Hazon Gabriel

Hazon Gabriel

Als Gabriels Offenbarung (hebr. חזון גבריאל , Hazon Gabriel oder Offenbarung des Engels Gabriel) wird eine rund einen Meter hohe Steintafel mit 87 Textzeilen in hebräischer Sprache bezeichnet.[1] Die Textstellen beinhalten einige kurze Prophezeiungen und sollen aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert stammen.[2][3] Eine der Prophezeiungen beschreibt einen Mann, der von den Römern getötet und nach drei Tagen auferstanden sein soll.

Der Verkündigungsengel (Byzanhinisches Fresko aus dem 7. Jh.)

Inhaltsverzeichnis

Herkunft

Gefunden worden sein soll die Steintafel in der Nähe des Toten Meeres in Jordanien; ein Zusammenhang mit den Schriftrollen vom Toten Meer wird nicht ausgeschlossen. Bemerkenswert ist der Fund insofern, als er die bislang einzige diesbezügliche Steininschrift darstellt.[4] Im Jahr 2000 verkaufte sie ein jordanischer Händler dem in Zürich lebenden Antiquitätensammler David Jeselsohn; beide waren sich zu diesem Zeitpunkt der möglichen Bedeutung des Funds nicht bewusst, führt Jeselsohn zur Herkunft der Steintafel aus.[3] Jeselsohn datierte die Steintafel auf das Jahr 1000 n. Chr. und kümmerte sich nach dem Kauf nicht weiter um den Stein.

Untersuchung der Steintafel

Die Paläografin Ada Yardeni, die zusammen mit Benjamin Elitzur den Text übersetzte, erkannte an der Schrift, dass die Tafel sehr viel älter sein und aus der Zeit um Christi Geburt stammen könnte. Im April 2007 wurde in der israelischen Zeitschrift cathedra zum ersten Mal über die Steintafel berichtet, und vor allem ein Artikel der New York Times hat zu einer breiteren Bekanntheit des Funds beigetragen.[5][6]

Es handelt sich um eine Tinten-Inschrift von 87 Zeilen auf einem Kalkstein von rund einem Meter Höhe und Breite. Angeordnet sind die Textzeilen in zwei Spalten. An der Steintafel soll gelblicher Lehm aus dem Gebiet der Landzunge am Toten Meer, direkt gegenüber der Festung Masada gefunden worden sein. Auch die Buchstabenformen auf der Tafel und der Stil der Gabriels-Offenbarung lassen nach eingehender Prüfung keine Zweifel an der Echtheit offen, meint Professor Israel Knohl.[7]

Professor Israel Knohl,[8] Bibelforscher an der Hebräischen Universität Jerusalem, zeichnet für die Übersetzung der Steintafel verantwortlich und stellt fest: «Jesus war nicht der erste, der auferstanden ist» und «calls for a complete reassessment of all previous scholarship on the subject of messianism, Jewish and Christian alike.», d.h. er vertritt die These, dass die biblische Geschichtsschreibung neu beurteilt werden muss.[9]

Deutungsversuche

Knohl vertritt die These, dass die Geschichte von der Auferstehung nach drei Tagen bereits vor dem Neuen Testament existierte und sieht auf Zeile 80 der Steintafel eine Bestätigung seiner Vermutung, die er bereits vor der Entdeckung der Steintafel im Jahr 2001 in einem Buch Der vergessene Messias veröffentlichte, das bislang wenig Beachtung fand.[10]

Schon in den Generationen vor Jesus hätte es Mythen um einen Messias gegeben, der sein Blut vergießen muss, um nach drei Tagen wieder aufzuerstehen; der Text der Gabriel-Offenbarung wäre der erste greifbare Beweis für Knohls These.[11] Knohl ist von der Echtheit der Steintafel und der Inschrift überzeugt, und seine Interpretation soll bislang von Experten nicht bezweifelt worden sein.[12][5]

These von Professor Knohl

In seinem Buch bezieht sich Knohl zum einen auf «Messias Sohn des David» (Jesus Christis) und zum andern auf «Messias Sohn des Josef» aufgrund verschiedener Textstellen im Talmud. Diesen Sohn des Josef identifiziert Knohl als die historische Figur des Simon. Im Jahr 4 v. Chr., nach dem Tod des Herodes (* um 73 v. Chr.; † 4 v. Chr.), habe sich Simon zum König und Messias ausgerufen. Die römischen Besatzer schlugen den Aufstand blutig nieder und töteten Simon. Doch Simons Anhänger behaupteten, er sei nach drei Tagen wieder auferstanden.[7]

Professor Knohl ist überzeugt, an einer schwer lesbaren Stelle das Wort «Lebe!» (als Befehlsform), d.h. «Steh auf ins Leben!», entziffert zu haben. Demnach soll der Erzengel Gabriel Efraim, dem Sohn des Patriarchen Josef, verkündet haben: «In drei Tagen lebe. Ich, Gabriel, befehle es Dir, Fürst der Fürsten.» [5] Mehr als tausend Jahre später soll Gabriel diese Worte an einen Mann namens Simon in Judäa gerichtet haben.[3]

