Heinz Heinrich Anton Wolf

Heinz Heinrich Anton Wolf

Heinz Heinrich Anton Wolf (* 3. März 1908 in Limburg; † 1. Oktober 1984 ebenda) war ein deutscher Politiker, im Nürnberger Prozess als Verteidiger tätig und zuletzt Oberstaatsanwalt in Frankfurt.

Inhaltsverzeichnis

Ausbildung, Beruf und Politik

Wolf besuchte das humanistische Gymnasium in Limburg, studierte von 1927 bis 1932 Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Frankfurt und war in Frankfurt Richter und auch Staatsanwalt. Als Staatsanwalt war Wolf auch in Limburg und Danzig tätig.[1] Mit Beginn seines Studiums wurde er aktiv bei der Frankfurter Burschenschaft Arminia. Am 1. Mai 1933 wurde er Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnummer 3.497884) [2]. 1935 war er Rechtsreferendar in Limburg und Kreisobmann des NS-Rechtswahrerbundes.[3] Nach dem Zweiten Staatsexamen 1936 trat er in den Staatsdienst ein. Von Dezember 1939 bis Juli 1944 war Wolf Staatsanwalt in Danzig, vertrat dort hin und wieder den Generalstaatsanwalt Kurt Bode, wirkte aber vor allem als Anklagevertreter vor dem Sondergericht Danzig und vor dem OLG-Senat Danzig des Dr. Beuermann.[4] Nach dem Krieg war Wolf in den Nürnberger Prozessen als Verteidiger tätig. Von 1944 bis 1951 war Wolf erster Staatsanwalt in Frankfurt am Main, 1952 kehrte er nach Limburg zurück und war dort bis 1957 Oberstaatsanwalt. 1957 bis 1962 war Wolf Oberstaatsanwalt in Frankfurt, von 1954 bis 1962 Erster bzw. stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Richterbundes, Landesverband Hessen, 1962 bis 1966 hessischer CDU-Landtagsabgeordneter, in dieser Zeit vom 1. Dezember 1962 bis zum 30. November 1964 Abgeordneter der CDU im Hessischen Landtag und justizpolitischer Sprecher. 1964 war er Mitglied der 4. Bundesversammlung. Vom 1. Juli 1964 bis 3. Februar 1975 war er Landrat im Landkreis Limburg, zuletzt im neu zusammengelegten Landkreis Limburg-Weilburg.[1] [3] 1964 Neueröffnung der Kreisberufsschule.[4] Wolf ist Ehrenbürger der Stadt Limburg und Namensgeber der dortigen Kreissporthalle.[3]

Erbgesundheitsgesetz

Die Haltung Wolfs gegenüber dem Erbgesundheitsgesetz vom 14.Juli 1933 geht aus seiner folgenden Veröffentlichung in einer Regionalzeitung hervor:[5]

... Das Erbgesundheitsgericht hat festgestellt, daß Bestand und Gesundheit des deutschen Volkes ein geschütztes Rechtsgut sind und durch die die Geburt erbkranker Kinder gefährdet werden. Es hat weiter festgestellt, daß diese Gefahr nicht abgewendet werden kann, wenn eugenische Schwangerschaftsunterbrechungen unterbleiben und daß das Leben eines erbkranken Kindes ein geringeres Rechtsgut ist als der Bestand und die Gesundheit des ganzen Volkes. Es ist daher zu dem Schluß gekommen:
„Es entspricht nicht dem in Deutschland geltenden Recht, daß die Erbkranke selbst und der sie behandelnde Arzt gegen den § 218 StGB verstoßen und sich strafbar machen, wenn die Schwangerschaft der Erbkranken hier unterbrochen wird.“
Mit anderen Worten: Das deutsche Recht ist nicht so unsinnig zu verlangen, daß die Schwangere gegen ihren Willen ein erbtaubstummes Kind und auch erblindetes Kind zur Welt bringt. Die Schwangerschaft kann daher ohne Bedenken unterbrochen werden.

Haltung in der Rassenfrage

Wolf kommentierte als Rechtsreferendar entsprechend der NS-Parteilinie zustimmend das Urteil eines Arbeitsgerichts, das die Widerrufsklage einer Jüdin zurückwies, welcher von ihrer „deutschen Firma“ - wie sie meinte - wegen ihrer „Rassenzugehörigkeit“ gekündigt worden war. Er veröffentlichte diesen Kommentar in der Lahnzeitung vom 29. Juli 1935 unter dem Titel „Die entlassene Jüdin“. Dabei kam er zu dem Schluss, dass eine solche Kündigung bereits aus wirtschaftlichen Gründen „niemals sittenwidrig“ sein könne. Dies begründete er mit dem Argument, dass mehrere Kunden nur deswegen der Firma den Rücken gekehrt hätten, weil sie noch diese Jüdin beschäftigt hätte. Außerdem bemängelte er in seinem Artikel, dass viele Richter sich in der „Judenfrage“ noch[3] [6]

von einer gewissen Humanitätsduselei leiten lassen und es noch nicht recht verstehen, der nationalsozialistischen Einstellung zur Rassenfrage bei der Urteilsfindung vollauf gerecht zu werden.“

