Henri Rousseau

Henri Rousseau
Selbstportrait, 1890, Nationalgalerie Prag

Henri Julien Félix Rousseau, genannt „Le Douanier“ (* 21. Mai 1844 in Laval (Mayenne), Frankreich; † 2. September 1910 in Paris, Frankreich) war ein autodidaktischer französischer Maler, dessen Stil dem Postimpressionismus und der Naiven Kunst zugeordnet wird. Er gilt als einer der Wegbereiter des Surrealismus.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Selbstporträt, 1902/03, Musée Picasso, Paris

Henri Rousseau wurde als Sohn des Klempnermeisters und Eisenwarenhändlers Julien Rousseau und seiner Frau Eleonore geboren. Früh schon begann er, sich für Dichtung und Musik zu interessieren. Nach der Schulzeit diente er als Klarinettist in einem Infanterieregiment. Nach dem Militärdienst gelang es ihm, beim Zoll angestellt zu werden. Daher sein Name „Le Douanier“ (der Zöllner).

Portrait de femme, um 1895, Musée Picasso, Paris. Picasso erwarb das Bild 1908 für fünf Franc. Der Kauf war der Anlass zu einem bekannten Bankett im Bateau-Lavoir, Paris, das Picasso zu Ehren Rousseaus gab.

1869 heiratete er die 18-jährige Schneiderin Clémence Boitard, mit der er neun Kinder hatte. Von diesen überlebte nur Tochter Julia den Vater. Rousseaus Enkelin Jeanne war später Klavierlehrerin in Cherbourg. Nach dem Tod seiner Frau Clémence im Jahre 1888 ließ sich Rousseau im Jahre 1893 frühpensionieren. Schon vorher aber hatte er zu malen begonnen.

Der erste, der die Bedeutung seiner Bilder erkannte, war der junge Alfred Jarry. Durch ihn lernte er Paul Gauguin kennen. In Gauguins Atelier traf er Mallarmé, Strindberg und Degas. Bald stellte er selbst im Salon des Indépendants aus.

Wichtig war die Freundschaft mit Guillaume Apollinaire, durch den er Beziehungen zur künstlerischen Avantgarde anknüpfen konnte. Rousseau gab inzwischen Geigenunterricht, um seine karge Rente aufzubessern. Er traf Delaunay, Pablo Picasso, Braque, Max Jacob, Vlaminck, Brâncuși, Marie Laurencin, Philippe Soupault und weitere.

Gelegentlich geriet Rousseau mit dem Gesetz in Konflikt. Als der Richter ihn wegen Scheckbetrugs zu zwei Jahren Gefängnis verurteilte, diese aber zur Bewährung aussetzte, versprach er dem Richter, das Porträt seiner Gattin zu malen.

Henri Rousseau starb am 2. September 1910 im Hospital Necker in Paris nach einer Blutvergiftung. Sieben Menschen waren bei seinem Begräbnis anwesend: die Maler Paul Signac und Ortiz de Zarate, Robert Delaunay und dessen Frau Sonja Terk, der rumänische Bildhauer Brâncuși, Rousseaus Hauswirt Armand Queval und der Schriftsteller Guillaume Apollinaire.

Apollinaire schrieb das Epitaph, dessen Zeilen Constantin Brâncuși in den Grabstein meißelte:

„Freundlicher Rousseau, du hörst uns.
Wir grüssen dich,
Delaunay, seine Frau, Monsieur Queval und ich.
Lass unsere Koffer zollfrei durch die Pforte des Himmels,
Wir bringen dir Pinsel, Farben und Leinwand,
Damit du malest in der geheiligten Muße des wahren Lichts
Wie einst mein Bildnis:
Das Angesicht der Sterne.“

Werk

Die Realität ist bei Rousseau nicht abbildhaft, sie ist vielmehr ein Traum. Die einzelnen Elemente seiner Bilder sind idealisiert und dennoch vereinfacht. Sie treten unverbunden und überraschend nebeneinander. Der Hintergrund ist genauso scharf gesehen und klar gezeichnet wie der Vordergrund. Die Figuren erscheinen in frontaler Sicht oder in strengem Profil. Rousseau liebte klare Konturen, harte Kontraste ohne Übergänge. Er verwendete leuchtende Kontaktfarben ohne Schatten, doch war seine Palette reich an farblichen Nuancen. In seinem Bild Der Traum (der Yadwiga) schimmert der Urwald in mehr als fünfzig Grüntönen.

