Hermann Röchling

Hermann Röchling

Hermann Röchling (* 12. November 1872 in Völklingen; † 24. August 1955 in Mannheim), Dr. iur. h.c., war ein deutscher Industrieller, Mitglied der NSDAP und Wehrwirtschaftsführer.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Röchling legte 1891 seine Reifeprüfung am Gymnasium zu Saarbrücken ab. Er studierte Rechtswissenschaft an der Ruprecht-Karls-Universität und wurde 1892 Mitglied des Corps Guestphalia Heidelberg.[1] 1898 übernahm Röchling von seinem Vater Carl (1827–1910) die Völklinger Hütte, deren französische Anteile nach dem Ersten Weltkrieg an Frankreich fielen.

Neben dem Wiederaufbau des alten Familienimperiums und der Gründung neuer Firmen widmete sich Röchling vor allem dem Verbleib des Saargebietes bei Deutschland. Dem Landesrat des Saargebietes gehörte er in allen vier Legislaturperioden (1922–1935) an; er war dort Vertreter der Liberalen Volkspartei (ab 1924: Deutsch-Saarländische Volkspartei). Nach dem Frankreichfeldzug musste Röchling vorläufig seinen Industriebesitz in Lothringen zurückgeben. 1935 übernahm Röchling einige Firmen in Mitteldeutschland.

Röchling und der Nationalsozialismus

Am 21. Juli 1933 intervenierte er bei Hitler für eine Annexion des Saarlands mit der Aussage, damit dies kein „jüdischer Nationalpark“ werde, und 1935 trat er in die NSDAP ein[2]. Zur Zeit von Nazi-Deutschland wurde auf die Initiative von Hermann Röchling hin die Deutsche Front (DF) gegründet, die für den Anschluss des Saargebiets an das Deutsche Reich eintrat.[3]. Der Quierschieder Bürgermeister Peter Schaub war von Röchling beauftragt, die Gegner des Anschlusses bei Veranstaltungen im Saarbrücker Johannishof mit einem versteckten Mikrofon auszuspionieren.[4] Der Johannishof wurde von Gerhard Graf, dem Vater von Willi Graf geleitet. Bereits zu dieser Zeit unterhielt Röchling enge Verbindungen zu den Nationalsozialisten.[5]

1935 trat Röchling dem Rüstungsbeirat des Reichswehrministerium bei, fungierte als Aufsichtsratsmitglied in zahlreichen Firmen der Montanindustrie. Aus diesem Grund wurde er bald darauf zum Wehrwirtschaftsführer und zum Leiter der „Bezirksgruppe Südwest der Wirtschaftsgruppe Eisenschaffende Industrie“ ernannt. Bis 1936 war er Senator der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, ferner war er Senator der Deutschen Akademie in München.

Zwischen Juli 1940 und Juni 1942 wurde Röchling zum Generalbevollmächtigten für die Eisen- und Stahlindustrie in Lothringen, Meurthe-et-Moselle und Longwy ernannt – in Rivalität zu Friedrich Flick, der ebenfalls auf die lothringische Stahlindustrie ein Auge geworfen hatte. Danach, ab Juni 1942, wurde Röchling Leiter der „Reichsvereinigung Eisen“ und mit dem Adlerschild des Deutschen Reiches[6] ausgezeichnet.

Röchling stand in einem engem Vertrauensverhältnis zu Hitler. Als Röchling am 18. Mai 1942 an einer Mittagstafel mit Hitler teilnahm, wurde er von Hitler als renommierter Gast und alter Bekannter aus der „Kampfzeit“ und als „eine in ihrer Zurückhaltung und Abgeklärtheit besonders eindrucksvolle Industriellenpersönlichkeit“ präsentiert.[7] Röchling schrieb für Hitler mehrere Denkschriften, so zum Beispiel am 17. August 1936 unter dem Titel: „Gedanken über die Vorbereitung zum Kriege und seine Durchführung“ in der er Hitler zum Krieg gegen die Sowjetunion aufforderte. Er schrieb:

„Immer drohender wird die Kriegsgefahr für das deutsche Volk. Im Osten steht Russland mit seiner kommunistischen Staatsauffassung und der Gottlosenlehre im schärfsten Gegensatz zum nationalsozialistischen Deutschland, das ihm den Weg zur Weltrevolution versperrt. […] Es ist nicht zu sehen, worin die Möglichkeit bestehen sollte, den Entscheidungskampf zwischen Bolschewismus und Nationalsozialismus zu vermeiden“[8]

