Hadrian (Kaiser)

Hadrian (Kaiser)

Publius Aelius Hadrianus, Titulatur als Kaiser Imperator Caesar Traianus Hadrianus Augustus (* 24. Januar 76 in Italica in der Nähe des heutigen Sevilla oder in Rom; † 10. Juli 138 in Baiae) war der vierzehnte römische Kaiser von 117 bis 138.

Hadrian neigte der stoischen Philosophie zu und gilt als dritter der „Fünf guten Kaiser“. In Zusammenhang mit seiner philosophischen Ausrichtung ist auch seine Wertschätzung der griechischen Kultur (Philhellenismus) zu sehen. Er war mit seinem Vorgänger Trajan verschwägert, unter dem er hohe Ämter bekleidete (ob er von Trajan adoptiert und damit zum Nachfolger bestimmt wurde, ist umstritten). Im Gegensatz zu seinem Vorgänger führte Hadrian keine größeren Offensivkriege, schlug aber einen jüdischen Aufstand in einem mehrjährigen Krieg nieder. Des Weiteren veranlasste er in größerem Umfang Befestigungen der Reichsgrenzen, unter anderem durch den nach ihm benannten Hadrianswall.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ausbildung und Aufstieg

Laut einer in der spätantiken Historia Augusta zitierten Angabe aus Hadrians Autobiographie[1] stammte seine Familie aus Hadria (oder Hatria, jetzt Atri) im Picenum in Italien. Auf den Namen dieser Stadt, die auch namengebend für das adriatische Meer, die sogenannte Adria, war, geht der Zuname (cognomen) des Kaisers zurück. Die Familie war schon in republikanischer Zeit nach Italica in Spanien ausgewandert. Es ist allerdings aufgrund unterschiedlicher Quellenaussagen unklar, ob er dort oder in Rom als Sohn wohlhabender Siedler geboren wurde. Sein Vater starb, als er zehn Jahre alt war.

Hadrian vervollständigte in Rom fünf Jahre lang seine Ausbildung, wodurch sein Interesse für das Griechentum erwachte und sich seine Überzeugung bildete, dass das, was gesagt werden kann, am besten auf griechisch gesagt wird. Er studierte Philosophie und Mathematik und interessierte sich ernsthaft für Musik, Poesie, Malerei und Bildhauerei, die er auch selbst ausübte. Zudem wurde er im Schwimmen, Reiten und Jagen ausgebildet. Selbst später als Kaiser marschierte er oft zu Fuß in voller Rüstung mit seinen Truppen.

Nach Ende seiner Ausbildung verbrachte Hadrian zwei Jahre in Spanien, kehrte aber nach Rom zurück und war im Jahr 94 decemvir stlitibus iudicandis, bevor er in die Armee ging. Im Jahr 95 diente er als tribunus militum in der Legio II Adiutrix in Pannonien, 96 in der Legio V Macedonica in Moesia Inferior und im Jahr 97 in der Legio XXII Primigenia in Germania superior. Dann setzte er seinen cursus honorum (Ämterlaufbahn) als Quästor (101), Volkstribun (105) und Prätor (106) fort, bevor er 108 das Konsulat erlangte.[2]

Hadrian war mit Vibia Sabina, einer Großnichte des Kaisers Trajan, verheiratet, vermutlich aber bisexuell. Er hatte keine anerkannt leiblichen Kinder, es wurde jedoch behauptet, dass er der leibliche Vater von Aelius Caesar, seinem designierten Nachfolger, gewesen sei. Unzweifelhaft war seine Beziehung zu Antinoos, einem jungen Bithynier, den Hadrian im Knabenalter in Kleinasien kennengelernt hatte. Antinoos gehörte einige Zeit zum Hofstaat des Kaisers und begleitete ihn auf seinen Reisen, bis er unter nie geklärten Umständen im Nil ertrank. Hadrian war über seinen Tod tief betroffen und gründete an der Stelle des Ertrinkens die Stadt Antinoupolis. Er beauftragte seine Künstler, zahlreiche Statuen, Büsten und Reliefs nach dem Abbild des Antinoos anzufertigen, und veranlasste sogar dessen Vergöttlichung.

