Harlekin

Harlekin
Harlekin mit Maske

Der Harlekin, vom italienischen Arlecchino, das wiederum auf die noch älteren altfranzösischen Wörter (h)arlekin, (h)erlekin, (h)ellequin, harlequin und ähnliche aus dem 12. Jahrhundert zurückgeht, ist eine der Dienerfiguren aus der Commedia dell’arte der Renaissance.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Herkunft dieser Figur ist nicht vollständig zu klären. Ende des 11. Jahrhunderts berichtet aber der Chronist Ordericus Vitale, dass er als später Wanderer an der normannischen Küste von einer „Dämonenschar“ verfolgt wurde. Diese würde angeführt von einem wild aussehenden, vermummten, mit einer Keule bewaffneten Riesen. Diese Legende ist weiterhin bekannt als „wilde Jagd der Herlekin-Leute“ oder „familia herlequin“, welche einsame Menschen des nachts erschreckten. Die altfranzösische Vorstellung von der „familia herlequin“ wurzelt im Dämonenkult und handelt von einem Seelen- oder Totenheer. Diese weit verbreitete Vorstellung reicht vom germanischen Odinsgefolge bis zum stillen Nebelstreif in Goethes Ballade vom Erlkönig. Diese verschiedenen Vorstellungen haben einiges gemeinsam, denn ihre Attribute sind zumeist Tiermaskeraden, Gebell, Tosen und Kreischen etc. Diese dämonischen, teuflischen Züge vererbten sich an den derben Spaßmacher und Possenreißer Harlekin, in Form der Hörnerkappe und der schwarzen Halbmaske oder fratzenhaften Mimik.

Sein Name lässt sich über das italienische Wort (h)ellechin(n)o für „kleiner Teufel“ erklären (in(n)o ist die männliche Verkleinerungsform). Der erste überlieferte Bühnenauftritt des Harlekin stammt aus dem Jahr 1262: Dort trat er als Narrenbeißer Croquesquot, wahrscheinlich bekleidet mit einer Teufelsmaske und einem Kapuzenmantel, in Jeu da la Feuillière von Adam de la Halle auf. Das Kostüm verweist bereits auf die spätere Garderobe des Arlecchino in der italienischen Commedia dell’arte, trägt aber immer noch dämonische bzw. teuflische Züge. Dante Alighieri erwähnt im 21. Gesang des Infernos seiner Göttlichen Komödie (wahrscheinlich entstanden zwischen 1307 und 1321) einen Dämon namens Alichino („Eistreter“ in der deutschen Übersetzung). 1314 wird der Harlekin zum Bürgerschreck im Charivari-Blatt, einer satirischen Versdichtung.

Geschaffen wurde diese Maske jedoch von Tristano Martinelli, einem Schauspieler der Compagnia dei Comici Gelosi, der zunächst eher die bäuerlichen Züge aus den Gebirgstälern des Bergamo herausarbeitete. Sein Gewand bestand noch aus grobem Leinen mit bunten Flicken und einem Hasenschwanz an der Mütze als Zeichen seiner Feigheit. Das Rhombengewand entstand erst durch Domenico Biancolelli während der Pariser Gastspiele, das frühere wurde dem dortigen Geschmack angepasst.

Weitere Namen für den Arlecchino sind, je nach individueller Ausprägung der ihn darstellenden Schauspieler, beispielsweise Truffaldino (etwa in Carlo Goldonis Der Diener zweier Herren), Mezzetino, Fritellino und viele weitere.

Kostüm

Charakteristisches Kleidungsstück des Harlekin ist sein mit Flicken übersätes Kostüm gewöhnlich in den Farben rot, gelb und blau, das seine Armut ausdrücken soll. Eine schwarze Augenmaske verbirgt das Gesicht des Harlekins. Auf seinem Kopf trägt er eine Kappe, die noch im 16. Jahrhundert, also in der Entstehungsphase des Harlekin, von einer Hahnenfeder, später aber meist von einem Fuchs- oder Kaninchenschwanz geziert wurde. Beinkleid wie Jacke oder Joppe sind eng anliegend, der Gürtel weit unter dem Bauchnabel. Am Gürtel trägt der Harlekin stets ein Brettchen oder ein Holzschwert, „batte“ genannt. Manchmal führt er einen Lederbeutel für die Dukaten mit sich, die er mit List erbeutet.