Schließlich war noch ein anderer Moment der Farbgebung Rousseaus sowohl für die neusachliche wie für die surrealistische Malerei eines Magritte oder Tanguy wichtig: der sparsame, überlegte, beinahe anonyme Farbauftrag, der sorgfältig die Pinselspuren verbarg und keine Handschrift verriet. Jede Eitelkeit des Machens war Rousseau fremd. Es ging ihm nicht um die Herstellung malerischer Texturen, sondern um seine Gegenstände.

Rezeption

Der Traum, 1910, Museum of Modern Art, New York
Brücke in Sèvres, 1908, Eremitage, St. Petersburg

Apollinaire hat Henri Rousseau den „Uccello unseres Jahrhunderts“ genannt. Er sah in ihm den Primitiven eines neuen Zeitalters (der zu sein übrigens auch Cézanne für sich in Anspruch genommen hatte), in dessen Bildern mit ihren poetischen Chiffren zugleich naiv und in großer Klarheit viel von dem vorweggenommen schien, was Kunst der Moderne – wie sie sich rund um Apollinaire entfaltete – zu leisten aufgetragen war. Aus dem gleichen Grunde faszinierte er Kandinsky. Sein Aufsatz „Über die Formfrage“ im „Almanach des Blauen Reiters“ von 1912, mit nicht weniger als sieben Reproduktionen nach Bildern Rousseaus illustriert, enthält die oft aufgenommene Unterscheidung der „vom Geist aus den Vorratskammern der Materie herausgerissenen Verkörperungsformen“ nach zwei Polen hin, der großen Abstraktion und der großen Realistik. „Diese zwei Pole eröffnen zwei Wege, die schließlich zu einem Ziel führen.“ Während Kandinsky sich berufen fühlte, den ersten Weg einzuschlagen, sah er als seinen Widerpart Rousseau den Weg der neuen großen Realistik gehen, beide Revolutionäre am Anfang eines je neuen Weges.

Tristan Tzara huldigte in Rousseau einem Künstler, der nicht nur einen neuen Stil der Malerei, sondern auch einen eigenen Lebensstil begründet hatte. Die von dem in seiner Naivität unbeirrbaren und unverführbaren Rousseau gelebte Einheit von Kunst und Leben musste gerade den so wenig naiven Dadaisten beeindrucken.

Der Surrealist André Breton resümierte, „mit Rousseau könnten wir zum ersten Mal von ‚Magischem Realismus’ sprechen“.

Philippe Soupault schrieb 1927 eine Monografie über Rousseau, in dem er liebevoll von seinen Erlebnissen mit dem Douanier erzählt.

Lise und Oto Bihalji-Merin schreiben über ihn: „ Aus der Perspektive seiner weltuntauglichen Armut projizierte Rousseau kindliche Wachträume voller Schönheit und Ruhm. So bildhaft und intensiv empfand er seine Traumwelt, dass er im Zwielicht von Zuversicht und Ahnung die Grenzen des Wirklichen überschritt und selbst davon überzeugt war, dass ihn der Präsident der Republik zu einer Soirée eingeladen, der grobe Portier ihn jedoch seiner ärmlichen Kleidung wegen zurückgewiesen habe.“ Und Apollinaire: „Wenige Maler sind zu ihren Lebzeiten so verhöhnt worden wie der Zöllner, und wenige Menschen traten den Spöttereien, den Grobheiten, mit denen man ihn überschüttete, mit ruhigerer Stirn entgegen.“

Ausstellungen

Literatur

  • Emil Schwarz: Kunst ist die Kunst der Entscheidung, Hommage à Henri Rousseau. Eine dichterische Justierung mit dem Essay Der Garten der Sehnsucht. 144 Seiten, englische Broschur. NAP Verlag. Zürich 2010. ISBN 978-3-9523615-3-5
  • Lise und Oto Bihalji-Merin: Leben und Werk des Malers Henri Rousseau. Verlag der Kunst. Dresden 1971.
  • Jean Bouret: Henri Rousseau. Bruckmann. München 1963
  • Werner Helwig: Die Geheimnisse eines Zöllners. Henri Rousseau. Mohn. Gütersloh 1962
  • Henri Perruchot: Henri Rousseau. Eine Biographie. Bechtle. Esslingen 1959
  • Henri Rousseau: Die Gegenwart und das Vergangene. Gedichte und Gemälde. Brandstätter. Wien und München 1986 ISBN 3-85447-207-2
  • Werner Schmalenbach: Henri Rousseau. Träume vom Dschungel. Prestel. München 1998 ISBN 3-7913-1951-5
  • Wilhelm Uhde: Henri Rousseau. Rudolf Kaemmerer Verlag. Berlin und Dresden 1923

Weblinks

 Commons: Henri Rousseau – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

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