Heinrich Anton Müller

Heinrich Anton Müller

Heinrich Anton Müller (* 22. Januar 1869(?) in Versailles(?); † 10. Mai 1930 in Münsingen (Bern)) war ein Schweizer Künstler. Er gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Art Brut.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Über das Datum und den Ort von Heinrich Anton Müllers Geburt gibt es keine einheitlichen Angaben. Nach manchen Autoren ist er 1865 in Boltigen geboren[1], nach anderen 1869 in Versailles[2]. Später zieht er nach Waadt und heiratet dort. Über die frühen Jahre seines Lebens ist nur wenig bekannt. Beruflich ist Müller im Weinbau tätig. In seiner Freizeit beschäftigt er sich mit dem Entwurf und Bau verschiedener Maschinen, welche die Arbeit des Rebbauers erleichtern sollen. Eine seiner Erfindungen wird 1903 mit einem Patent belegt. Ob diese Rebveredlungsmaschine jedoch tatsächlich gebaut wurde, ist nicht bekannt. Künstlerische Tätigkeiten oder Interessen sind aus der Zeit seiner Jugend nicht nachweisbar.

1906 wird Heinrich Anton Müller entmündigt und in die Irrenanstalt Münsingen eingeliefert, wo er bis zum Ende seines Lebens bleiben soll. Nach Angaben des Direktors der Pflegeanstalt, Dr. Rudolf Wyss waren bei ihm Symptome einer psychischen Störung bereits nach der Erfindung der Rebbaumaschine zu beobachten: Müller „vernachlässigt die Familie, arbeitet nicht mehr und irrt ziellos umher“[3]. Er wird von Wahnvorstellungen und megalomanen Anfällen heimgesucht, nennt sich „Papa Dieu“ und „L’Eternel“.

Erst nach einer längeren katatonischen Phase, die auf seine Hospitalisierung folgt, beginnt Müller 1914 künstlerisch zu arbeiten. In dieser ersten Schaffensperiode entstehen verschiedene kinetische Skulpturen aus Abfallmaterialien. Parallel dazu arbeitet Müller an einem perpetuum mobile. Oft zerstört er selbst sein Werk. Unmittelbar nachdem der Künstler 1917 einen Malkasten bekommt, beginnt er Bilder und Zeichnungen anzufertigen. 1923 hört er plötzlich ohne erkennbaren Grund mit sämtlichen künstlerischen Aktivitäten auf. Zwei Jahre später, nach einer schweren Krankheit greift er wieder zum Stift. In den letzten Jahren seines Lebens verschlechtert sich sein Zustand deutlich und er verbringt lange Zeit damit, eine von ihm aus Steinen und Erde gebaute Plastik durch ein papiernes Teleskop zu betrachten.

Heinrich Anton Müller stirbt 1930 in der Heilanstalt Münsingen.

Werke

In seinen plastischen Objekten benutzte Heinrich Anton Müller unterschiedliche Abfallmaterialien (altes Karton, Lumpen) sowie Steine, Erde und eigene Körpersekrete. Seine eigentümlichen Konstruktionen dienten keinem bestimmten Zweck: Sie erzeugten lediglich Bewegung. Das gesamte Maschinenwerk ist heute nicht mehr erhalten. Geblieben sind wenige Fotos und eine Beschreibung im Rahmen der Krankheitsgeschichte.

Das erhaltene bildnerische Werk besteht aus ca. 45 Arbeiten. Auch hier benutzte Müller altes Karton als Malunterlage. In seinen Bildern treten oft Menschen, Tiere und Pflanzen neben anthropomorphen Lebewesen auf.

Rezeption

Zusammen mit Adolf Wölfli und Aloïse gehört Heinrich Anton Müller zu den bekanntesten Vertretern der Art Brut.

Erstmals erschienen Werke des Künstlers in Hans Prinzhorns „Bildnerei der Geisteskranken“. Es folgten Ausstellungen unter der Leitung von Jean Dubuffet (1949, Paris), Pontus Hultén und Harald Szeemann. Letzterer stellte 1972 Müller bei der documenta 5 in Kassel vor. Künstler wie Jean Tinguely und Daniel Spoerri interessierten sich lebhaft für das plastische Schaffen und die Person Müllers.

