Henochisch

Henochisch
Henochisch
Projektautor Dr. John Dee
Jahr der Veröffentlichung 1583
Linguistische
Klassifikation

Henochisch, oder die henochische Sprache ist eine magische Sprache.[1]Sie entstand ab dem 10. März 1582 in London/Mortlake durch Kristallomantie. Der Mathematiker, Geograph und Entwickler von Navigationsinstrumenten John Dee (1527–1608), der damals noch als Hofastrologe und Berater der englischen Königin Elisabeth I. tätig war, notierte sie genau nach dem Diktat des Mediums Edward Kelley (1555–1597)[Anm. 1], solange es sich in Trance befand. Laut Kelley sollte diese Sprache der Kommunikation Gottes mit seinen Engeln dienen. Kelley und Dee wollen sie von Engeln empfangen haben. Sie verfügt über ein individuelles Alphabet, Wortschatz und Grammatik.

Seit dem Hermetischen Orden der Goldenen Dämmerung ab 1887 fand das henochische System Einzug in den Fundus magischer Praktiken.

Henochisches Alphabet

Inhaltsverzeichnis

Ursprung

Von 1581 bis 1587 führte John Dee eine Reihe von magischen Operationen aus, deren Ziel es war, von den Engeln Gottes die Weisheiten zu erlangen, von denen er glaubte, sie seien mit den biblischen Patriarchen verlorengegangen. Im März 1582 lernte er Edward Kelley kennen, seinen einzigen Gehilfen bei diesem Vorhaben. Kelley war Rechtsgelehrter von zweifelhaftem Ruf, da er, bevor er Dee kennen lernte, wegen Betruges verurteilt worden war. Die Strafe für sein Vergehen war der Verlust der Ohren, welche ihm nach dem Prozess abgeschnitten wurden.

Während der Sitzungen schaute Kelley in eine Kristallkugel und verfiel in Trance. Diese Kristallkugel, in den Manuskripten als Schaustein bezeichnet, lag auf dem Sigillum Dei Aemeth, welches in der Mitte der Tabula Sancta platziert war. Nach den vorbereitenden Gebeten, welche häufig über eine Stunde in Anspruch nahmen, stieg den Schilderungen Kelleys zufolge ein Licht aus dem Kristall und schwebte zu Edward Kelley, welcher darauf hin begann die Nachrichten der Engel zu übermitteln. John Dee hatte vor sich mehrere Tafeln, bestehend aus 49 mal 49 Feldern, in denen einzelne Buchstaben angeordnet waren. Kelley sah in dem Kristall einen Engel, der ihm identische Tafeln zeigte und auf diesen auf die Felder deutete, um einzelne Buchstaben zu übermitteln. Die henochischen Rufe wurden auf diese Weise in langen Sitzungen übermittelt, allerdings diktierte der Engel sie rückwärts, um diese Rufe nicht schon während der Sitzungen zur Wirkung zu bringen. Die ersten vier Rufe wurden zusammen mit ihren Übersetzungen diktiert, die Rufe fünf bis achtzehn wurden danach diktiert, ihre Übersetzungen wurden von den Engeln erst einige Wochen später diktiert. In der Zeit zwischen der Übermittlung der letzten zwölf Rufe und deren Übersetzungen wurden die Namen der 91 „Teile der Erde“ und deren Bezüge zu Regionen der Erde übermittelt, sowie die vier Tafeln der Elemente. Als letztes wurde der Ruf der Æthyre übermittelt, daraufhin dessen Übersetzung und die Namen der 30 Æthyre.

Die henochische Sprache war gemäß Dee die Sprache der Engel und bis dahin unbekannt. Henoch war ein biblischer Patriarch, der verschiedenen Berichten zufolge großes Wissen direkt aus göttlicher Quelle erhielt und in den Himmel entrückt wurde, ähnlich Elija. So wurde sein Wissen nahezu gleichwertig mit dem Adams betrachtet (vor dessen Vertreibung aus dem Paradies). Der Name Henoch war in den Köpfen der Gelehrten der damaligen Gesellschaft ein Synonym für großes okkultes Wissen. Da Henoch mit den Engeln kommunizierte und sprach, so wie auch Dee selbst dies vorgab, wurde das Henochische System bekannt unter dem Namen des als Vorbild dienenden Propheten, anstatt unter dem Namen des Menschen der es aufzeichnete.

Das Henochische System

Bestandteile

Mit der henochischen Sprache zusammen werden eine Reihe von Diagrammen, Symbolen und Tafeln genutzt. Ein spezielles Diagramm stellt dabei das Sigillum Dei Æmeth dar, welches in seiner besonderen Komplexität mehrere Tafeln und Symbole kombiniert. Die Tafeln umfassen eine große Sammlung verschiedener Tabellen, gefüllt mit Zahlen, Symbolen und hauptsächlich Buchstaben, wobei einige Tabellen in ihren Zellen auch Kombinationen zeigen.

Die Tabula Sancta

3D-Rekonstruktion der Tabula Sancta mit Sigillum Dei Æmeth und dem „Schaustein“

Für ihre Arbeiten nutzten Edward Kelley und John Dee einen „magischen Apparat“, welcher aus einer ganzen Reihe von Tafeln und Symbolen bestand. Diese Ansammlung von Symbolen wird als Tabula Sancta bezeichnet, als „Heiliger Tisch“. Der Tisch steht auf vier Füßen, welche auf je einem in eine Wachsplatte gezogenen Siegel ruhen. Zwei dieser Siegel befinden sich noch immer in der Sammlung des Britischen Museums.

Die quadratische Platte des Tisches ist umrandet von 23 mit einzelnen henochischen Buchstaben gefüllten Quadraten, wobei die Eckfelder jeweils den Buchstaben „B“ enthalten. Die davon eingegrenzte Fläche enthält ein Hexagramm, dessen nur gleichschenklige Dreiecke sich nicht ideal überlagern, wodurch der Raum im Zentrum in die Länge gezogen ist. In diesem Hexagramm befindet sich eine Tafel aus liegenden Rechtecken, welche drei Felder breit und vier Felder hoch ist. Um diese zentrale Tafel sind sieben überwiegend quadratische Tafeln angeordnet, welche den klassischen sieben Planeten zugeordnet sind. Die oberste Tafel ist dem Mond zugewiesen, entgegen dem Uhrzeigersinn folgen darauf Merkur, Venus (mit einer Runden Tafel), Sonne, Mars, Jupiter und Saturn (ebenfalls mit einer Runden Tafel). Aus der Tafel, welche der Sonne zugeschrieben wird, ist das henochische Siegel des Elementes Wasser abgeleitet worden.