Der Prinzipat Hadrians

Herrschaftsantritt

Münze Hadrians
Hadriantempel in Ephesos

Hadrian war der Nachfolger Trajans, des ersten Adoptivkaisers. Trajan war nach seinem Adoptivvater Nerva als erster Provinziale Kaiser geworden. Auch Hadrian soll von seinem Vorgänger durch Adoption zum Nachfolger designiert worden sein. Seine Adoption unter gleichzeitiger Annahme des Caesar-Titels wurde aber schon von Zeitgenossen bezweifelt, da Trajan sie erst auf dem Totenbett vorgenommen haben soll; dort waren nur die Kaiserin Plotina und der Prätorianerpräfekt Attianus anwesend, die beide entschiedene Befürworter dieser Nachfolgeregelung waren. Der einzige unabhängige Zeuge, der Kammerdiener Trajans, starb unter merkwürdigen Umständen drei Tage später. Ob die Adoption tatsächlich stattgefunden hat oder – wie der Geschichtsschreiber Cassius Dio behauptet – nur vorgetäuscht wurde, ist noch heute in der Forschung strittig. Jedenfalls konnte sich Hadrian schnell durchsetzen. Er war als Statthalter Syriens Befehlshaber des damals stärksten Heeres, das ihn durch Akklamation zum Kaiser ausrief und damit vollendete Tatsachen schuf. Er wahrte jedoch die traditionellen Formen und bat in einem Brief den Senat um Verständnis für die Umstände seiner Erhebung. Plotina, die bei der Machtübernahme Hadrians eine Schlüsselrolle gespielt hatte, arrangierte auch seine Ehe mit Vibia Sabina, einer Enkelin von Trajans Schwester Marciana.

Verhältnis zum Senat

Seine Beziehung zum Senat stellte er alsbald mit der so genannten Verschwörung der vier Konsulare Avidius Nigrinus, Cornelius Palma, Publilius Celsus und Lusius Quietus auf die Probe. Die Affäre wurde nie ganz aufgeklärt, beeinträchtigte aber das Verhältnis des Kaisers zum Senat nachhaltig; so verweigerte ihm der Senat nach seinem Tod sogar die Vergöttlichung, und nur auf Drängen seines Nachfolgers Antoninus Pius wurde sie dennoch beschlossen. Sicher ist, dass vier Senatoren, mächtige Heerführer Trajans, wegen angeblicher Verschwörung gegen den Kaiser in dessen Abwesenheit zum Tod verurteilt und hingerichtet wurden. Wahrscheinlich ist, dass der Prätorianerpräfekt Attianus, der kurz nach der Affäre entlassen wurde, seine Hände im Spiel hatte. Ungeklärt bleibt die Rolle Hadrians, der bei seiner Ankunft in Rom am 9. Juli 118 vor dem Senat seine Mitwirkung verneinte. Mit der Hinrichtung war ein von Trajan garantiertes Privileg der Senatoren verletzt worden.

Hadrian drängte außerdem den Einfluss des Senats zurück und baute stattdessen den Beamtenapparat weiter aus. Für zahlreiche Ämter verwendete Hadrian Ritter anstelle von Freigelassenen, eine Entwicklung, die schon unter seinen Vorgängern begonnen hatte. Das bedeutet, dass diese Ämter ihren Charakter als Hausämter, den sie bisher mehr oder weniger bewahrt hatten, allmählich verloren und sich zu Staatsämtern entwickelten. Aber auch die ständig wachsende Bedeutung der Ritter wird durch die Entwicklung deutlich.

Durch eine Verkettung von Adoptionen bestimmte Hadrian die römischen Kaiser für das nächste halbe Jahrhundert nach seinem Tod. So war eigentlich Aelius Verus als Nachfolger Hadrians vorgesehen, doch starb er noch vor dem Kaiser. Hadrian adoptierte daraufhin am 25. Februar 138 Antoninus Pius mit der Auflage, dass dieser wiederum Marcus Annius Verus, den späteren Kaiser Mark Aurel, und Lucius Verus, den Sohn des Aelius, adoptierte.

