Hausdorff-Maß

Hausdorff-Maß

Zur Bestimmung des Flächeninhalts einer m-dimensionalen Fläche im n-dimensionalen Raum \R^n (mit m < n) gibt es in der Maßtheorie diverse Maße, die für alle Teilmengen des \R^n definiert sind und auf den „anständigen“ (nicht entarteten) m-dimensionalen Flächen deren heuristischen Flächeninhalt ergeben. (Zu den „anständigen“ Flächen gehören insbesondere die Untermannigfaltigkeiten des \R^n.)

Das bekannteste dieser Maße ist das m-dimensionale Hausdorff-Maß \mathcal H^m, benannt nach Felix Hausdorff; zur Veranschaulichung der Definition soll zunächst jedoch das m-dimensionale sphärische Maß \mathcal S^m erläutert werden.

Inhaltsverzeichnis

Definition des sphärischen Maßes

Zu einer Teilmenge A des \R^n betrachtet man die Größen

\mathcal S^m_\varepsilon(A)=\inf\left\{\sum_{i=1}^\infty \alpha(m)\left(\frac12{\rm diam}(B_i)\right)^m\right|\left.A\subset\bigcup_{i=1}^\infty B_i;\;B_i\mbox{ Kugel im }\R^n;\; {\rm diam}(B_i)<\varepsilon\right\}

für ε > 0, wobei das Infimum erstreckt wird über alle Überdeckungen (B_i)_{i\in\N} von A durch abzählbar viele m-dimensionale Kugeln B1,B2,... im \R^n mit Durchmessern (Diametern) {\rm diam}(B_i)<\epsilon. Hierbei ist α(m) das Volumen der m-dimensionalen Einheitskugel (Kugel mit Radius 1) im \R^m, gleichbedeutend mit dem m-dimensionalen Flächeninhalt des m-dimensionalen Einheitskreises im \R^n. Der Formfaktor α(m) sorgt für die richtige „Normierung“ des resultierenden Flächenmaßes. Die Summanden α(m)(diam(Bi) / 2)m sind gerade die m-dimensionalen Flächeninhalte der Schnittmengen der Kugeln Bi mit durch deren Mittelpunkt verlaufenden m-dimensionalen Ebenen im \R^n.

Das m-dimensionale sphärische Maß von A wird dann, vermöge zunehmender Kleinheit der Kugeln, definiert durch

\mathcal S^m(A)=\lim_{\varepsilon\to0}\mathcal S^m_\varepsilon(A).

Die Verfeinerung der Kugelüberdeckungen durch gegen 0 gehende Durchmesser bewirkt eine zunehmende Annäherung der m-dimensionalen Äquatorialflächen der Kugeln an die Ausgangsfläche A.

Definition des Hausdorff-Maßes

Zur Definition des Hausdorff-Maßes \mathcal H^m gelangt man, wenn statt der Kugeln alle Teilmengen des \R^n bei den Überdeckungen zugelassen werden. Der Durchmesser von B\subset\R^m ist definiert durch

{\rm diam}(B)=\sup\,\{|x-y|:x,y\in B\}

für B\ne\O und {\rm diam}(\O)=0, und man setzt entsprechend

\mathcal H^m_\varepsilon(A)=\inf\left\{\sum_{i=1}^\infty \alpha(m)\left(\frac12{\rm diam}(B_i)\right)^m\right|\left.A\subset\bigcup_{i=1}^\infty B_i;\;B_i\subset\R^n;\; {\rm diam}(B_i)<\varepsilon\right\},

wobei hier das Infimum gebildet wird über alle Überdeckungen (B_i)_{i\in\N} von A durch abzählbar viele (beliebige) Teilmengen B1,B2,... des \R^n mit {\rm diam}(B_i)<\epsilon. Schließlich definiert man

\mathcal H^m(A)=\lim_{\varepsilon\to0}\mathcal H^m_\varepsilon(A).

Die Ausdrücke \mathcal S^m_\varepsilon und \mathcal H^m_\varepsilon sind selbst äußere Maße und haben durchaus bei gewissen Mengen verschiedene Werte - der Unterschied verschwindet in einigen „pathologischen“ Fällen auch nicht beim Grenzübergang \epsilon gegen 0 - jedoch liefern die beiden Maße \mathcal S^m und \mathcal H^m bei den rektifizierbaren (den „anständigen“) m-dimensionalen Mengen denselben Wert. Allgemein gilt die Ungleichung

\mathcal H^m\le \mathcal S^m\le[2n/(n+1)]^{m/2}\mathcal H^m.

Zusammenhang mit der Flächenformel

Zur expliziten Berechnung des Hausdorff-Maßes einer parametrisierten Fläche A = f(G) mit einem Gebiet G\subset\mathbb R^m und einer injektiven differenzierbaren Funktion f:G\to\mathbb R^n findet die Flächenformel Anwendung:

\mathcal H^m(A)=\int_G\sqrt{\det(Df\,^tDf)}\,d\mathcal L^m.

Dabei ist \sqrt{\det(Df\,^tDf)} die verallgemeinerte Jacobi-Determinante von f, und \mathcal L^m bezeichnet das m-dimensionale Lebesgue-Maß (Volumenmaß) im \R^m.