Die Elementartafeln

Vier dieser Tafeln werden den vier Elementen zugewiesen, die sogenannten Wachtürme. Zu diesen Elementartafeln gehören dem Henochischen eigene Siegel für die vier klassischen Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Diese Tafeln messen jeweils zwölf Quadrate in der Breite und dreizehn Quadrate in der Höhe. Zusammen mit einer fünften Tafel von fünf mal vier Feldern, der dem Geist zugeschriebenen Tafel der Vereinigung, sollen diese fünf Tafeln die Welt darstellen.

Die vier Elementartafeln sind in sich unterteilt in jeweils vier Winkel. Diese „Kleinen Ecken“ sind wiederum den vier Elementen zugewiesen. Die vier Kleinen Ecken ein jeder Elementartafel werden durch drei Linien getrennt: die von oben oder unten gezählte siebte Zeile wird „Linea Spiritus Sancti“ genannt, die siebte Spalte von rechts wird „Linea Dei Patris“ genannt, die siebte Spalte von links wird „Linea Dei Filius“ genannt. Die beiden letztgenannten werden auch als „Linea Dei Patris Filiique“ zusammengefasst.

Die vier Wachtürme und die Tafel der Vereinigung enthalten jedoch keine Worte in henochischer Sprache, sondern sollen durch ihren inneren Aufbau die göttliche Hierarchie in den vier Aspekten der Welt darstellen. Sie werden unterteilt in verschiedene Klassen von Namen, welche als Geister, Engel, Senioren, Prinzen und Könige bezeichnete Wesen beschreiben, die auf teils komplexe Weise aus den Tafeln gewonnen werden können. Die Anzahl der Buchstaben eines solchen Namens, sowie die Herkunftstafel der Buchstaben, weisen auf den Stand in der Hierarchie hin.

In den Kleinen Ecken der Elementartafeln finden sich jeweils sechzehn sogenannte „Dienende Felder“, über die in jeder Ecke vier „Cherubische Felder“ gesetzt sind. Aus diesen Feldern ergeben sich jeweils sechzehn Engel und vier „Cherubim“ pro Kleiner Ecke. Durch Kombination mit bestimmten Buchstaben von der Tafel der Vereinigung ergeben sich die Namen von Erzengeln bzw. Erzcherubim.

In allen Elementartafeln werden den Wesen der Kleinen Ecken dieselben grundlegenden Eigenschaften oder Zuständigkeiten zugeschrieben. John Dee beschreibt diese Zuständigkeiten wie folgt:

  • In den Kleinen Luftecken wissen die Cherubim um die Verbindungen der Natur und deren Zerstörung, ebenso um die vergehenden Dinge, die Dienenden Engel hüten das Wissen um die Heilkünste und wie Krankheiten und jegliche Beschädigung des Körpers zu beheben sind.
  • In den Kleinen Wasserecken wissen die Cherubim um Bewegung von Ort zu Ort, die Dienenden Engel hüten das Wissen über das Auffinden und Verwenden von Metallen, sowie die Zusammensetzung und Bedeutung von Steinen.
  • In den Kleinen Erdecken wissen die Cherubim um jegliche mechanische Kraft, die Dienenden Engel hüten das Wissen um Veränderung und Verpflanzung.
  • In den Kleinen Feuerecken wissen die Cherubim um die Geheimnisse des menschlichen Lebens, die Dienenden Engel hüten das Wissen um die elementaren Kreaturen, ihre Arten und deren Anzahl, und wie sie in den vier Elementen platziert sind.

Die henochischen Rufe

Es finden sich neunzehn Texte in der henochischen Sprache, welche auf John Dee zurückgehen. Diese werden als henochische Rufe oder Schlüssel bezeichnet. Im Hermetischen Orden der Goldenen Dämmerung wurden diese Rufe systematisiert und zur Arbeit mit den henochischen Tafeln verwendet.

Zuordnungen der Rufe zu den Tafeln

Auf die Nummerierung von John Dee bezogen ordnete der Golden Dawn die henochischen Schlüssel den Elementen bzw. den Bereichen der Schöpfung wie folgt zu:

  • Die Tafel der Vereinigung wird durch den ersten Ruf geöffnet, der zweite Schlüssel führt zur Manifestation der Kräfte. Die elementaren Bestandteile in dieser Tafel werden durch die Rufe drei (Luft), vier (Wasser), fünf (Erde) und sechs (Feuer) angesprochen.
  • Die der Luft zugewiesene Tafel wird durch den dritten Ruf geöffnet, die enthaltenen Unterelemente werden durch den siebten Ruf (Wasser der Luft), den achten Ruf (Erde der Luft) und den neunten Ruf (Feuer der Luft) angesprochen.
  • Die dem Wasser zugewiesene Tafel wird durch den vierten Ruf geöffnet, die enthaltenen Unterelemente werden durch den zehnten Ruf (Luft des Wassers), den elften Ruf (Erde des Wassers) und den zwölften Ruf (Feuer des Wassers) angesprochen.
  • Die der Erde zugewiesene Tafel wird durch den fünften Ruf geöffnet, die enthaltenen Unterelemente werden durch den dreizehnten Ruf (Luft der Erde), den vierzehnten Ruf (Wasser der Erde) und den fünfzehnten Ruf (Feuer der Erde) angesprochen.
  • Die dem Feuer zugewiesene Tafel wird durch den sechsten Ruf geöffnet, die enthaltenen Unterelemente werden durch den sechzehnten Ruf (Luft des Feuers), den siebzehnten Ruf (Wasser des Feuers) und den achtzehnten Ruf (Erde des Feuers) angesprochen.
  • Der neunzehnte Ruf richtet sich an die 30 Aehtyre.

Da dem neunzehnten Ruf in seinen dreißig Varianten jeweils unterschiedliche Bedeutungen zugeschrieben werden, werden auch häufig insgesamt achtundvierzig Rufe gezählt. Dazu soll es noch einen neunundvierzigsten Ruf geben, welcher sich direkt auf Gott bezieht und nicht von Menschen verstanden werden soll.

