Halet Çambel

Halet Çambel

Halet Çambel (* 27. August 1916 in Berlin) ist eine türkische Archäologin. Sie zählt zu den bedeutendsten Vertretern der Forschung für Ur- und Frühgeschichte in der Türkei.

Leben

Halet wurde als drittes Kind des Ehepaares Hasan Cemil Çambel und Remziye Çambel geboren. Ihre Mutter, war die Tochter des türkischen Botschafters in Berlin. Ihr Vater war türkischer Militärattaché in Deutschland und ein Freund Atatürks.[1] Nach dem Ersten Weltkrieg lebte die Familie einige Jahre in der Schweiz und in Österreich.[1] Aufgrund der Besetzung des Osmanischen Reiches nach Kriegsende und nach dem Vertrag von Sèvres kehrte die Familie erst nach der Gründung der Republik in die Türkei zurück.[2]

Die Mittel- und Sekundarstufe absolvierte sie auf dem Mädchengymnasium in Arnavutköy.[1] Seit dem Wohnortwechsel in diesen Stadtteil 1930 begann Çambel auch, auf dem nahe gelegenen englischsprachigen Robert-College Fechtsport zu trainieren.[2] An der Pariser Sorbonne studierte sie Archäologie sowie Ur- und Frühgeschichte,[1] ein Fach, das in dieser Zeit in der Türkei von deutschen Gelehrten geprägt war.[2] Sie war weiterhin eine der ersten türkischen Frauen bei Olympischen Spielen, als sie im Jahre 1936 in Berlin als Fechterin antrat.[2]

1940 begann sie an der Istanbuler Fakultät für Literatur als Assistentin zu arbeiten und erwarb dort den Doktortitel.[1] Danach war sie in der Universität Saarbrücken als Gastdozentin tätig.[1] Nach ihrer Rückkehr in die Türkei heiratete sie den Dichter und späteren Architekten Nail Çakırhan (1910-2008).[2] Anfang der 1950er Jahre beeinflussten die neuen Funde der antiken Hethiter-Stadt Karatepe in der Nähe von Kadirli, der Heimatstadt ihrer Familie in der Provinz Osmaniye, ihre Karriere maßgebend.[1] Anfänglich Schülerin des deutschen Professors Helmuth Theodor Bossert wirkte sie an den Ausgrabungen in Karatepe-Aslantaş' und an der Entschlüsselung der hethitischen Sprache mit. Weiterhin arbeitete sie sehr eng mit Kurt Bittel, dem späteren Präsidenten des Deutschen Archäologischen Institutes zusammen. Halet Çambel übernahm 1960 den Lehrstuhl für Vorderasiatische Archäologie an der Universität Istanbul und war damit eine der ersten Professorinnen der Türkei überhaupt.[2] Sie erhielt zahlreiche Ehrungen, darunter den Ehrendoktor der Eberhard Karls Universität Tübingen und den Prince Claus Award.

Einen Eindruck von der Pionierleistung und von der Vorbildfunktion, die Halet Çambel für ganze Generationen von Studenten hatte, mag ein Zitat der dänisch-deutschen Ethnologin Ulla Johansen vermitteln. Çambel und Bahadır Alkım, ein weiterer ehemaliger Schüler von Bossert, hatten Johansen 1957 in unorthodoxer Weise geholfen, Kontakte mit den nomadischen Aydınlı für ihre Feldforschungen zu knüpfen:[3]

„Halet und Bahadır fühlten sich verpflichtet, während der 4-5 jährlichen Grabungsmonate die Kinder des nahgelegenen Dorfes, aus dem auch ihre Arbeiter kamen, täglich drei Stunden zu unterrichten, denn es gab zu jener Zeit in den entlegenen kleinen Dörfern Südost-Anatoliens noch keine Schulen. Ebenso führten sie eine gesundheitliche Betreuung der Dorfbewohner durch. Viele Bauern kamen deshalb auch aus dem weiteren Umkreis auf die Grabung. Obwohl sie eine nur knapp vierzigjährige und gut aussehende Frau war, wurde Halet von den Bauern allgemein respektiert. Daß sie nie in zweideutige Situationen kam, lag an ihrem Auftreten: Sie trug bequeme Hosen und schlichte, hochgeschlossene Blusen, die ihre Oberarme voll bedeckten, dazu eine männlich wirkende Schirmmütze über dem kurzen Haarschnitt. Sie sagte den Bauern stets geradeheraus und unprätentiös, was sie meinte und beabsichtigte. Ich habe in der Folgezeit Halet kopiert und ebenfalls - im Gegensatz zu dem, was mir vorher über die männlichen Türken prophezeit worden war - auf dem Lande nie auch nur Anzüglichkeiten hören müssen.[4]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g http://tr.wikipedia.org/w/index.php?title=Halet_%C3%87ambel&oldid=315561: Türkische Wikipedia: Lemma Halet Çambel, ohne Quellenangabe, pauschale Literaturangabe: Nebil Özgentürk, Bir Yudum İnsan
  2. a b c d e f http://www.dradio.de/dlf/sendungen/gesichtereuropas/425866/: Deutschlandfunk, Deutschlandradio Kultur, Sendung "Gesichter Europas" vom 1. Oktober 2005, "Die Professorin"
  3. Ulla Johansen: Felderfahrungen bei den Aydinli. Zur Entstehung der Sammlung des Hamburgischen Museums für Völkerkunde, pp. 27-39, in: Albert Kunze (Ed.): Yörük - Nomadenleben in der Türkei, Trickster, München 1994, ISBN 3-923804-79-2, ISBN 3-923804-22-9, S. 27
  4. U. Johansen, in: A. Kunze (Ed.) 1994, a. a. O., S. 28

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