Reisen und Befestigung der Reichsgrenzen

Der Hadrianswall in der Nähe von Greenhead

Hadrians Zeit als Herrscher war geprägt durch eine rege Reisetätigkeit, die ihn durch große Teile des Imperiums führte und jahrelang von der Hauptstadt Rom fernhielt. Wie in Rom, so ließ er auch in den Provinzen viele Bauwerke errichten. Seine Regierung war durch eher seltene militärische Auseinandersetzungen gekennzeichnet. So gab er die mesopotamischen Eroberungen Trajans wieder auf, da er glaubte, die Gebiete nicht langfristig gegen die Parther verteidigen zu können. Stattdessen sicherte er seinen Machtbereich durch den Bau von Befestigungen. Zu nennen sind insbesondere der Hadrianswall zwischen Solway Firth und Tyne in Britannien, aber auch die Grenzen an Rhein und Donau, die mit Festungen, Forts, Außenposten und Wachtürmen versehen wurden. Um Moral und Kampffähigkeit des Militärs zu erhalten, entwickelte Hadrian strenge Drillroutinen und inspizierte die Truppen häufig persönlich.

Hadrian und Judäa

Der 70 n. Chr. zerstörte jüdische Tempel im Modell

Den Juden zunächst wohlwollend gegenüberstehend, versprach Hadrian ihnen den Wiederaufbau des nach der großen jüdischen Revolte und Zerstörung 70 n. Chr. immer noch in Trümmern liegenden Jerusalems. Die Juden fühlten sich jedoch hintergangen, als sie erkannten, dass er es als eine heidnische Metropole wiederaufbauen wollte und einen neu errichteten Tempel auf den Ruinen des zweiten salomonischen Tempels dem Jupiter weihte. Als Hadrian die von ihm als Verstümmelung betrachtete rituelle Beschneidung der Knaben verbot, wurde die Stimmung immer angespannter, und es begann 132 der drei Jahre dauernde Bar-Kochba-Aufstand. Anders als beim Aufstand im Jahre 70 waren die Juden diesmal unter der Führung eines fähigen Befehlshabers vereinigt. Die römischen Verluste waren so erheblich, dass Hadrian die ansonsten obligate Formulierung „Ich und meine Armee sind wohlauf“ im Bericht an den römischen Senat wegließ.

Hadrians fähigstem General, Sextus Iulius Severus, wurde das Oberkommando der römischen Truppen anvertraut, und auch Hadrian selbst nahm an der expeditio Iudaica wenigstens zeitweise teil. Nach der brutalen Niederschlagung der Revolte im Jahr 135 und der Verwüstung Judäas – nach Berichten des Cassius Dio wurden 580.000 Juden getötet, 50 befestigte Städte geschleift und 985 Dörfer zerstört – wurden mehrere Sanktionen gegen die Juden ergriffen. Die Tora und der jüdische Kalender wurden verboten, ebenso ließ man jüdische Gelehrte hinrichten und den Juden heilige Schriftrollen auf dem Tempelberg verbrennen. Am früheren Tempelheiligtum errichtete man Statuen von Jupiter und vom Kaiser selbst. Der Provinz wurde der neue Name Syria Palaestina gegeben. Letzteres mag als Bestrafung gedacht gewesen sein, tatsächlich aber dürften die Juden nach dem Aufstand auch nicht mehr die Mehrheit der Bevölkerung gestellt haben.

Hadrian gründete Jerusalem unter dem Namen Aelia Capitolina neu und verbot Juden den Zutritt. Später durften sie einmal jährlich am 9. Av die Stadt betreten, um Niederlage, Tempelzerstörung und Vertreibung zu betrauern. Die Juden blieben danach in der Diaspora verstreut und ohne eigenes Staatswesen bis 1948.