Die Aethyre

Der Ruf der Aethyre ist der längste der henochischen Schlüssel und wird an einer Stelle um jeweils drei Buchstaben verändert, um den gewünschten Aethyr anzurufen. Über die Aethyre findet sich in Dees Aufzeichnungen nur spärliche Information, dem entsprechend unterschiedlich fallen die Ansätze aus, mit denen diese Aethyre bearbeitet und betrachtet werden. Dabei soll der dreißigste Aethyr am weitesten von Gott entfernt sein, der erste Aethyr ist ihm dann am nächsten. Gleichzeitig sollen sie mit den vier Wachtürmen und somit mit den vier Elementen verbunden sein. Den Aethyren stehen jeweils drei Gouverneure vor, dem Aethyr mit der Nummer 30 stehen ihrer vier vor. Von diesen Gouverneuren schrieb Dee, es würde jeder von ihnen über einen „Teil der Welt“ gebieten. Die Namen der Gouverneure sind in Form von Siegeln in den vier Wachtürmen und der Tafel der Vereinigung verborgen, ihre Namen bestehen aus jeweils sieben Buchstaben.

Beispiel zur Aussprache

Die Aussprache des Henochischen variiert abhängig von der Tradition, in der sie angewendet wird. John Dee schrieb in seinen Aufzeichnungen, die aneinander gereihten Konsonanten sollten durch davor gestellte Vokale aussprechbar gemacht werden. Eine Besonderheit des Henochischen ist die Aussprache des „Z" als „ZOD", in Anlehnung an das griechische „Zeta". Der Golden Dawn nutzte dazu ein von den hebräischen Buchstaben abgeleitetes kabbalistisches System. Es finden sich auch Ansätze, welche versuchen die Sprache so auszusprechen, wie sie geschrieben wird.

Die verbreiteten Übersetzungen der Texte basieren auf den Übersetzungen, welche John Dee und Edward Kelley mehrere Wochen nach den henochischen Texten von denselben Engeln übermittelt worden sein sollen. Aufgrund des geringen Umfangs der Texte und damit sowohl des bekannten Vokabulars, als auch der grammatikalischen Struktur der Sprache, ist eine wissenschaftliche Analyse der Sprache nur stark begrenzt möglich. Zumeist werden zu Versuchen einer Analyse mystische Interpretationen verwendet.

Textbeispiel: (Erster Ruf, erster Satz)

Ol sonf vorsag, goho iad balt, lonsh calz vonpho.

Aussprache: (Nach Golden Dawn)

Ol sonuf vaoresadji, goho IAD balata, elonusahe caelazod vaonupeho.

Übersetzung: (Nach John Dee und Edward Kelley)

I reign over ye, saith the God of Justice, in Power exalted above the Firmament of Wrath.

Ich regiere über euch, sagt der Gott der Gerechtigkeit, in Kraft erhoben über das Firmament des Zorns.

Übersicht

Primärquellen

In der folgenden Tabelle sind alle bekannten Manuskripte vollständig aufgeführt.

Abk. Titel Referenz Jahr Publikation Typ Periode
LM Liber Mysteriorum I–V & Appendix Sloane Ms. 3188 1581-1583 Peterson 2003 spirituelles Tagebuch 1-2
LL Liber Mysteriorum sextus et sanctus;[Anm. 2]

Liber Loagaeth[Anm. 3]

Sloane Ms. 3189 1583 - spirituelles Tagebuch 2
TFR A True and Faithful Relation (of What passed for many Years Between Dr. John Dee and some Spirits)[Anm. 4] Appendix Ms. XVLI,
part 1 & 2
1583-1587, 1607 Casaubon 1659 spirituelles Tagebuch 2-3
CA 48 Claves Angelicæ Sloane Ms. 3191 1584 Laycock 1994 spirituelles Tagebuch 3
LS Liber Scientiæ, Auxilii, et Victoriæ Terrestris Sloane Ms. 3191 1585 Sothis 1977 spirituelles Tagebuch 3
HM De Heptarchia Mystica Sloane Ms. 3191 1585 Turner 1986 Grimoire 1
TB Tabula bonorum angelorum invocationes Sloane Ms. 3191 1585 Turner 1989 Grimoire 1
FL Præfatio Latina in actionem Ashmole Ms. 1790 I 1586 Josten 1965 spirituelles Tagebuch 3
CHM Compendium Heptarchiæ Mysticæ Additional Ms. 36674 1588 - Grimoire 1
Drei Schaffensperioden
Die 3 Henochischen Perioden

Obwohl alle oben gelisteten Manuskripte im Allgemeinen als „henochisch" bezeichnet werden, lassen sich diese bei näherer Betrachtung in 3 Schaffensperioden differenzieren.[2] Dies dient nicht nur der thematischen Übersichtlichkeit, sondern hat auch schlicht mit der an den Tag gelegten Arbeitsweise zu tun: auf intensive Arbeitsphasen, in denen teilweise Marathonsitzungen im Akkord stattfanden, folgten Zeiträume ohne nennenswerte Aktivitäten.

  1. Heptarchische Mystik
  2. Loagaeth
  3. Henochisch
Ausklammerungen
  • Die in Liber Mysteriorum Primus enthaltene erste Sitzung „Actio Saulina"[3] fand noch mit Barnabas Saul als Medium statt. Sie gehört damit eigentlich nicht zum Henochischen im engeren Sinn. Sie beinhaltet aber eine gewisse Relevanz, da in dieser Sitzung vom Engel Annael ein neuer Seher für Dee prophezeit wurde, der später tatsächlich als Edward Kelley in Erscheinung trat.
  • Die am Ende der Kompilation A True and Faithful Relation (...) enthaltenen Aufzeichnungen aus dem Jahr 1607 fanden mit dem Medium Bartholomew Hickman statt. Sie stehen in keinem Zusammenhang mit dem Henochischen.
  • De Heptarchia Mystica, Tabula bonorum angelorum invocationes und Compendium Heptarchiæ Mysticæ sind drei Grimoires, die sich Dee zum persönlichen Gebrauch zusammenstellte. Sie enthalten kein neues henochisches Material, sondern sind aus den spirituellen Tagebüchern zusammengeschrieben, und allenfalls mit zusätzlichen Anmerkungen Dees versehen.

Henochische Genese

Hier findet sich die henochische Genese in ihrer chronologischer Abfolge dargestellt. Neben dem lateinischen Namen des Manuskripts steht der jeweils umfasste Zeitraum in Klammern angegeben. Die in einem kurzen Absatz beigefügte Inhaltsangabe kann aufgrund der Fülle des Materials nur unvollständig verbleiben. Exemplarisch werden jedoch einzelne interessante Begebenheiten herausgestellt und näher beleuchtet.

