H.-J.-W. Frère-Orban

H.-J.-W. Frère-Orban

Hubert Joseph Walthère Frère-Orban (* 24. April 1812 in Lüttich; † 2. Januar 1896 in Brüssel) war ein belgischer Staatsmann.

Leben

Walthère Frère-Orban

Frère-Orban widmete sich in Paris dem Studium der Rechte, ließ sich 1832 in seiner Vaterstadt als Anwalt nieder und vermählte sich mit dem reichen Fräulein Orban, von dem er die zweite Hälfte seines Namens annahm. Nachdem er sich bereits 1842 als Mitglied der gegen die katholischen Ministerien gegründeten liberalen Gesellschaft Union, 1846 als Abgeordneter der Lütticher Association libérale auf dem Brüsseler liberalen Kongress sowie als Mitredakteur des Journal de Liège und einflussreiches Mitglied der städtischen Verwaltung Lüttichs einen geachteten Namen erworben hatte, wurde er im Juni 1847 von der liberalen Partei in die Kammer gewählt und übernahm nach dem Sturz des katholischen Kabinetts de Theux im am 12. August gebildeten Ministerium Rogier das Portefeuille der öffentlichen Arbeiten. Er verwaltete 18. Juli 1848 bis Juni 1852 das der Finanzen und begegnete der Finanzkrisis nach 1848 glücklich durch Einführung einer Erbschaftssteuer und Gründung der belgischen Nationalbank.

Er widmete nun mehrere Jahre der Ausarbeitung seines Werkes La main-morte et la charité (Brüssel 1854-57, 2 Bde.) und nahm, als 1857 das Ministerium de Decker jene Frage durch Vorlage eines Wohltätigkeitsgesetzes nach den Wünschen der klerikalen Partei vor die Kammer brachte, an den Debatten so erfolgreichen Anteil, dass die Vorlage und mit ihr das Ministerium fiel und er wieder das Portefeuille der Finanzen übertragen erhielt. Mit einer kurzen Unterbrechung im Jahre 1861 blieb Frère im Ministerium bis 1870 und erhielt 1868 nach Rogiers Rücktritt auch das Präsidium desselben.

Die Finanzen verwaltete er vortrefflich und wusste für die stets wachsenden Bedürfnisse und auch für besondere Ausgaben, wie Bauten, Ablösung des Scheldezolls und Aufhebung des städtischen Oktrois, stets die erforderlichen Mittel zu beschaffen. Als Haupt der Regierung brach er 1869 auf sehr geschickte Weise dem Versuch Frankreichs, durch einen Vertrag der Ostbahn mit einem Teil der belgischen Bahnen die letztern in die Hand zu bekommen, die Spitze ab und fertigte Frankreich mit geringen Konzessionen ab, ohne doch einen Bruch herbeizuführen. Doch ward das Kabinett Frère durch die Neuwahlen im Juni 1870 gestürzt und musste dem klerikalen Ministerium d’Anethan Platz machen. Als die Liberalen endlich 1878 bei den Wahlen siegten, übernahm Frère wieder die Bildung eines liberalen Kabinetts, das 21. Juni zustande kam, und versuchte sofort durch ein neues Unterrichtsgesetz 1879 die Macht des Klerus zu brechen. Er scheute sich nicht, als die römische Kurie, welche die widerspenstige Haltung der belgischen Geistlichkeit zu mäßigen versprochen, sich zweideutig zeigte, 1880 den diplomatischen Verkehr mit ihr abzubrechen. Dennoch vermochte er die radikalen Elemente in der liberalen Partei nicht zu befriedigen und stieß dieselben durch seine Weigerung, das allgemeine Stimmrecht in Belgien einzuführen, von sich ab, so dass ein Zwiespalt unter den Liberalen entstand, welcher deren Niederlage bei den Wahlen 1884 und damit auch den Sturz des Ministeriums Frère zur Folge hatte.

Frère-Orban war aktiver Freimaurer der Freimaurerloge in Lüttich.[1]

Einzelnachweise

  1. Eugen Lennhoff, Oskar Posner, Dieter A. Binder: Internationales Freimaurer Lexikon. 5. Auflage 2006, Herbig Verlag, ISBN 978-3-7766-2478-6, S. 315
Dieser Artikel basiert auf einem gemeinfreien Text („public domain“) aus Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage von 1888–1890. Bitte entferne diesen Hinweis nur, wenn Du den Artikel so weit überarbeitet oder neu geschrieben hast, dass der Text den aktuellen Wissensstand zu diesem Thema widerspiegelt und dies mit Quellen belegt ist, wenn der Artikel heutigen sprachlichen Anforderungen genügt und wenn er keine Wertungen enthält, die den Wikipedia-Grundsatz des neutralen Standpunkts verletzen.



Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • FRÈRE-ORBAN (H. J. W.) — FRÈRE ORBAN HUBERT JOSEPH WALTER (1812 1896) Homme politique belge, avocat, député de Liège, Frère Orban s’impose pendant le Congrès libéral de juin 1846 et devient l’un des chefs les plus actifs de son parti. Ministre des Travaux publics en 1847 …   Encyclopédie Universelle

  • Frère-Orban — (spr frǟr orbāng), Hubert Joseph Walthère (die zweite Hälfte seines Namens nahm F. nach seiner Vermählung mit einem sehr begüterten Fräulein Orban an), belg. Staatsmann, geb. 24. April 1812 in Lüttich, gest. 2. Jan. 1896 in Brüssel, erwarb sich… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Frère-Orban — Frère Orban, Walther, geb. 24. April 1812 in Lüttich, studirte in Paris die Rechte, wurde 1832 Advocat in Lüttich, später Mitglied der Hospizienverwaltung, dann Gemeinderath, 1847 Mitglied der 2. Kammer u. am 8. Juni d. I. Minister der[704]… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Frère-Orban — (spr. frähr orbáng), Hubert Jos. Walther, belg. Staatsmann, geb. 22. April 1812 zu Lüttich, Advokat das., 1847 Mitglied der Zweiten Kammer und Minister der öffentlichen Arbeiten, dann 1848 52 und 1857 70 Finanzminister, 1878 84 Ministerpräsident… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Frère-Orban — (Hubert Joseph Walthère) (1812 1896) homme politique belge du parti libéral. Président du Conseil (1868 1870 et 1878 1884), il fit voter en 1879 la laïcité de l enseignement, ce qui entraîna la rupture des relations diplomatiques entre la… …   Encyclopédie Universelle

  • Frère-Orban — Walthère Frère Orban Walthère Frère Orban 10e chef de cabinet belge …   Wikipédia en Français

  • Frère-Orban, Walthère — ▪ prime minister of Belgium in full  Hubert Joseph Walthère Frère Orban  born April 24, 1812, Liège, French Empire [now in Belgium] died Jan. 1, 1896, Brussels, Belg.  Belgian statesman and Liberal Party reformer who was twice prime minister… …   Universalium

  • Frère-Orban, Square/Frère-Orban Square —    This square was designed by Tilman François Suys in 1860 and is named in honor of Walthère Frère Orban (1812 1896), the prime minister responsible for abolition, in July 1860, of the tolls that had been levied at the city s gates …   Historical Dictionary of Brussels

  • Walthère Frère-Orban — Pour les articles homonymes, voir Orban (homonymie). Walthère Frère Orban Walthère Frère Orban …   Wikipédia en Français

  • Hubert Frère-Orban — Walthère Frère Orban Walthère Frère Orban 10e chef de cabinet belge …   Wikipédia en Français

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”