Halluzinogene

Halluzinogene

Als Halluzinogene (von Lateinisch hallucinari, „faseln“ und Griechisch -gen, „erzeugend“[1]) werden Substanzen bezeichnet, die mehr oder minder ausgeprägte Veränderungen der visuellen, akustischen oder haptischen Wahrnehmung hervorrufen (siehe Halluzination), gleichzeitig aber nur untergeordnet stark ausgeprägte geistige Verwirrung, tief greifenden Gedächtnisverlust und grobe Desorientiertheit in Bezug auf Personen, Raum und Zeit hervorrufen. Halluzinogene werden damit abgegrenzt von den Delirantia sowie von den Dissoziativa. Eine weitere Abgrenzung besteht gegenüber den Oneirogenen (traumerzeugenden Substanzen), z. B. Harmalin. Genau genommen erzeugen Halluzinogene Pseudohalluzinationen, d. h. man ist sich der „Unwirklichkeit“ dieser Eindrücke bewusst, oder anders ausgedrückt: der innere Beobachter und das Bewusstsein, jetzt unter dem Einfluss einer Droge zu stehen, bleiben erhalten. Dennoch ist es u. U. nicht möglich, sich emotional davon zu distanzieren. „Echte“ Halluzinationen zeichnen sich gerade dadurch aus, dass man diese für „real“ hält und von der alltäglichen Wirklichkeit nicht unterscheiden kann – und gegebenenfalls danach handelt. Echte Halluzinationen werden z. B. von Delirantia erzeugt und bei psychotischen Erkrankungen erlebt.

Zu den potentesten Halluzinogenen gehören LSD und Salvinorin A, zu den wirkkräftigsten das DMT.

Inhaltsverzeichnis

Historische Begriffsentwicklung

Der Begriff Halluzinogen stimmt zwar nicht überein mit seiner buchstäblichen Wortbedeutung, fügte sich aber in den kulturellen Sprachschatz ein und wurde, nachdem er sich eingebürgert hatte, nicht mehr umbenannt.

Bedeutungsähnliche Begriffe

Halluzinogene zählen also zu den psychoaktiven Substanzen. Die Begriffe Psychotomimetika (siehe auch Modellpsychose), Psychodysleptika oder Entheogene werden gebraucht, um bestimmte Aspekte von Halluzinogenen hervorzuheben, oder sind stilistisch kennzeichnend für eine historische Episode oder spiegeln weltanschauliche Züge wider. Der Begriff wird manchmal synonym zu Psychedelikum gebraucht.

Eigenschaften

„Klassische“ Halluzinogene

Weithin bekannte halluzinogene Substanzen sind unter anderem LSD, Meskalin und Psilocybin.

Chemisch-strukturelle Aspekte

Die serotonerg wirkenden „klassischen“ Halluzinogene entstammen vorwiegend folgenden Strukturklassen: Tryptamine, Ergoline, kernsubstituierte Phenethylamine und Amphetamine. Im Jahr 2006 wurde erstmalig gezeigt, dass N-Substitution an Phenylethylaminen nicht zwangsläufig mit Affinitätseinbußen einhergehen muss: N-Benzyl-Analoga von 2C-I sind extrem affine h5-HT2AR-Agonisten.[2]

Pharmakologische Aspekte

Es ist der 5-HT2A-Rezeptor, der für den Wirkmechanismus der „klassischen“ Halluzinogene von zentraler Bedeutung ist. Die bisherige Einteilung in Agonist und Antagonist, und die Angabe oder Ermittlung der intrinsischen Aktivität basierte auf dem Grad der Aktivierung des Enzyms PLC („PI-turnover“). Jedoch korreliert die PLC-Aktivierung allein nicht gut mit der subjektiv erlebten halluzinogenen Wirkstärke. So hat LSD – ein starkes Halluzinogen – hier nur eine schwache Efficacy von 22% (Serotonin = 100%). Daher haben möglicherweise andere Phospholipasen für die Halluzinogenesis substanziellere Bedeutung (PLA2, PLD).[3] [4]

Die Bindung an bestimmte weitere Serotonin-Rezeptoren oder Dopamin-Rezeptoren wirkt modulierend: additiv oder synergistisch potenzierend.

Hirnphysiologisch gesehen wirken nach FX Vollenweider (zahlreiche Veröffentlichungen) Halluzinogene auf die CSTC-Schleife (Corticostriatothalamicocorticale Feedbackschleife) ein. Dies bedeutet, daß innere wie äußere Wahrnehmungen (Sinneseindrücke), gefiltert vom Thalamus (dem Tor zum Bewußtsein), in das Großhirn gelangen (wo bewusste Wahrnehmung und Interpretation der Wahrnehmung stattfindet). Diese Interpretation der Wahrnehmung wird nun als „Filteranleitung“ in den Thalamus zurückgeschickt, so wird unsere Wahrnehmung nach Wichtigem gefiltert, damit stabilisiert, aber auch eingeengt. Halluzinogene entkoppeln nun diese Rückkopplungsschleife über diverse Mechanismen.