Liber Mysteriorum Primus (22. Dezember 1581 bis 15. März 1582)
Die ersten Arbeiten von John Dee sind in diesem Manuskript beschrieben.

Es enthält zunächst zwei Gebete, dazwischen eine kurze aber aufschlussreiche Notiz von Dee über die 4 Erzengel (Michael, Gabriel, Raphael, Uriel) und dem Engel Annael. Danach wird der Heilige Tisch beschrieben, auf dem das Sigillum Dei ruht. Außerdem der magische PELE-Wunderring mit dem bereits Salomon alle Mirakel, heiligen Werke und Wunder vollbrachte. In diesem Manuskript wird auch jenes mysteriöse Buch Soyga (Aldaraia Sive Soyga Vocor) mehrmals erwähnt, das Dee vergeblich zu entschlüsseln suchte.

Liber Mysteriorum Secundus (1?. März 1582[Anm. 5] bis 21. März 1582)
Die Beschreibung der Engel zur Konstruktion vom Sigillum Dei.

Das henochische Sigillum Dei Æmeth.

Liber Mysteriorum Tertius (28. April 1582 bis 4. Mai 1582)
Dieses Manuskript enthüllt die 7 Banner der Schöpfung, 7 komplexe Talismane, welche für den Heiligen Tisch bestimmt sind. Als nächstes folgt die Tafel der 49 guten Engeln, zuständig für alle konkret weltlichen Angelegenheiten. Zuletzt finden sich noch mehrere niedergeschriebene Visionen.
Liber Mysteriorum Quartus (15. November 1582 bis 21. November 1582)
Dieses Manuskript setzt die Darstellung der Heptarchia Mystica fort, die im vorhergehenden Buch begonnen wurde. Die Namen der 7 Könige, und ihre 7 Prinzen mit ihren 42 Ministern sind darin aufgeführt.

In der Sitzung vom 21. November 1582 erhält Dee von einem Engel einen neuen „Schaustein“:[Anm. 6][Anm. 7]

“[...] There is yet wanting a stone &c. One there is, most excellent, hid in the secret of the depth &c. In the uttermost part of the Roman Possession. [...] Glorie and honor be unto him, which rayneth for euer. Amen. [...] Lo, the mighty hand of God is uppon thee. Thow shalt haue it. Thow shalt haue it, Thow shalt haue it. Dost thow see, loke and styr not from thy place [...] It is sanctified, blessed, and dignifyed in the use of his Creatures. Thow shalt preuayle with it, with Kings. and with all Creatures of the world: Whose beauty (in vertue) shall be more worth then the Kingdomes of the earth. Loke, if thow see it: But styr not, for the Angel of his powre is present.”

„[...] Es fehlt noch ein Stein ... Es gibt einen, bestens beschaffen, versteckt im Geheimnis der Tiefe ... Im äußersten Teil der römischen Besitzung. [...] Gloria und Ehre sei mit ihm, der regiert für immer. Amen. [...] Sieh, die mächtige Hand Gottes ist über dir. Du sollst es haben. Du sollst es haben. Du sollst es haben. Siehst du es, sieh und bewege dich nicht von deinem Platz [...] Es ist geheiligt, gesegnet, und gewürdigt im Gebrauch seiner Kreaturen. Du mögest damit obsiegen, mit Königen. Und mit allen Kreaturen der Welt: deren Schönheit (in Tugend) mehr wert sind als alle Königreiche der Erde. Sieh, ob du es siehst: aber bewege dich nicht, da der Engel seiner Kraft anwesend ist.“

Hagonel: Sloane 3188 folio 59b

“EK loked toward my west wyndow, and saw there first uppon the matts by my bokes a thing, (to his thinking) as bigg as an egg: most bright, clere, and glorious: and an angel of the heyth of a little chylde holding up the same thing in his hand toward me: and that Angel had a fyrey sword in his hand [...] I went toward the place, which EK pointed to: and tyll I cam within two fote of it, I saw nothing: and then I saw like a shaddow on the grownd or matts hard by my bokes under the west wyndow. The shaddow was rowndysh, and less then the palm of my hand. I put my hand down uppon it, and I felt a thing cold and hard: which, (taking up, I) perceyued to be the stone before mentioned.”

„Edward Kelley sah zum westlichen Fenster, und sah dort zunächst auf den Einbänden meiner Bücher ein Ding, (seiner Ansicht nach) so groß wie ein Ei; sehr hell, klar und wunderbar; und ein Engel in der Größe eines kleinen Kindes hielt selbiges in seiner Hand mir entgegen; und dieser Engel hatte ein feuriges Schwert in seiner Hand [...] Ich ging zu dem Platz, den mir Edward Kelley deutete; und bevor ich zwei Fuß nahe war, sah ich gar nichts; und dann sah ich etwas wie einen Schatten auf dem Boden respektive den Einbänden meiner Bücher unter dem westlichen Fenster. Der Schatten war rundlich, und weniger als die Fläche meiner Hand. Ich bewegte meine Hand nach unten tastend darauf, und ich fühlte ein Ding kalt und hart; welches, beim aufheben, ich als den zuvor erwähnten Stein auffasste.“

John Dee: Sloane 3188 folio 59b

Siehe auch: John Dees Artefakte

Liber Mysteriorum Quintus (23. März 1583 bis 18. April 1583)
Die Enthüllung des Henochischen Alphabets und der Protohenochischen Tafeln, die im Loagaeth-Buch fortgesetzt werden.

Am 15. April 1583 berichtet Dee von einem magischen Unfall, der sich ereignete, als Kelley aus dem Liber Loagaeth rezitierte:

“As EK was writing the eightenth leaf which was of the spirites of the earth, [...] he red a parcell therof, playnely & alowde to him self, and thereuppon suddenly at his syde appeared three or fowre spirituall creatures like laboring men, having spades in theyr hands [...] and hastyly asked EK what he wold have, & wherfor he called them. He answered that he called them not. & they replyed, & sayed that he called them: Then I began to say, they lyed: for his intent was not to call them, but onely to read and repeat that which he had written: and that euery man who readeth a prayer to perceyue the sense thereof, prayeth not. No more, did he call them. And I bad them be packing out of the place: and thereuppon remoued from my desk (where I was ruling of paper for his writing) to the grene chayre which was by my Chymney: and presently he cryed out and sayd they had nipped him and broken his left arme by the wrest: and he shewed the bare arme and there appered both on the upper syde and lower side imprinted depe-in, two circles as broad as grotes thus: very red: And I seeing that, sowght for a stik, and in the meane while, they assalted him, and he rose, and cryed to me (saying) they come flying on me, they come; and he put the stole, which he sat on, betwene him and them. But still they cam gaping, or gyrning at him. Then I axed him where they were: and he poynted to the place: and then I toke the stik and cam to the place, and in the name of Jesus commaunded those Baggagis to avoyde and smitt a cross stroke at them: and presently they avoyded.”