Staatsanwalt in Danzig

Wolf war als Stellvertreter von Kurt Bode ebenso wie dieser für zahlreiche Blut- und Gesinnungstaten verantwortlich, die weitestgehend der politischen Justiz des NS-Regimes entsprachen. Auch nach dem Krieg unterstützte er als Staatsanwalt in Frankfurt / Main seinen ehemaligen Vorgesetzten Bode durch das Ausstellen eines Empfehlungsschreibens (bzw. eines sog. „Persilscheins“). Nach einer Ablehnung der Bewerbung Bodes bei der Landesregierung von Schleswig-Holstein im richterlichen, staatsanwaltschaftlichen oder im Strafvollzugs-Dienst, hatte dieser sich im Oktober 1950 erneut um eine Anstellung beworben. Wolf nannte seine Befürwortung Bodes sogar eine „Eidesstattliche Erklärung“. In Schleswig-Holstein konnten bis in die sechziger Jahre überproportional viele Funktionäre des NS-Regimes im Lande eine zweite Karriere beginnen. Es wurde daher auch von „Renazifizierung“ gesprochen.[4] In Danzig war Wolf u.a. als Ankläger beim Sondergericht tätig. Die Sondergerichte verhängten rund 11.000 Todesurteile.[2] Sie gelten als „rechtsstaatswidrige staatliche Terrorinstrumente zur Durchsetzung der NS-Gewaltherrschaft“.[7]

Nürnberger Prozess

Wolf verteidigte im Nürnberger Prozess den NS-Repräsentanten Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, den wichtigsten Rüstungslieferanten des nationalsozialistischen deutschen Reichs.[4]

Oberstaatsanwalt in Frankfurt

In den Medien wird seit Jahren berichtet, daß Wolf im Mordfall von Rosemarie Nitribitt eine undurchsichtige Rolle deshalb gespielt habe, weil er unklare Kontakte zu dem von der Polizei vernommenen Harald von Bohlen und Halbach unterhielt.[4] [8]

Kontroverse Beurteilung

Mit dem Landrat des Landkreises Limburg-Weilburg Dr. Fluck wurden ab Ende 2000 zwei Gespräche über die kontroverse Beurteilung der Ehrenbürgerschaft von Wolf geführt. Dabei wurde in Aussicht gestellt, dass im kommenden Jahrbuch des Kreises eine Biografie von Heinz Wolf erscheinen soll, die auch die Brüche seines Lebenslaufs benennt. Zu diesen Gesprächen hatte der Verein zur Förderung der Gedenkstätte Hadamar zusammen mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit angeregt.[9] Aus der Übersicht der Jahrbuch-Veröffentlichungen geht jedoch bis heute kein entsprechender Beitrag hervor.[10]

Auszeichnungen

Quellen

  • Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft
  • Lengemann: Hessenparlament, Seite 438

Einzelnachweise

  1. a b Lengmann, Jochen: Das Hessen-Parlament. Seite 438
  2. a b Klausch, Hans-Peter: Braunes Erbe – NS-Vergangenheit hessischer Landtagsabgeordneter der 1.–11. Wahlperiode (1946–1987). Herausgegeben von der Fraktion Die Linke im Hessischen Landtag. Wiesbaden 2011; Seiten 10, 21. (Download, PDF, 4,02 MB).
  3. a b c d Morlang, Adolf / Klaus-Peter Hartmann: Boykottiert – Emigriert – Deportiert – Liquidiert. Quellen zur Geschichte der Juden im Raum Diez während des Nationalsozialismus. Hrsg.: Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Limburg. Aaartal Druck und Verlag GmbH, Diez, 1. Auflage Januar 1999, ISBN 3-922181-20-1; (a) zu Stw. „Rechtsreferendar und Kreisobmann“: Seite 130; (b) zu Stw. „Oberstaatsanwalt, hess. CDU-Landtagsabgeordneter und Landrat“: Seite 130; (c) zu Stw. „Ehrenbürger und baulicher Namensgeber“: Seite 130; (d) zu Stw. „Die entlassene Jüdin“: Seite 34
  4. a b c d e Schenk, Dieter: Die Post von Danzig. Geschichte eines deutschen Justizmords. Mit einem Vorwort von Horst Ehmke, als Forschungsprojekt von der Philipps-Universität Marburg unterstützt. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 11995, ISBN 3-498-06288-3, Rezension; Seite 218 f.
  5. Die Lahnzeitung. Beilage: Das deutsche Recht. 9. Juli 1935, archiviert in der Hessischen Landesbibliothek Wiesbaden
  6. Die Lahnzeitung. Beilage: Das deutsche Recht. 29. Juli 1935, archiviert in der Hessischen Landesbibliothek Wiesbaden
  7. Benz, Wolfgang & Hermann Graml, Hermann Weiß (Hg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus. 2. Aufl., München 1998, Seite 736.
  8. HR Sendung von Helga Dierichs vom 26. November 2007 und vom 7. März 2011, Bertramstr. 8, Ffm: Die großen Kriminalfälle - Rosemarie Nitribit online
  9. Archiv des Vereins zur Förderung der Gedenkstätte Hadamar, Protokoll vom 25. Oktober 2001, Verein zur Förderung der Gedenkstätte Hadamar
  10. Landkreis Limburg-Weilburg: Jahrbuch-Inhaltsverzeichnis 1979-81 und 1991-2010

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