Rechtsverwaltung

Hadrian ist der erste römische Kaiser, dessen Gesetzgebung einigermaßen bezeugt ist. So stammt das älteste zitierte Reskript (Schreiben eines Kaisers zu einem Rechtsproblem) im Codex Iustinianus von Hadrian. Hadrian beauftragte den Juristen Publius Salvius Iulianus, das früher jährlich neu verkündete Edikt des Prätors zu redigieren und als edictum perpetuum zu veröffentlichen. Die genaue Entstehungszeit ist nicht festzumachen, es wird jedoch das Jahr 128 n. Chr. angenommen. Wenn das Edikt auch keine eigentliche Kodifikation bedeutete, hatte es doch großen Einfluss: Der Jurist Ulpian verfasste über 80 Bücher Kommentare dazu, die dann Eingang in Justinians Digesten fanden. Dies trug auch dazu bei, dass der Kaiser immer mehr als Quelle des Rechts angesehen wurde: „Iulianus […] vertrat in seinen eigenen Schriften, dass was immer man als unvollkommen bemerkte, durch kaiserlichen Entscheid ergänzt werden solle.“ (Justinian, Konstitution Tanta 18). Die Autorität des Kaisers war auch in rechtlichen Dingen über jeden Zweifel erhaben. Hadrians Bemühen um eine wirksame Rechtsverwaltung zeigt sich auch in der Errichtung von vier Gerichtsbezirken in Italien, die Richtern mit konsularischem Rang unterstanden (so war der spätere Kaiser Antoninus Pius auch einer dieser Richter). Die Maßnahme galt den Senatoren aber als Abwertung ihres Ranges, so dass sie sein Nachfolger wieder aufgeben musste.

Tod und Nachfolge

Nach der Rückkehr von der letzten großen Reise stellte sich für Hadrian, der zunehmend unter Krankheiten litt, die Nachfolgefrage. Aus der Ehe mit Sabina hatte Hadrian keine Kinder. Im Sommer 136 adoptierte er Lucius Ceionius Commodus. Der Grund für diese Entscheidung ist unbekannt und überraschend, zumal Commodus unter Tuberkulose litt. Hadrian übertrug ihm die tribunicia potestas und das imperium proconsulare für Ober- und Niederpannonien. Doch starb der Erwählte am 1. Januar 138, woraufhin Hadrian Titus Aurelius Fulvius Boionius Arrius Antoninus, einen respektierten und sehr wohlhabenden Senator, adoptierte. Auf Hadrians Wunsch musste dieser mit Commodus’ gleichnamigem Sohn und Marcus Annius Verus (den späteren Kaisern Lucius Verus und Mark Aurel) zwei weitere Kandidaten adoptieren. Mit dieser Maßnahme war die Herrschaft über zwei Generationen gesichert. Hadrian starb am 10. Juli 138 nach einer langen Krankheit in Baiae. Seine Asche wurde später in seinem Mausoleum jenseits des Tiber beigesetzt.

Kunst und Kultur

Bautätigkeit

Garten der Villa Hadrians in Tibur (heute Tivoli)
Engelsburg

Vor allem förderte Hadrian die Künste. So vollendete er auch das Olympieion, den gewaltigen Tempel des olympischen Zeus in Athen. Seine Villa in Tibur (Tivoli) war das größte römische Beispiel eines alexandrinischen Gartens, der eine heilige Landschaft und Erinnerung an die von ihm bereisten Gegenden gestaltete. Das Gelände ist zum großen Teil zerstört, da der Kardinal d’Este viel von Hadrians Marmor zum Bau seiner eigenen Villa d’Este fortschaffen ließ. Trotzdem ist die so genannte Villa Adriana Teil des UNESCO-Weltkulturerbes und vor allem aufgrund der eklektischen Zusammenstellung unterschiedlichster Baustile (römisch, griechisch, ägyptisch) einzigartig.

Das in Rom unter Agrippa errichtete Pantheon erhielt unter Hadrian seine heutige Gestalt. Der Konstantinsbogen in Rom soll einen hadrianischen Kern oder Vorgänger gehabt haben, was die Herkunft der hadrianischen, aber später überarbeiteten Reliefs (sogenannte Jagd-Tondi) erklären würde. Der nach seinem Tod zu seinen Ehren erbaute Hadrianstempel, das so genannte Hadrianeum, ist heute Sitz der römischen Börse.