„Als Edward Kelley gerade dabei war das 18. Blatt abzufassen, das von den Geistern der Erde handelt [...] las er ein Stück daraus laut & deutlich sich selbst vor, und daraufhin erschienen an seiner Seite plötzlich drei oder vier geisterhafte Kreaturen wie menschliche Arbeiter, die Spaten in ihren Händen trugen [...] und Kelley hastig fragten was er möchte, und weshalb er sie gerufen habe. Er antwortete er hätte sie nicht gerufen. Daraufhin sagten sie, er hätte sie gerufen; dann begann ich zu sagen, sie lügten; weil es nicht seine Absicht gewesen wäre sie zu rufen, sondern lediglich das von ihm Geschriebene zu lesen und wiederzugeben; und das jeder Mensch der ein Gebet vorlesen würde, um den Sinn darin zu ergründen, nicht beten würde. Umso weniger habe er sie gerufen. Und ich bat sie sich allesamt davonzumachen; und bewegte mich daraufhin von meinem Schreibtisch (wo ich das Papier für seine Schriftstücke aufbewahrte) zu dem grünen Sessel der beim Kamin stand; und da schrie er auf und sagte sie hätten ihn gekniffen und seinen linken Arm beim Gelenk gebrochen; und er zeigte den Arm unbedeckt und es erschienen darauf sowohl auf der oberen als auch der unteren Seite, tief eingedrückt, zwei Kreise so breit wie Groschen; sehr rot; und dies sehend, suchte ich nach einem Stock, und in der Zwischenzeit griffen sie ihn an, und er stand auf, und schrie zu mir (wörtlich): sie kommen auf mich zugeflogen, sie kommen; und er hielt den Stuhl, auf den er gesessen hatte, zwischen sich und ihnen. Aber noch immer kamen sie auf ihn gaffend, oder knurrend. Dann fragte ich ihn wo sie wären; und er zeigte auf einen Platz; und dann nahm ich den Stock und ging zu dem Platz, und im Namen Jesus befahl ich dieser Baggage zu verschwinden und schlug ein Kreuz auf sie; und daraufhin verschwanden sie.“

John Dee: Sloane 3188 folio 88b

Quinti Libri Mysteriorum Appendix (20. April 1583 bis 23. Mai 1583)
Hierin wird die Tabula Sancta genau beschrieben, außerdem der Character/Lamen of Dignification. Dee hat 28 Detailfragen vorbereitet, die sich im Laufe der Zeit angesammelt hatten, und nun vom Erzengel Uriel beantwortet werden.

Rezeption

Der Nachlass

Meric Casaubon

Nach Dees Ableben wurde seine Bibliothek an Robert Cotton verkauft, der auch einige von Dees magischen Gerätschaften erwarb. Die in der Bibliothek enthaltenen henochischen Tagebücher deckten den Zeitraum vom 28. Mai 1583 bis 2. April 1587 ab, sowie eine kurze Spanne im Jahr 1607. Cotton's Sohn übergab die Manuskripte später dem Gelehrten Meric Casaubon, der sie schließlich 1659 in einer von ihm editierten Kompilation unter dem Titel A True and Faithful Relation (of What passed for many Years Between Dr. John Dee and some Spirits) veröffentlichte.

Elias Ashmole

Die restlichen Aufzeichnungen über John Dees spiritistische Sitzungen waren eine Zeit lang verschollen, da Dee sie im Geheimfach einer Kiste versteckte. 1662 wurden sie durch einen Zufall wieder entdeckt, um 1672 in die Hände von Elias Ashmole zu gelangen. Nach Ashmoles Angabe war etwa die Hälfte der Unterlagen zerstört oder nicht mehr zu entziffern, die Aufzeichnungen über die Arbeiten von Dee in den Jahren von 1581 bis 1585 waren ihm und der Nachwelt jedoch erhalten geblieben:

“Be it remembered, That the 20th: of August 1672. I received by the hands of my Servant Samuell Story, a parcell of Doctor Dee's Manuscripts, all written with his owne hand; vizt: his Conference with Angells, which first began the 22d: of December anno 1581. And continued to the end of May anno 1583, where the printed Booke of the remaining Conferences (published by Doctor Cawsabon) begins, and are bound up in this Volume. [...] All which, were a few daies before delivered to my said Servant, for my perusall (I being then at Mr: William Lillies house at Hersham in Surrey) by my good friend Mr: Thomas Wale, one of him Majesties Warders in the Tower of London. The 5th: of September following Mr: Wale (having heard of my retourne to Towne) came to my Office in the Excise Office in Broadstreete, and told me he was content to exchange all the aforesaid Books, for one of myne, vizt: The Institution Lawes & Ceremonies of the most Noble Order of the Garter, to this I agreed, and provided one, which I sent him fairely bound, and gilt on the Back. On the 10th: of the said September Mr: Wale came thither to me againe, and brought his wife with him, from her I received the following account of the preservation of these Bookes, even till they came to my hands, vzit: That her former Husband was one Mr: Jones a Confectioner, who formerly Dwelt at the Plow in Lumbardstreet London, and who, shortly after they were married, tooke her with him into Adle Streete among the Joyners, to buy soem Houshold stuff, where (at the Corner house) they saw a Chest of Cedar wood about a yard and an halfe long, whose Lock and Hinges, being of extraordinary neate worke, invited them to buy it. The Master of the shop told them it had been parcell of the Goods of one Mr: John Woodall Chirurgeon (father to Mr: Thomas Woodall late Serjant Chirurgeon to his now Majestie King Charles the Second (my intimate friend) and tis very probable he bought it after Doctor Dee's death, when his goods were exposed to Sales. Twenty yeares after this (and about 4 yeares before the fatall Fire of London) she and her good husband occasionally removing this Chest out of its usuall place, thought they heard some loose thing ratle in it, toward the right hand end, under the Box or Till thereof, and by shaking it, were fully satisfied it was so: Hereupon her Husband thrust a piece of Iron into a small Crevice at the bottom of the Chest, and thereupon appeared a private drawer, which being drawn out, therein were found divers Bookes in Manuscript, and Papers, together with a little Box, and therein a Chaplet of Olive Beades, and a Cross of the same wood, hanging at the end of them. They made no great matter of these Bookes, etc. because they understood them not; which occasioned their Servant Maide to wast about one halfe of them under Pyes, and other like uses, which when discovered, they kept the rest more safe. About two yeares after the discovery of these Bookes, Mr. Jones died; and when the fire of London hapned, thought the Chest perished in the Flames, because not easily to be removed, yet the Bookes were taken out and carried with the rest of Mrs: Jones her goods into Moorefields, and being brought safely back, she took care to preserve them; and after marrying with the aforesaid Mr: Wale, he came to the knowledge of them, and there upon, with her concent, sent them to me, as I have before set downe.”

