Hamburger Hafenbarkasse

Hamburger Hafenbarkasse
Hamburger Hafenbarkasse auf der Norderelbe
Hamburger Hafenbarkassen
Hamburger Hafenbarkasse vor Dock 10 von Blohm-Voss

Die Hamburger Hafenbarkasse ist ein Typ von kleinen, motorisierten Binnenschiffen, der sich für die Erfüllung verschiedener Hilfsaufgaben des Verkehrs im Hamburger Hafen zwischen dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert entwickelte. Seine Blütezeit erlebte dieser Schiffstyp von den 20er bis zu den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. Mit den Strukturveränderungen im Hafenbetrieb weg von Stückgutumschlag und dem Aufstieg des Containerumschlags verloren sie für die Hafenwirtschaft weitgehend ihre Bedeutung. Heute kennen viele Besucher Hamburgs die Barkassen als Fahrzeuge für Hafenrundfahrten und Ausflüge auf der Unterelbe. Mit der vorauseilenden Umsetzung einer EU-Verordnung über die Sicherheit von Fahrgastschiffen wird aber die Ära der breiten Nutzung der klassischen Hamburger Hafenbarkassen für Hafenrundfahrten möglicherweise schon 2009 enden.

Inhaltsverzeichnis

Bauform

Die typische Hamburger Hafenbarkasse ist ein offenes Motorschiff mit einem kleinen Deckshaus nur im vordersten Bereich des Rumpfes (typisch etwa dem ersten Viertel der Länge). Das Verhältnis von Länge zu Breite beträgt üblicherweise größer als 4:1. Hamburger Hafenbarkassen wurden in Längen von knapp über 10 Metern bis oberhalb von 20 Metern gebaut. Der Rumpf ist ein schlanker Verdränger in Rundspant-Bauform und weitgehend vertikalem Vordersteven, der mit einem kurzen Kreisbogen in einen weitgehend waagerechten (oder aber gerade fallenden) Kiel übergeht. Der Kiel endet in einer Ruderhacke für das einzelne Ruderblatt. Der Antrieb erfolgt über eine einzelne, typisch drei- oder vierblättrige Schraube. Der Motor befindet sich mittschiffs in einem Kasten hinter dem Deckshaus. Rumpf und Deckshaus sind in genieteter oder geschweißter Stahlbauweise erstellt.

Motorisierung

Frühe Hamburger Hafenbarkassen waren mit Dampfmaschinen ausgerüstet. Um die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts kamen Dieselmotoren für Barkassen auf. Diese vereinfachten deren Betrieb, da nun kein Heizer mehr erforderlich war und das Schiff von einer Person geführt werden konnte. Die Hamburger Jastram-Werft war mit ihren eigenen Dieselmotoren lange der Marktführer für die Antriebe von Hafenbarkassen. Während kleinere Barkassen Motorleistungen von 50 bis 100 PS hatten, konnte diese bei größeren durchaus bis zu 200 PS reichen.

Deckshaus und Steuerstand

Zu Beginn der Geschichte der Hamburger Hafenbarkassen wurden diese von einem offenen Steuerstand aus gefahren, welcher in das hintere Ende des Deckshauses eingelassen war. Der Steuerstand ist soweit erhöht, dass der Schiffsführer gut über das Dach des Deckshauses blicken kann. Der Steuerstand verfügte lediglich über ein Steuerrad mit mechanischer Kraftübertragung (über Zahnrad und Kette) zum Ruderwelle im Heck, sowie einen Gashebel für den Motor und eventuell einen Hebel für das Wendegetriebe für Rückwärtsfahrt. Noch in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts hatten die meisten Barkassen den offenen Steuerstand. Dieser ermöglichte dem Schiffsführer eine gute optische und akustische Übersicht über den Verkehr in seiner Nähe.

Allerdings gab es auch schon früher Barkassen mit geschlossenem Steuerstand. Diese waren ebenfalls in das Deckshaus eingelassen, allerdings mit Front-, Seiten- und gegebenenfalls einer Heckscheibe, einem kleinen Dach und einer rückwärtigen Doppelflügeltür versehen. Inzwischen haben alle Hamburger Hafenbarkassen geschlossene Steuerstände.

Auf einer Seite des Steuerstandes befindet sich die Tür zum Deckshaus. Der Innenraum des Deckshauses ist grob trapezförmig und bietet einige Sitzplätze − typisch auf seitlichen Bänken − und ein wenig Stauraum. Auf der anderen Seite des Steuerstandes befindet sich häufig ein kleiner Abort. In diesem befand sich früher oft nur ein einfacher Eimer zur Verrichtung der Notdurft. Später wurde dieser meist durch ein WC ersetzt.

Deck

Hinter dem Deckshaus befindet sich das freie Deck der Barkasse. Genau genommen handelt es sich dabei nicht um ein Deck, da der Rumpf nach oben offen ist – es gibt einen lose eingelegten Boden und gegebenenfalls noch seitliche Verkleidung, um die Spanten vor Beschädigungen zu schützen.

