Heilige Lanze

Heilige Lanze
Kreuzigung Christi mit Lanzenstich des Hauptmanns Longinus, Freske von Fra Angelico (um 1437-1446)

Die Heilige Lanze (auch: Mauritiuslanze oder Longinuslanze) ist das älteste Stück der Reichskleinodien der römisch-deutschen Könige und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Sie enthält angeblich ein Stück eines Nagels vom Kreuz Christi (Heiliger Nagel). Nach der Legende gehörte die Lanze Mauritius, dem Anführer der Thebaischen Legion, oder nach anderen Quellen dem römischen Hauptmann Longinus, der mit ihr den Tod Jesu überprüfte, so dass sie auch mit dessen Heiligem Blut getränkt sein soll.

Zeitweise war sie das bedeutendste Stück der Insignien, später trat an ihre Stelle die Reichskrone. Die Lanzenspitze wurde in einem Hohlraum im Inneren des Querbalkens des Reichskreuzes aufbewahrt. Ein Herrscher, der diese Lanze besaß, galt als unbesiegbar. Sie war das sichtbare Zeichen dafür, dass seine Macht von Gott ausging, dass er der Stellvertreter Christi war.

Für mindestens drei weitere Lanzen bzw. deren Spitzen wurde der Anspruch erhoben, die „echte“ Heilige Lanze aus der Zeit Christi zu sein (siehe Andere Heilige Lanzen). Ihre Überreste sind jedoch heute nicht mehr auffindbar. Schon zur Zeit Kaiser Ottos III. wurden zwei Kopien der zu den Reichskleinodien gehörenden Lanze hergestellt und an befreundete Herrscher übergeben.

Die Lanze wurde zusammen mit den anderen Reichskleinodien während der napoleonischen Feldzüge von Nürnberg nach Wien gebracht, um sie vor dem Zugriff Napoléon Bonapartes zu schützen.

Hitler ließ die Lanze kurz vor dem Zweiten Weltkrieg wieder nach Nürnberg bringen. Sie wurde 1945 von Soldaten der Alliierten in einem Stollen gefunden und zurück nach Wien gebracht. Heute wird sie in der Schatzkammer der Wiener Hofburg unter der Inventarnummer XIII, 19 ausgestellt.

Inhaltsverzeichnis

Aussehen

Heilige Lanze heute

Die Heilige Lanze, von der heute nur noch der Aufsatz erhalten geblieben ist, ist eine 50,7 Zentimeter lange Flügellanze. Der Lanzenschaft, der wohl aus Holz gefertigt war, fehlt. Aus dem Lanzenblatt ist ein spitzovaler Teil auf einer Länge von 24 Zentimeter und einer maximalen Breite von 1,5 Zentimeter herausgestemmt. In diesem ist ein ornamental zurechtgeschmiedetes, auch als Dorn (lat. spina) bezeichnetes, Eisenstück eingepasst, dessen unteres abgebrochenes Ende fehlt. Er ist mit vierfachem Silberdraht befestigt, wobei nicht klar ist, ob er früher in anderer Weise fester in den Freiraum eingefügt war.

Dieser Dorn galt jahrhundertelang als der „Heilige Nagel“. Ein (Kreuz-)Nagel kann er keinesfalls gewesen sein. Jedoch befinden sich auf zwei von den drei mondsichelförmigen Ausnehmungen mit knotenartigen Verdickungen des Dorns messingtauschierte Kreuze, die vielleicht eingelagerte Kreuznagelpartikelchen markieren.

Dort, wo sich das Lanzenblatt verjüngt, um in den Schaft überzugehen, ist auf jeder Seite der Lanze eine Eisenklinge angebracht, in deren Rücken zu diesem Zweck Ösen gebohrt worden sind. An diesen nachträglich angefügten Eisenblättern, welche oft als Messerklingen interpretiert worden sind, fallen ungewöhnlich tiefe Scharten auf, wie von einer scharfen Klinge, im Gegenhieb aufgefangen.