„Sei daran erinnert, dass ich am 20. August 1672 durch die Hände meines Dieners Samuell Story ein Paket von Doktor Dees Manuskripten erhielt, alle in seiner eigenen Handschrift; z.B.: seine Konferenzen mit Engeln, welche zuerst begannen am 22. Dezember 1581. Und weitergingen bis Ende Mai 1583, woran das gedruckte Buch von den übrigen Konferenzen (veröffentlicht durch Doktor Casaubon) beginnt, und in diesem Band zusammengefasst sind. All dies, wurde ein paar Tage zuvor an meinen genannten Diener geliefert, für mich zur Einsichtnahme (ich befand mich gerade im Hause von William Lillies bei Hersam in Surrey), durch meinen guten Freund Thomas Wale, einem der Wächter seiner Majestät im Tower von London. Am 5. September kam Herr Wale anschließend (als er von meiner Rückkehr in die Stadt hörte) in mein Büro im Steueramt in der Broadstreet, und sagte mir er wäre einverstanden die vorgenannten Bücher einzutauschen für eines meiner, nämlich: The Institution Lawes & Ceremonies of the most Noble Order of the Garter, und dem stimmte ich zu, und lieferte eines, welches ich ihm ordentlich gebunden sendete, mit Goldbuchstaben am Buchrücken. Am 10. des genannten Septembers kam Hr. Wale wieder dahin, und brachte seine Frau mit ihm, von ihr erhielt ich folgenden Bericht über den Weg den diese Bücher genommen hatten, bevor sie in meine Hände gelangten, nämlich: das ihr voriger Eheman ein gewisser Hr. Jones Konditor war, der zuvor am Acker in Lubardstreet London wohnte, und welcher, kurz nach ihrer Heirat, sie mitnahm in die Adle Street zu den Schreinern, um einiges an Haushaltswaren zu kaufen, wo sie (am Eckhaus) eine Truhe aus Zedernholz etwa eineinhalb Yard lang, deren Schloss und Scharnieren mit aussergewöhnlich eleganter Verarbeitung, sie zum Kauf einlud. Der Geschäftsinhaber sagte ihnen, es wäre ein Teil von den Waren eines gewissen John Woodall, Wundarzt (Vater von Thomas Woodall, später dienender Wundarzt zu seiner jetzigen Majestät König Karl II. (mein vertraulicher Freund) und dies kaufte er sehr wahrscheinlich nach Doktor Dee's Tod, als seine Hinterlassenschaften zum Verkauf standen. 20 Jahre danach (und etwa 4 Jahre vor dem fatalen Feuer von London) dachten sie und ihr Ehemann, beim gelegentlichen Bewegen der Truhe von ihrem üblichen Platz, sie hätten ein loses klappern darin gehört, rechterhand zum Ende hin, unter der Kiste oder Kassette davon, und nachdem sie es schüttelten, waren sie vollends davon überzeugt, das es so war: hierauf schob ihr Ehemann ein Stück aus Eisen in eine kleine Spalte am Boden der Truhe, und daraufhin erschien eine verstecke Privatlade, welche herausgezogen wurde, und darin befanden sich diverse Bücher in Manuskriptform, und Papiere, zusammen mit einer kleinen Box, darin ein Kranz aus Olivenkernen, mit einem Kreuz aus demselben Holz am Ende desselbigen hängend. Sie machten keine große Sache aus diesen Büchern, usw. weil sie sie nicht verstehen konnten; was ihrem Dienstmädchen Gelegenheit dazu gab, etwa die Hälfte davon zu verschwenden unter Torten, und ähnliche andere Verwendungszwecke, was als es entdeckt wurde dazu führte, das sie den Rest sicherer aufbewahrten. Etwa 2 Jahre nach der Entdeckung dieser Bücher starb Mr. Jones; und als das Feuer von London passierte, ging die Kiste in den Flammen verloren, da sie nicht leicht bewegt werden konnte, jedoch die Bücher waren herausgenommen worden und weggebracht mit dem Rest von Frau Jones ihren Gütern nach Moorefields, und sicher zurückgebracht worden, gab sie darauf acht sie zu erhalten; und nach der Heirat mit Mr. Wale, kam er zu dem Wissen über diese Bücher und daraufhin, mit ihrer Zustimmung, sendete er sie mir, wie ich bereits zuvor darlegte.“

Elias Ashmole: Sloane 3188 folio 2a-3a

Die Sammlung von Elias Ashmole ging in den Besitz des Britischen Museums über.

Sloane Mss. 3624-3628

Die Sloane Manuskripte 3624–3628[4] (5 Bände) beinhalten die Aufzeichnungen ausgiebiger Operationen mit dem Henochischen System, während 17 Jahre, von 1671 bis 1688. Drei Magier und ein Medium invozierten praktisch jeden Engel und jede Entität in Verbindung mit dem Henochischen System. Über diese Journale ist bislang wenig bekannt.

Manche Gelehrte glauben, Elias Ashmole und William Lilly seien zwei der drei involvierten Magier gewesen. Nachforschungen in Ashmoles Tagebüchern lieferten jedoch keinen Hinweis, der auf eine Teilnahme seinerseits schließen lässt.[2]

Ordensarbeiten

Golden Dawn

Ende des 19. Jahrhunderts erlangte ein Teil von John Dees Aufzeichnungen die Aufmerksamkeit der Gründer des Hermetischen Orden der Goldenen Dämmerung, welche das System als magisch verstanden und ein Einweihungssystem darum konzipierten. Die Fragmente in henochischer Sprache wurden als Formeln zur Beschwörung interpretiert, und durch den Golden Dawn um Elemente aus der ägyptischen Mythologie bereichert.

