Herforder Münster

Herforder Münster
Herforder Münster

Das Herforder Münster ist die älteste und größte Kirche der Stadt Herford. Sie ist heute evangelisch-lutherische Pfarrkirche. Zusammen mit den beiden Innenstadtkirchen St. Johannis und St. Jakobi gehört sie innerhalb des Kirchenkreises Herford zur Kirchengemeinde Herford-Mitte.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Herforder Münster Südseite

Die evangelische Münsterkirche mit der benachbarten Wolderuskapelle war die Kirche des reichsunmittelbaren Frauenstifts Herford. Die spätromanische Hallenkirche wurde vermutlich 1220–1250 erbaut und ist der erste Großbau einer Hallenkirche in Deutschland und heute die größte Hallenkirche in Westfalen. 1270–1280 entstand als letzter Teil die Zweiturmfassade, von der allerdings nur der Südturm mit einer Höhe von 66 Metern fertig geworden ist.

Die Kirche wurde ursprünglich als Marienkirche erbaut. Nachdem bereits im Jahre 860 die Reliquien der heiligen Pusinna aus Frankreich nach Herford überführt worden waren und als wundertätig verehrt wurden, stand die Kirche unter einem Doppel-Patronat und trug den Namen St. Marien und Pusinna. Später wechselte der Schwerpunkt der Marien-Verehrung allmählich zur Stiftberger Marienkirche.

Herforder Münster, Grundriss

Seit der Säkularisierung befindet sich die Kirche im Besitz der Stadt Herford, die seitdem auch für den Unterhalt des Gebäudes aufkommen muss.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche von direkten Bombentreffern verschont und erlitt lediglich Luftdruckschäden, so dass der Schaden insgesamt eher gering blieb. 1981 wurde die Münsterkirche unter Denkmalschutz gestellt.[1]

Siebensonnenfenster

Siebensonnenfenster
Siebensonnenfenster Detail

Über der Tür an der Südseite der Kirche sind sieben vergoldete Sonnen angebracht. Dazu gibt es eine Legende: Als nämlich die Herforder Äbtissin um das Jahr 1000 anstelle der dort stehenden kleineren Stiftskirche eine größere Kirche bauen wollte, stellte sich heraus, dass der Boden zu sumpfig war. Die Äbtissin und die Nonnen flehten daraufhin die Jungfrau Maria um Hilfe an. Am anderen Morgen erschienen sieben Sonnen statt einer am Himmel. Sie trockneten in kurzer Zeit den Sumpf aus, so dass die Kirche gebaut werden konnte. Zum Andenken an dieses Wunder brachte man über der Tür die sieben vergoldeten Sonnenzeichen an. Ausgrabungen haben allerdings ergeben, dass der Baugrund nicht sumpfig war.

Es gibt noch eine andere Erklärung für das Sonnenzeichen. Danach soll da, wo heute die Kirche steht, ein Hof gewesen sein, der "Das Haus zu den sieben Sonnen" genannt wurde.

Möglicherweise handelt es sich aber auch um die Darstellung der Plejaden, eines uralten keltisch-germanischen Symbols, das auch auf der Himmelsscheibe von Nebra vorkommt. Das Auftauchen des Sternbilds der Plejaden am 10. März markiert das Ende der (nassen) Winterzeit und den Beginn der Ackerbestellung. An vielen Kirchen karolingischen und ottonischen Ursprungs finden sich Symbole, die einen Hinweis auf entsprechende vorchristliche Heiligtümer geben.

Innenraum

Südfenster

Im Inneren lässt sich an Stützen, Gewölben, Fenstern und vor allem an den Kapitellen ablesen, wie die stilistische Entwicklung während der Bauzeit fortgeschritten ist. Im Osten finden sich noch Kelchblockkapitelle romanischer Prägung. Im Langhaus und im südlichen Querschiff bestimmen kelchförmige Knospen- und Blattkapitelle das Bild. Vom gotischen Anbau zeugen auch einige besonders reiche Maßwerkfenster. Bedeutendstes Stück der Ausstattung ist der Taufstein aus dem Jahre 1500 mit Heiligenstatuetten und sehr lebendig gestalteten biblischen Szenen in den Reliefs. Er steht in einem kryptaähnlichen Raum, in den einige Stufen links vor dem Chorraum hinabführen.

Das Südfenster wurde 1953 von dem bekannten Marburger Glasmaler Erhardt Klonk (1898–1984) zum Thema des barmherzigen Samariters geschaffen.

In der Kirche befinden sich zwei Orgeln, auf denen häufig Orgelkonzerte, z. B. im Rahmen des Herforder Orgelsommers aufgeführt werden.

Frauenstift

Das ehemalige Frauenstift erstreckte sich vom Alten Markt über das Terrain des heutigen Rathauses bis zum Stephansplatz, wo heute nach intensiven Ausgrabungen rekonstruierte Grundmauern die Gebäude des Kreuzganges markieren. Auch die Wolderuskapelle steht auf diesem Gebiet. In der Kapelle liegt der Legende nach der Heilige Waltger (gestorben 825) begraben. Der schlichte Saalbau wurde 1735 errichtet dient seit 1962 der griechisch-orthodoxe Gemeinde als Nektarios-Kapelle.

