Hashim Thaci

Hashim Thaci
Hashim Thaçi, Juli 2008

Hashim Thaçi (* 24. April 1968 in Brocna/Burojë, Großgemeinde Skenderaj) ist ein kosovo-albanischer Politiker. Er ist der erste Premierminister der Republik Kosovo seit ihrer Unabhängigkeitserklärung.

Thaçi war Mitbegründer und Führer der paramilitärischen Organisation UÇK. Er ist Vorsitzender der Demokratischen Partei des Kosovos (alb.: Partia Demokratike e Kosovës).

Thaçi ist verheiratet, Vater eines Sohnes und spricht Deutsch (mit Schweizer Akzent) sowie Englisch.

Inhaltsverzeichnis

Lebenslauf

Studentenführer

Hashim Thaçi studierte Geschichte an der Universität Priština (Universität Prishtina), 1989 war er Mitorganisator der albanischen Studentenproteste. Während seiner Arbeit als studentischer Politaktivist bis 1991, wurde Thaçi erster studentischer Vorsitzender der albanischen Untergrundsbewegung an der Universität Pristina. 1992 reiste er zunächst nach Albanien aus. Dort arbeitete er in radikalen politischen Gruppierungen, die für eine Vereinigung aller albanischen Siedlungsgebiete kämpften. 1993 wurde er in Albanien wegen illegalen Waffenbesitzes angeklagt.

Thaçi wanderte über Österreich in die Schweiz weiter, wo er sich als Student der Politischen Wissenschaften (eigenen Angaben zufolge südosteuropäische Geschichte und internationale Beziehungen) in Zürich einschrieb. 1995 erhielt er in der Schweiz den Status eines anerkannten politischen Flüchtlings. In Dietlikon bei Zürich arbeitete er als Eisenbahnrangierer.

UÇK-Organisator

Hashim Thaçi arbeitete in der Schweiz weiter in politischen Exilgruppen, etwa seit 1993 als Führungsmitglied der im Entstehen begriffenen „Befreiungsarmee des Kosovo“, UÇK. Von dort organisierte er den Waffenschmuggel ins Kosovo sowie Finanzierung und Ausbildung der UÇK; dabei bewegte er sich zwischen der Schweiz, Albanien und dem Kosovo. Wegen Überfällen auf jugoslawische Polizeieinheiten und Kasernen in den Jahren 1993 bis 1996 verurteilte ihn 1997 ein Bezirksgericht in Priština/Prishtinë zu zehn Jahren Gefängnis wegen terroristischer Anschläge.

Während der bewaffneten Auseinandersetzungen 1998 war er unter dem Decknamen Gjarpni (dtsch.:„Schlange“) UÇK-Kommandeur in der Region Mališevo/Malishevë. Aus einer Verletzung in Kampfhandlungen soll seine Narbe auf der rechten Wange stammen. Am 13. August 1998 wurde Thaçi zu einem der politischen Vertretern des Generalstabs der UÇK ernannt, in der Folgezeit faktisch politischer Führer der UÇK. Im Februar 1999 schrieben ihn die Jugoslawen wegen mehrerer terroristischer Anschläge auf die jugoslawischen Polizisten in Glogovac/Gllogovc zur Fahndung aus.

Von der UÇK in die Politik

Im Februar 1999 führte Thaçi zusammen mit dem damaligen UCK-Führer Adem Demaci die Kosovo-albanische Delegation bei den Verhandlungen von Rambouillet. Während der Verhandlungen konnte sich Thaçi gegenüber Demaci (welcher eine sofortige Unabhängigkeit des Kosovo forderte, während Thaçi erstmal nur den serbischen Rückzug aus dem Kosovo forderte) innerhalb der UCK durchsetzen, woraufhin Demaci zurücktrat. Am 2. April ernannte ihn die UÇK zum Ministerpräsidenten einer Übergangsregierung, von dieser Zeit an galt Thaçi als neuer politischer Führer der UÇK. Als solcher unterzeichnete er auch die Erklärung zur Entwaffnung und Demobilisierung der UÇK nach dem Einmarsch der NATO im Kosovo.