Charakter

Der Harlekin besitzt eine agile und flexible Natur. So ist er niemals still, geruhsam oder träge, sondern meist von ausgelassener Lustigkeit. Auch wenn er gelegentlich ungehobelt wirkt, ist er nicht dumm, sondern in Wahrheit geistreich und schlagfertig. Ebenfalls individuelle Eigenschaften des Harlekin sind sein ständiger Hunger, Durst und sein sexueller Appetit, d. h., dass er eine gewisse Vorliebe für Erotik und weniger Interesse an einer festen Bindung hat. Sein sprunghaftes Wesen kommt in seinen akrobatischen Künsten zum Vorschein, wenn er Sprünge vollführt oder Purzelbäume schlägt. Er kommt nie zur Ruhe und ist immer „auf dem Sprung“. Diese Agilität kommt in fast allen Bildern zum Ausdruck, in denen ein Harlekin abgebildet ist, denn meistens sieht man ihn hüpfen oder ein Bein vor das andere stellen.

Große oder erfolgreiche Harlekine müssen aber in ihrer komödiantischen Ausgestaltung nicht sehr vielseitig sein, meist haben sie ein eher einfaches Grundkonzept - ihre Gags müssen einfach nur wie frisch ersonnen wirken. So auch der Arlecchino in der Commedia dell’arte, der sich zu einer der anspruchsvollsten Rollen entwickelte. Die Figur des Harlekin lässt sich nicht direkt einer Seite - Gut oder Böse - zuordnen. Eher bewegt er sich in einem Grenzbereich zwischen den beiden Sphären.

Commedia dell’arte

Hauptartikel: Commedia dell’arte

Der italienische Arlecchino ist einer der Hauptcharaktere in der Commedia dell’arte, die im 16. Jahrhundert in Italien entstand. Der Darsteller des Arlecchino muss eine Reihe an Wortspielen und Späßen treffsicher und pointiert einsetzen können, da die Stücke der Commedia dell’arte größtenteils nur aus groben Handlungsgerüsten bestehen (beispielsweise „La piazza d’Isabella“ in: I canovacci della Commedia dell’arte) und nicht wie klassische Dramen einen festen Text und Handlungsablauf besitzen. Arlecchino wuchs mit der Zeit über seine Rolle des reinen Spaßmachers hinaus: Er entlarvt die Lügner, lenkt die Schicksale und ist natürlich Publikumsliebling. Der Harlekin an sich war schon immer derjenige, der sagen konnte, was andere nicht durften: Er genoss die Narrenfreiheit und wurde selten von den Machthabern verboten, da diese sich dann den Zorn der Bevölkerung zugezogen hätten.

Wichtiges Merkmal der Commedia ist das Spiel mit Masken, die nur über Augen und Nase gehen. Von den mindestens sechs festen Charakteren tragen vier Masken: Es handelt sich um die zwei Alten und deren Diener, auch „Zanni“ genannt. Pantalone ist ein venezianischer Kaufmann, mit roter Weste und Hose und schwarzem Mantel. Er ist immer auf Brautschau, oder, wenn er verheiratet ist, rasend eifersüchtig. Ein anderer Alter ist der Dottore, er stellt die Karikatur eines Bologneser Gelehrten dar, der in eine schwarze Kluft gekleidet ist und fehlerhaftes Latein zum besten gibt. Zu den Zanni gehört erstens natürlich Arlecchino als dumm-schlauer und unersättlicher Tölpel im Flickenkostüm. Der zweite Zanni ist der gerissene Brighella, der meist die Fäden der Geschichte in der Hand hält. Diese vier Masken sprechen alle den Dialekt ihrer Herkunftsorte und werden über weite Strecken der Stücke improvisiert.

Als weitere Rollen kommen 1570 die Innamorati hinzu, die Liebespaare, ernste Rollen, welche als einzige sorgfältig einstudiert und auswendig gelernt werden. Sie treten immer ohne Maske auf.

Das weibliche Gegenstück zu Arlecchino ist die Serva, eine grobe Dienstmagd, die ebenfalls ohne Maske spielt und es mit der Moral und Schicklichkeit nicht allzu ernst nimmt.

Das Ende der Commedia dell’arte stellt sich um etwa 1700 in Italien und Frankreich ein. Quellen berichten, dass es ab etwa 1680 kaum noch gute Schauspieler gab und der Ruf des Publikums nach einem neuen Interpretationsstil immer lauter wurde.

Kritik

Der Harlekin ist Bestandteil der italienischen Theatertradition, wurde aber im Zeitalter der Aufklärung verbannt. Vor allem Johann Christoph Gottsched sah in ihm ein Ärgernis, da seine Komik anarchistisch sei, also nur zum Selbstzweck bestehe; dies verstieß gegen Gottscheds Auffassung der Regelhaftigkeit der Komödie. Zudem schreckt der Harlekin nicht vor Obszönitäten zurück und eignet sich somit nicht für eine moralische Darstellung nach Gottsched. Des Weiteren sind Narrenfiguren phantastische Figuren, also literarische Erfindungen – Gottsched hingegen vertrat die Ansicht, dass literarische Figuren Kontakt zur Realität haben sollten, um moralisch belehrend wirken zu können. Unter der Leitung von Friederike Caroline Neuber wurde 1737 eine Puppe des Harlekin auf der Bühne verbrannt, was die Vertreibung des Narren aus der aufklärerischen Theaterwelt symbolisierte. In der Romantik erlebte der Harlekin unter Brentano und Tieck ein Comeback.