Im Decksbereich ist mittschiffs hinter dem Deckshaus die Maschine angeordnet, die sich in einem Kasten befindet. Je nach Größe und Ausstattung können sich an den Längsseiten des Decksbereiches Sitzbänke befinden. Wenn diese vorhanden sind, reichen sie üblicherweise über die gesamte Länge des Decksbereichs.

Am Heck befindet sich die Rudermechanik in einem geschlossenen Aufbau. Dieser kann auch als erhöhte Standfläche genutzt werden, um von der Barkasse auf ein Fallreep oder die Gangway eines Schiffes zu steigen. Um sich auf dieser Fläche festhalten zu können, befindet sich auf manchen Barkassen ein spezieller Griff in der Mitte der Standfläche – ein vertikales Rohr, an dessen oberem Ende ein kleiner horizontaler Ring von etwa 20cm Durchmesser als Griff angebracht ist.

Ursprüngliche Nutzung

Hamburger Hafenbarkassen hatten zur Zeit ihrer Indienststellung typisch folgende Aufgaben:

  • Schleppen von Schuten und Bugsieren von kleineren Schiffen
  • Schneller Transport kleinerer Mengen von Stückgut innerhalb des Hafens
  • Transport von Versorgungsgütern zu Schiffen im Hafen
  • Personentransport
    • zu Schiffen, welche an Dalben anstatt einer Kaimauer festgemacht waren
    • als Fähre und als Zubringer für Arbeiter von Werften und Reedereien
    • für Taxidienste („Wasserdroschke“)
  • Transport von Dokumenten und Post

Nutzung für Hafenrundfahrten

Die alte Barkasse Jens als Ausflugsschiff an der Medem

Seit dem Zusammenbruch des Stückgutumschlages im Hamburger Hafen ist die Zahl der dort beschäftigten Menschen stark zurückgegangen. Gleichzeitig sind viele Hilfsaufgaben im Hafenverkehr, die früher von Barkassen erfüllt wurden, entweder ganz entfallen oder werden heute auf der Landseite durchgeführt. Seit den 1960er Jahren werden Hamburger Hafenbarkassen zunehmend für den Tourismus eingesetzt – sie führen Hafenrundfahrten mit Passagieren durch. Durch ihre geringe Höhe können sie auch bei Hochwasser noch die Kanäle der Hamburger Speicherstadt befahren, was anderen Hafenfahrzeugen nicht möglich ist. Allerdings ist der Komfort auf einer Barkasse gegenüber anderen Rundfahrtschiffen etwas eingeschränkt. Die Fahrt auf einer Barkasse ist sehr viel "uriger" als auf größeren Schiffen. Die Passagiere sind näher am Wasser (und können auch mal einen Spritzer abbekommen), hören und fühlen die Maschine und die Bewegungen des Schiffes deutlich. Auch Wind und Wetter sind die Passagiere stärker ausgesetzt. Für den Rundfahrtbetrieb sind viele Barkassen umgebaut worden. So wurden ihre Deckshäuser bis hinter den Steuerstand verlängert, um mehr gedeckte Sitzplätze zu schaffen. Hinter dem fest überdachten Deckshaus können für die kalte Jahreszeit oft Persenninge als Dach und an den Seiten gespannt werden, um den Passagierraum fast vollständig zu schließen.

Sicherheit

Aus der Konstruktion der Hamburger Hafenbarkasse ergibt sich, dass sie in klassischer Bauweise nur über wenig Auftriebsreserve verfügt. Da der offene Decksbereich kein wasserdichtes Deck besitzt, trägt dieser Abschnitt des Rumpfes im Fall des Kenterns oder eines Lecks nicht mehr zum Auftrieb bei. Lediglich in der Vorpiek (also zwischen Vordersteven und Deckshaus) und im Kasten für die Rudermechanik am Heck können wasserdichte Sektionen vorhanden sein. Ob diese genügend Auftriebsreserve bieten, um eine havarierte Hamburger Hafenbarkasse schwimmfähig zu halten, ist eher zweifelhaft. Hamburger Hafenbarkassen sind für ihr Eigengewicht allerdings recht gut motorisiert, schlank gebaut und wendig. In ihrem normalen Fahrtgebiet sind sie selten mehr als wenige hundert Meter vom Ufer entfernt. Im Vergleich zu anderen Passagierschiffen – beispielsweise fast allen großen Rundfahrtschiffen im Hamburger Hafen – haben Barkassen einen sehr niedrigen Schwerpunkt. Daher liegen sie für ihre Größe sehr stabil im Wasser.

Siehe auch

Literatur

  • Holger Patzer: Die Fluß- und Hafenschiffahrt der DDG Hansa. H. M. Hauschild, Bremen 2009, ISBN 3-8975-7140-4.

Weblinks


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