Nach 1945

Nach dem Krieg konnte Röchling zunächst untertauchen, doch bereits im November 1946 wurde er verhaftet und im Mai 1947 an Frankreich ausgeliefert. Hermann Röchling, sein Neffe Ernst Röchling, sein Schwiegersohn Hans-Lothar von Gemmingen sowie die Direktoren Albert Maier und Wilhelm Rodenhauser wurden in Haft genommen. Die Anklage vor einem internationalen Militärgerichtshof in Rastatt lautete auf industrielle Ausbeutung der besetzen Gebiete, Erhöhung des Kriegspotentials des Deutschen Reichs und Einfluss auf die Verschleppung von Personen zur Zwangsarbeit. Daraufhin wurde er am 25. Januar 1949 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit von einem französischen Militärgericht in Rastatt zu zehn Jahren Haft verurteilt, die er teilweise in sogenannter Ehrenhaft im Freiburger Diakonissenheim in Freiburg bis zu seiner Entlassung am 18. August 1951 verbrachte[9]. Sein Verteidiger war Otto Kranzbühler.

Nachdem Röchling in Berufung ging, wurde die Strafe im Januar 1949 auf zehn Jahre erhöht. Am 18. August 1951 wurde er, mit der Auflage, das Saarland nie mehr zu betreten, freigelassen. Die Völklinger Hütte wurde unter französische Zwangsverwaltung gestellt. Er starb 1955 in Mannheim, ohne ins Saarland zurückgekehrt zu sein. Das Unternehmen wurde erst Ende 1956 nach Bemühungen von Wirtschaftsminister Norbert Brinkmann der Familie Röchling zurückgegeben. 1956 trat Dr. Ernst Röchling an die Spitze des Werkes in Völklingen, das bis dahin unter französischer Leitung war.

Erinnerung

Röchling stand nach 1914 stets im Spannungsfeld unvereinbarer deutscher und französischer Politik und war bereits zu Lebzeiten umstritten (als Kriegsverbrecher am 24. Dezember 1919 und erneut am 29. Januar 1949 jeweils zu zehn Jahren Haft verurteilt, andererseits mit Auszeichnungen geehrt). Nach seinem Tode bleibt die Erinnerung gespalten. Manche erinnern an die Kriegsverbrechen und die Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie, manche erinnern an den Patriarchen und Unternehmer in Friedenszeiten, der Sozialeinrichtungen für seine Arbeiter schuf. Trotz seiner Vergangenheit wurde 1956 ein Stadtteil von Völklingen nach ihm benannt, die Hermann-Röchling-Höhe, was zusammen mit dem Sachverhalt, dass er Ehrenbürger von Völklingen ist, 2000 in einem Fernsehmagazin der ARD scharf kritisiert wurde.[10]

Literatur

  • "Röchling, Hermann" In: Ernst Klee: Das Personenlexikon im Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945? S. 502. S. Fischer. Frankfurt 2003. ISBN 3-10-039309-0
  • Gerhard Seibold: Röchling. Kontinuität im Wandel. Jan Thorbecke, Stuttgart 2001. ISBN 3-7995-0101-0
  • Dietrich Eichholtz u. a. Hgg.: Anatomie des Krieges. Neue Dokumente... VEB Verlag der Wissenschaften, Berlin (Ost) 1969, passim (20 Seiten: Nennungen im Register)
  • Paul-Julien Doll: Beweisführung der Staatsanwaltschaft gegen die Leiter der Röchling'schen Firma, angeklagt des Verbrechens gegen den Frieden, der Kriegsverbrechen und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Generalgericht der Militärregierung für das französische Besatzungsgebiet, Rastatt 1948

Einzelnachweise

  1. Kösener Corpslisten 1930, 69, 861
  2. Klee: Personenlexikon Drittes Reich (siehe Literatur)
  3. http://www.seniorentreff.de/diskussion/archiv6/a1140.html
  4. Ruth Hanna Sachs: White Rose History. Exclamation! Publishers, 2003, ISBN 0-9710541-4-2, S. 25,36.[1]
  5. Ralf Banken: Der Nationalsozialismus in der Unternehmensgeschichte. Akkumulation 14:20 (2004), ISSN 14360047
  6. Wolfgang Steguweit: Der »Adlerschild des Deutschen Reiches« In: Berlinische Monatsschrift Heft 6/2000 , Geschichte und Geschichten (19 Träger 1922-1932, 38 x 1933-1944)
  7. Henry Picker: Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier 1941-1942, Stuttgart 1965, S. 353.
  8. Dietrich Eichholtz, Wolfgang Schumann u.a. (Hgg.): Anatomie des Krieges, Berlin 1969, S. 142 f.
  9. Klee: Personenlexikon Drittes Reich (siehe Literatur)
  10. Chris Humbs: Weltkulturerbe "Röchling-Völklingen" – Bleibt ein Kriegsverbrecher der Namenspatron? kontraste (21. September 2000); Saarbrücker Zeitung (27. Januar 2010): Er hat sich in den Dienst der Nazis gestellt (zuletzt geprüft am 9. Oktober 2011)

Weblinks


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