Heinrich Kreipe

Heinrich Kreipe

Karl Heinrich Georg Ferdinand Kreipe (* 5. Juni 1895 in Niederspier (jetzt Ortsteil von Großenehrich im Kyffhäuserkreis); † 14. Juni 1976 in Northeim oder Hannover) war ein deutscher Offizier, zuletzt Generalmajor der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kreipe war das 13. von 15 Kindern des evangelischen Pastors Friedrich Kreipe und seiner Ehefrau Maria (geb. Pfannschmidt). Er besuchte das Gymnasium in Sondershausen.

Kreipe trat wenige Tage nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs am 11. August 1914 ins Heer ein. Im Verlauf des Krieges wurde er unter anderem bei Verdun eingesetzt. Er diente zuletzt als Leutnant im Reserve-Infanterie-Regiment 237. Auch in der Weimarer Republik blieb er als Offizier in verschiedenen Truppenverwendungen bei der Infanterie, unter anderem als Lehrer an der Kriegsschule Hannover. Am 1. Oktober 1938 wurde er zum Oberstleutnant befördert. Ab dem 26. August 1939 war er Kommandeur des Infanterie-Regiments 909.

Zweiter Weltkrieg

Im Zweiten Weltkrieg war Kreipe an der Belagerung von Leningrad beteiligt. Er wurde am 1. Oktober 1941 zum Oberst befördert und am 13. Oktober 1941 mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet. Vom 10. Juni bis zum 24. Oktober 1943 kommandierte er die 79. Infanterie-Division an der Ostfront. Am 1. September 1943 wurde er zum Generalmajor ernannt. Am 15. Februar 1944 wurde er Kommandeur der 22. Infanterie-Division auf Kreta (Griechenland).

Entführung

Wagen vom selben Typ wie der entführte, ausgestellt im Museum für Kretische Geschichte und Tradition Archanes

Am Abend des 26. April 1944 wurde er in einer spektakulären Aktion von Patrick Leigh Fermor und William Moss im Auftrag der britischen Special Operations Executive (SOE) und kretischen Andarten (Andartis (griechisch Αντάρτης, „Partisan“, „Widerstandskämpfer“) bei Archanes entführt. Über Kairo und London wurde er zunächst ins Gefangenenlager Trent Park in England gebracht, wo er sich vom 25. Mai bis zum 23. August aufhielt. Dann wurde er nach Kanada verbracht und im Oktober 1947 aus der Kriegsgefangenschaft nach Deutschland entlassen. Zweck der Entführung Kreipes war der Versuch, die Kampfmoral und das Durchhaltevermögen der Kreter zu stärken und die Kampfmoral der Wehrmacht zu schwächen. Ferner wurde auf einen Prestigegewinn für die Alliierten gesetzt.

Am Tag der Entführung verließ Kreipe nach Einbruch der Dunkelheit sein Dienstquartier in Ano Archanes, um zu seiner Wohnung in Knossos zu gelangen („Villa Ariadne“, auch als Evans-Villa bekannt). An der Auffahrt von Archanes auf die Straße Richtung Knossos und Iraklio wurde er an einem – vermeintlich deutschen – Kontrollpunkt gestoppt und samt seinem Fahrer schnell überwältigt. Der Fahrer, ein 30-jähriger Unteroffizier aus Bremen, wurde von Kreipe getrennt und später ermordet, als die Entführer fürchteten, er könnte anrückende deutsche Soldaten auf sich aufmerksam machen.

Kreipe wurde von seinen Entführern mit seinem Dienstwagen über Iraklio in die Nähe von Anogia, von dort zu Fuß und streckenweise mit Maultier über das Ida-Gebirge in den Süden der Insel verbracht. Dort wurden die Entführer und Kreipe bei Rodakino von einem britischen Motorboot abgeholt. Der Marsch durch Kreta dauerte bis zum 15. Mai, technische Probleme beim Funkkontakt mit Kairo und Suchaktionen der deutschen Besatzungstruppen zwangen zu ungewollten Umwegen und Pausen.

Um die kretische Zivilbevölkerung vor Vergeltungsmaßnahmen zu schützen, sollte die deutsche Wehrmacht getäuscht werden und glauben, dass ausschließlich britische und reguläre griechische Soldaten an der Entführung beteiligt waren. Diese Täuschung gelang nicht. Die Wehrmacht machte dennoch die kretische Bevölkerung mitverantwortlich, da die benutzten Wege und Verstecke ohne die Kreter nicht hätten benutzt werden können.