Die Motive der Zeichnungen und Bilder des Künstlers werden oft als Ausdruck der Verbindung zwischen Mensch und Natur und der Gestaltwandlung, der beide unterliegen, interpretiert. Die Benutzung von Abfallmaterialien sowie die „ziellose“ Tätigkeit der Maschinen werden als Aufwertung des Nutzlosen gesehen, ein Aspekt der in Zusammenhang mit der Reflexion des Künstlers über seine eigene marginale gesellschaftliche Position gebracht wird.

Literatur

  • Kurzmeyer, Roman (Hg.): Heinrich Anton Müller (1869-1930): Katalog der Maschinen, Zeichnungen und Schriften, Stroemfeld Verlag, Basel und Frankfurt am Main, 1994. ISBN 3-87877-484-2
  • Presler, Gerd: L’art brut. Kunst zwischen Genialität und Wahnsinn, DuMont, Köln, 1981. ISBN 3-7701-1307-1
  • Szeemann, Harald (Hg.): Visionäre Schweiz, Verlag Sauerländer, Aarau, 1991. ISBN 3-7941-3437-0

Anmerkungen

  1. Szeemann, Harald: Visionäre Schweiz, Verlag Sauerländer, Aarau, 1991. S. 75.
  2. Kurzmeyer, Roman (Hg.): Heinrich Anton Müller (1869-1930): Erfinder, Landarbeiter, Künstler. Katalog Bawag Foundation, Wien 2000.
  3. Zitiert nach Szeemann, S. 75.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Heinrich Müller — ist der Name folgender Personen: Heinrich Müller (Theologe) (1631–1675), deutscher Theologe in Rostock Heinrich Müller (1759–1814), deutscher Theologe Heinrich Müller (1819–1890), deutscher Architekt in Bremen Heinrich Müller (Anatom) (1820–1864) …   Deutsch Wikipedia

  • Müller (Familienname) — Bekannte Namensträger: A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z Müller ist mit seinen Varianten …   Deutsch Wikipedia

  • Heinrich von Lüttwitz — Naissance 6 décembre 1896 Krumpach, Province de Silésie Décès 9 octobre 1969 (à 72 ans) Neuberg Allégeance …   Wikipédia en Français

  • Heinrich von Vietinghoff — Born 6 December 1887(1887 12 06) …   Wikipedia

  • Heinrich Voigtsberger — Naissance 10 février 1903 Untermhaus Décès 17 mars 1959 (à 56 ans) Wittlich Allégeance Republique de Weimar …   Wikipédia en Français

  • Heinrich Müller (* 1909) — Heinrich Wudi Müller (* 13. Mai 1909) war ein österreichischer Fußballspieler und trainer. Inhaltsverzeichnis 1 Der Spieler 2 Der Trainer 3 Trainerstationen 4 Erfolge …   Deutsch Wikipedia

  • Heinrich Müller (Fußballspieler) — Heinrich Wudi Müller (* 13. Mai 1909) war ein österreichischer Fußballspieler und trainer. Inhaltsverzeichnis 1 Der Spieler 2 Der Trainer 3 Trainerstationen 4 Erfolge …   Deutsch Wikipedia

  • Heinrich Füger — Heinrich Friedrich Füger, Schabkunstblatt von Kininger nach einem Selbstporträt Heinrich Friedrich Füger (* 8. Dezember 1751 in Heilbronn; † 5. November 1818 in Wien) war einer der bekanntesten und einflussreichsten deutschen Maler des… …   Deutsch Wikipedia

  • Heinrich von Schullern zu Schrattenhofen — Heinrich von Schullern (1935) Heinrich Anton Johann Wolfgang Paul Ritter von Schullern zu Schrattenhofen (Pseudonym Paul Ebenberg; * 17. April 1865 in Innsbruck; † 16. Dezember 1955 in Innsbruck) war ein österreichischer Schriftsteller und… …   Deutsch Wikipedia

  • Heinrich Müller (Fußballspieler, 1909) — Heinrich „Wudi“ Müller (* 13. Mai 1909; † 5. April 2000) war ein österreichischer Fußballspieler und trainer. Inhaltsverzeichnis 1 Der Spieler 2 Der Trainer 3 Trainerstationen …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”