Orgel

Im Münster befinden sich insgesamt 5 Orgeln: die Hauptorgel auf der Westempore, eine Schwalbennestorgel und drei Orgelpositive. Organist und Kantor ist seit 2002 Stefan Kagl.

Hauptorgel

Hauptorgel

Die Hauptorgel wurde in den Jahren 1949-1951 durch die Orgelbaufirma Förster & Nicolaus (Lich) mit elektro-pneumatischen Kegelladen unter Verwendung alten Pfeifenmaterials aus den Vorgänger-Instrumenten von Friedrich Meyer (Herford) und Ernst und Eduard Klassmeier (Kirchheide) erbaut und 1961 um ein zusätzliches Werk (Rückpositiv) auf einer elektrisch angesteuerten Schleiflade erweitert. Die Werkstatt Gustav Steinmann Orgelbau konzipierte 1992 das Brustschwellwerk durch die Einfügung neuer und den Ersatz alter Register völlig neu. 2006 wurde das Instrument umfassend überholt und um ein Solo-Werk, bestehend aus einer Hochdrucktuba (400 mm Winddruck) in 16'- 8' 4'-Lage nach dem Vorbild des englischen Orgelbauers Henry Willis erweitert. Die gesamte elektrische Ausstattung musste erneuert und die ursprünglichen Manualumfänge von f3
durch Hinzufügung zweier Töne bis g3 ausgebaut werden. Die Disposition der vorhandenen Werke konnte im Zuge einer Neuorganisation verändert und um einige Register erweitert werden. Das an der Südwand der Orgelbühne frei, ohne Prospekt aufgestellte Solowerk erstellte Siegfried Schmidt Orgelbau (Immenstadt). Alle übrigen Arbeiten stammen von den Orgelbauern Michael Jocher (Peiting) und Edouard. Das Instrument hat heute folgende Disposition:[2]

I Hauptwerk C–g3

Prinzipal 16’
Prinzipal 8’
Flûte harmonique 8’(a)
Rohrflöte 8’
Viola da Gamba 8’
Oktave 4’
Nachthorn 4’
Quinte 22/3
Oktave 2’
Cornet V 8’ (c)
Mixtur V-VI
Bombarde 16’ (a)
Trompette 8’ (a)
Clairon 4’ (a)
II Rückpositiv C–g3
Prinzipal 8’
Holzflöte 8’
Oktave 4’
Rohrflöte 4’
Gemshorn 2’
Nasat 11/3
Sesquialtera II 22/3
Scharf IV-VI
Krummhorn 8’
Schalmey 4’
Tremulant
III Récit C–g3
Bourdon 16’ (a)
Geigenprinzipal 8’ (b)
Koppelflöte 8’
Gamba 8’ (c)
Voix céleste 8’ (a)
Prinzipal 4’ (c)
Rohrflöte 4’
Nasat 22/3
Spitzflöte 2’
Terz 13/5
Mixtur IV (c)
Basson 16’
Trompette 8’
Hautbois 8’ (c)
Clairon 4’
Tremulant
IV Echo C–g3
Holzgedeckt 8’
Traversflöte 8’ (c)
Blockflöte 4’
Quinte 11/3
Sifflet 1’
Zimbel III
Vox humana 8’
Tremulant


IV Solo C–g3
Tuba magna 16’ (a)
Tuba mirabilis 8’ (a)
Tuba clairon 4’ (a)
Pedal C–f1
Bordun 32’ (Ext. Subb.)
Prinzipal 16’ (d f)
Subbaß 16’(d)
Quintbaß 102/3’ (e)
Oktave 8’ (d)
Gedackt 8’ (d)
Oktave 4’
Rohrgedackt 4’
Prinzipal 2’
Nachthorn 2’
Hintersatz IV
Bombarde 32’ (Ext. Pos.)
Posaune 16’ (d)
Dulzian 16’
Trompete 8’
Clarine 4’

(a) neue Register 2006, (b) aus Lagerbeständen, (c) Steinmann 1992, (d) Meyer 1869 (e) Meyer 1891, (f) Klassmeier 1920

  • Koppeln:
    • Normalkoppeln: II/I, III/I, IV/I, III/II, IV/III, I/P, II/P, III/P, IV/P
    • Superoktavkoppel: III/I
    • Suboktavkoppel: III/I
  • Spielhilfen: 4000facher Setzer, Sequenzer, frei einstellbare Walze, Zungen ab, Tutti

Schwalbennest-Orgel

Schwalbennestorgel

Die Schwalbennestorgel im Hochchor besteht teilweise aus Material einer Orgel aus dem Jahre 1756, die von Johann Andreas Zuberbier für die Pfarrkirche in Friedewalde gebaut worden war. Nach mehreren Umstrukturierungen gelangte das Instrument 1949 (samt historischem Prospekt) nach Herford und wurde 1953 von Paul Ott (Göttingen) erweitert und zu dem heutigen Instrument mit 21 Registern umgearbeitet. Sie hat nun folgende Disposition:[2]