Derartige Beschädigungen lassen sich in großer Zahl auf den Schneiden von Lanzenspitzen aus Opferfunden der vorrömischen und römischen Kaiserzeit nachweisen.[1]

Halt und Befestigung finden diese „Messerklingen“ hauptsächlich durch die von den Manschetten weitgehend verdeckten Lederbänder und dem kunstvoll verspannten Silberdraht. Da die Art ihrer Verbindung mit dem Hauptteil des Lanzenblattes sehr dem oben eingefügten Eisendorn ähnelt, wird schon seit langem angenommen, dass beides im gleichen Arbeitsgang ausgeführt wurde, also vor etwa 1000 Jahren.

Das Lanzenblatt ist gebrochen. Wahrscheinlich brach es beim Ausstemmen des Spaltes kurz vor dem Jahr 1000, da in eine vereinfachte, noch existierende Kopie, die Kaiser Otto III. nach Krakau verschenkt hat, auch eine Nachbildung dieses Dorns eingepasst ist. Die Bruchstelle ist dreifach verkleidet, zuerst mit einem schmalen Eisenband, dann mit einem breiten Silberblech und zuletzt mit einem Goldblech. Die silberne Manschette trägt auf einem vergoldeten Streifen folgende lateinische Inschrift:

„CLAVVS DOMINICVS + HEINRICVS D(EI) GR(ATI)A TERCIVS ROMANO(RUM) IMPERATOR AVG(USTUS) HOC ARGENTUM IVSSIT FABRICARI AD CONFIRMATIONE(M) CLAVI LANCEE SANCTI MAVRICII + SANCTVS MAVRICIVS“

„Nagel des Herren + Heinrich von Gottes Gnaden der Dritte, erhabener Kaiser der Römer, befahl dieses Silberstück herzustellen zur Befestigung des Nagels der Heiligen Lanze des Mauricius + Heiligen Mauricius“

Der Auftraggeber der silbernen Manschette ist Heinrich IV. Er ließ diese in der Zeit zwischen 1084 und 1105 anbringen.

Die oberste goldene Manschette, die Kaiser Karl IV. anfertigen ließ, ist mit der lateinischen Inschrift „+LANCEA ET CLAVUS DOMINI“ (deutsch: „+ Lanze und Nagel des Herrn“) versehen.

Geschichte

Entstehung

Zeichnung der Heiligen Lanze im Detail

Metallurgische Untersuchungen der Montanuniversität Leoben zeigten schon 1914, dass die Heilige Lanze erst im 8. Jahrhundert nach Christus nach dem Muster einer karolingischen Flügellanze hergestellt worden sein kann. Auf dem Hoftag zu Worms 926 erwarb König Heinrich I. die Heilige Lanze vom burgundischen König Rudolf II., der sie 922 vom Grafen Samson samt Herrschaft über Italien erhalten hatte, im Austausch gegen die Südwestecke des Ostfrankenreiches (die Umgebung der Stadt Basel).[2] Bald bildete sich die Legende, Heinrich I. verdanke seinen Sieg über das gefürchtete Heer der Ungarn in der Schlacht bei Riade an der Unstrut 933 nur dem Einsatz der Heiligen Lanze. Auch bei der Schlacht bei Birten 939, in der Otto I. sich gegen reichsinterne Gegner durchsetzte, und bei der Schlacht auf dem Lechfeld 955, in der die Ungarn von Kaiser Otto I. endgültig besiegt wurden, soll die Lanze zum Einsatz gekommen sein. Die neuesten Untersuchungen durch Wissenschaftler der Universität Wien förderten jedoch keinerlei typische Kampfspuren auf der Lanzenspitze zu Tage.[3] Die Heilige Lanze dürfte hingegen in ihren Anfängen als Fahnenlanze in Verwendung gewesen sein. Dass die vier Nietlöcher des neuen Eisenringes am Lanzenschaft abgenutzt sind, ist eine Bestätigung für die anfänglich intensive, nicht auf Schonung bedachte Nutzung der Lanze – und zwar nach dem Jahr 1000, da dieser Schaftring an der Kopie in Krakau noch nicht vorhanden ist.