Subjektives Erleben

Die Wahrnehmungsveränderung kann sich in einer verstärkten Farbwahrnehmung oder auch der Wahrnehmung komplexer Muster in phantastischen Farben, Strukturen und Formen äußern. Bekannt sind auch Synästhesien, also Vermischungen von Sinneseindrücken, wie etwa „gehörte Farben“ oder „geschmeckte Töne“. Daneben kommt es zu einer Verstärkung des affektiven Erlebens, einer Veränderung des Empfindens für Zeit, für die Welt und für sich Selbst (entweder angstvoll als Derealisation und/oder Depersonalisation erlebt, oder auch euphorisch als ein Zustand von „Einheit“). Stanislav Grof (z. B. in Topographie des Unbewussten und LSD-Psychotherapie) kategorisiert die durch Halluzinogene ausgelösten Erfahrungen in sensorische-, psychodynamische-, perinatale- und transpersonale Erlebnisse. Adolf Dittrich (diverse Veröffentlichungen) unterscheidet die Erlebnisse in veränderten Bewusstseinszuständen (durch Halluzinogene oder auch anders ausgelöst) nach den Dimensionen „Ozeanische Selbstentgrenzung“, „Angstvolle Ichauflösung“ und „Visionäre Umstrukturierung“.

Prominente Einzelstoffe

Einige Halluzinogene sind LSD, DMT, Psilocin, Meskalin, Ololiuqui, DOM und Scopolamin. Allerdings ist Scopolamin (dosisabhängig) eher ein Delirantium.

Weitere Stoffe

Ein Halluzinogen das sich von den vorgenannten in seiner Pharmakologie sehr deutlich abhebt, ist das Salvinorin A, aus der Salbei-Art Salvia divinorum. Cannabis und Ecstasy (MDMA) werden mitunter den Halluzinogenen zugerechnet, wenn auch die Wahrnehmungsveränderungen hier im Vergleich zu den oben genannten Substanzen geringer sind und sich pharmakologisch unterscheiden.

Siehe auch

  • Portal:Drogen

Literatur

  • Hanscarl Leuner: Halluzinogene, Psychische Grenzzustände in Forschung und Psychotherapie, Verlag Hans Huber, Bern, ISBN 3-456-80933-6
  • Wolfgang Schmidbauer, Jürgen vom Scheidt: Handbuch der Rauschdrogen, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a. M., ISBN 3-596-24580-X
  • Stanislav Grof: LSD-Psychotherapie, Klett-Cotta
  • Samuel Widmer: Ins Herz der Dinge lauschen, Nachtschattenverlag, 1989; ISBN 3-907080-03-3
  • Adolf Dittrich, Albert Hofmann und Hanscarl Leuner: Welten des Bewusstseins diverse Bände; VWB-Verlag, Berlin
  • Fritz Danner: Vom Ende des Kämpfens, Projekte-Verlag, 2008, ISBN 978-3-86634-486-0

Referenzen

  1. wissen.de: Halluzinogene
  2. Braden MR et al. (2006): „Molecular interaction of serotonin 5 HT2A receptor residues Phe339(6.51) and Phe340(6.52) with super-potent N-benzyl phenethylamine agonists“, Mol.Pharmacol., Vol.25. pdf-Volltext
  3. D.E. Nichols (2004), „Hallucinogens“, Pharmacol. Ther., Vol. 101, 131-81 (S. 143) (pdf-Volltext)
  4. D.M. Kurrasch-Orbaugh et al. (2003): „Serotonin 5-Hydroxytryptamine2A Receptor-Coupled Phospholipase C and Phospholipase A2 Signaling Pathways Have Different Receptor Reserves“, Pharm. Exp. Ther., Vol. 304 (1), 229-237 Volltext

Weblinks

  • Uni Marburg Halluzinogene
  • Zur Pharmakologie „klassischer“ Halluzinogene:
  1. Harel Weinstein (2006), Hallucinogen Actions on 5-HT Receptors Reveal Distinct Mechanisms of Activation and Signaling by G Protein-coupled Receptors, AAPS 7 (4), E872-84 (engl.)
  2. David E. Nichols (1998), The Medicinal Chemistry of Phenethylamine Psychedelics, Heffter Review, Vol 1, 40-45 (pdf, engl.)
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