Verallgemeinerungen

(1) Analog verwendet man für „nicht-ganzzahlige Dimensionen“ m die obigen Definitionen von \mathcal S^m und \mathcal H^m, hier α(m) = Γ(1 / 2)m / Γ(1 + m / 2) mit der Gamma-Funktion Γ für irrationales m. Die Hausdorff-Dimension einer Teilmenge A des \R^n ist dann diejenige (eindeutig bestimmte) Zahl m mit \mathcal H^s(A)=\infty für alle s < m und \mathcal H^s(A)=0 für alle s > m. Wegen der oben genannten Ungleichung spielt der Unterschied zwischen \mathcal H^m und \mathcal S^m bei der Bestimmung der Hausdorff-Dimension keine Rolle.

In den letzten Dekaden kamen Fraktale in den Blickpunkt von populärwissenschaftlichen Medien. Fraktale sind Teilmengen des \R^n mit gebrochener („fraktaler“) Hausdorff-Dimension; in der Öffentlichkeit werden Fraktale überwiegend als Mengen wahrgenommen, die sich neben ihrer fraktalen Dimension noch durch gewisse Selbstähnlichkeiten auszeichnen.

(2) Die Definition des m-dimensionalen Hausdorff-Maßes bleibt ohne wesentliche Veränderungen gültig in jedem metrischen Raum anstelle des \R^n; das gleiche gilt für das m-dimensionale sphärische Maß. (Es wird nur die Betragsfunktion in der Definition des Diameters durch die zugrundeliegende Metrik d ersetzt, genauer: aus | xy | wird d(x,y).)

Literatur

  • Herbert Federer: Geometric Measure Theory. Grundlehren der mathematischen Wissenschaften, Vol. 153, Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York, 1969

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Hausdorff — Hausdorff,   Felix, Pseudonym Dr. Paul Mongré [mɔ̃ gre], Mathematiker, * Breslau 8. 11. 1868, ✝ (Selbstmord) Bonn 26. 1. 1942; veröffentlichte vor seiner Lehrtätigkeit unter dem Pseudonym philosophische Essays und literarische Abhandlungen. 1904… …   Universal-Lexikon

  • Hausdorff — Felix Hausdorff (Fotografie zwischen 1913 und 1921 entstanden) Felix Hausdorff (* 8. November 1868 in Breslau; † 26. Januar 1942 in Bonn) war ein deutscher Mathematiker. Er gilt als Mitbegründer der allgemeinen Topologie und lieferte wesentliche… …   Deutsch Wikipedia

  • Hausdorff-Besikowitsch-Dimension — Die Hausdorff Dimension wurde von Felix Hausdorff eingeführt und bietet die Möglichkeit, beliebigen metrischen Räumen, wie beispielsweise Fraktalen, eine Dimension zuzuordnen. Für einfache geometrische Objekte wie Strecken, Vielecke, Quader und… …   Deutsch Wikipedia

  • Hausdorff-Besikowitsch Dimension — Die Hausdorff Dimension wurde von Felix Hausdorff eingeführt und bietet die Möglichkeit, beliebigen metrischen Räumen, wie beispielsweise Fraktalen, eine Dimension zuzuordnen. Für einfache geometrische Objekte wie Strecken, Vielecke, Quader und… …   Deutsch Wikipedia

  • Hausdorff-Dimension — Die Hausdorff Dimension wurde von Felix Hausdorff eingeführt und bietet die Möglichkeit, beliebigen metrischen Räumen, wie beispielsweise Fraktalen, eine Dimension zuzuordnen. Für einfache geometrische Objekte wie Strecken, Vielecke, Quader und… …   Deutsch Wikipedia

  • Maß (Mathematik) — Die Maßtheorie ist ein Teilgebiet der Mathematik, das die elementargeometrischen Begriffe Streckenlänge, Flächeninhalt, Volumen verallgemeinert und es dadurch ermöglicht, auch komplizierteren Mengen ein Maß zuzuordnen. Sie bildet das Fundament… …   Deutsch Wikipedia

  • Hausdorff dimension — In mathematics, the Hausdorff dimension (also known as the Hausdorff–Besicovitch dimension) is an extended non negative real number associated to any metric space. The Hausdoff dimension generalizes the notion of the dimension of a real vector… …   Wikipedia

  • Felix Hausdorff — (* 8. November 1868 in Breslau; † 26. Januar 1942 in Bonn) war ein deutscher Mathematiker. Er gilt als Mitbegründer der allgemeinen Topologie und lieferte wesentliche Beiträge zur allgemeinen und deskriptiven Mengenlehre, zu …   Deutsch Wikipedia

  • Radon-Maß — Im mathematischen Gebiet der Maßtheorie sind Radonmaße (benannt nach Johann Radon) Maße auf der Borelschen σ Algebra eines Hausdorff Raums mit bestimmten Regularitätseigenschaften. Der Begriff wird in der Fachliteratur nicht einheitlich verwendet …   Deutsch Wikipedia

  • Borel-Maß — Als Borelmaß (nach Émile Borel) bezeichnet man im mathematischen Gebiet der Maßtheorie diejenigen Maße µ auf der Borelschen σ Algebra eines Hausdorff Raums X, für die gilt: Für jedes existiert eine offene Umgebung U mit . Diese Eigenschaft… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”