Schon das Mitführen der Heiligen Lanze bei Kriegszügen garantierte dem Herrscher die Unbesiegbarkeit. Daher ließ auch Otto III. auf seinem Zug nach Rom 996 die Lanze dem Heer voraustragen. Otto III. schätzte die Lanze so sehr, dass er im Jahre 1000 eine Kopie an den polnischen Herzog Boleslaw I. von Polen weitergab, als er diesen zum „socius et amicus“ ernannte. Boleslaw I. leitete aus diesem Vorgehen für sich die Königswürde ab. Otto III. hatte die Lanze stets bei sich gehabt, auch als er im Alter von 21 Jahren in Italien ohne direkte Nachkommen starb. Bei der Überführung seines Leichnams nach Aachen im Jahre 1002 in Begleitung des Erzbischofs Heribert von Köln brachte der spätere Kaiser Heinrich II. die Reichskleinodien in seine Gewalt, um sich die Thronfolge zu sichern. Die Heilige Lanze war jedoch schon vorausgeschickt worden, und so setzte Heinrich II. auch den Bruder Erzbischof Heriberts, den Bischof von Würzburg, gefangen, um so die Herausgabe der Lanze zu erzwingen.

Beschreibung und Umdeutung zur Mauritiuslanze

Eine erstmalige umfangreiche Beschreibung der Lanze findet sich um das Jahr 961 bei Liutprand von Cremona, einem Geschichtsschreiber aus der Zeit Otto I. Er schreibt über das Aussehen der Lanze (deutsche Übersetzung):

„Die Lanze war anders als die sonstigen Lanzen, nach Art und Gestalt etwas Neues, insofern als das Eisen beiderseits des Grates Öffnungen hat, und statt der kurzen seitwärts gerichteten Zweige erstrecken sich zwei sehr schöne Schneiden bis zum Abfall des Mittelgrates … Und auf dem Dorn den ich vorher den Grat nannte, trug sie Kreuze aus den Nägeln (die durch die Hände und Füße unseres Herrn und Erlösers Jesu Christi geschlagen waren)…“

Die frühen ottonischen Geschichtsschreiber nannten die Lanze noch einfach „lancea sacra“.[4] In den folgenden Jahrhunderten verbreitete sich jedoch die Ansicht, sie sei vom Heiligen Mauritius getragen worden, einem römischen Legionär und Märtyrer, der zur Zeit des römischen Kaisers Maximian, Schwiegervater des Kaisers Konstantin, hingerichtet worden war. Eine Weitergabe des Speers durch Konstantin, wie es die Überlieferung besagte, wäre damit nicht ganz unwahrscheinlich gewesen. Der früheste schriftliche Beleg für diesen Bedeutungswandel findet sich in einem um 1000 geschriebenen Brief von Bruno von Querfurt, der jedoch noch nicht direkt von der Mauritiuslanze spricht.[5] Erst Mitte des 11. Jahrhunderts lässt sich die Lanze in schriftlichen Quellen als „lancea sancti Mauritij“ nachweisen.[6] Unter Heinrich III. war die Umdeutung schon so dominant, dass dieser die Lanze mit einer Silbermanschette, die eine Mauritiusinschrift trägt, verkleiden ließ.[7] Dadurch verbanden sich der Kult um die Lanze und um Mauritius sehr stark. Im Hochmittelalter galt die Mauritiuslanze als einer der mächtigsten heiligen Gegenstände, da sie dem Träger Unbesiegbarkeit in der Schlacht garantiere.

Prag, Nürnberg und Wien

Kaiser Karl IV. aus dem Hause der Luxemburger entdeckte die Heilige Lanze als Machtsymbol wieder. Da sich die Kaiserkrone im Besitz seiner Widersacher aus dem Hause Wittelsbach befand, ließ Karl die Lanze zur Legitimation seiner Kaiserwürde aus dem Zisterzienserkloster Stams in Tirol auf seine Residenz nach Prag bringen. Erst ab dem beginnenden 13. Jahrhundert ist durch ein päpstliches Schreiben die Legende überliefert, bei der Heiligen Lanze handle es sich um die gleiche Lanze, die von einem römischen Legionär mit dem Namen Longinus zur Überprüfung des Todes Jesu am Kreuz verwendet worden war. Zuvor hatten die Splitter der in der Lanze verarbeiteten Nägel, die angeblich vom Kreuz Christi stammten, ausgereicht, um den Ruf der Lanze als bedeutende Reliquie zu begründen. Wurden anfangs nur die Partikel von Nägeln erwähnt, so wurde später der Dorn in der Mitte der Lanzenspitze als Nagel vom Kreuz des Herrn bezeichnet. Vielleicht kam es durch den Einbau dieses Mittelstücks zum Bruch der Lanze, vielleicht aber auch bei der Entnahme von Material für Kopien, die Otto III. anfertigen ließ.

