Haftungsrisiko

Haftungsrisiko

Unter Haftung versteht man das Unterworfensein eines Rechtssubjekts unter den Vollstreckungszugriff des Staates (staatliche Gewalt).

Aufgrund seines Gewaltmonopols hat ausschließlich der Staat das Recht und die Befugnis, seinen Strafanspruch durchzusetzen oder privatrechtliche Ansprüche Dritter gegenüber einem verpflichteten Rechtssubjekt zu vollstrecken. Die privatrechtliche Haftung ist also nicht identisch mit der privatrechtlichen Schuld, dem Verpflichtetsein eines Schuldners gegenüber einem Gläubiger, sondern deren typische Folge (Karl Larenz: „Die Haftung verleiht der Schuld ihre irdische Schwere“).

Der Begriff leitet sich vom allgemeinsprachlichen Begriff Haften im Sinne von Festhängen, Festkleben ab. Diese Wortverwandtschaft zeigt sich auch in den strafprozessualen Begriffen Verhaftung (Haftbefehl) und Festnahme. Im Strafrecht wird von einer „Haftung“ z. B. wegen Totschlags oder Diebstahls gesprochen, wenn die Voraussetzungen zur Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs erfüllt sind. In all diesen Fällen geht es um das Unterworfensein unter staatliche Gewalt.

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Inhaltsverzeichnis

Haftung im untechnischen Sinn

In einem weiteren Sinn meint Haftung dagegen die Übernahme eines Schadens durch einen anderen als den unmittelbar Betroffenen, also die Verpflichtung zum Schadensersatz. Solche Haftungstatbestände enthalten etwa die Culpa in contrahendo, die Gewährleistung und das Deliktsrecht. Man unterscheidet den Normalfall der Verschuldens- und die Gefährdungshaftung.

Umgangssprachlich wird der Begriff der Haftung sogar noch allgemeiner als Synonym für privatrechtliche Schuld verwendet.

Schuld und Haftung

Abgrenzung

Die zwischen zivilrechtlicher Schuld und Haftung unterscheidende Terminologie wird weder in der juristischen Umgangssprache, noch im Bürgerlichen Gesetzbuch konsequent durchgehalten. Dennoch ist genau zu trennen: ein Schuldverhältnis (§ 241 Abs. 1 BGB) schafft einen Anspruch (§ 194 Abs. 1 BGB) des Gläubigers, also „das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen“. Die Realisierung des Gläubigeranspruchs gelingt nur, wenn das in Anspruch genommene Rechtssubjekt für seine Schuld auch haftet, d. h. der Anspruch in sein Vermögen vollstreckt und so zwangsweise durchgesetzt werden kann (vgl. Zwangsvollstreckung, Insolvenzverfahren).

Auseinanderfallen von Schuld und Haftung

Typischerweise folgt die Haftung der Schuld nach. Wer z. B. die Zahlung von 50 Euro schuldet, haftet auch für die Erfüllung dieser Schuld in Höhe von 50 Euro. Es gibt aber auch Fälle, in denen Schuld keine Haftung nach sich zieht, oder in denen Haftung keine Schuld voraussetzt:

Haftung ohne Schuld

Pfandrechte beispielsweise begründen nur Haftung, aber keine Schuld (allenfalls kann der Eigentümer des verpfändeten Gegenstands gleichzeitig Schuldner der gesicherten Forderung sein, was möglich, aber nicht erforderlich ist). § 1113 BGB spricht zwar davon, die Belastung eines Grundstückes mit einer Hypothek habe zur Folge, dass „eine bestimmte Geldsumme zur Befriedigung wegen einer (…) Forderung aus dem Grundstück zu zahlen ist“, was man zunächst als Begründung einer Schuld verstehen könnte. Dagegen spricht aber, dass Geldsummen in diesem Sinne gar nicht „aus dem Grundstück“ gezahlt werden können (wie soll das gehen?), also etwas anderes gemeint sein muss. Folgerichtig ergänzt § 1147: „Die Befriedigung des Gläubigers aus dem Grundstück (…) erfolgt im Wege der Zwangsvollstreckung“. Der Eigentümer des belasteten Grundstücks schuldet also aus der Hypothek kein Geld, sondern haftet lediglich mit dem Grundstück für eine bereits bestehende Schuld (etwa auf Rückzahlung eines Darlehens). Noch deutlicher wird dies am Beispiel der Grundschuld, die überhaupt keine Forderung (und somit auch keine Schuld) voraussetzt.