Vom Juni 1999 bis zur Auflösung im Dezember 1999 bezeichnete sich Hashim Thaçi als Chef einer UÇK-geführten Regierung des Kosovo - in Konkurrenz zu einer weiteren kosovarischen und einer jugoslawischen Regierung, die alle drei von der für das Kosovo maßgeblichen UN-Mission UNMIK nicht anerkannt wurden. Im Gegensatz zu den beiden anderen Konkurrenten konnte sich Hashim Thaçi allerdings auf eine breite und weitgehend bewaffnete Anhängerschaft der ehemaligen UÇK stützen; viele UÇK-Anhänger versuchten eigenständige Regionalverwaltungen zu errichten. Von Dezember 1999 an war er Mitglied in dem von der UNMIK eingerichteten provisorischen Verwaltungsrat des Kosovo.

1999 erfolgte die Gründung der UÇK-Nachfolgepartei Demokratische Partei des Kosovo (PDK) (alb.: Partia Demokratike e Kosovës); seither ist Hashim Thaçi deren Vorsitzender. Bei den ersten Wahlen zum Gesamtparlament des Kosovo am 17. November 2001 erhielt die PDK 25,7 Prozent der Stimmen und 26 Parlamentssitze und übernahm mit Rugovas LDK die Regierung. Nach den Wahlen 2004 (28,9 Prozent und 30 Sitze) geht die PDK als zweitstärkste Partei in die Opposition.

Bei den kosovarischen Parlamentswahlen 2007 wurde die PDK mit 34 % Wählerstimmen Wahlsieger. Thaçi wurde neuer Ministerpräsident[1].


Organisierte Kriminalität

Hashim Thaçi werden immer wieder Verbindungen zur organisierten Kriminalität im Kosovo nachgesagt. Der Balkankorrespondent der New York Times Chris Hedges beschuldigte ihn zusammen mit zwei weiteren Vertrauten, andere UÇK-Führer und politische Opponenten ermordet zu haben.[2]. Auch Bujar Bukoshi, Premier der zunächst pazifistisch orientierten albanischen Exilregierung Ibrahim Rugovas, erklärte, dass Thaçi um seiner Karriere willen „über Leichen gehen würde“.

In einem Bericht des Bundesnachrichtendienstes, den der Publizist Jürgen Roth in der Schweizer Weltwoche veröffentlichte[3], wird Thaçi als eine der drei Schlüsselfiguren bezeichnet, die im Kosovo als Verbindungsglied von organisierter Kriminalität und Politik funktionieren. Er kontrolliere einen bedeutenden Teil der kriminellen Aktivitäten im Kosovo und sei Auftraggeber eines Profikillers. Während seiner Zeit als UÇK-Führer habe Thaçi einen „Sicherheitsdienst“ kontrolliert, „ein im gesamten Kosovo aktives kriminelles Netzwerk“. Außerdem soll er nach dem Krieg direkte Kontakte zur organisierten Kriminalität in Tschechien und Albanien unterhalten haben. Nach BND-Angaben war Thaçi zumindest im Oktober 2003 in umfangreiche Drogen- und Waffengeschäfte verwickelt.

Bei diesen Berichten handelt es sich um nachrichtendienstliche Erkenntnisse. Gerichtsverwertbare Erkenntnisse der UNO-Polizei wurden nicht bekannt, auch gibt es im Kosovo kein Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren gegen Thaçi.

Literatur

  • Jens Reuter/Conrad Clewing (Hrsg.): Der Kosovo-Konflikt. Ursachen, Verlauf, Perspektiven. Klagenfurt 2000, ISBN 3851293290
  • James Pettifer: A Concept for a New Reality - Dialogue with Hashim Thaçi. Prishtina 2001

Weblinks

Referenzen

  1. http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/11/0,3672,7125451,00.html
  2. Chris Hedges: “Leaders of Kosovo Rebels Tied to Deadly Power Play”, in: The New York Times, 25. Juni 1999
  3. Jürgen Roth: Rechtsstaat? Lieber nicht!. In: Weltwoche. 43/2005



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