Karl IV. ließ sich die Bedeutung der Heiligen Lanze als doppelte Reliquie vom Papst bestätigen und richtete zu ihren Ehren einen Feiertag ein. Um 1354, zur ersten Feier des „Hochfests der Heiligen Lanze samt Kreuznagel“, ließ Karl IV. den Bruch durch eine goldene weitere Manschette, über den ersten beiden aus Eisen und Silber, weiter festigen und entsprechend beschriften. Diese Manschette enthält eine Inschrift, die die Lanze als doppelte Reliquie kennzeichnet und den Nagel vom Kreuz Jesu erwähnt: LANCEA ET CLAVUS DOMINI - Lanze und Nagel des Herrn.

Unter Kaiser Sigismund brachen in Böhmen die Hussitenkriege aus. Die Reichsinsignien und damit auch die Heilige Lanze wurden außer Landes gebracht und von Sigismund 1424 der Stadt Nürnberg zur „ewigen“ Aufbewahrung übergeben. Die Heilige Lanze zog, besonders am Hochfest zu ihrer Verehrung, große Pilgerscharen nach Nürnberg. Erst mit der Reformation endete die Bedeutung der Lanze als Reliquie.

Im Verlauf der napoleonischen Kriege waren die Reichskleinodien neuerlich gefährdet. Kaiser Franz II. befürchtete, Napoléon könnte den Anspruch auf den römisch-deutschen Kaisertitel erheben, sollte er in den Besitz der Reichsinsignien kommen. Daher ließ er diese 1796 zusammen mit der Heiligen Lanze zuerst nach Regensburg und 1800 in seine Schatzkammer in der Hofburg in Wien bringen.

Die Lanze im „Dritten Reich“

Hitler schrieb in „Mein Kampf“ in Bezug auf die durch den „Deutschen Krieg“ 1866 vollzogene Trennung von österreichischer und preußisch-deutscher Geschichte: „Die zu Wien bewahrten Kaiserinsignien einstiger Reichsherrlichkeit scheinen als wundervoller Zauber weiter zu wirken als Unterpfand einer ewigen Gemeinschaft.“ [8] Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich unter Hitler wurden die Reichskleinodien 1938 von Wien wieder nach Nürnberg überstellt. Fest steht, dass Hitler damit den Lokalpolitikern der Stadt, die durch die Abhaltung der Parteitage auf dem Reichsparteitagsgelände fest mit der NSDAP verbunden waren, einen Gefallen erweisen wollte. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts kamen Thesen auf, Hitler sei es dabei nur um die Heilige Lanze gegangen, die ihm Unbesiegbarkeit verleihen sollte und die er als Wunderwaffe einsetzen wollte. Diese These geht anscheinend auf das Buch Der Speer des Schicksals von Trevor Ravenscroft zurück.

Gegen diese Thesen spricht auch, dass sich die Lanze zusammen mit den anderen Insignien des römisch-deutschen Kaisertums zu Kriegsende noch immer in Nürnberg befand, wo sie von amerikanischen Soldaten gefunden wurde. 1946 wurden die Reichskleinodien als Beutegut des Dritten Reichs von den Vereinigten Staaten an die Schatzkammer in Wien zurückgegeben. Auch das Gerücht, die Lanze habe dabei ihren Weg in die Vereinigten Staaten gefunden und nur eine Kopie sei in der Schatzkammer ausgestellt worden, bewahrheitete sich nicht. Röntgenaufnahmen und andere zerstörungsfreie Materialprüfungen des Interdisziplinären Forschungsinstitutes für Archäologie der Universität Wien in den vergangenen Jahren zeigten, dass es sich dabei um die oftmals beschriebene, 1200 Jahre alte Lanze handelt.