Ein anderer Fall der Haftung ohne korrespondierende Schuld liegt vor, wenn ein Gläubiger ausnahmsweise nicht in das Vermögen des Schuldners vollstreckt, sondern in das eines Dritten, weil dieser Schuldnervermögen anfechtbar erworben hat. Er muss dann die Zwangsvollstreckung dulden, obwohl er selbst dem Gläubiger nichts schuldet.

Schuld ohne Haftung

Umgekehrt ist auch Schuld denkbar, für deren Erfüllung der Schuldner nicht oder nicht in vollem Umfang haftet. Im Falle eines Erben, dessen Haftung für Nachlassverbindlichkeiten nach § 1975 BGB auf den Nachlass beschränkt ist, kann die Situation vorliegen, dass er für seine Schuld nur teilweise haftet. Wer etwa 50 Euro Guthaben und 500 Euro Schulden geerbt hat, schuldet zwar 500 Euro, haftet aber für diese Schuld unter bestimmten Voraussetzungen nur mit den 50 Euro. Wird dennoch in sein übriges Vermögen vollstreckt, kann er dagegen mit der Vollstreckungsabwehrklage vorgehen (§ 785 ZPO).

Ähnliches kann in der Gesamthandsgemeinschaft und bei see- und binnenschifffahrtsrechtlichen Haftungsbeschränkungen geschehen (§ 786a ZPO).

Früher wurden auch die sogenannten „unvollkommenen Verbindlichkeiten“ (Naturalobligationen) zu Ansprüchen gezählt, die zwar bestehen und erfüllbar sind, jedoch nicht durchgesetzt werden können. Heute wird überwiegend vertreten, in solchen Fällen liege nicht einmal Schuld vor.

Missverständliche Verwendung des Begriffs Haftung

Aus rein sprachlichen Gründen wird der Begriff der Haftung vereinzelt undogmatisch als Synonym für Schuld verwendet. So wird in § 769 BGB angeordnet, Mitbürgen „haften (…) als Gesamtschuldner“. Damit sollte lediglich eine stilistisch unschöne Wiederholung vermieden werden („schulden als Gesamtschuldner“). Missverständlich ist auch der Name der GmbH als „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“, da die Gesellschaft keineswegs für ihre Schulden beschränkt haftet, sondern unbeschränkt mit ihrem gesamten Gesellschaftsvermögen. Gemeint ist vielmehr die beschränkte „Haftung“ ihrer Gesellschafter, da sie die Verbindlichkeiten der GmbH nicht persönlich schulden.

Umfang der Haftung

Man unterscheidet persönliche und dingliche Haftung. Wer persönlich haftete, hatte ursprünglich tatsächlich mit seiner Person für die Schuld einzustehen (Schuldknechtschaft, Schuldsklaverei, Schuldturm). Heute bedeutet die persönliche Haftung eine Haftung mit dem ganzen Vermögen, wobei aus Gründen des Schuldnerschutzes (und damit nicht die staatlichen Sozialsysteme einspringen müssen) bestimmte Bereiche von der Haftung ausgenommen sind („pfändbares Vermögen“). Die persönliche Haftung ist der gesetzliche Normalfall und als selbstverständlich vorausgesetzt: ohne Haftung wäre die Verpflichtung nichts wert.

Die dingliche Haftung umfasst dagegen nur einen bestimmten Vermögensgegenstand, etwa ein Grundstück, eine Forderung oder eine bewegliche Sache. Sie wird durch ein Pfandrecht begründet. Obwohl der Gegenstand selbst ein Teil des Vermögens ist, ist diese Art der Haftung für den Gläubiger weitaus günstiger als die persönliche: er muss nicht mit anderen Gläubigern konkurrieren, sondern kann sich bevorzugt aus dem Gegenstand befriedigen, der zudem typischerweise (Grundstück) seinen Wert auch langfristig behält.

Die Haftungsbeschränkung hat, entgegen ihrem Namen, mit einer Beschränkung der Haftung im engeren Sinne nichts zu tun. Sie beschränkt nämlich nicht die Haftung für bestehende Schulden, sondern verhindert bereits, dass eine Schuld überhaupt entsteht (anders aber die see- und binnenschifffahrtsrechtlichen Haftungsbeschränkungen; vgl. oben). Die Haftungsbeschränkung senkt dazu beispielsweise den „Haftungsmaßstab“ (eigentlich: den Verschuldensmaßstab) ab, indem z. B. bei leichter Fahrlässigkeit kein Schadensersatz geschuldet sein soll. Dann entsteht bereits kein Anspruch, die Frage der Haftung stellt sich gar nicht. Das „Haftungsrisiko“ in diesem Sinne trägt, wer von einem oder mehreren Gläubigern grundsätzlich in Haftung genommen werden, also haftbar gemacht werden kann (vgl. Schadensersatz).

Siehe auch

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