Begraben wurde Hadrian in seinem Mausoleum, das nach Umbauten und Errichtung eines Verbindungsganges zum Vatikan, des Passetto, unter dem Namen Engelsburg bekannt ist. Es diente den Päpsten bei den in früherer Zeit regelmäßigen Einfällen fremder Mächte, zum Beispiel dem Sacco di Roma 1527, als Schutzburg. Vor seinem Tod gründete Hadrian das Athenäum in Rom, eine höhere Lehranstalt.

Begeisterung für Griechenland und die griechische Philosophie

Hadrian war humanistisch und zutiefst hellenophil eingestellt. Im Jahre 111/112 n. Chr. war er zum Beispiel als einziger Römer seiner Zeit Archon in Athen. Bei einem Griechenlandbesuch 125 versuchte er, eine Art Provinzparlament zu gründen, um alle halbautonomen früheren Stadtstaaten in Griechenland und Kleinasien zu vereinen. Dieses Panhellenion genannte Parlament funktionierte allerdings trotz seiner Versuche, die Griechen zur Zusammenarbeit zu bewegen, nicht. Dennoch waren die Griechen dem Kaiser als ihrem Patronus überaus dankbar, wie sich die große Zahl der Ehrenstatuen zeigt, die sich von Hadrian nachweisen lassen: So gab es allein in Athen mehrere hundert Porträts des Kaisers in Marmor oder Bronze. In Milet erhielt er auf Beschluss des Rats jährlich eine neue, sodass dort am Ende seiner Regierungszeit 22 Statuen oder Büsten Hadrians standen. Der Archäologe Götz Lahusen schätzt, dass es in der Antike 15.000 bis 30.000 Bildnisse von ihm gab, heute sind etwa 250 davon bekannt.[3]

Auch an der griechischen Philosophie war er sehr interessiert. Er schätzte unter anderem den stoischen Philosophen Epiktet und den Sophisten Favorinus von Arelate, die beide während seiner Regierungszeit zu hohem Ansehen gelangten. Allgemein hielt man Hadrian aber für einen Epikureer. Wie die Historia Augusta schreibt, zeigte sich seine Vorliebe für das Griechentum und insbesondere die Philosophie auch in seinem Äußeren: Er ließ sich nämlich einen Bart stehen, angeblich um Narben im Gesicht zu verdecken, vermutlich jedoch eher aus Bewunderung für die traditionell bärtigen griechischen Philosophen. Die Angehörigen der römischen Oberschicht, die sich seit Jahrhunderten immer rasiert hatten, folgten seinem Beispiel und auch sein Nachfolger Antoninus Pius, sonst eher altrömischen Traditionen zugetan, folgte dieser neuen Mode.[4]

Hadrian als Dichter

Laut der Historia Augusta soll Hadrian wenige Tage vor seinem Tode folgendes Gedicht geschrieben haben:[5]

animula vagula blandula,
hospes comesque corporis
quo nunc abibis? in loca
pallidula rigida nubila –
nec ut soles dabis iocos.
P. Aelius Hadrianus Imp.
Kleine Seele, schweifende, zärtliche,
Gast und Gefährtin des Leibs,
Die du nun entschwinden wirst dahin,
Wo es bleich ist, starr und bloß,
Und nicht wie gewohnt mehr scherzen wirst …

Quellenproblematik

Die einzige auf Hadrian bezogene und überlieferte literarische Quelle, die zu seinen Lebzeiten verfasst wurde, war seine Autobiographie, von der aber nur ein an Antoninus Pius gerichteter Brief als Auftakt erhalten ist, in dem Hadrian sein nahes Ende anspricht und dem Nachfolger dessen Fürsorge dankt. Birley nennt die anderen überlieferten Originalzeugnisse Hadrians, die „meist fragmentarisch auf Stein oder Papyrus erhaltenen“ Reden, Briefe und Reskripte sowie die auf Latein oder Griechisch überlieferten Gedichte „eine beachtliche Materialsammlung“.[6] Von eigener Bedeutung sind auch die aus Hadrians Prinzipat erhaltenen Münzen.