In der Gabriel-Offenbarung beziehen sich die Verkündigungen auf einen gewissen Ephraim (Efraim), im Alten Testament der Name des Sohnes des Patriarchen Josef, dem Lieblingssohn Jakobs. Knohl fand im Gabriel-Text weitere Anspielungen auf einen Messias Josefsohn, der getötet und zum Leben erweckt wird. Die ersten Übersetzer des Textes, Ada Yardeni und Benjamin Elitzur, ließen das Verb «Lebe!» als unentziffert stehen – Knohl jedoch erkennt eine besondere Schreibweise von «Lebe», die auf eine altertümliche grammatikalische Form zurückgehen soll. Knohl verweist auf den Propheten Ezechiel, der das Wort in derselben Form und in einem auffallenden Inhaltsbezug verwendet: «In deinem Blut lebe.» So soll auch die Jesaja-Rolle vom Toten Meer das Verb mit dem ungewöhnlichen hebräischen Buchstaben Aleph verwenden.[13]

Durch diese Lesart erhalte gemäß Professor Knohl der fragliche Satz eine neue Bedeutung: «In drei Tagen lebe, Ich, Gabriel, befehle es Dir, dem Fürst der Fürsten.» Der Titel «Fürst der Fürsten» sei aus dem Buch Daniel (8, 24-25) bekannt, wo er den Herrscher des «Volkes der Heiligen» bezeichnet, der vom «Herrscher frechen Angesichts und böser Ränke» getötet wird. Knohl sieht diesen Titel als Anspielung auf den historischen Gegenkönig Simon und den römischen Kaiser Augustus: eine Auslegung, die durch die Erwähnung einer felsigen Todesschlucht bekräftigt würde. So soll der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus berichten, wie Simon, der sich 4 v. Chr. zum König von Judäa ernannte, in einem Felskamin vom römischen Befehlshaber Gratus geköpft wurde. Weitere Textstellen der Steintafel bezögen sich auf das «Blut der Getöteten», insbesondere «Künde ihm vom Blut. Es ist ihr Himmelswagen.»

Knohl sieht seine These als Antwort auf bislang offene Fragen zur Entstehung des Christentums aus dem Judentum: «Jesus verliert etwas von seiner Einzigartigkeit, gewinnt dafür aber an geschichtlicher Präsenz und wohl auch an jüdisch nationaler Identität.»

Antithesen

Ben Witherington III, Professor für Neutestamentliche Biblische Exegese am Asbury Theology Seminary in Wilmore, Kentucky, vertritt die Meinung, dass das Wort «Lebe!» genauso gut als «Schau auf!» gedeutet werden kann.[3]

Aktueller Forschungsstand

An einer Konferenz im Israel Museum in Jerusalem vom 6. bis 8. Juli 2008, anlässlich der vor sechzig Jahren erfolgten Entdeckung der Schriftrollen vom Toten Meer, präsentierte Professor Knohl seine Erkenntnisse.[4]

Die New York Times spricht von einer möglichen Revolution der bisherigen Sichtweise: Sollte sich die Tafel nicht als Fälschung herausstellen, wäre sie ein Hinweis darauf, dass die Geschichte der Auferstehung Jesu Christi nach drei Tagen keineswegs einzigartig, sondern bereits Teil der jüdischen Überlieferung gewesen sei.[14][6]

Verbleib der Steintafel

Mitte Juli 2008 befindet sich die Steintafel im Besitz von David Jeselsohn. Sie soll in den nächsten Wochen dem Israel Museum übergeben werden.[5]

Einzelnachweise

  1. Israel Knohl: By Three Days, Live: Messiahs, Resurrection, and Ascent to Heaven in Hazon Gabriel. In: Journal of Religion 88 (2008), S. 147-158
  2. A new Dead Sea Scroll in Stone?. In: Biblical Archaeology Review 34, Nr. 1, Jan./Febr. 2008
  3. a b c d David van Beima, Tim McGirk: Was Jesus' Resurrection a Sequel?, Time-Magazine (7. Juli 2008)
  4. a b Ethan Bronner: ignites debate on messiah and resurrection, International Herald Tribune (5. Juli 2008)
  5. a b c d Jesus war nicht der Erste, 20 Minuten (18. Juli 2008)
  6. a b Ancient Tablet Ignites Debate on Messiah and Resurrection, New York Times (6. Juli 2008)
  7. a b Ulrich W. Sahm: Der Messias kam Jesus zuvor, Website HaGalil, Schwerpunkt Israel und Nahost (10. Juli 2008)
  8. Website Hebräische Universität Jerusalem, Profil von Prof. Israel Knohl (englisch)
  9. Israel Knohl: In three days, you shall live, Haaretz Iyyar 1, 5767 (19. April 2007)
  10. Originalausgabe: The Messiah Before Jesus: The Suffering Servant of the Dead Sea Scrolls. S. Mark Taper Foundation Imprint in Jewish Studies. University of California Press, Berkeley und Los Angeles, 2000. ISBN 0520234006
  11. Auferstehung Christi - Die geborgte Idee, Kurier (9. Juli 2008)
  12. Hillel Halkil: Blurry 'Vision of Gabriel', The New York Sun (8. Juli 2008)
  13. Norbert Jessen: Jesus soll nur als Nr. 2 auferstanden sein, Die Welt (8. Juli 2008)
  14. Jesus soll nicht als erster auferstanden sein, 20 Minuten (17. Juli 2008)

Literatur

  • Israel Knohl: Der vergessene Messias. Der Mann, der Jesu Vorbild war. Ullstein, München 2001. ISBN 3550071736

Weblinks


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