trat aufgrund einer aussenpolitischen Affäre als Bundesrat zurück – wurde er nicht als Parteipolitiker, sondern aufgrund seiner Kompetenz im Alter von 72 Jahren im ersten Wahlgang mit 168 von 192 gültigen Stimmen überwältigend in den Bundesrat gewählt. In seiner zweieinhalbjährigen Amtszeit stand er 1917 dem Politischen Departement und von 1918 bis 1919 dem Departement des Innern vor. 1919 war er zudem Bundespräsident.

Ador entwickelte vielfältige diplomatische Aktivitäten. So unterstützte er die von Woodrow Wilson formulierte Idee des Völkerbundes entgegen Schweizer Traditionen nach Kräften. In seiner Funktion als Bundespräsident reiste er 1919 zweimal nach Paris, um an der Friedenskonferenz mit den Staats- und Regierungschefs der Alliierten zusammenzutreffen. Dank seines Engagements wurde Genf Hauptsitz des Völkerbundes. Er erreichte darüber hinaus die Anerkennung des besonderen Neutralitätsstatus der Schweiz und daraus resultierend den Beitritt der Schweiz zum Völkerbund. Ende 1919 trat er als Bundesrat zurück.

Ador war der einzige Politiker der LPS, der je in den Bundesrat gewählt wurde.

Internationales Wirken

Gustave Ador

Bereits 1870 war Ador vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz als Mitglied kooptiert worden. 1910 trat er die Nachfolge seines Onkels und Mitgründers des IKRK Gustave Moynier an und wurde der dritte Präsident in der Geschichte des Komitees. Dieses Amt hatte er bis zu seinem Tod 1928 inne. Er war damit insgesamt 58 Jahre Mitglied des IKRK, davon 18 Jahre als dessen Präsident. In seine Amtszeit fiel unter anderem der Erste Weltkrieg, der das IKRK vor große Herausforderungen stellte. Aufgrund seiner Initiative wurde am 15. Oktober 1914, unmittelbar nach Kriegsbeginn, die Internationale Zentralstelle für Kriegsgefangene geschaffen. Die Aktivitäten des IKRK während des Krieges führten zu einer deutliche Aufwertung des Ansehens des Komitees sowie zu einer Ausweitung seiner Autorität und Kompetenzen gegenüber der Staatengemeinschaft. Im Jahr 1917 erhielt das IKRK den einzigen Friedensnobelpreis, der während der Kriegsjahre von 1914 bis 1918 vergeben wurde.

Während der Amtszeit von Ador kam es des Weiteren im Jahr 1919 zur Gründung der Liga der Rotkreuz-Gesellschaften als Dachorganisation der nationalen Rotkreuz-Gesellschaften und in den Folgejahren zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem IKRK und der Liga hinsichtlich der Organisation der Rotkreuz-Bewegung sowie der Aufgabenverteilung zwischen den beiden internationalen Rotkreuz-Organisationen. Es gelang Ador dabei, die besondere Stellung des IKRK und dessen Führungsanspruch innerhalb der Bewegung durchzusetzen und zu festigen. Ebenfalls während seiner Präsidentschaft wurde 1923 entschieden, die Möglichkeit der Mitgliedschaft im IKRK auf alle Schweizer Staatsangehörige auszuweiten und damit die vorherige Beschränkung auf Genfer Bürger aufzugeben. Darüber hinaus wurde 1925 das Genfer Protokoll „über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege“ angenommen.

Nach seinem Rücktritt als Schweizer Bundesrat übte er im Auftrag des Völkerbundes noch diverse Mandate aus.

Bewertung

Gustave Ador erlangte als einer von wenigen Schweizer Politikern internationale Bedeutung. Sein internationaler Ruf war der Schweiz nach dem Ersten Weltkrieg von grossem Nutzen. Ihm sind jedoch auch – als Politiker eines neutralen Landes – Sympathien und Parteinahme für die Alliierten vorgeworfen worden.

Literatur

  • André Durand: History of the International Committee of the Red Cross. Volume II: From Sarajevo to Hiroshima. Henry Dunant Institute, Genf 1984, ISBN 2-88-044009-2
  • Caroline Moorehead: Dunant's dream: War, Switzerland and the history of the Red Cross. HarperCollins, London 1998, ISBN 0-00-255141-1 (gebundene Ausgabe); HarperCollins, London 1999, ISBN 0-00-638883-3 (Taschenbuch-Ausgabe)
  • Roger Durand: Gustave Ador: 58 ans d’engagement politique et humanitaire; actes du Colloque Gustave Ador tenu au palais de l’Aténée les 9, 10 et 11 novembre 1995. Fondation Gustave Ador, Genf 1996, ISBN 2-97-001002-X

Weblinks

 Commons: Gustave Ador – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien


Vorgänger Amt Nachfolger
Arthur Hoffmann Mitglied im Schweizer Bundesrat
1917–1919
Jean-Marie Musy

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