Die aus dem 3. Jahrhundert stammende Römische Geschichte von Cassius Dio ist in dem Hadrian betreffenden 69. Buch nur in Fragmenten und Exzerpten aus byzantinischer Zeit überliefert. Ebenfalls im 3. Jahrhundert verfasste Marius Maximus eine Sammlung von Kaiserbiographien (und zwar im Anschluss die an diejenige Suetons, der mit Domitian geendet hatte), unter denen auch Hadrian vertreten war. Das Werk ist nicht erhalten und nur bruchstückhaft indirekt erschließbar. In mehreren spätantiken Breviarien (so in den Caesares des Aurelius Victor) finden sich Hadrian betreffend nur knappe Informationen.

Zentrale und zugleich höchst umstrittene Quelle für Leben und Herrschaft Hadrians ist die vita Hadriani aus der Historia Augusta (HA). Denn in diese wahrscheinlich erst Ende des 4. Jahrhunderts entstandene Zusammenstellung von Kaiserbiographien sind einerseits heute verlorene literarische Quellen wie das Werk des Marius Maximus eingeflossen; andererseits wurden durch den spätantiken Verfasser Darstellungselemente eingebracht, für die ein Rückhalt an seriösen Quellen nicht erkennbar ist, sondern die vornehmlich dem Gestaltungsbedürfnis des Verfassers selbst zuzurechnen sind. Theodor Mommsen erschien die HA als glaubwürdige Quelle so zweifelhaft, dass er in ihr „eine der elendesten Sudeleien“ sah, „die wir aus dem Altertum haben“.[7]

Der aus diesem Eindruck abgeleiteten Forderung Mommsens nach akribischer Prüfung und Kommentierung jeder einzelnen Aussage durch umfassenden Vergleich sowohl innerhalb der HA-Viten als auch mit dem verfügbaren Quellenmaterial außerhalb der HA[8] ist Jörg Fündling in seinem auf die vita Hadriani gerichteten zweibändigen Kommentar zur Historia Augusta nachgekommen. In der Biographie Hadrians, die in der Forschung zu den relativ zuverlässigsten HA-Viten gezählt wird, hat Fündling mindestens ein Viertel des Gesamtumfangs als unzuverlässig ausgewiesen, darunter 18,6 Prozent als „mit hoher Sicherheit fiktiv“ und weitere 11,2 Prozent, die in ihrem Quellenwert als sehr zweifelhaft anzusehen sind.[9] Mit diesem Ergebnis tritt Fündling einer neueren Tendenz entgegen, die Vielzahl der in der HA-Forschung kontrovers vertretenen Positionen mit dem „Überspringen sämtlicher Quellenprobleme“ zu beantworten, „als wären diese irrelevant für den Inhalt, weil sowieso unlösbar“.[10]

Vieldeutige Rezeption

Hadrians Vielseitigkeit und sein teils widersprüchliches Erscheinungsbild bestimmen auch das Spektrum der über ihn gefällten Urteile. Im zeitgenössischen Umfeld ist auffällig, dass Mark Aurel weder in jenem ersten Buch seiner Selbstbetrachtungen, in dem er seinen wichtigen Lehrern und Förderern umfänglich dankt, noch an anderer Stelle in dieser Gedankensammlung Hadrian überhaupt erwähnt, dem er doch durch das vorgegebene Adoptionsgesamtarrangement den eigenen Aufstieg zur Herrschaft verdankte.[11]

Cassius Dio bescheinigte Hadrian eine insgesamt menschenfreundliche Herrschaftsausübung und ein umgängliches Naturell, aber auch einen unstillbaren Ehrgeiz, der sich auf die verschiedensten Bereiche erstreckte. Unter seinen Eifersüchteleien hätten viele Fachspezialisten diverser Richtungen zu leiden gehabt. Den noch zu Trajans Zeiten ihn als Laien zurechtweisenden Architekten Apollodoros habe er, als er dann Kaiser war, erst in die Verbannung geschickt und später umbringen lassen. Als charakteristische Eigenschaften Hadrians nennt Cassius Dio u. a. Übergenauigkeit und zudringliche Neugier einerseits, Umsicht, Großzügigkeit und vielfältige Geschicklichkeit andererseits (69, 2-5). Wegen der Mordtaten zu Beginn und am Ende seiner Regierungszeit habe ihn das Volk nach dem Tode gehasst, trotz seines trefflichen Waltens in den Zeiten dazwischen (69, 23).