I Hauptwerk C–

Rohrflöte 8’
Prinzipal 4’
Gedackt 4’
Nasat 22/3
Oktave 2’
Waldflöte 2’
Mixtur IV
Trompete 8’
II Brustwerk C–
Holzgedackt 8’
Blockflöte 4’
Prinzipal 2’
Terz 13/5
Quinte 11/3
Oktave 1’
Zimbel II
Regal 8’
Tremulant
Pedal C–
Subbaß 16’
Prinzipal 8’
Nachthorn 2’
Fagott 16’
Clarine 4’

Glocken

Die bienenkorbförmige Kalandsglocke stammt noch aus der Zeit um 1200.
Die klangvolle Gloriosa aus der Zeit um 1300 war bis zum Jahre 1956 die größte Glocke der Münsterkirche.

Im Turm hängen elf Glocken. Den Kernbestand des Geläuts bilden die drei Glocken Gloriosa, Benedicta (beide um 1300) und Marien- oder Predigtglocke (1444). Diese drei Glocken bilden das schwerste Geläut ihrer Zeit in Westfalen und sind wohl Rest eines sehr umfangreichen Geläuts. Besonders die beiden größeren Glocken sind beutsame Exemplare der gotischen Rippe aus dem 14. Jahrhundert.[3] Im Jahre 1956 goss die Glocken- und Kunstgießerei Rincker zwei neue Glocken hinzu, um die wertvollen alten zu entlasten. Im Zuge der Restaurierung der gesamten Glockenanlage, die auch die Aufschweißung der alten Glocken beinhaltete, wurden vier weitere Glocken in der Glockengießerei Bachert neugegossen. Mit der Einbeziehung der beiden Uhrschlagglocken des 12. und 15. Jahrhunderts, besteht das Münstergeläut aus elf Glocken und stellt eines der wertvollsten Großgeläute einer evangelischen Kirche in Deutschland dar.

Am Samstag um 19 Uhr wird der Sonntag eingeläutet, am Vorabend des 1. Advent, am Heiligabend und am Pfingstsonntag gibt es ein Stadtgeläut um 12 Uhr. Zum Hauptgottesdienst an Sonn- und Feiertagen wird um 09:50 Uhr mit einem Vorläuten begonnen. Das Vorläuten kennzeichnet Besonderheiten des Gottesdienstes. Vor gewöhnlichen Prediggottesdiensten läutet die Marienglocke, vor Sakramentsgottesdiensten die Benedicta und an Festtagen die Gloriosa. Nach drei Minuten unterbricht es für einen kurzen Moment und das Zusammenläuten beginnt für sieben Minuten. Dabei variieren die Größe oder die Anzahl der Glocken je nach Festlichkeitsgrad und Kirchenjahreszeit. Zum Betläuten erklingt die Krone-des-Lebens-Glocke jeweils um 8, 12 und 18 Uhr.

Nr.
 
Name
(Funktion)
Schlagton
(HT-1/16)
Gussjahr
 
Gießer
 
Masse
(kg)
Ø
(mm)
Glockenstuhl
 
1 Auferstehungsglocke (Totenglocke) c1 0–1– 1956 Glockengießerei Rincker 2.587 1.645 untere Glockenstube
2 Gloriosa (Festglocke) es1 +7– um 1300 unbekannt 2.430 1.477
3 Benedicta (Sakramentsglocke) e1 0–5 1.980 1.390
4 Marienglocke (Predigtglocke) f1 0–9 1444 1.130 1.263
5 Krone-des-Lebens-Glocke (Betglocke) as1 –3 1956 Glockengießerei Rincker 816 1.077
6 Liebe-Glocke b1 0–1 2001 Glockengießerei Bachert 687 961 obere Glockenstube
7 Taufglocke c2 0–1– 524 880
8 Kalandsglocke es2/e2 um 1200 unbekannt 250 704
9 Ave-Maria- oder Pusinnenglocke g2 0–1 15. Jh. 200 608
10 Sanctusglocke b2 0+2 2001 Glockengießerei Bachert 93 493
11 Lob-Gottes-Glocke c3 0–1 62 433

Siehe auch

Literatur

  • Ralf Dorn: Die Kirche des ehemaligen Damenstifts St. Marien und Pusinna in Herford. Architektur unter den Edelherren zur Lippe. Petersberg 2006.
  • Ralf Dorn: Bauen im Zeichen der Rose. Überlegungen zu einer dynastischen Baukunst unter den Edelherren zur Lippe. In: Jutta Prieur (Hrsg.): Lippe und Livland. Mittelalterliche Herrschaftsbildung im Zeichen der Rose. Bielefeld 2008, S. 125-146.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Liste der Baudenkmäler der Stadt Herford
  2. a b Zur Geschichte und Reorganisation der Münster-Orgel
  3. Claus Peter: Die Deutschen Glockenlandschaften. Westfalen. Deutscher Kunstverlag, München 1989, ISBN 3-422-06048-0, S. 40−41.
52.1156944444448.6711111111111

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