Mehrere Dörfer wurden von den deutschen Besatzern in „Sühnemaßnahmen“ geplündert und zerstört und zahlreiche Einwohner ermordet. Hans Prescher nennt sechs Dörfer mit 176 Ermordeten.

Ursprünglich sollte General Friedrich-Wilhelm Müller (Kreipes Vorgänger als Kommandeur der 22. Infanterie-Division auf Kreta) entführt werden, denn er war für mehrere bereits begangene Kriegsverbrechen der Wehrmacht gegen die Zivilbevölkerung auf Kreta (unter anderem Zerstörung mehrerer Dörfer bei Viannos) verantwortlich. Überraschend war er allerdings abberufen und durch Kreipe ersetzt worden.

Straße bei Archanes, an der Kreipe entführt wurde. Das Denkmal von Tsombanakis symbolisiert die gebrochene Macht der Achsenmächte

Nach Kreipes Entführung wurde Müller wieder nach Kreta zurück beordert und zum Kommandanten der „Festung Kreta“ ernannt. Kommandeur der 22. Infanterie-Division wurde Generalleutnant Helmut Friebe. Müller setzte sein brutales Vorgehen fort und wurde wie Bruno Bräuer wegen seiner Kriegsverbrechen 1947 hingerichtet.

Nachkriegszeit

Nach der Freilassung aus der Kriegsgefangenschaft kehrte Kreipe nach Deutschland zurück. Er lebte bis zu seinem Tod mit seiner Frau Ilse, geb. Behrens, zurückgezogen in Hannover. In Hannover-Ricklingen liegt er begraben.

Kreipe äußerte sich öffentlich nicht zu den Ereignissen auf Kreta. Allerdings traf er sich im Mai 1972 in Athen für eine Fernsehsendung mit seinen früheren Entführern[1].

Am Ort der Entführung bei Kato Archanes steht heute ein Denkmal des kretischen Künstlers Manolis Tsombanakis. Jedes Jahr am 20. Mai werden dort Kränze niedergelegt für die von den Deutschen „zur Strafe für die Hilfe bei Kreipes Entführung“ ermordeten Kreter.

Bewertung durch Vorgesetzte und Briten

Vorgesetzte beurteilten Kreipe als starke, energische Persönlichkeit von festem Charakter. Die Haltung Kreipes zum Nationalsozialismus findet, anders als bei anderen Soldaten, in seinen Beurteilungen keine Erwähnung. Mitarbeiter des Geheimdienstes CSDIC in Trent Park hielten Kreipe für einen unwichtigen und einfallslosen Gegner des NS-Regimes mit schwachem Charakter.

Auszeichnungen

Literatur

  • Eberhard Fohrer: „Kreta“ Reiseführer. 16. überarbeitete und aktualisierte Auflage. Michael-Müller-Verlag, Erlangen 2006, ISBN 3-89953-303-8.
  • George Harokopos: Die Entführung von General Kreipe. Kouvidis Manouras, Iraklio 2002, ISBN 960-86883-4-5.
  • W. Stanley Moss: Ill met by moonlight. George G. Harrap & Co., London 1950, (Neudruck: Folio Society, London 2001; 1957 unter diesem Titel auch als Spielfilm verarbeitet).
  • Hans Prescher: General Kreipe wird entführt. Balistier, Mähringen 2007, ISBN 978-3-937108-11-7, (Sedones 9).
  • Sönke Neitzel: Abgehört. Deutsche Generäle in britischer Kriegsgefangenschaft 1942-1945. 2. Auflage, Propyläen, Berlin 2006, ISBN 978-3-549-07261-5.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ausschnitt aus der Sendung von 1972: http://www.youtube.com/watch?v=8zlUhJwddFU
  2. a b c Rangliste des Deutschen Reichsheeres, Mittler & Sohn Verlag, Berlin 1930, S.153
  3. Veit Scherzer: Die Ritterkreuzträger 1939-1945, Scherzers Militaer-Verlag, Ranis/Jena 2007, ISBN 978-3-938845-17-2, S.473

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