Unabhängig von allen Gerüchten ist festzuhalten, dass die Mediävistik im „Dritten Reich“ eine intensive Diskussion um die Lanze als Herrschaftsinsignie der Ottonen, vor allem in den Händen Heinrichs I. und Ottos I., führte. Die ersten beiden Ottonen galten seit dem 19. Jahrhundert gemeinhin als Vorläufer des nach Osten gerichteten Imperialismus und erfuhren seit 1933 besondere Hochschätzung. An der Diskussion beteiligt waren der SS nahestehende anerkannte Historiker. So Albert Brackmann als damals renommiertester Historiker mit wiederholten Aussagen zur Lanze als Mauritiusreliquie in den Händen Ottos, für den der in Magdeburg verehrte Mauritius als „Schutzpatron des deutschen Ostens“ gegolten habe; aber vor allem auch der im „Ahnenerbe“ mitarbeitende und an den Universitäten in München und Kiel lehrende Otto Höfler, der in einem Vortrag über das „germanische Kontinuitätsproblem“ beim Historikertag 1937 in Erfurt die Lanze als den „heiligen Speer Wotans“ identifizierte. Seiner These nach sei dieser Speer in der Heiligen Lanze als Reichslanze lediglich römisch-christlich überfremdet worden.[9] Anfang der 1940er Jahre beteiligten sich neben Brackmann parallel an der Diskussion der Mediävist H.-W. Klewitz, Josef Otto Plassmann als großer Heinrichsverehrer in Heinrich Himmlers Persönlichem Stab und Alfred Thoss, NS-Schriftsteller und Angehöriger der Waffen-SS, in einer weiteren Auflage (1943) seiner Heinrichsmonographie von 1936.[10]

Bedeutung der Heiligen Lanze

Das Zeitalter der Reformation und der Aufklärung haben auch die Heilige Lanze entmythologisiert und damit ihres Symbolgehaltes, der ihren eigentlichen Wert ausmacht, entkleidet. Daher wird ihr im Vergleich zu anderen Reichskleinodien relativ wenig Beachtung geschenkt. Dies mag auch daran liegen, dass die anderen Teile der Reichkleinodien allein durch das Gold, die Edelsteine und Emaillearbeiten Interesse wecken.

Andere Heilige Lanzen

Adhémar de Monteil als Träger der Heiligen Lanze (von Antiochia), Darstellung aus einem hochmittelalterlichen Manuskript

Als die Kreuzfahrer 1098 während des Ersten Kreuzzuges in der von ihnen eroberten Stadt Antiochia von einem moslemischen Entsatzheer belagert wurden, motivierte der unverhoffte Fund der so genannten „Heiligen Lanze von Antiochia“ durch Petrus Bartholomaeus sie so stark, dass sie einen Ausfall unternahmen und die Belagerer vertrieben. Die Heilige Lanze von Antiochia wurde noch während des Kreuzzugs, im April 1099 von Arnulf von Chocques, der Petrus Bartholomaeus einer Feuerprobe unterzog, als Fälschung entlarvt, ihr Verbleib ist unbekannt.

Der Apostel Thaddäus soll eine Lanze, mit der auf Golgota der Tod Christi festgestellt wurde, nach Armenien gebracht haben. Sie wurde in dem im 4. Jahrhundert gegründeten Geghard-Kloster (40 Kilometer südöstlich von Jerewan) aufbewahrt. So erhielt das Kloster um 1250 seinen heutigen Namen: Geghardavank („Kloster zur Heiligen Lanze“). Bis in die Gegenwart ist Geghard eine der bedeutendsten Wallfahrtsstätten der armenischen Christen. Heute befindet sich die Reliquie in Etschmiadsin.

König Ludwig IX. von Frankreich (1214-1270), der zwei Kreuzzüge anführte, brachte viele Reliquien nach Paris, so die Dornenkrone zu deren Aufbewahrung er die Sainte-Chapelle erbauen ließ, und die Spitze einer Lanze, die dem römischen Hauptmann Longinus gehört haben soll. 1492 bot Sultan Bajazeth II. dem Papst Innozenz VIII. eine Longinuslanze an, die nach der Eroberung von Konstantinopel 1453 in seinen Besitz gekommen sei, und deren abgebrochene äußerste Spitze die von Ludwig IX. nach Paris gebrachte Reliquie gewesen sein soll. Diese Papstlanze befindet sich heute im Petersdom in Rom. Das vordere Ende der Speerspitze aus der Sainte-Chapelle ging während der Französischen Revolution verloren.