Cipher Manuscript fol. 47

Henochisches Material findet sich bereits im Cipher Manuscript. So ist auf Blatt 47 in der Mitte der oberen Hälfte deutlich die henochische Tafel der Vereinigung (dort als „Union Tablet of the Elemental Tablets“ bezeichnet) zu sehen. Beim Cipher Manuscript handelt es sich um ein verschlüsseltes (es wurde ein Code-Alphabet aus dem Buch Polygraphiae des deutschen Abts Trithemius verwendet) und vermeintlich authentisches Manuskript, auf dem die gesamte Gründungslegende des Golden Dawn-Ordens basierte und seine tradierte Abstammung als echter Rosenkreuzer-Orden hergeleitet wurde.

Henochisches Schach

Eine weitere Besonderheit des Golden Dawn war der Gebrauch eines Schachspiels, welches auf den Elementartafeln des henochischen Systems aufbaute. Aus den vier Kleinen Ecken der Tafeln werden jeweils sechzehn Felder genommen (die sogenannten „Dienenden Felder“), um für jedes Element ein Spielfeld zu erhalten.

Das Spiel erinnert in seinen Regeln an die Vorläufer des Schach wie Chaturanga. Es wird von bis zu vier Spielern gespielt, jeder steht an einer Seite des Feldes und baut seine Figuren in einer der Ecken auf. Dabei gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, die Figuren zu Beginn einer Partie aufzustellen, abhängig von dem gewählten Spielfeld. Das Spiel und die Figuren orientieren sich in vielen Details an den Lehren des Golden Dawn, so ist jede Figur, einschließlich der Bauern, einem ägyptischen Gott zugeschrieben. Die Bauern entsprechen jedoch bei jeder Farbe denselben Gottheiten (Horussöhne) die Offiziere Läufer, Springer, Turm, Dame und König entsprechen bei jeder Farbe anderen Gottheiten.

Im Golden Dawn wurde diese Variante des Schach ritualisiert und für die Divination verwendet. William Butler Yeats beschreibt eine solche Arbeit in seinen Memoiren.

Die Organisationen, welche die Tradition des Golden Dawn weiterführen, sind sich uneins über den Stellenwert des Henochischen.

Astrum Argenteum

Die Arbeit mit den Aethyren wurde von Aleister Crowley in seinem Buch Liber CDXVIII: Die Vision Und Die Stimme beschrieben. Der von Crowley verfolgte Ansatz ist durch dieses Buch dokumentiert und wird vom größten Teil seiner Anhänger als maßgeblich angesehen. Es finden sich aber auch andere Arten der Arbeit mit diesen Konzepten.

Wachszylinder-Aufnahmen

Angeblich in den Jahren 1910-1914[Anm. 8] machte Aleister Crowley 15 Aufnahmen mit Edison-Wachswalzen, auf denen er unter anderem den ersten und den zweiten henochischen Ruf rezitierte. Diese sogenannten Wachszylinder-Aufnahmen wurden irgendwann im Laufe der Zeit auf 78rpm Dubplates (mit Azetat beschichtete Aluminiumplatten) überspielt[5], und 1986 in einer limitierten Auflage von Current 93 auf LP veröffentlicht[6]. Es folgten Veröffentlichungen auf CD von verschiedenen Labels. Die Qualität der Aufnahmen sind zwar dem Originaltonträger und Alter entsprechend, lassen aber Crowleys Aussprache dieser beiden henochischen Rufe erahnen.

Builders of the Adytum

Die Builders of the Adytum (BOTA) lehnen das vom Golden Dawn adaptierte henochische System kategorisch ab, und versuchen aktiv seine Verbreitung zu behindern.

Der Gründer der BOTA, Paul Foster Case, schrieb am 15. Jänner 1933 einen Brief an Israel Regardie.[7] Darin erläuterte er die unterschwelligen Gefahren, der im Golden Dawn praktizierten henochischen Magie. Er spricht dem Henochischen jegliche tragende Eigenschaft in den Golden Dawn-Ritualen ab. Alle diese Ordensrituale könnten genauso präzise ohne Henochisch durchgeführt werden, hierbei stützt er sich auf eigene Erfahrungen über einem Zeitraum von 7 Jahren. Case beschränkt sich aber nicht auf den zeremonialmagischen Aspekt des Henochischen im Golden Dawn. Vielmehr sieht er sich auf der sichereren Seite, alles Henochische, das ja einer als dubios verdächtigten Quelle entstamme[Anm. 9], aus seiner Magie rauszuhalten.

In einem weiteren Brief vom 10. August 1933 meldete Case bei Regardie unter anderem folgende Kritikpunkte an:[8]

  • dass es weitestgehend aus Kelley als Medium hervorging.
  • dass die Tafeln Teil eines Theaters sind, in dem Kelley Dee davon überzeugen wollte, sie wären die Strippenzieher eines neuen europäisch-politischen Ordens, der den damals regierenden Königreichen nachfolgen würde.
  • dass derselbe Engel, der die Tafeln diktierte auch verlangte, dass Kelley und Dee alles gemeinsam haben sollten, einschließlich ihrer Ehefrauen.
  • dass das gesamte Projekt zu demselben schmachvollen Ende kam, welches zu erwarten war bei menschlichen Bemühungen die auf Versprechungen von Geistern basierten.
  • dass es keinen triftigen Grund gibt, um anzunehmen das Kelley und Dee, oder ihre Unternehmung, geschweige denn ihre Magie, mit irgendetwas korrespondiert das mit Rosenkreuzertum zu tun hat.[Anm. 10]
  • dass ihm mehr als fünfundzwanzig Fälle persönlich bekannt wären, bei denen die Ausführung der magischen Operationen basierend auf den Ordens-Formeln zu ernstzunehmenden Zusammenbrüchen von Geist und Körper führten.

Seinen letzten Punkt weiter ausführend, zugleich argumentativ an seinen vorherigen Brief anknüpfend, bekundet Case seine Sorge über jene, die sich auf die Golden Dawn Ordens-Formeln verlassen, und durch die Anwendung der selbigen auf ihre eigenen Kosten lernen müssen – dann jedoch vielleicht zu spät –, dass es weitaus mehr in der Magie gibt als Ergebnisse zu erreichen. Case benennt hierbei Aleister Crowley als möglicherweise bekanntestes Beispiel der unglücklichen Konsequenzen derartiger magischen Operationen.