Für Jörg Fündling erschweren die vielseitigen Interessen Hadrians nebst den ihm eigenen Widersprüchen eine Urteilsbildung über die Persönlichkeit – sowohl für den Autor der Historia Augusta als auch für die Nachwelt. Die angetroffene „Fülle intellektueller Ansprüche und brennenden Ehrgeizes“ wirke einschüchternd. Dagegen führe die Beschäftigung mit Fehlern und Absonderlichkeiten des sich einem leichtem Zugriff Entziehenden zu einer Entlastung für den Betrachter und auf ein menschliches Maß zurück. Letztlich sei die Darstellung des HA-Verfassers Ausdruck seiner Dankbarkeit für die Reize exzentrischer Persönlichkeiten. „Und da Hadrian obendrein zur Blütezeit Roms gehört und den Senat mit mehr Achtung behandelt als jeder zeitgenössische Kaiser, kann er so schlecht nicht gewesen sein. Mehr Klarheit wird dem Leser nicht gegönnt.“[12]

In einer der jüngsten Hadrian-Darstellungen kommt auch Birley zu dem Ergebnis, die komplizierte Persönlichkeit Hadrians und dessen Beweggründe entzögen sich dem Betrachter. Hinsichtlich Hadrians Griechenland-Engagements erwägt er, dass der Kaiser den Part eines wiedergeborenen Perikles übernommen und versucht habe, „die Welt des 5. Jhs. v. Chr. erneut aufleben zu lassen.“ Birley schließt: „Was immer Hadrian sonst noch zustande brachte, seine rastlosen Reisen machten ihn zweifellos zum meistgesehenen Kaiser, den das Römische Reich jemals hatte.“[13]

Eine bekannte literarische Darstellung Hadrians in fiktiver Ichform bietet der erstmals 1951 von Marguerite Yourcenar veröffentlichte Roman Ich zähmte die Wölfin. Die Erinnerungen des Kaisers Hadrian. Yourcenar legte darin nach langjähriger eigener Auseinandersetzung mit den verfügbaren Quellen gleichsam die verloren gegangene Autobiographie Hadrians als Roman vor. Thorsten Opper merkt an, dieses Buch habe wie kein anderes die allgemeine Wahrnehmung Hadrians beeinflusst, sei in die akademische Debatte eingeflossen und wurde so „zu einem integralen Bestandteil von Hadrians moderner Rezeptionsgeschichte.“[14]

Einen Überblick über die neuere Deutungsgeschichte zu Hadrian seit dem Erscheinen der ersten großen Hadrian-Monographie von Ferdinand Gregorovius 1851 gibt Susanne Mortensen. Als für die Rezeptionsgeschichte besonders wichtig werden von ihr Ernst Kornemann mit seinem negativen Urteil zu Hadrians Außenpolitik sowie Wilhelm Weber hervorgehoben, der in einer umfassenden Auseinandersetzung mit Hadrians Wirken zu einem insgesamt ausgewogeneren Urteil gelangt sei (dann aber unter dem Einfluss der NS-Blut und Rassenlehre auch zu „Überzeichnungen und Fehldeutungen“ gelangt).[15]

Für die Hadrian-Rezeption nach dem Zweiten Weltkrieg konstatiert Mortensen eine „verstärkte Spezialisierung auf lokal oder thematisch eng begrenzte Fragestellungen und eine äußerst nüchterne Darstellungsweise“ unter weitgehendem Verzicht auf persönliche Werturteile.“[16] Waghalsige Hypothesen und psychologisierende Konstrukte erstreckten sich neuerdings vor allem auf Themen, die bei lückenhafter oder widersprüchlicher Quellenlage eine Rekonstruktion historischer Wirklichkeit unmöglich machten.[17] Für die seriöse Forschung resümiert Mortensen mit Blick vornehmlich auf die Bereiche Außenpolitik, Militärwesen, Förderung des Hellenentums und Reisetätigkeit: „Infolge des neu gewählten breiteren Blickwinkels erscheint Hadrian oftmals als ein Herrscher, der für die Probleme seiner Zeit sensibel war und angemessen auf Mißstände und Notwendigkeiten reagierte.“[18]