Kaiser Otto III. ließ zwei Kopien der ihm mit den Reichsinsignien übergebenen Heiligen Lanze herstellen. Diese übergab er an die Fürsten Polens und Ungarns. Wie viel Originalmaterial der ursprünglichen Heiligen Lanze in die Kopien eingearbeitet worden ist, ist nicht bekannt. Die polnische Lanze befindet sich heute in Krakau.

Literatur

  • Michael Hesemann: Die stummen Zeugen von Golgatha. Die faszinierende Geschichte der Passionsreliquien Christi; Hugendubel, München 2000, ISBN 3-7205-2139-7
  • Gunther Wolf: Prolegomena zur Erforschung der Heiligen Lanze, in: Becker, Hans-Jürgen: Die Reichskleinodien, Herrschaftszeichen des Heiligen römischen Reiches; Verlag: Gesellschaft für staufische Geschichte, in: Schriften zur staufischen Kunst und Geschichte 16, Göppingen 1997, ISBN 3-929776-08-1
  • Gunther Wolf, Franz Kirchweger: Die Heilige Lanze in Wien: Insignie, Reliquie, Schicksalsspeer; in: Schriften des Kunsthistorischen Museums Wien; Verlag: Wien: Kunsthistorisches Museum ; Milano; 2005 Skira; ISBN 3-85497-090-0
  • Hermann Fillitz: Die Insignien und Kleinodien des Heiligen Römischen Reiches. Wien und München 1954
  • Peter Worm: Die Heilige Lanze. Bedeutungswandel und Verehrung eines Herrschaftszeichens. ; in: Arbeiten aus dem Marburger hilfswissenschaftlichen Institut, hg. von Erika Eisenlohr und Peter Worm (elementa diplomatica 8). Marburg 2000, ISBN 3-8185-0303-6

Weblinks

 Commons: Heilige Lanze – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Gunther Wolf, Franz Kirchweger, S.165
  2. Liutprand von Cremona, Antapodosis IV,25.
  3. Die „Heilige Lanze“ zwischen Wissenschaft und Legende Online-Zeitung der Universität Wien, 4. April 2005 (Abgerufen am 16. Mai 2010)
  4. Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae I,25.
  5. Bruno von Querfurt wendet sich darin gegen das Bündnis des christlichen Königs Heinrich II. mit den heidnischen Ljutizen, wofür er Christentum und Heidentum gegenüberstellt. Zwei aufeinanderfolgende Fragesätze verbinden die Paare Mauritius / Heilige Lanze einerseits und Heidengott Zuarasi / „diabolica vexilla“ andererseits; vgl. A. Brackmann, Die politische Bedeutung der Mauritius-Verehrung im frühen Mittelalter; in: Sitzungsberichte der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Berlin 30.1937, S.292f.
  6. Beispielsweise: Ekkehard von St. Gallen, Casus sancti Galli, c. 65; Hugo von Flavigny, Chronicon II, 29; Benzo von Alba, Ad Heinricum IV. Imperatorem I, 9.
  7. Vgl.: M. Kuhn, Sankt Mauritius mit der Lanze, der ottonische Reichspatron; in: Geschichte am Obermain, Bd. 7, Lichtenfels 1971-72; S.54f. Bühler behauptet jedoch, dass erst Heinrich IV. 1084 die Manschette anbringen ließ, vgl. A. Bühler, Die hl. Lanze, Ein Beitrag zur Geschichte der deutschens Reichskleinodien; in: Das Münster 16.1963, S.85-116.
  8. Adolf Hitler, Mein Kampf. Erster Band, Eine Abrechnung, S. 11.
  9. Otto Höfler, Das germanische Kontinuitätsproblem. (Schriften des Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschlands), Hamburg 1937.
  10. Alfred Thoss, Heinrich I. Der Gründer des Deutschen Volksreiches, 3. Auflage, Berlin 1943, S. 79.

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