Order of the Cubic Stone

Ebenfalls unglücklich mit dem henochischen Golden Dawn-Material war der 1963[9] in Wolverhampton (England) von Theodore Howard, David Edwards und Robert Turner gegründete Order of the Cubic Stone (OCS) der sich in der Erforschung der henochischen Magie auf die Aufzeichnungen Dees beschränkte, da die Modifikationen durch den Golden Dawn den Mitgliedern des OCS zu ungenau erschienen. Der Orden wurde 1991 für „ruhend" erklärt, nachdem der Ordensleiter Robert Turner Opfer eines tätlichen Angriffs wurde. Es gab die offizielle Ordenspublikation The Monolith. Ansonsten arbeitete der Orden dezentral im ganzen Land und besaß auch kein zentrales Archiv.

Church of Satan

Der Begründer der Church of Satan (CoS), Anton Szandor LaVey, gebrauchte die henochischen Schlüssel in modifizierter Form in seiner Satanic Bible.[10] Dabei ging LaVey ziemlich inkonsequent vor: während er die englischen Übersetzungen kosmetisch und inhaltlich fast vollständig seinen Zwecken anpasste, beließ er die henochischen Schlüssel nahezu gänzlich im Original, änderte nur hier und da ein paar Worte.[11] Auf die komplexen Hintergründe verzichtete LaVey völlig, da die so entstellten henochischen Schlüssel in der Church of Satan nicht zu magischen Zwecken verwendet werden, sondern um einen befremdenden Effekt (Psychodrama) im Ritual zu erzeugen.

Zusammenfassung

Das Henochische System ist schwer vergleichbar mit den verschiedenen magischen Strömungen, damals wie heute. Eine einheitliche Interpretation der „henochischen" Aufzeichnungen Dees gibt es bislang nicht. Die Ansätze sind teilweise traditionalistisch, teilweise sehr individuell. Dementsprechend findet sich das Henochische auch in chaosmagischen Kreisen. Ein weiterer Ansatz wird als „Henochischer Schamanismus“ bezeichnet.

Einzelnachweise und Anmerkungen

Einzelnachweise
  1. Umberto Eco: Die Suche nach der vollkommenen Sprache, C.H.Beck 1994, S. 194f.
  2. a b Benjamin Rowe: Enochian Magick Reference, version 0.8 (21.11.03; Abgerufen: 01.07.2008)
  3. Joseph H. Peterson (Hrsg.): John Dee's Five Books of Mystery : Original Sourcebook of Enochian Magic. Weiser, Boston MA USA 2003, ISBN 1-57863-178-5 S. 61
  4. Sekhet-Maat Lodge: Library/Sloane Manuscripts (05.11.07; Abgerufen: 29.07.2008)
  5. Donald Tyson: Crowley's Recordings of the Enochian Keys (2001; Abgerufen: 29.02.2008)
  6. Discogs.com: Aleister Crowley - The Hastings Archive / The World As Power (Abgerufen: 29.02.2008)
  7. Paul Foster Case Resource Page: Letter from PFC to Israel Regardie, January, 1933 (9KB pdf, 15.01.1933; Abgerufen: 29.02.2008)
  8. Paul Foster Case Resource Page: Letter from PFC to Israel Regardie, August, 1933 (15KB pdf, 10.08.1933; Abgerufen: 29.02.2008)
  9. Robert Turner u.a.: The Monolith Vol. 2 No. 5 The Order of the Cubic Stone, Wolverhampton 1983.
  10. Anton Szandor LaVey: The Satanic Bible. Avon Books, New York 1969, ISBN 0-380-01539-0.
  11. LaVey, S. 157-272
Anmerkungen
  1. Handschriften Kelleys über Henochisch sind ebenfalls erhalten.
  2. Dieses Manuskript wurde hauptsächlich von Edward Kelley geschrieben; nur die Titel entstammen Dees Hand.
  3. Ob es richtig Loagaeth oder Logaeth heißt ist strittig; für beide Schreibweisen gibt es gute Argumente.
  4. Unter diesem Titel allgemein bekannt, aber die Originalmanuskripte tragen andere (lateinische) Titel.
  5. Die ersten zwei Seiten dieses Manuskripts sind zum Teil beschädigt, daher ist das genaue Anfangsdatum nicht bekannt.
  6. Von dieser Schilderung inspiriert veröffentlichte Gustav Meyrink 345 Jahre später den Roman Der Engel vom westlichen Fenster.
  7. Im Britischen Museum wird eine Kristallkugel (ø 6cm) ausgestellt, auf welche die angegebene Beschreibung zutrifft.
  8. Anderen Quellen zufolge wurden besagte Aufnahmen 1936-1942 im HMV-Tonstudio (in London) direkt auf Dubplates aufgezeichnet. Dies sei auf Anregung von Frieda Harris geschehen, und entsprechendes wäre in Crowleys Tagebüchern nachzulesen.
  9. Offenbar eine Anspielung auf Edward Kelley (alias Edward Talbot).
  10. Dies ist eigentlich nur in Hinblick auf die Fortführung der Golden Dawn-Tradition relevant.

Literatur

  • Crowley, Aleister (1993). Liber CDXVIII Die Vision & Die Stimme. Bergen: Kersken-Canbaz-Verlag. ISBN 3-8942-3004-5
  • Eschner, Michael (2000). Die Henochische Magie nach Dr. John Dee - Band 1. Bergen: Kersken-Canbaz-Verlag. ISBN 9783894231309
  • Laycock, Donald C. : The complete Enochian Dictionary, Samuel Weiser 1994.
  • Löffler, Ralf (1993). Henoch Jadnah Mad. Bergen: Kersken-Canbaz-Verlag. ISBN 3-8942-3081-9
  • Löffler, Ralf (2006). Henoch - Die Magie des Dr. John Dee. Anrufungen in der Engelssprache. Phänomen-Verlag ISBN 3-9333-2194-8
  • Regardie, Israel (1988). Das magische System des Golden Dawn Band III, S. 1255ff. Freiburg: Hermann Bauer Verlag. ISBN 3-7626-0507-6
  • Satyr (2002). The Black Lodge of Santa Cruz. Kaos-Babalon Press.

Weblinks

  • Golden Dawn: Henochische Magie [1]
  • Aufsteigender Adler: Henochischer Schamanismus [2]
  • John Dee Publication Project: Enochian Materials [3]
  • Hermetic Library: An Enochian Miscellany [4]
  • Benjamin Rowe: Enochian Magick Reference [5]
  • Wisdom's Door: Aethyrs [6]
  • Henochisch-Englisch Wörterbücher [7] und [8]
  • Digitale Scans der henochischen Manuskripte Dees [9]
  • Enochian Temple [10]

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