Literatur

  • Anthony R. Birley: Hadrian. The restless emperor. Routledge, London u.a. 1998 [Nachdruck], ISBN 0-415-16544-X (maßgebliches Werk).
    • Anthony R. Birley: Hadrian. Der rastlose Kaiser. Zabern, Mainz 2006, ISBN 3-8053-3656-X (basierend auf der englischsprachigen Ausgabe, allerdings stark gekürzt und teils umgearbeitet. Rezension).
  • Karl Christ: Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Augustus bis Diokletian. Beck, München 1995 und neuere Auflagen (Standardwerk zur Geschichte der römischen Kaiserzeit. Zu Hadrian: S. 314–332).
  • Anthony Everitt: Hadrian and the Triumph of Rome. Random House, New York 2009, ISBN 978-1-4000-6662-9.
  • Jörg Fündling: Kommentar zur Vita Hadriani der Historia Augusta. 2 Bände, Habelt, Bonn 2006, ISBN 978-3-7749-3390-3 (= Antiquitas. Reihe 4: Beiträge zur Historia-Augusta-Forschung. Serie 3: Kommentare; Bd. 4.1, 4.2. Rezension)
  • Heiner Knell: Des Kaisers neue Bauten. Hadrians Architektur in Rom, Athen und Tivoli. Zabern, Mainz 2008, ISBN 978-3-8053-3772-4 (Rezension).
  • Susanne Mortensen: Hadrian. Eine Deutungsgeschichte. Habelt, Bonn 2004, ISBN 3-7749-3229-8 (umfangreiche Zusammenstellung der Forschungsmeinungen zu Hadrian).
  • Thorsten Opper: Hadrian: Machtmensch und Mäzen. Darmstadt 2009, ISBN 978-3-8062-2291-3. (englische Originalausgabe: Hadrian: Empire and conflict. London 2008)
  • Michael Zahrnt: Hadrian. In: Manfred Clauss (Hrsg.): Die römischen Kaiser. 55 historische Portraits von Caesar bis Iustinian. 3. Auflage. Beck, München 2005, ISBN 3-406-47288-5, S. 124–137.

Weblinks

 Commons: Hadrian – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Historia Augusta, Hadrianus 1,1. Obwohl die Historia Augusta als sehr problematisch gilt, wobei die frühen Viten durchaus wertvolle Informationen beinhalten, wird in der modernen Forschung weitgehend akzeptiert, dass Hadrian eine Autobiographie verfasst hat.
  2. Edward Togo Salmon: History of the Roman World from 30 B.C. to A.D. 138, Routledge, 1968 und Nachdrucke, ISBN 0-415-04504-5, S. 290.
  3. Götz Lahusen, Römische Bildnisse. Auftraggeber – Funktionen – Standorte, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2010, S. 194f.
  4. Paul Zanker, Die Maske des Sokrates: Das Bild des Intellektuellen in der antiken Kunst, C.H.Beck, München 1995, S. 206–221
  5. Historia Augusta, Hadrianus 25. Vgl. auch Jens Holzhausen: Hadrians nous und seine animula. In: Rheinisches Museum für Philologie 143, 2000, S. 96–109.
  6. Birley 2006, S. 5.
  7. Theodor Mommsen: Die Scriptores historiae Augustae. In: Hermes. Band 25, 1890, S. 229 (online).
  8. Theodor Mommsen: Die Scriptores historiae Augustae. In: Hermes. Band 25, 1890, S. 281.
  9. Fündling 2006, Bd. 4.1, S. 85.
  10. Fündling 2006, Bd. 4.1, S. 7.
  11. Birley 2006, S. 112.
  12. Fündling 2006, Bd. 4.1, S. 208.
  13. Birley 2006, S. 113.
  14. Opper 2009, S. 29.
  15. Mortensen 2004, S. 11–13.
  16. Mortensen 2004, S. 15.
  17. Mortensen 2004, S. 350.
  18. Mortensen 2004, S. 352.


Vorgänger Amt Nachfolger
Trajan Römischer Kaiser
117–138
Antoninus Pius

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