Diverses

Erika Harbort: „Harlekin“ (1987)
  • Eine deutsche Wohlfahrtsmarke des Briefmarken-Jahrgangs 1970 zeigt einen Harlekin aus der Puppentheatersammlung München.
  • Ein Sondermodell des VW Polo III trug wegen seiner mehrfarbigen Lackierung den Namen „Harlekin“.
  • Es gab ebenfalls ein Sondermodell des VW Käfer 1600i aus Mexiko als Harlekin-Sonderedition.
  • Der Harlekin ist das Logo des Musikprojekts Lacrimosa.
  • Karneval des Harlekins ist ein Gemälde von Joan Miró aus dem Jahr 1924/1925.
  • Die größte Hertha BSC-Ultragruppierung nennt sich „Harlekins“.
  • Das Debütalbum des deutschen Rappers Favorite trägt den Namen „Harlekin“.
  • Eine schwere Erbkrankheit trägt den Namen Harlekin-Ichthyose (Ichthyosis gravis).
  • Harlekin und Harlekins Rückkehr sind zwei Abenteuerbände des Rollenspiels Shadowrun.
  • „Harlequin“ ist eine Ouvertüre für Blasorchester von Franco Cesarini.
  • Eine englische Rugbymannschaft nennt sich „Harlequins“.
  • Mit „Arlequin“ ist der 3. Satz aus dem Carnaval op. 9 für Klavier von Robert Schumann überschrieben.
  • In der Sammlung von Kurzgeschichten The Mysterious Mr. Quin von Agatha Christie (deutsch: Der seltsame Mr. Quin) trägt einer der Hauptcharaktere den Namen „Mr. Harley Quin“, an vielen Stellen wird auf die Figur des Harlekins in der Commedia dell’arte Bezug genommen.
  • In dem Buch Malfuria von Christoph Marzi kämpfen die Protagonisten gegen finstere Gestalten, die als Schatten mit Harlekinmasken beschrieben werden.
  • „Harlekin“ ist die Bezeichnung für die schwarz-weiße Fellfarbe bei Tieren.
  • Harley Quinn ist der Name einer Comicserie, die von 2000 bis 2003 vom amerikanischen DC-Verlag veröffentlicht wurde, sowie der Protagonistin dieser Serie. Die Reihe, eine Spin-off-Serie von Batman, handelte von einer geisteskranken ehemaligen Psychologin mit echtem Namen Dr. Harleen Quinzel, die in Batmans Erzfeind, den Joker, verliebt ist.
  • Truffaldino aus Bergamo ist ein sovjetischer Film über einen Harlekin, der zwei Herren gleichzeitig dient.
  • Insekten: Harlekinbär, ein lebhaft gefärbter Nachtfalter, und die Harlekinspringspinne (eigentlich: Zebraspringspinne).
  • Aus dem Harlekin ist der Lappenclown (eine Figur des Kölner Karnevals) entstanden.[1]

Literatur

  • Berthold, Margot und Rosenlecher, Hans Otto: Komödiantenfibel. Gaukler, Kasperl, Harlekin. L. Staackmann Verlag KG, München 1979, S. 51-62.
  • Dshiwelegow, A. K.: Commedia dell’Arte. Die italienische Volkskomödie. Insel Verlag, Berlin 1958.
  • Duchartre, Pierre Louis: The Italian Comedy. Dover Publications, Inc, New York 1966.
  • Hecker, Kristine: Die Frauen in den frühen Commedia dell’arte-Truppen. In: Die Schauspielerin. Zur Kulturgeschichte der weiblichen Bühnenkunst. Hrsg. von Renate Möhrmann. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1989, S. 27-58.
  • Ränsch-Trill, Barbara: Harlekin. Zur Ästhetik der lachenden Vernunft. In: Philosophische Studien und Texte. Band 34. Georg Olms Verlag, Hildesheim, Zürich, New York 1993.
  • Commedia dell’arte. Geschichte, Theorie, Praxis. In: Gratia. Bamberger Schriften zur Renaissanceforschung. Hrsg. von Wolfgang Theile. Harrasowitz Verlag, Wiesbaden 1997.
  • Commedia dell’arte. Eine Bildgeschichte der Kunst des Spektakels. Hrsg. von David Esrig. Delphi, verlegt bei Franz Greno (Bildband), Nördlingen 1985.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. WDR 5 Zeitzeichen vom 7. März 2011 online

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